Johannes Hofmann
Alterspräsident
Sicher. Ich kenne halt aus 30 Jahren die Realität hinter den Kulissen.Das sind natürlich alles nur unbewiesene Spekulationen meinerseits...
Die Wahrheit versuche ich noch mal an einem anderen Beispiel zu erklären:
Nehmen wir an, der XY-Musikladen mit angegliedertem Webshop hat sich beim Einkauf der recht beliebten Grtlbrnft XR-35c vergaloppiert und hat einen Lagerbestand von 50 Stück. Der Laden braucht dringend Geld (Miete) und die 50 Teile fließen zum üblichen Preis von 589€ nur zögerlich ab. Also kommt der Geschäftsführer des XY-Musikladens am Dienstag Abend auf die Idee, den Preis in seinem Webshop auf 539€ zu senken. Da verdient er zwar nichts mehr, aber für die ausstehende Mietzahlung wär's auch sehr hilfreich, wenn er den EK der 50 Teile wieder hätte auch ohne Gewinn... (ist natürlich eine Milchmädchenrechnung, aber die Quittung dafür gibt's erst später).
Tatsächlich hat er am Mittwoch Morgen 3 Bestellungen von Grtlbrnft XR-35c zum Preis von 539€ im Warenkorb. Er lächelt und freut sich und rechnet: "In 15 Tagen ist der Stapel weg "
Aber am Donnerstag hat er nur eine Bestellung und als er ins WWW schaut, stellt er erschreckt fest, dass alle die Grtlbrnft XR-35c nun für 539€ anbieten... ein paar sogar für 535€. Er murmelt etwas von "Sch***, Idioten, da verdient doch niemand mehr was dran..." in seinen Bart und realisiert gar nicht, dass er das ja los getreten hat.
Um 11:30 Uhr ruft der Vertriebsleiter von Grtlbrnft an, weil der herausgefunden hat, dass der XY-Musikladen die Welle losgetreten hat. Dem Grtlbrnft-Vertriebsleiter raucht der Kopf, weil 123 Händler incl Hans Thomann mittlerweile angerufen und gefragt haben, ob es eine Preissenkung bei der Grtlbrnft XR-35c gegeben hätte, oder ob Grtlbrnft-Vertrieb einen schrägen Deal mit XY-Musikladen gemacht habe, der diesen Preis ermöglicht. Der Grtlbrnft Vertriebsleiter kocht innerlich aber er fragt unseren Geschäftsführer von xy-Musikladen, was der Grund für diesen Preis sei und dieser gesteht, dass ihm wg des Überbestandes und der ausstehenden Mietzahlung das Wasser am Hals steht.
So. Diese Geschichte findet fast täglich statt. Und sie hat mehrere mögliche Enden - die alle so in der Realität vorkommen können:
Ende 1: Der Grtlbrnft-Vertriebsleiter sagt: "Na, 50 Stück sind ja auch wirklich zu viele für deinen Laden. Schick 35 zurück..." Dem Laden ist geholfen und der Grtlbrnft-Vertriebsleiter verbringt 2 Wochen damit, in hunderten Telefongesprächen zu erklären, dass die Ursache des unrealistischen Preises beseitigt sei und man jetzt getrost wieder vernünftig kalkulieren könne... 300 Kunden in Deutschland freuen sich, weil sie die Grtlbrnft XR-35c zum Superpreis bekommen haben und in 9 Monaten zetern Kunden noch in den Läden, dass sie maximal 539€ für eine Grtlbrnft XR-35c bezahlen wollen - was sich aber an sich keiner der Läden leisten kann.
Ende 2: Weil der XY-Geschäftsführer nun schon zum 3. mal eine solche Welle los getreten hat, bekommt er einen Totenkopf in der Kundenkartei des Vertriebs, was dazu führt, dass er von guten Deals nichts mehr erfährt und heiße Teile leider ständig nicht lieferbar sind... Der Preis der Grtlbrnft XR-35c bleibt bei 539€, da aber nun keine Sau an der Grtlbrnft XR-35c etwas verdient, verkaufen die Händler das an sich beliebte Teil aus und ordern es nicht mehr. Da der Vertrieb aber noch 600 davon hat (schwimmen grad im Suez-Kanal), senkt er den Preis, weil er sonst die 600 schreddern müsste. Nun versucht der Vertrieb, die nächste Lieferung in China billiger einzukaufen, weil "der Preis von 598€ in Deutschland nicht realisierbar ist." Aber die Chinesen zeigen dem Vertrieb den Stinkefinger... und dieser hat dann die Option, den Preis wieder anzuheben oder das Teil sterben zu lassen.
Ende 3: Der Grtlbrnft-Vertriebsleiter denkt: "Idioten!" (er meint damit seine Händler) und tut gar nichts (zB weil er keinen Lagerdruck hat). Viele Händler, die bei dem Preis von 539€ nichts mehr verdienen, beschließen, das Teil aus dem Sortiment zu nehmen - und weil mittlerweile der Absatz bei dem neuen Preis von 539€ auch ins stocken geraten ist, fängt der erste an, das Teil für 499€ anzubieten - das ist zwar ein Verlust, aber mit einem billigen Gitarrensack gebundelt lässt sich das unter Werbeaktion verbuchen. Den Händlern, die keine Grtlbrnft XR-35c mehr vorrätig haben, rennen Kunden die Bude ein, weil sie die nun supergünstige Grtlbrnft XR-35c antesten und kaufen wollen. Die Händler können sie aber nicht nachbestellen, und für 499€ verkaufen, also erzählen sie den Kunden, die Grtlbrnft XR-35c sei der letzte Dreck, Reparaturquote 678%... der Kunde wäre bekloppt, so ein Teil zu kaufen - blah blah blah... Irgendwann sind keine mehr lieferbar... und es kommt ein "verbessertes" Nachfolgemodell Grtlbrnft XR-36d die nun wieder 589€ kostet.
Man kann sich noch andere Enden ausdenken... aber letztlich nennt man das was da abgeht "Marktwirtschaft". Geplant, gesteuert oder gar kriminell manipuliert ist es aber in den allermeisten Fällen nicht. Dazu gibt es zu viele Händler, zu viele Vertriebe und zu viele Hersteller.