Alteriert, Grundakkord

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Hi,

In der Harmonielehre von Frank Sikora steht folgendes:

"Seid euch bei der 7. Ableitung von Melodisch Moll bewusst, dass eine Diskrepanz zwischen Skala und dazugehörigem Akkord vorliegt. Tatsache ist, dass sowohl -7(b5) als auch 7(b5) möglich wäre. Die Gewohnheit, in Terzschichtungen zu denken, führt eher zum halbvermindetern Akkord. In den USA wird MM-7 daher auch "Superlocrian" genannt (als Weiterführung von Lokrisch durch Erniedrigung der 4 zu b4=3). Es wäre aber höchst ungewöhnlich, bei einem Mollakkord gleichzeitig auch eine Durterz zu verwenden. Da die Skala eine große Terz enthält, wäre ein alterierter Septakkord mit b5=#11 ebenso möglich (was zwar nicht mehr einer Terzschichtung entspricht, dafür aber die Gleichzeitigkeit von b3/#9 und 3 erklärt). Fakt ist, dass MM-7 in der Praxis immer als Skala für einen Septakkord verwendet und Alteriert genannt wird."

Ich verstehe ab: "Es wäre aber höchst ungewöhnlich, bei einem Mollakkord gleichzeitig auch eine Durterz zu verwenden. [...]" nurnoch Bahnhof. Kann mir das einer mal erklären?

So wie ich das verstanden habe ist es so:
Im ersten Satz sagt er, dass er eher zum vermindetern Akkord tendiert, welcher ja ein Mollakkord ist.
Dann weist er darauf hin, dass in der MM7 auch eine Durterz vorkommmt.
Nun rate ich:
Er will nun einfach weil es eine Durterz gibt, diese auch in dem Akkord unterbringen. Dazu schreibt er das das aber höchst ungewöhnlich wäre das zu tun.
Nun sagt er die Skala hat eine Große Terz. Damit meint er doch die Terz zum Grundton richtig?
Mein er mit einem alterierten Septakkord nun einen Durakkord mit b5 bzw. #11? Dieser würde mit b5 keiner Terzschichtung mehr entsprechen. Wenn ich ihn aber nur mit #11 erweitere hätte ich ja die Quinte als Skafremden Ton... :S. Mit b5 würde es also passen, aber inwiefern erklärt dass die Gleichzeitgkeit von b3 und 3?!?

Bin für jeden Tipp dankbar!

Mit freundlichen Grüßen Nickel

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liegt das einfach daran, dass man die #11 mit ner #9 auffüllt? Wenn ja wie sind denn da dann die Regeln? Warum fülle ich nicht mit den 9 auf?
 
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Du liest es irgendwie verkehrt herum. ;)

Stufenakkorde werden der Regel entsprechend in Terzschichtung gebildet.

Bei MM7 würde man nach dieser Regel folgende Intervalle erhalten:

1 b9 b3 b11 b5 b13 b7

Die Terzschichtung ergäbe mit 1 b3 b5 b7 einen halbverminderer Akkord.

Nun kommt aber eben auch eine b11 vor ... und das ist eine enharmonisch verwechselte 3, also eine Dur-Terz. Wenn man sich die Skala anhört dann merkt man schnell, dass die b11 (=3) den Sound der Skala viel mehr dominiert als die b3, weshalb sich eingebürgert hat die b11 anstelle der b3 als Akkordton zu nutzen. Die Intervalle der Skala werden dann enharmonisch umgedeutet:

1 b9 #9 3 #11 b13 b7

Man kann sich nun streiten ob es eine #11 oder b5 ist. Da man hier sowieso Intervalle umdeutet, macht es eigentlich keinen Unterschied. Auch ob man nun die b5(=#11) oder b13(=#5) als Akkordton benutzt ist letztlich Geschmackssache oder ergibt sich aus der Stimmführung wenn der Akkord im Zusammenhang einer Kadenz auftritt.

Das "amtliche" Voicing für eine alterierte Dominante, bzw was man landläufig unter "Alteriertes Voicing" versteht ist: 1 3 #5 b7 #9

Dazu ist die Alterierte Skala, also MM7 das Skalenklischee.

Alteriert ist ein Phänomen, das man vom praktischen Standpunkt betachten sollte. Die Herleitung über Melodisch Moll ist in der Praxis nicht hilfreich. Vielmehr sollte man einen Dominant-Sound denken bei dem sowohl Quinte und None jeweils hoch und tief alteriert werden.


P.S.: Vorsicht ist übrigens beim Begriff "Alteriert" geboten! Manchmal meint man konkret die alterierte Skala und den zugehörigen Akkord. Manchmal meint man aber auch nur einzelne Töne die um einen Halbton verschoben werden.
 
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Wenn ja wie sind denn da dann die Regeln?
Die erste Regel für Jazzer lautet: das Ohr entscheidet! :D
Jazz ist halt kein Spielen nach Zahlen und Sikora zwar eine Art Standardwerk, aber nicht gerade das zugänglichste Grundlagenbuch für Jazz-Harmonik.

Für die Anwendung könntest Du als erste Alteration bei Dominant 7 Akkorden die b9 dazu nehmen.
Mit Alteration meine ich die chromatische Erhöhrung oder Erniedrigung eines Tons.
Dier Alterrierte Skale zeichnet sich dadruch aus, dass jeder Ton alteriert wurde, für den das möglich ist.

Gibt es eine Auflösungstendenz der Akkordfolge, das ist für das Ohr jede Grundtonfolge im "fallenden Quint"-Abstand, z.B. D7-Gxx, Eb7-Abxx usw., dann lassen sich je nach gewünschter für eine gute Linie oder ein gutes Voicing andere Töne alterieren, z.B. #9, #11, #5.

Willst Du viel Chromatik über einen Dominant 7 Akkord bietet sich auch die Diminished Scale an. Ein Nachteil ist ihre Symmetrie, bei zu häufiger Verwendung klingt sie stereotyp.

Band 3 von Jamey Aebersold hat dazu bewährte Übungen über II-V Verbindungen in Dur und Moll. Es lohnt sich, die zu singen, dann spielen sowie schließlich in einigen Tonaten abrufen und schließlich variieren zu können.
So zeigt Übung/Exercise 14 eine einfache Anwendung der Bebop-Scale, Ex. 15 die Diminished Scale, Ex. 16 die b9, Ex. 17 den Einsatz eines einfachen Chromatic Approach zur Durterz auf der Zählzeit 3, Ex. 18 die #5 und b9, da auf volle Zählzeiten gespielt, Ex. 19 Double Approach usw.
 
Zuletzt bearbeitet:
Lieber Chaos.Klaus,

eigentlich solltest Du auch ein Buch schreiben (und das meine ich durchaus ernst). Deine Erklärung ist sehr klar und gut formuliert. Leider konnte ich nicht zu jedem theoretischen Detail so ausführlich Stellung nehmen (sonst wäre das Buch doppelt so dick geworden :). Danke also für den Nachtrag.

FrankS
 
Lieber Frank,

danke für die Blumen. :)

Eigentlich steht in deiner Neuen Jazz-Harmonielehre doch alles gut formuliert drin. Man muss sich eben immer den Bezug zur Praxis bewusst machen, worauf du ja aber regelmäßig hingewiesen hast. Tatsächlich finde ich das Buch sehr gut strukturiert, praxisnah und leicht verständlich - ohne dabei unzulässige Vereinfachungen vorzunehmen.

Bevor ich Musiker wurde war ich Naturwissenschaftler. Deshalb werde ich immer Wahnsinnig wenn jemand einen Sachverhalt um der Anschaulichkeit willen so weit vereinfacht, dass am Ende beim Rezipienten mehr falsche als richtige Eindrücke zurückbleiben. Dein Buch macht es anders. Für mich ist es deshalb die beste Jazz-Harmonielehre.

Ich denke bevor ich ein Buch schreiben kann das neben der bereits vorhandenen Literatur seine Berechtigung hat, werden noch ein paar Jahre ins Land gehen. ;)

Gruß!
 

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