Ich kenne das Buch von Doris Geller nicht, aber ich gehe davon aus, dass es sich nicht auf Jazz/Pop in irgendeiner Weise bezieht.
@haiiiner schrieb ja auch schon, dass es dort um Klassik, speziell Romantik geht.
Deshalb,
@turko, funktionieren auch deine jazzig gespielten Beispiele nicht - auch wenn du sie wirklich schön spielst!
Ein Bezug zur "Vierlangswelt" (
@haiiiner) würde daher auch in die Irre führen, denn hinsichtlich Harmonik und Melodik ist gerade die "Romantik" eine ganz andere Welt. Dort gibt es zwar reichlich Vierklang-Erscheinungen, aber sie funktionieren klanglich ganz anders als im Jazz.
@haiiiner, du schreibst auch, dass es sich um "eine reine Modulationslehre" handelt. Das sehe ich mittlerweile als die große Schwäche solchen Lehrmaterials an: Diese Betrachtungsweise gleitet schnell in ein rein "mechanisches" harmonisches Denken ab.
Sicher sind diese Übungen nicht nutzlos und sie können durchaus als schematische Modelle nützlich und praktisch sein, auch für spätere Analysen von Kompositionen der angesprochenen Stilrichtung.
In jedem Fall finden gerade auch in der Romantik harmonische Fortschreitungen so gut wie nie ohne einen melodischen Bezug statt. Melodik und Harmonik verschränken sich und bilden eine untrennbare Einheit, die Rhythmik ist auch ganz wichtig, und damit kommt sofort auch die Zielgerichtetheit von harmonischen und melodischen Wendungen mit ins Spiel. Jedes Schubert-Lied funktioniert so, wobei bei Liedern stets auch noch die Textausdeutung und -ausmalung dazu kommt (gerade bei Schubert).
Losgelöst von diesem Kontext mag eine Harmoniefolge zwar durchaus immer noch eine gewisse Logik haben, interessant und schön klingen. Meistens wirken die Harmoniefolgen für sich aber nicht sonderlich überzeugend.
@MaBa, deine Einspielungen treffen für mich schon viel mehr den Kern, da sie sich viel mehr an die klasissch-romantischen Satzmodelle anlehnen.
Einen Versuch habe ich auch gemacht und einen einfachen Klavierbegleitsatz über die Harmoniefolgen ausgesetzt, aber dazu noch jeweils eine Melodie geschrieben. Ich hoffe, aus den Beispielen werden meine obigen Erläuterungen etwas deutlich (Noten als PDF siehe unten):
Interessant war für mich dabei die Erfahrung, dass ich die schon geschriebene Melodie der Version 1 nicht für die Version 2 nehmen konnte (also bis zu dem Punkt, wo die Harmoniefolge sich ändert).
Es sind nicht nur die zwei Takte, die man mehr Zeit hat, vom Höhepunkt zu entspannen, es ist insbesondere der "H°7/DDv", der hier nochmal eine klangliche Spannung bringt, die Version 2 nicht hat.
Daher habe ich für Version 2 die Melodie geändert, sie kann (meiner Empfindung nach) sich auch einfach nicht so hoch "aufschwingen" wie die erste Melodie. Der Rückweg ist zu kurz und die verschärfende Spannung des H°7 fehlt wie gesagt.
Überhaupt fand ich es schwieriger, eine halbwegs schlüssige Melodie für Version 2 zu finden.