Ist diese Verbindung zwischen Dur-Tonleiter und Kirchentonleitern, wonach jede Dur-Tonleiter gleichzeitig das Tonrecervoir für jene Kirchentonleitern ist, die als Grundton einen der Dur-Tonleitertöne haben, und dass sich alles so scön ausgeht, ist diese Verbindung eigentlich zufällig, oder liegt dem irgendeine Systematik oder innere Logik zugrunde (die ich allerdings noch nicht durchblickt habe) ?
Aber die Verbindung zur
Dur-Tonleiter ist eine rein moderne. Ionisch (=Dur) spielte im ursprünglichen System der "Kirchentonleitern" keine Rolle. Ionisch und Äolisch (=natürlich-Moll) kamen erst viel später dazu, die erste Erwähnung wird Glareanus 1547 zugeschrieben.
Im den alten Schriften wird Dorisch als "1. Ton" bezeichnet [Quelle:
https://de.wikipedia.org/wiki/Kirchentonart]:
Westkirchlicher Name | Ostkirchlicher Name
(gregorianischer Name[14]) | Finalis | Repercussa
(Ténor) | Tiefster Ton |
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1. Modus: Dorisch | Erster Ton (Protus authenticus) | d | a | d |
2. Modus: Hypodorisch | Zweiter Ton (Protus plagalis) | d | f | A |
3. Modus: Phrygisch | Dritter Ton (Deuterus authenticus) | e | (h) c | e |
4. Modus: Hypophrygisch | Vierter Ton (Deuterus plagalis) | e | (g) a | H |
5. Modus: Lydisch | Fünfter Ton (Tritus authenticus) | f | c | f |
6. Modus: Hypolydisch | Sechster Ton (Tritus plagalis) | f | a | c |
7. Modus: Mixolydisch | Siebter Ton (Tetrardus authenticus) | g | d | g |
8. Modus: Hypomixolydisch | Achter Ton (Tetrardus plagalis) | g | c | d |
Wobei interessant ist, dass die Zählung nicht den Stufentönen etwa von Dorisch folgt.
In den alten Notationen mit 4 Linien und dem "C" als Schlüssel, der die Lage der "C" anzeigt (wie es die mitlaufenden Noten beim "Graduale Project" zeigen), lässt sich eine gegebene Melodie im Übrigen ganz leicht in einen anderen Modus transponieren,
einfach, indem der C-Schlüssel verschoben wird.
Auf diese Weise werden nicht zwingend die Tonhöhen verschoben, aber der Bezugston, wodurch sich die Intervallstruktur ändert
und damit der Modus.
Wenn man es ganz vereinfacht sehen möchte, nutzte man schon damals die "Verschiebungs-Eselsbrücke". Da jedoch die Tonhöhe nicht absolut fest lag, konnte man letztlich jeden Modus von jedem beliebigen Grundton aus anstimmen.
Die Theorie lief also seit jeher der musikalischen Realität hinterher.
Soweit ich einen Überblick über musiktheoretische Schriften quer über die Musikgeschichte habe, war das immer so und konnte auch nicht anders sein, da sich alle Theoretiker stets auf die ihnen vorliegende Musik bezogen und im jeweilig bekannten historischen Kontext auch auf frühere historische Musik.
Aber keine dieser Schriften war dazu gedacht, etwas neues zu erfinden in der Musiktheorie, bzw. neu war allenfalls schon mal eine Nomenklatur, weil jemand Dingen erstmals einen Namen gab (wie z.B. J.P. Rameau, der u.a. den Begriff der "Dominante" und er "Sixte ajouté" einführte).
Ich habe viel über die Entstehung unserer europäischen Mehrstimmigkeit im Mittelalter gelesen und in einem Buch gab einen längeren Absatz mit ziemlich genauen Regeln, die mit reinen Quinten zu tun hatten, die ja in sich niemals sauber aufgehen.
In der a capella Vokalmusik gehen sich die Quinten insofern sauber auf, da sehr gute Sänger sie ja immer sauber aussingen können.
Als ich zum ersten mal das Deller Consort live hörte, die genau das können (bzw. konnten, das Ensemble gibt es ja nicht mehr), war das für mich ein verblüffendes Aha-Erlebnis.
Eine ähnliche Frage wäre für mich: Ist es Zufall, dass das Frequenzverhältnis zwischen A und C das selbe ist, wie zwischen E und G? Nein, der Mensch hat das einfach so festgelegt, weil's praktisch ist.
Nein, das ist kein Zufall. A-C und E-G sind kleine Terzen. In der Obertonfolge sind das die 5. und 6. Harmonische mit dem festen Frequenzverhältnis 5:6 (als reines Intervall). Das Verhältnis bleibt so, egal von welchem Ton aus ich diese kleine Terz bilde, es bleibt damit auch ihr Klangcharakter gleich.
E-G sind die 5. und 6. Harmonische von der 1. Harmonischen C, A-C entsprechend von der 1. Harmonischen F. That´s all.
Ein Klavier wurde einfach so gebaut, dass man am Einfachsten in C-Dur spielen kann.
Ich kenne nicht wenige Pianisten, die das anders sehen. Motorisch ist C-Dur an Tasteninstrumenten nicht unbedingt am einfachsten zu spielen.
Auf der einen Seite steht die C-Dur-Tonleiter, die für alle möglichen harmonischen Überlegungen zur Veranschaulichung als quasi Ausgangspunkt benützt wird. Wahrscheinlich, weil sie keine Vorzeichen (aka "schwarze Tasten") hat.
Siehe oben. Von C-Dur auszugehen ist historisch nicht korrekt. Wir heutigen tun das, weil wir von C-Dur als Stammtonreihe ausgehen und schon lange die "Claviere" danach ausgelegt wurden.
Als sich die alten Modi entwickelt haben und in Gebrauch kamen, gab es noch keine Tasteninstrumente. Und wo keine Tasten, auch keine schwarzen Tasten.