Hallo,
das ist hier in der Tat ein beachtlicher Faden bzw. Fadengewirr, bei dem alle Versuchen, ein Ende oder einen Faden zu greifen und daran ziehen, was den Knoten mal ein bisschen lockert, mal ein bisschen fester macht. (Da will ich jetzt auch ein bisschen mitzupfen
)
M.E. liegt es daran, dass sich bereits in der, im positiven Sinne provokanten, Fragestellung verschiedene Themen mischen, was sich in den Antworten fortsetzt.
Zudem zeigen sich hier wunderbar verschiedene Vorurteile, Annahmen und Assoziationen, Verbindungen, die automatisch gesetzt werden:
- Elektronische Musik ist nicht ehrlich
- Elektronische Musik ist nicht echt oder zumindest weniger echt.
- Elektronische Musik ist nicht handgemacht.
- Elektronische Musik ist einfacher zu machen.
- Elektronische Musik bedeutet Automatik.
- Elektronische Instrumente sind keine richtigen Instrumente.
- und jetzt auch noch, wie in fast allen Foren:
Die junge Generation will lieber bunt und elektronisch, moderne Technik, schnelle Erfolge etc.
(Gerade zu letzterem sei angemerkt, dass schon Sokrates sich vor 2000 Jahren über die Jugend beschwert hat. In dieses Horn, welches in Wirklichkeit kein Musikinstrument ist, sollte man deshalb nicht unreflektiert kotzen – äh stoßen.)
Zwischen manchen dieser Verknüpfungen mag es wohl (korrelative) Zusammenhänge geben, aber man sei vorsichtig, hier zu schnell auf Ursache-Wirkung-Zusammenhänge zu schließen und die gefühlten Häufigkeiten ohne Erhebungen absolut zu setzen
Hier einige Beispiele, um die o.g. Zusammenhänge infrage zu stellen. (Das sind auch nur Einzelbeobachtungen, subjektiv interpretiert):
- Eine (echte;-) Drehorgel ist ein höchst akustisches Instrument; die spielerische Leistung darauf aber nicht die allerhöchste und der Klang in vielerlei Ohren fragwürdig. Böse könnte man fragen, ist das auch Musik oder nur Show? Geht es um Musik oder eine interessante Technik?
- Wenn Uwe Steger oder Matthias Matzke ein digitales Akkorden spielen, ist das keine Arbeits- und Übeerleichterung, sondern technische, musikalische und denkerische Hochleistung mit viel Vorarbeit.
- Wenn Horst auf seinem Roland spielt, ist das kein Cha Cha Bumm, sondern handgemachte Musik mit Herz auf einem elektronischen Akkordeon.
- Provokante These:
Das Akkordeon ist Keyboard der vor-elektrischen und vor-digitalen Zeit. Denn es ist ein Instrument mit Halbautomatik (bezogen auf die Standartbass Mechanik), da kommst schnell was raus, relativ wenig Können, aber halbwegs gutem Musikgespür und im richtigen Genre und Kontext, kann man da schnell was machen. Dagegen sind Oboe, Klarinette und Streicher (natürlich die echten, nicht die „einfache“ Gambe mit Bünden) richtige, schwere Musikinstrumente…
- Noch ein Denkanstoß:
Der Matheunterricht ist seit der Verwendung der Taschenrechner in sämtlichen Stufen bis hin zum programmierbaren nicht leichter geworden. Die Anforderungen haben sich vom Rechnen mehr in Richtung Mathematik und weiterer (Transfer-)Leistungen verschoben.
Die o.g. Themen und Faktoren können zwar zusammen gedacht werden, sollten aber auch einzeln betrachtet werden:
- Möglichkeiten, Einschränkungen, Chancen, Gefahren von Elektronik in der Musik, bezogen auf
- Instrumente
- Verstärkung
- Verabreitung
- Produktion
- Wiedergabe
- Einfach zu spielen / schnelle Erfolge möglich vs. Hoher Aufwand (egal ob akustisch oder elektronisch)
- Selbst zu spielende Anteile/ spielerische Leistung vs. Schwer zu spielen
- Automatik, automatische Hilfsmittel
- Selbst programmiert oder erarbeitet
- Vorgefertigte Hilfen
- (Hör-)Erfahrungen udn Prägung
- Bewertungen
- Offenheit und Toleranz
- Erwartungen, Situation
- Vermutete Erwartungen anderer
Gruß, Tobias