C-Dur historisch betrachtet

Nun ja, ich finde, dass dieser Thread schon reichlich Indizien und Anhaltspunkte liefert, auch wenn es die eine abschließende Antwort nicht gibt.

Der Ursprung dürfte darin liegen, dass sich unser Tonsystem historisch so entwickelt hat, dass es auf 7-stufigen Skalen beruht. Dur und Moll, aber auch alle Kirchentonarten (Modi) haben sieben Stufen. Alle mit jeweils 2 Halbtonschritten und ansonsten Ganztonschritten, wobei die 2 Halbtonschritte zwar über die verschiedenen Skalen "wandern", ihr relativer Abstand zueinander aber konstant bleibt (daher kann man ja auch alle diese Skalen auf dem Klavier so spielen, indem man einfach immer eine Tonstufe weiter anfängt).
Das Solfège-System des weiter oben öfter erwähnten Guido von Arezzo ("Ut queant laxis, Resonare fibris, ...) bezieht sich zwar noch auf das um 1000 noch dominierende Hexachord-System, aber die Erweiterung auf sieben Stufen war von dort aus nur ein kleiner Schritt.

Aus dieser Entwicklung heraus sehe ich es nur als nahe liegend, dass sich diese 6- bzw. 7-Ton-Folge irgendwann als "Stammtonfolge" etabliert hat. Die Namensgebung c/d/e ... bzw. von a aus a/b(h)/c ... ist von da aus nicht mehr als eine reine Nomenklatur, eine mehr oder weniger willkürliche Festlegung mit Bezug auf das bereits hinlänglich etablierte Alphabet. Bekanntlich gibt es aber auch Do/Re/Mi ... das in romanischen Ländern in Gebrauch ist, also eine andere Art der Nomenklatur (und wohl noch einige landessprachlich angepasste mehr).

Ebenso ist es bei dieser Stammtonfolge erst mal unerheblich, in welcher absoluten Tonhöhe sie gesungen oder gespielt wird, sie kann auch beliebig relativ, also transponiert verwendet werden.

Dass diese Stammtöne auf die weißen, bzw. Untertasten von Tasteninstrumenten gelegt wurden, hat schließlich damit zu tun, dass diese auf eine fixe Stimmtonhöhe bezogen werden müssen. Für Cembali gilt das zwar nur angenähert, weil man sie umstimmen kann (praktisch aber auch nur in einem eher kleinen Bereich), für Pfeifenorgeln war und ist das aber ein absolutes Muss, denn sie lassen sich nicht einfach so umstimmen.
 
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Ebenso ist es bei dieser Stammtonfolge erst mal unerheblich, in welcher absoluten Tonhöhe sie gesungen oder gespielt wird, sie kann auch beliebig relativ, also transponiert verwendet werden.

So war es eben auch bei Guido von Arezzo und noch sehr lange Zeit danach.


Relative Tonhöhen zu absoluten Tonhöhen

Sebald Heydens "De arte canendi" (um 1540) erklärt das "Mutationssytem", mit dem die relativen Tonhöhen ut, re, mi, ... in absolute Tonhöhen überführt werden können, und zwar je nach Höhenlage mit
  • do = c ("Pars Systematis acuta", also: hohe Lage)
  • do = F ("Pars Systematis media", also: mittlere Lage)
  • do = Γ (tiefstes G, "Pars Systematis grauis", also: tiefe Lage)
Somit ergibt sich aus heutiger Sicht C-Dur, F-Dur und G-Dur.
Interessanterweise gibt es auch genau drei Arten von Notenschlüsseln:
  • C-Schlüssel, die das C markieren (heute noch z. B. im Altschlüssel der Bratschen)
  • F-Schlüssel, die das F markieren (heute noch im Bassschlüssel erhalten)
  • G-Schlüssel, die das G markieren (heute noch im Violinschlüssel erhalten)
Genau wie Guido den Johannes-Hymnus für die Tonnamen ut, re, mit, verwendet hat, gibt es auch eine deutsche Übersetzungsvariante, bei der sich allerdings keine C-Dur.Skala ergibt, sondern eine G-Dur-Skala:

Gib, dass mit lockerem / Ansatz singen können,
Herr, was du tatest, / Chöre deiner Schüler,
Dass dich ohne Fehl / Ehren unsere Lippen,
Heiliger Johannes.

Der letzte Ton (das fis, bei dem es haarig werden könnte), kam ursprünglich noch überhaupt nicht vor und wurde später als si aus "Sancte Ioannes" gebildet.


"Buchstaben"-Tonnamen bei Guido von Arezzo

Was bisher noch nicht erwähnt wurde: Auch bei Guido gab es schon "Buchstaben-Tonnamen" A, B, C, D, ...
Und zwar im Zusammenhang mit dem Monochord. Freilich noch nicht absoluten Tonhöhen zugeordnet, aber immerhin tauchen die heutigen Buchstaben schon auf.

In diesem Bildausschnitt sieht man Guido von Arezzo, wie er dem Bischof Theobald von Arezzo das Monochord demonstriert:

1650678987415.png


Er beginnt mit der mathematischen Unterteilung der Saite in 9 gleich große Abschnitte, weil ein Ganztonschritt dem Verhältnis 9:8 entspricht und beginnt (wie die alten Theoretiker) mit dem Buchstaben A und legt über den Ganztonschritt gleich auch das B fest.
Das Γ (Gamma) für die volle Saitenlänge hat er von den Griechen übernommen.
Dann kommt als Quarte (4:3) vom Γ aus das C hinzu usw:

Γ A B C D E F G a ♭ (♮) c d e f g aa ♭♭ (♮♮) cc dd

Hier entstehen zwangläufig auch die beiden Bes (das "runde" b rotundum und das "eckige" b molle ♮, aus denen später unser deutsches b und deutsches h werden sollen).
Das waren übrigens früher die beiden einzigen Versetzungszeichen.

Und Tasteninstrumente hatten ursprünglich auch keine "schwarzen" Tasten ("Obertasten"), sondern nur "weiße" Tasten (Untertasten).

1650679548055.png

Da sehen wir im Grunde schon unsere heutigen Stammtöne A, B, C, D, E, F, G usw. mit den bekannten Ganz- und Halbtonschritten.

Wenn man nun noch berücksichtigt, dass die Dur-Tonleiter früher eher unüblich war (man betrachte nur alte Choräle und liturgische Gesänge, die man heute noch teilweise im katholischen Gotteslob finden kann und auch ein wenig im evangelischen Gesangbuch.

Die Tatsache, dass Schüler oft mit einfachen Volks- und Kinderliedern anfangen und die bei uns meist in Dur sind, ergibt sich "ohne schwarze Tasten" (also einfach zu spielen) automatisch die Dominanz von C-Dur.
[Edit: das liegt aber tatsächlich an den Tasteninstrumenten, bei Gitarren-Anfängern sind eher gitarrenfreunldiche Tonarten wie E-Dur, , A-Dur, D-Dur usw. "beliebt". Die werden kaum mit C-Dur anfangen, schon wegen des Barré-F-Dur-Akkords]

Und welche Tonhöhe dieses C nun tatsächlich hat, hängt vor allem vom Kammerton ab, der im Laufe der Zeit ja auch starken Schwankungen unterworfen war.

Ich glaube, viel näher kommt man bei Erklärungsversuchen vermutlich nicht...

Viele Grüße
Torsten
 
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Die Tatsache, dass Schüler oft mit einfachen Volks- und Kinderliedern anfangen und die bei uns meist in Dur sind, ergibt sich "ohne schwarze Tasten" (also einfach zu spielen) automatisch die Dominanz von C-Dur.
Das ist aber von hinten aufgezäumt.
1. gibt es diese Volks- und Kinderlieder, mit denen man heute anfängt, erst seit dem 19. Jhdt.
Ein Klavier könnte genauso gut mit einem "weißen Halbton" zwischen a und b ausgestattet und das h eine schwarze Taste sein. Dann wäre die "natürliche Tonart" eben F-Dur.
2. galt schon sehr früh der Hexacord auf C als "Naturale". Die beiden Anderen gesellten sich eine Quint darüber und eine Quint darunter und enthielten beide das b (molle/durum). Von einer siebentönigen Skala war da noch gar keine Rede.

Vielleicht ist C "natural", weil es keinerlei b enthält? Nur die noch viel älteren Tetrachorde haben m.W. mit a angefangen.
 

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