Bin ehrlich gesagt überrascht, dass man bei so einem "geradeaus" gehenden Stück so einen theoretischen Überbau konstruieren kann.
Das geht in den Zeiten des I-Nets ganz, ganz schnell.
Jemand begínnt, sich einzulesen und stolpert recht schnell mal über die Dur/nat. Molltonleiter und deren Stufen. Dann wird aber kein Gehörtraining betrieben, sondern umgeblättert (oder weiter gescrollt).
"Basistraining", also eben Dur-Moll Unterscheidung, Intervalle erkennen, auch wenn hier eher irrelevant: Rhythmen zählen hat es oft nie gegeben.
Blöderweise, man kann nur zuerst erklären, dass man mit v=s/t eine Geschwindigkeit berechnet und danach, wenn das verstanden wurde sagen "ABER: Das ist jetzt mal nur die Grundform. Wer damit etwas Reales beschreiben will, das Auto fährt nicht mit 50km/h, das ist ein Durchschnittswert - schließlich steht es am Anfang- , es gibt dazu einen Luftwiderstand, ist es kein Auto sondern ein Satellit in der Erdumlaufbahn kommt auch schon die Relativitätstheorie zum tragen.....".
Wenn dieses "ABER" nicht kommt, lesen vor allem Techniker, Mathematiker, Physiker - abstrakte Theoretisierer und alles Artsverwandte eben, aus sowas Definitionen und ziehen den an sich vollkommen logischen Umkehrschluss: Wenn A-H-C-D-E-F-G A-Moll ergibt, dann kann A-H-C-D-E-F#-G doch unmöglich A-Moll sein.
Das war ja auch die Ausgangslage hier, der TO hat aus welch Gründen auch immer mal beschlossen/geglaubt, der erste Akkord ist die Tonika und geschaut, was mit den anderen Akkorden in eine diatonische Struktur passt, hat exakt eine gefunden und damit ist der Threadtitel "Paradebeispiel?" eigentlich sogar sehr verständlich (wenn auch falsch).
Speziell bei Gitarristen kommt noch dazu, dass es sehr viel Gedöns um all die modalen Skalen gibt und - was das ganze noch weiter verstärkt - es ist sehr oft in einem sehr ähnlichen Terminus geschrieben, hier im E-Gitsub etwa gibt's auch gefühlte Drölftausend Threads mit "Welche Skale über Akkorde X, Y und Z" und dann steht da z.B. "Also ich spiele da G-Myxo".
Jetzt liegt der Teufel im Detail, dir ist sicher vollkommen klar, wenn ich dich frage, was der Unterschied ist zwischen "Ich spiele da G-Myxo" und "Ich spiele da
in G-Myxo" - und womöglich ist dieser Unterschied nicht mal dem dann Antwortenden bewusst. Der sich bilden Wollende jedenfalls, der womöglich gerade noch den Wiki-Artikel über Stufenakkorde oder ein YT-Tutorial im Kopf hat versteht das ziemlich sicher synonym zu "Ich spiele da in [Tonart]", zusätzlich ist er vielleicht noch über irgendeinen Artikel "Kirchen
tonarten" gestolpert, hey, A-Moll, Ab-Dur und F-Moll sind doch auch
Tonarten.
Dann brauchts noch eine Falschannahmen wie erster/letzter Akkord ist immer die Tonika und etwa der gelernte Techniker erkennt dann sofort: System genügend bestimmt, kann mit genug Angaben Ergebnis ausrechnen.
Du bist gemäß dem, was man von dir gelesen hat ja doch ein eeetwas weiter Gebildeter in dem Bereich (und damit wohl sehr wahrscheinlich seit Kindheitstagen unterrichtet?), du musst dir eben einen Erwachsenen ohne diesbezüglicher Vorbildung und Lehrer vorstellen, der versucht sich MuTh anzueignen. Ohne einem Lehrer, der das strukturiert und vor allem korrigiert verirrt man sich da sehr schnell. Mein erster Lehrer hat mich jahrelang nach jedem Zweizeiler gefragt "War das Dur oder Moll?" und daran kann ich mich vor allem deswegen noch erinnern, weil ich es als nervig und unnütz empfand.
Aber schon alleine der didaktische Prozess, etwas
eben Gehörtes einordnen zu müssen (inkl. Korrektur) treibt dich schon in die richtige Richtung: Ich wäre niemals auf die Idee gekommen, eine Tonart nach "Aktenlage" zu bestimmen. Zumindest bin ich mir bei sehr vielen dieser Threads ziemlich sicher, dass ggf. sogar auch sehr viel
gelesen,
abstrahiert und
nachgedacht, aber sehr wenig
gehört und erst recht nichts
korrigiert wurde.
Und finally, jemand, der sich autodidaktisch erfolgreich mit derlei Materie auseinandersetzt wird diese Korrektur eben auch nicht in einem Forum suchen, wozu auch?
LG