Meine überaus sachkundigen haben sich ja schon zu vielen Details deiner App und deiner Erläuterungen und Gedanken dazu geäußert,
@Rolix.
Alles was sie dazu geschrieben haben kann ich nur unterstreichen und allem kann ich zustimmen.
Ein paar Anmerkungen möchte ich aber noch ergänzen.
Die folgende Passage, vor allem die erste Hälfte des letzten Satzes:
Was mich wieder zu dem User bringt, für den ich das Programm entwickelt habe: der sieht nämlich partout nicht ein warum er für ein- und dasselbe Intervall (hier: die kleine Terz zum G) zwei verschiedene Bezeichnungen verwenden soll. Eigentlich hätte das Alphabet jeder Sprache genug Buchstaben um 12 wohltemperierte Töne zu benennen. Stattdessen entwirft man ein System das nur 7 davon verwendet und kompensiert das mit Vorzeichen ??? Für mich stellt sich im Programm eher das Problem daß ich - mangels Buchstaben - irgendein Vorzeichen verwenden muß um diese Noten abzubilden. Vielleicht sollte ich noch frecher werden und statt # oder b so eine Gender * verwenden, auch wenn ich eigentlich ein absoluter Gegner dieser Sprach- und Schriftverhunzung bin
lässt mich vermuten, dass du es satirisch gemeint hast. Wenn nicht, müsste ich doch heftig mit der Stirn Runzeln, wobei ich nicht entscheiden kann, ob das wegen der zur Schau gestellten Unkenntnis oder einer gewissen Ignoranz oder der Kombination aus beidem geschehen soll.
Deine ausgesprochene Absicht, dass sich diese App an Anfänger wenden möchte, und deren erkennbare Struktur die auf Dur-/Moll-Akkorde sowie auf tonale Musik im engeren Sinne verweist, worauf auch ganz eindeutig dieser Satz hinweist:
Akkordfolgen oder besser Harmonie-Folgen (Kadenzen) bewegen sich um eine Art gemeinsames Gravitationszentrum herum (die Tonika, das tonale Zentrum).
sollte dich eigentlich verpflichten, den tradierten Konventionen und gebräuchlichen Standards dazu zu folgen, also den üblichen Intervallbezeichnungen, den Regeln zum Akkordaufbau, den Skalen usw.
Wenn ich "tradiert" schreibe, ist damit alles andere gemeint als irgendein alter Zopf, den man bitteschön endlich abschneiden sollte. Es ist immerhin schon über 400 Jahre her, dass sich das Dur-/Moll-tonale System praktisch endgültig etabliert hatte (um ca. 1600). Seitdem haben sich viele Theoretiker, aber auch Praktiker (und welche, die beides waren wir z.B. J.P. Rameau der um 1720 seinen "Traité de l´Harmonie" veröffentlichte, in dem er etwas Begriffe wie "Dominante" zum ersten mal umfassender definierte) mit den harmonischen Prinzipien des Dur-/Moll-Systems beschäftigt und viel dazu geschrieben. Gewiss waren das keine Deppen und alle haben sich wie selbstverständlich mit dem historischen Kontext dazu beschäftigt.
Auch und gerade Hugo Riemann, der gegen 1890 sein System der "Funktionstheorie" heraus brachte, das sich ja ganz konkret auf die Musik vorangegangener Epochen bezieht, fußt damit auf seinen historischen Vorläufern, vorneweg dem schon erwähnte J.P. Rameau.
Es steht dir natürlich frei, ein neues System für Intervall-Bennungen und harmonischen Strukturen zu erfinden. Aber damit wirst du kaum mehr als dein eigenes Süppchen kochen, und wahrscheinlich wirst du mit deinem Teller ziemlich einsam am Tisch bleiben
.
G-Bb ist eben nicht dasselbe wie G-A#, auch wenn das am Klavier dieselben Tasten sind. G-Bb ist eine kleine Terz und G-A# eine übermäßige Sekunde, wie schon weiter oben geschrieben wurde.
Für den in Sachen Harmonielehre kundigen sind solche Zusammenhänge auch keineswegs "dasselbe in grün", sondern sie deuten auf fundamental unterschiedliche harmonische Kontexte hin (wenn vom Komponisten/Arrangeur korrekt notiert).
Am Beispiel eines Tritonus will ich das näher erläutern.
E-Bb und E-A# können jeweils Tritonus genannt werden, einfach als Intervall nacheinander gespielt wird niemand einen Unterschied hören können, wie denn auch, es sind ja wieder dieselben Tasten am Klavier.
Wie würde aber die jeweilige typische harmonische Fortschreitung aussehen?
E-Bb würde sich nach F-A auflösen, E-A# hingegen nach D#-B(H). Sowohl E-Bb als auch E-A# lassen sich auf einen Dominantseptakkord zurückführen: E-Bb auf C-E-G-Bb, also einen C7, E-A# auf F#-A#-C#-E, also F#7. Und siehe da: C7 löst sich nach F und F#7 nach B(H) auf.
Ganz nebenbei erwähnt eignen sich derartige Umdeutungen auch gut für
Modulationen.
Wie du siehst, hängt von der sowohl korrekten Notation als auch der korrekten Bezeichnung viel ab wenn es um das gute und sinnhafte Erfassen eines Notentextes sowie dessen Analyse geht. Wer da schlampig vorgeht bei der Notation, verursacht nur unnötige Verwirrung, und mitunter können sogar Verspieler aus solchen Verwirungen resultieren.
Die Farbgebung in MIntavalla versucht dabei den Spannungsgehalt der dargestellten Intervalle wiederzugeben:
spannungsarme Intervalle wie Quarten und Quinten in Grüntönen bis zu spannungsreichen Intervallen wie der verminderten Quinte und kleinen Sekunde in Rottönen.
Das ist eigentlich etwas für Synästhetiker, wobei es bei den synästhetischen Wahrnehmungen meiner Kenntnis nach aber keinerlei Standards gibt, sondern die Art und Weise der synästhetischen Empfindung scheint wohl recht individuell zu sein
Ich bin auf der Suche nach einem System, das Klang eindeutig und ohne Umwege repräsentiert, letztlich bei den Intervallen gelandet. Die spannende und noch ungelöste Frage ist, ob sich daraus ein brauchbares Bezugssystem für Musikschaffende ableiten läßt und wie das aussehen müßte?
Ich weiß nicht, was du genau damit meinst und worauf du genau hinaus willst.
Sind denn in der Dur-/Moll-toanlen Musik nicht gerade die siebentönigen Skalen das Bezugssystem mit ihren Stufen. Ein musikpädagogisches/musikpraktisches System dass diese Skalen mindestens unabhängig von der absoluten Tonhöhe repräsentiert, ist die sog. "relative Solmisation" (da ich das hier nicht weiter vertiefen möchte, bitte unter diesem Link nachlesen bei Interesse:
https://de.wikipedia.org/wiki/Solmisation).
Abschließend möchte ich noch sagen, dass für mich auch und gerade bei der Dur-/Moll-tonalen Musik eine ahistorische Betrachtungsweise mindestens einen Fauxpas darstellt, wenn nicht sogar ein gravierender Mangel.
Denn sowohl die heptatonischen Dur- und Moll-Skalen als auch gerade die tonale Harmonik sind im Fluß historischer Entwicklungen entstanden, haben sich verändert, weiterentwickelt, waren auch schon mal gewissen Moden unterworfen (Stichwort "Neapolitaner"). Dass zu ignorieren würde nicht nur keinen Erkenntnisgewinn bringen, sondern ihn regelrecht torpedieren.