Ungerade Formen oder eben eintaktige Breaks

  • Ersteller scenarnick
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mmmh, warum ist es mir erst jetzt eingefallen - Wechselndes Metrum par excellence: First Circle von Pat Metheny, hier in der wunderschönen Version von Michele Fischietti - wobei... eigentlich kein wechselndes Metrum, sondern - über weite Strecken - "einfach" immer der gleiche 22/8-Rhythmus (oder waren es 21 - na jedenfalls genügend Verwirrung stiftende Achtel und Weiteres, dass es Stoff für eine ganze Masterarbeit von Stuart Greenbaum hergegeben hat). Jedenfalls ein wunderbar polyrhythmisch anmutendes Werk (das ich hier bereits an anderer Stelle bestimmt schon mal hochgelobt habe... :unsure: )
;) :heartbeat:
 
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Ich spielte das schöne Stück vor vielen Jahren im Big Band Arrangement von Bob Curnow, n.b. ein Top CD-Tip.
https://www.jpc.de/jpcng/jazz/detai...e-Music-Of-Pat-Metheny-Lyle-Mays/hnum/7845518

First Circle hat wechselnde Taktarten, am Anfang 22/8 stimmt, wobei sich das auf die Akkordfolge bezieht. Den melodischen Rhythmus kann man als zweitaktig auffassen (12/8+10/8).
first circle.jpg

Später wechselt das Stück in 6/8 Takt und - Überraschung, eine Überleitung in paar Takten 4/4 kommt auch vor. :D
Eines der schönsten Sücke, die ich kenne und auch die Version von Michele Fischietti finde ich große Klasse.

Gruß Claus
 
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Gibt es noch weitere Song-Beispiele, in denen ein Takt (muss ja nicht gleich ne viertel Stunde sein) in eine an sich logische, geradtaktige Form eingefügt sind?
Hier kann ich auch wieder gut als Beispiel Jean-Michel Jarre nennen. Bei dem geht's von bis. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
  • Ein Beispiel für das, was du genannt hast, wäre "Magnetic Fields 1 Part 1", wo immer mal wieder in etwas, was sich wie bequeme achttaktige Figuren anfühlt, zwei Takte zusätzlich eingefügt werden – wobei die Zwischenteile noch ein mehr auflockern.
  • "Second Rendez-vous Part 1" baut teilweise Einzeltakte ein und läßt teilweise Einzeltakte raus. "Part 2" macht noch wildere Sachen, z. B. eine weitere viertaktige Figur gefühlt antäuschen, die sich dann als Einzeltakt entpuppt.
  • "Equinoxe 4" schiebt ständig Einzeltakte ein. Im Unterschied zu anderen Stücken sind das wirklich Gruppen aus vier Takten, wo noch einer zusätzlich angeflickt ist, der eigentlich über sein könnte (und zweimal wirklich weggelassen wird). Live eignen sich diese Einzeltakte hervorragend für Schlagzeugsoli.
  • Auch die Ouvertüre der "Industrial Revolution" schiebt mal ein, mal nicht.
  • "Calypso 3" besteht überwiegend aus Zweitaktfiguren, aber zweimal wird ein Takt geklaut und einmal einer eingeschoben. Das Stück hat die meiste Zeit über eine zweitaktige Drumfigur, die sich dadurch zweimal gegen das Stück verschiebt.
  • "Fourth Rendez-vous" hat eine grundlegende achttaktige (!) Drumstruktur, schiebt aber alle Naselang Einzeltakte ein (Jarre hat es mit fünf Takten), so daß in den A-Teilen die Drums auch mal leicht seltsam klingen.
  • Der Megahit "Oxygène 4" täuscht ein achttaktiges Intro an, das dann aber nur fünf hat.
  • "Equinoxe 7" hat ein Intro, bei dem man wirklich zählen müßte. Danach gibt's Achttaktfiguren, aber aufgeteilt in fünf und drei Takte.
  • Stichwort fünf Takte: Der A-Teil von "Chronologie 4" nimmt, was sich wie Viertaktfiguren anfühlt, schneidet den vierten Takt ab und flickt dafür zwei mehr dran. Nach dem ersten B-Teil (der an sich aus drei Viertaktgruppen besteht) wird tatsächlich ein Einzeltakt eingeschoben, aber N.C. und ohne Melodie.
  • Der andere Megahit "Equinoxe 5" hat auch ein Intro zum zählen und danach überhaupt nichts Geradetaktiges. Der A-Teil besteht aus Fünf- und Siebentaktern. Im B-Teil fühlt es sich sogar an, als würden halbe Takte eingeschoben – werden aber nicht, weil das Stück dem Diktat einer Drummachine mit 4/4-Takt-Beat unterworfen ist.
  • Gut auf halber Länge durch "Oxygène 2" wird tatsächlich ein halber Takt weggelassen, so daß das Stück minutenlang um einen halben Takt gegenüber der Drummachine verschoben ist. Am Ende renkt es sich wieder ein.
  • "London Kid" ist ständiger Wechsel zwischen einerseits gleichmäßigen Zweiergruppen und Chaos pur bis hin zu tatsächlichen halben Takten.

Heutzutage ist deswegen alles glattgezogen, weil es einfacher ist, für einen Pop- oder R&B-Song ein, zwei jeweils zwei- oder viertaktige Beats zu basteln und die als Dauerschleife zu fahren, als für einzelne Takte was zu machen.

Eher 1 2 3 + 4 5 würde ich meinen.
Richtig. 1 2 + 3 4 5 wäre "Unsquare Dance", auch vom Dave Brubeck Quartet und auch komponiert von Paul Desmond.


Martman
 
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1 2 + 3 4 5 wäre "Unsquare Dance", auch vom Dave Brubeck Quartet und auch komponiert von Paul Desmond.
Nein, Unsquare Dance steht im 7/4-Takt, nicht im 5/4-Takt und wurde von Dave Brubeck komponiert, nicht von Paul Desmond. Der Rhythmus ist 1 2 3 4 1 2 3

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Viele Grüße,
McCoy
 
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1. Gibt es noch weitere Song-Beispiele, in denen ein Takt (muss ja nicht gleich ne viertel Stunde sein) in eine an sich logische, geradtaktige Form eingefügt sind?
2. Kann man das als ein Stilmittel einer gewissen Zeit (hier: 70er) ausmachen?
Die Bezeichnung wäre mir zu den eingeschobenen Breaks nicht in den Sinn gekommen, aber vielleicht hast Du damit den Nagel auf den Kopf getroffen?!
Zu 1. : Ja
Zu 2.: Nein
Eingeschobene Breaks die die Form "ungerade" machen gibt es zu Hauf bei Salsa-Stücken um die Clave "umzudrehen".

Hier eine Liste der mir bekannten Stücke in der mindestens ein Formteil mit ungerader Taktanzahl ist:

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Ich möchte noch Enver Izmailov beifügen, der spielt eigentlich (fast) immer "odd" , und das auch noch recht ´flott´:


Und nicht zu vergessen, den ´Großmeister´ in Sachen Rhythmen, Igor Stravinsky (ist aber nicht Pop7Rock/Jazz). Hier zwei Beispiele - mit Partitur zum Mitlesen (die ´üblichen Verdächtigen´ in diesem Zusammenhang wie "Sacre", "Petruschka", "Feuervogel" setze ich mal als bekannt voraus):

"Les Noces":

"Die Geschichte vom Soldaten":

Obwohl, mit Jazz hat sich Stravinsky auch beschäftigt, hier das "Ebony Concerto" (geschrieben für Woody Herman). Um "odd" zu klingen, braucht es nicht mal Taktwechsel, wie vor allem der 1. Satz beweist. Das "Concerto" ist durchgängig im 4/4-tel Takt geschrieben (respektive einige Abschnitte in 2/2):
 
Und nicht zu vergessen, den ´Großmeister´ in Sachen Rhythmen, Igor Stravinsky (ist aber nicht Pop7Rock/Jazz).
Die "Klassiker" (und dazu gehört für mich Stravinsky ganz eindeutig, genau wie es auch bei Bernstein einige nette Beispiele gibt) hab ich mal bewusst rausgelassen. Mir ging es tatsächlich, ohne, dass ich es so explizit gesagt habe, um Songs aus Pop und Rock. Ich war davon ausgegangen, dass da die Vereinfachung auf Schemata als Dogma durchgezogen wird und bin sehr positiv überrascht, dass es auch da Ausnahmen gibt. Ein weiterer "Zählsong", den man nicht mal eben so aus dem Rückgrat spielen kann ist mir gerade noch untergekommen mit "Bad Company" von eben der Truppe. Da beiße ich mir noch die Zähne aus, das locker zu machen. Da ist (bei mir) noch viel Zählarbeit angesagt... Klingt nach einem einfachen 4er bis man auf die 6 stößt ;) Alles im 4/4 Takt, aber eben mit wechselnden Takt-Anzahlen
 
1. Gibt es noch weitere Song-Beispiele, in denen ein Takt (muss ja nicht gleich ne viertel Stunde sein) in eine an sich logische, geradtaktige Form eingefügt sind?
Ja, ich habe gerade letzte Woche zwei solche Bespiele in Rick Beatos "What makes this song great?"-Reihe wiederentdeckt ... blöderweise habe ich mir etwa 3-4 Dutzend Folgen "am Stück" angeguckt, deswegen komme ich gerade nicht auf die Titel ... :rolleyes:

Aber ich glaube, eins war Peter Frampton's "Do You Feel Like We Do" von "Frampton Comes Alive".

2. Kann man das als ein Stilmittel einer gewissen Zeit (hier: 70er) ausmachen? ...

Ich würde das in der Populärmusik als Post-1968 und Prä-198xer Phänomen ansehen.
Spätestens seit gern und viel per MIDI gesequenced, ge-clicktracked und später digitalrecorded wurde,
hat mensch sich solche Spirenzchen im Interesse einfacheren "Program, Quantize & Edit"s gern gespart.

Für gute und ein Songarrangement ausreichend geprobt habende Musiker*innen und Bands hingegen waren solche Schmankerl leicht "auf's Band zu spielen".
Und das ist eben etwas, was ab den 1980ern immer weniger wurde.
 
Grund: Schiefen Satz begradigt.
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Bei einer Zeitzuordnung wäre ich skeptisch, da es unterschiedliche Quellen oder Beweggründe für Ungerade Formen gibt:
  • Prog-Rock: dort gibt es einerseits das Interesse als auch die Fähigkeit der Musiker*innen, das gelungen umzusetzen. Gleiches gilt für Jazz.
    Darunter zählen auch populäre Stücke wie "money" von Pink Floyd oder "Take 5" von Dave Brubeck. Es hat aber im Prog-Rock nicht nur die legendären Spät-60er und 70er gegeben, heute gibt es mit beispielsweise tool eine Prog-Rock-Band, bei der ungerade Formen eher die Regel als die Ausnahme.
  • Im weitesten Sinne Weltmusik: es gibt sowohl in traditionellen europäischen und osteuropäischen als auch anderen Kulturen der Welt ungerade Formen, die dort als durchaus gebräuchlich anzusehen sind. In dem Maße, wie die Weltmusik Einzug in unsere populäre Musik gefunden hat, haben auch ungerade Formen Einzug gehalten. Solche Wellen hat es schon früh gegeben, im Jazz sowieso, in der europäischen populären Musik in den 70er Jahren mit Embyo, danach mit weiteren Bands oder songs und musikalischen Themen, die diese aufgenommen haben.
  • Pop: Hier als Element, um Aufmerksamkeit und Interesse zu wecken und eine Art Alleinstellungsmerkmal zu erlangen. Auch da ist es ein Element, das vielleicht zu gegebener Zeit häufiger vorkommt, aber es gibt fast durchgängig immer wieder songs, die mit solchen ungeraden Formen aufwarten.
  • Keyboarder und sequenzer-Musik: Jean-Michelle-Jarre ist ja schon genannt worden. Dazu kommen Komponist*innen, die durch die technischen Möglichkeiten, sehr einfach mit ungeraden Formen experimentieren und sie einsetzen konnten.
Ich glaube deshalb nicht, dass man mit einer zeitlichen Zuordnung des Phänomens "Ungerade Formen" weit kommt.

x-Riff
 
  • Pop: Hier als Element, um Aufmerksamkeit und Interesse zu wecken und eine Art Alleinstellungsmerkmal zu erlangen.
Gerade für die besonders kreative Ära von Mitte der 1960er bis Ende der 1970er Jahre würde ich das gerne erweitern.

Als Beispiel für das Ganze stehend sehe ich z.B. die einschlägigen Meisterwerke im Pop der Beatles (plus George Martin) in einem außerordentlichen Zusamentreffen von Begabungen, unzähligen Stunden praktischer Erfahrung auf der Bühne, dem damailigen Zeitgeist mit seinen Auswirkungen auf die Gruppendynamik und Experimentierfreude sowie natürlich dem Können von George Martin begründet, der sich mit seiner Offenheit und in der praktischen Produzentenarbeit als geradezu schicksalhafter Glücksfall für das epochale Werk der Band erwies.

Kurz gesagt meine ich, die bemerkenswerte Spanne durch so viele musikalische Stile wie z.B. Folk, Rock'n'Roll, Schlager bis Avantgarde und psychodelische Musik ist aus kreativen Antrieben entstanden, war Teil des musikalischen Lernprozesses bzw. der Entwicklung der Band.

Gruß Claus
 

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