Das Geheimnis der schwarzen Tasten

Für meine Vorlieben (Pop & Rock seit den 60ern, ein bisschen Jazz und Klassik, Weltmusik) reicht die mitteltönige Stimmung jedenfalls gut aus.
Das mag für Dich so sein. Dass Du die Kirchenorgeln mitteltönig gestimmt haben möchtest, ist dann aber doch etwas schmalspurig gedacht.

In jedem der von Dir genannten Genres könnte man übrigens ohne weiteres ein paar Beispiele bringen, wo es mächtig schräg klänge...

Wenn eine Kirchgemeinde eine gute E-Orgel besitzt, könnte man ja mal spaßeshalber ausprobieren, ob die Leute es merken und was sie dazu sagen 🙂
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
Weil wohltemperierte Stimmungen aufkamen, die mit 12 Tonstufen auskamen. Also Bequemlichkeit auf Kosten des Klangs.
Über die motorischen Implikationen, die ein Spiel auf einer Klaviatur mit geteilten Obertasten mit sich bringt hast du offensichtlich keine Sekunde nachgedacht. Es gab diese Versuche und solche Instrumente, einige sind sogar auch noch erhalten. Aber wenn dem Mehraufwand der Spielbarkeit, wenn möglich auch virtuos nicht zu vergessen, aber kein entsprechender Gewinn in Form einer erheblichen Steigerung des Wohlklangs entgegen steht, dann landen diese Versuche in einer Sackgasse, wie es ja auch passiert ist.
Sehr begabte Leute können auch Stücke der größten musikalischen und motorischen Komplexität virtuos spielen, gar keine Frage. Wenn aber durch eine zusätzliche Komplexität die Hürde immer noch höher wird, schmilzt der an sich schon nicht große Kreis dieser Personen immer noch weiter zusammen. Und geteilte Obertasten sind unbestreitbar eine nicht zu unterschätzende Anhebung dieser Hürde. Wenn nicht sogar dieses Mehr an Komplexität das Spiel auf den Tasten in Richtung objektiver Unspielbarkeit umkippen, bzw. der möglichen Komplexität und Virtuosität der Kompositionen selber eine unüberwindbare Grenze setzt.

Das lapidar mit "Bequemlichkeit" abzuhandeln finde ich, sorry für die Deutlichkeit, schon ziemlich überheblich - und unüberlegt.

Und überhaupt "Wohlklang". Natürlich hat die mitteltönige Stimmung ihren Reiz, das bestreite ich gar nicht. Aber nur da, wo sie passt. Nehme doch bitte zur Kenntnis, dass sie einfach in der aktuellen Musikwelt kaum mehr als ein Nischendasein fristen kann. Weil sie eben in sehr vielen Fällen nicht passt. Auf Biegen und Brechen beim Komponieren, Arrangieren und Improvisieren den "Wolf" vermeiden zu müssen halte ich nicht für erstrebenswert. Im zweifel Umstimmen zu müssen auch nicht. Und auch das hat für mich mit "Bequemlichkeit" nichts zu tun. Die gleichstufige Temperatur bietet mir nun mal jede Freiheit, und mein Streben in der Musik und dem Musizieren geht damit in keiner Weise in Richtung "Bequemlichkeit". Freiheit bedeutet auch in der Musik Verantwortung, z.B. dass eine Improvisation nicht in ein beliebiges Gedudel abgleitet. Bequem geht anders.

Andererseits waren diese ständigen Tonartenwechsel durch die Fortschritte in der Temperierung historisch gesehen vielleicht auch nur eine Modeerscheinung, die früher in der Volksmusik sowieso nur sehr sparsam eingesetzt wurden und in der aktuellen populären Musik fast gar nicht mehr verwendet werden.
In der Volksmusik wirst du üblicherweise eine geringere Stufe an Komplexität vorfinden, eben das macht sie ja "volkstümlich" (es gibt ja auch Kompositionen, wo als Ausdrucksbezeichnung z.B. "Im Volkston" geschrieben steht, diese sind dann auch bewusst klanglich und strukturell schlichter angelegt).
Dass gilt analog logischerweise für (nahezu) jegliche populäre Musik. Je komplexer die Struktur desto weniger war und ist die Musik (und nicht nur die) Massentauglich.
Lukrativer sind die populären Werke aber allemal, das war auch früher schon so. "Modeerscheinung" passt im Übrigen eher auf populäre Richtungen, unterliegen doch gerade diese sehr stark den aktuellen Trends und Moden.
In Bezug auf harmonisch usw. komplexere Musik finde ich den Begriff "Modeerscheinung" jedenfalls unpassend.

Und nochmal "Wohlklang". Auch eine gleichstufig gestimmte Orgel kann "himmlisch schön" klingen ...

View: https://www.youtube.com/watch?v=2bNI10LqjdY
 
Zuletzt bearbeitet:
  • Gefällt mir
Reaktionen: 3 Benutzer
Andererseits waren diese ständigen Tonartenwechsel durch die Fortschritte in der Temperierung historisch gesehen vielleicht auch nur eine Modeerscheinung ...
Die Musik der letzten ca. 150 Jahre ist also für Dich eine Modeerscheinung?

... und in der aktuellen populären Musik fast gar nicht mehr verwendet werden.
Ja, wenn das das Level ist, worüber wir reden, brauchen wir aber auch keine Orgel ... dafür reichen vier Tonarten und ein Keyboard ...
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
Sehr begabte Leute können auch Stücke der größten musikalischen und motorischen Komplexität virtuos spielen, gar keine Frage.

Als ob Virtuosität in der Vokalmusik wichtig wäre. Die Kirchen sind gebaut worden, damit die Menschen zusammen kommen und gemeinsam singen. Dafür bieten sie den perfekten Hallraum. Und die ursprüngliche Aufgabe von Kirchenorgeln war es, dafür die perfekte Begleitung zu liefern. Deswegen waren Kirchenorgeln viele Jahrhunderte bis in die Neuzeit mitteltönig gestimmt.

Ich habe im Übrigen gar nichts gegen instrumentale Musik und ihre Entwicklungen. Musik kann alles Mögliche sein, auch ein Glasperlenspiel für Intellektuelle oder eine Rennbahn für Flitzepiepen. Nur sollte man die Kirche im Dorf lassen. Mich ärgert dieser totalitäre Anspruch, mit dem sich die gleichstufige Stimmung überall durchgesetzt hat.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Mich ärgert dieser totalitäre Anspruch, mit dem sich die gleichstufige Stimmung überall durchgesetzt hat.
Niemand verlangt von dir, dich an die gleichstufige Stimmung zu halten, deshalb kann der Anspruch schon einmal nicht "totalitär" sein.

Du könntest aber zur Kenntnis nehmen, dass seit über 200 Jahren und schon sehr lange auch weltweit bestens ausgebildete Musiker und Milliarden musikalischer Menschen mit für die gleichstufige Stimmung komponierter Musik bestens zurechtkommen und das sowohl beim Komponieren, beim Spielen wie beim Hören.
Sicher sehr viele Musiker sind außerdem in der Lage, verschiedene Stimmungen zu goutieren, wenn das der Musik dienlich ist.

Die Zwangsläufigkeit des Erfolgs der gleichstufigen Stimmung hat LoboMix kenntnisreich und geduldig herausgearbeitet.

Gruß Claus
 
Grund: Fettdruck des Wesentlichen
Zuletzt bearbeitet:
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
Mich ärgert dieser totalitäre Anspruch, mit dem sich die gleichstufige Stimmung überall durchgesetzt hat.
Eine Nummer kleiner ging es wohl nicht? Nachher kommen noch irgendwelche querdenkende um die Ecke und tischen eine neue Verschwörungstheorie auf über irgendwelche gleichmacherischen gleichstufig-gleischschwebenden Musik-Echsen-Wesen oder so ... :devilish:
Im Ernst, es wurde hier ja recht ausführlich und mit vielen sachlichen Argumenten untermauert erklärt, wie es historisch dazu kam, dass sich die gleichstufige Temperatur schließlich durchgesetzt hat. Es handelt sich schlicht um eine der in der Geschichte so oft zu findenden komplexen und verknüpften Entwicklungen, wo sich die Harmonik, die sich zum Dur-Moll-System ausdifferenzierte mit parallelen Entwicklungen im Instrumentenbau und nicht zuletzt tiefgreifenden Wandlungen des musikalischen Geschmacks und des Stils verband. Im Zuge dieser neuen Strömungen empfand man die mitteltönige Stimmung als unzureichend, denn sie engte vor allem die Harmonik ein, die auf dem Weg war, den kompletten Quintenzirkel uneingeschränkt zu erobern. Fortschritte im Instrumentenbau, hier vor allem bei den Holzbläsern, verbesserte durch die Hinzufügung von immer mehr Klappen bei deren Mechanik zunehmend die Klangqualität der alterierten Töne, so dass diese auch immer besser in der Lage waren, vollständig und vor allem sauber chromatisch gespielt zu werden.

Es war auch keineswegs so, dass die frühen die frühen Zeitgenossen die Gleichstufigkeit als unangenehm oder gar unmusikalisch empfanden, wie das folgende Zitat aus dem Wikipaedia-Artikel zur gleichstufigen Stimmung beweist:

„Wir schreiten weiter / und wißen / wenn die Temperatur also eingerichtet wird / daß alle Quinten 1/12 Commat: die Tert:maj: 2/3 die min: 3/4 Comm. schweben, und ein accurates Ohr dieselbe auch zum Stande zubringen / und zu stimmen weiß / so dann gewiß eine wohltemperirte Harmonia, durch den gantzen Circul und durch alle Clavis sich finden wird. Welches dann ein Vorbild seyn kan / wie alle fromme / und wohl temperirte Menschen mit GOtt in stetswährender gleicher / und ewiger Harmonia leben und jubiliren werden“
– Andreas Werckmeister: Musicalische Paradoxal-Discourse, 1707

In diesem Zitat werden weitere Unterstützer dieser Stimmung genannt:
"Es mehrten sich aber die Befürworter der gleichstufigen Stimmung, zu denen z. B. Johann Georg Neidhardt, Friedrich Wilhelm Marpurg und Jean-Philippe Rameau gehörten."

Alles in allem eine ganz normale Art der Entwicklung, des Fortschreitens wie sie der Geschichte an sich einfach eigen ist. Von "totalitären Ansprüchen" kann ich weit und breit nichts erkennen.

Die Kirchen sind gebaut worden, damit die Menschen zusammen kommen und gemeinsam singen. Dafür bieten sie den perfekten Hallraum.
Die Kirchen waren und sind die "Häuser Gottes", sie dienten und dienen vornehmlich dem Gottesdienst. In diesen wurde und wird freilich gerne gesungen, ist doch das Singen die Steigerung des gesprochenen Wortes und damit auch des Gebets.
Aber explizit als Sing-Treff bzw. per se zum Singen wurden die Kirchen definitiv nicht gebaut. So große und weitgehend leere Räume haben natürlicherweise viel Hall, und den Mönchen wird das sicher gut gefallen haben. Geht mir ja auch nicht anders, wenn ich in solchen Kirchen mit viel Nachhall spiele, ich finde das auch toll.
Aber wegen mir wurde diese Kirchen gewiss nicht so gebaut ;).


Und die ursprüngliche Aufgabe von Kirchenorgeln war es, dafür die perfekte Begleitung zu liefern. Deswegen waren Kirchenorgeln viele Jahrhunderte bis in die Neuzeit mitteltönig gestimmt.
Damit gehst du aber sehr weit in die Frühgeschichte der Kirchenorgeln zurück, auf denen ursprünglich wohl nicht viel mehr als bordunartige Liegetöne gespielt wurde. Wahrscheinlich wurden viele der ganz frühen Orgeln auch pythagoräisch gestimmt.
Es sollte dir aber nicht entgangen sein, dass sich die Orgelmusik im Laufe der Zeit immer mehr von dieser ursprünglichen Aufgabe emanzipiert und sich eine ganz eigenständige rein instrumentale - und sehr reichhaltige! - Orgelliteratur entwickelt hat.
Deine Äußerungen lesen sich so, als ob du den Gebrauch der Kirchenorgeln auf diese deiner Meinung nach "ursprüngliche" Funktion zurück bringen willst. Wofür du dann die mitteltönige Stimmung als ideal betrachtest, worauf man aber eigentlich nur kommen kann, wenn man die Historie nur sehr verkürzend und oberflächlich betrachtest.

Spreche doch mal Kantoren und Organisten an und erzähle ihnen von deinen Ideen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du auch nur einen einzigen treffen wirst, der sich dafür erwärmen wird. Die meisten zeigen dir wohl eher einen Vogel. Immerhin würde die Umsetzung deiner Ideen sie eines großen Teils ihres Repertoires berauben, wenn nicht sogar sie weitgehend überflüssig machen.


Musik kann alles Mögliche sein, auch ein Glasperlenspiel für Intellektuelle oder eine Rennbahn für Flitzepiepen.
Ich bin der Letzte, der einem mechanischen Virtuosen-Geplänkel das Wort reden würde, es gibt in der Tat reichlich hohles und langweiliges Gedudel.
Aber zum einen gibt es auch virtuose Vokalmusik wie es überhaupt auch sehr gute und tolle Musik gibt, die auch ein hohes Maß an Virtuosität verlangt (beispielsweise "Gaspard de la Nuit" von Maurice Ravel), und zum anderen ging es um die zusätzliche Komplexität geteilter Obertasten bei Klaviaturen, deren Anforderungen an die Motorik möglicherweise jede sinnvolle Grenze überschreitet, und das sicher schon bei Stücken, die ansonsten noch lange nicht als virtuos eingestuft würden.

Diese deine Äußerung empfinde ich jedenfalls als despektierlich und herabsetzend, und dein Insistieren hat für mich schon etwas sektiererisches.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
Ich glaube, hier will einer seiner persönliche Meinung - gegen die ja erstmal nichts einzuwenden ist - aus Ärger gegen eine eingebildete Bevormundung allen aufdrücken.

Dass Musik und Musikgeschichte ein Prozess ist, in dem sich das Gute gegen das weniger praktikable durchgesetzt hat, hat er nicht verstanden.

Dass dabei Kirchen(Musik-)geschichte "alternativ" dargestellt wird, macht die Sache für mich nicht besser. Eigentlich schade - das Thema an sich ist interessant.

Max, lass doch mal Deinen Ärger gegen die Temperatur fallen, versuche es sachlich zu betrachten, dann kommt hoffentlich alles wieder an seinen Platz.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
Interessant… habe mir das PDF mal runtergeladen und werde mir es in einer ruhigen Minute durchlesen.

Mir scheint, dass die ganze Frage, ob Bach gleichschwebend oder ungleichschwebend gestimmt hat, an dem seidenen Faden dieser Frage hängt. Daher ists nicht ganz unwichtig.

Nicht wirklich. Bradley Lehman (larips punkt com) hat da noch einige andere zumindest gutrecherchiertklingende Argumente gegen Equal Temperament bei Bach angebracht und eine mögliche und zumindest nicht ganz unwahrscheinliche Stimmung dokumentiert, samt Anwendbarkeit mit Chorton/Kammerton und so.

Also klar, wenn man in der Zeit das nicht gleichstufig stimmen kann (bzw. konnte, mit damaligem Gehör und Harmoniegefühl) erübrigt sich der Rest, aber wenn (was andere Kommentatoren andeuten) reicht das nicht, um das zu widerlegen. Und nichtgleichstufig hat mehr „Würze“.
 

Ähnliche Themen


Unser weiteres Online-Angebot:
Bassic.de · Deejayforum.de · Sequencer.de · Clavio.de · Guitarworld.de · Recording.de

Musiker-Board Logo
Zurück
Oben