@pasc_1984, jetzt lass´ dich nicht verrückt machen wegen Phasen und Kammfilter.
Wenn mehr als ein Mikrofon im Spiel ist, werden die auf irgend eine Weise interferieren.
Dabei muss man das (Stereo-)Hauptmikrofonsystem immer gesondert betrachten und darf es gedanklich nicht mit ggf. dazu kommenden Stützen vermengen.
Beim Hauptmikrofonsystem muss es
zwingend (bei Stereo) zwei Signale geben, die unterschiedlich sind, aber korrelieren. Dabei darf die Korrelation nicht vollständig sein, dann wären die Signale identisch und es bliebe Mono*. Sie dürfen auch nicht zu stark differieren, dann wird das Resultat zu einem verwaschenen Klangbrei, dem es an Transparenz und Lokalisation fehlt.
Das passiert z.B. dann, wenn jemand in einer halligen Kirche zu weit weg von Klangkörper seine Mikros aufstellt. Dann erreicht sie nur noch der diffuse Raumhall (jedenfalls mit einem deutlich höheren Pegel als der Direktschall).**
Hier ein paar Hinweise zu Fehlern bei der Aufstellung von Hauptmikrofonsystemen:
http://www.sengpielaudio.com/GedankenloseLaufzeitMikrofonaufstellungen.pdf
Inwiefern man mehr Pegel- oder mehr Laufzeitunterschiede ins Spiel bringen will, ist zum einen von der Aufnahmesituation (Raum, Ensemblegröße), des weiteren dem Genre und der Stilistik (siehe meinen obigen Post), und nicht zuletzt vom Geschmack und den Vorlieben abhängig.
Mitunter kann es sinnvoll sein, absichtlich eine gewisse Undifferenziertheit und etwas "Verwaschungen" in Kauf zu nehmen. Wenn etwa Laienensembles nicht ganz soo präzise und exakt musizieren, dann darf da gerne etwas "zugedeckt" werden.
Sehr hilfreich und informativ für die Einrichtung von Stereo-Hauptmikrofonsystemen ist diese Seite mit Rechenblatt:
http://www.sengpielaudio.com/HejiaD.htm
Die Hauptmikrofone
müssen also
angemessen unterschiedlichen Schall aufnehmen, was bei den üblichen Stereo-Hauptmikrofonsystemen gegeben ist. Betrachtungen hinsichtlich Phasenverschiebungen und Kammfilter-Effekten spielen bei Hauptmikrofonen erst mal keine, bzw. eine sehr untergeordnete Rolle.
Kammfilter-Effekte können z.B. dann auftreten, wenn man das Hauptmikrosystem dicht an eine (schallharte) Wand oder unter einer Decke aufstellt. Dann können von dort Reflexionen auf die Mikros treffen mit Pegeln, die ähnlich hoch sind wie die Pegel des direkt eintreffenden Schalls. Das führt dann tatsächlich schnell zu Kammfiltereffekten.
Wenn die Pegel der Reflexionen deutlich unter den direkt eintreffenden Schallpegeln liegen, bleiben die Kammfilter-Effekte unhörbar, können also vernachlässigt werden.
In jedem Fall sollen der Aufstellungsort und die Höhe des Hauptmikrofonsystems sorgfältig bedacht und eingerichtet werden (so es die Verhältnisse vor Ort zulassen, manchmal wird man mit Kompromissen leben müssen, vor allem bei Live-Mitschnitten).
Ansonsten spielen diese Überlegungen erst eine Rolle, wenn Stütz-Mikros zum Einsatz kommen. Aber auch hier muss man mehr auf den Abstand der Stützen zueinander achten als auf den Abstand zum Hauptmikrosystem. Für die Stützen hilft die "3zu1-Regel" [siehe hier:
http://www.sengpielaudio.com/Die3zu1RegelAntworten.pdf]
Beim Zumischen der Stützen zum Hauptmikrofonsignal ist auf die Pegel zu achten. Liegen die ausreichend weit auseinander, dann kann der Kammfilter-Effekt generell vernachlässigt werden.
Entweder dominieren die Hauptmikros und die Stützen bleiben z.B. -10dB unter diesen (geben also nur ein wenig mehr Direktheit dazu), oder es ist umgekehrt: wenn das gestützte Instrument im Hauptmikro zu leise ist (weshalb es ja gestützt werden muss), dann dominiert der Stütz-Kanal, und wieder bleibt der Effekt unhörbar.
Im Zweifel natürlich immer mit den Ohren gut prüfen.
Hier noch etwas zu Stützen, allerdings bei Streichern:
http://www.sengpielaudio.com/UnterschiedZwischenBass-Stuetze.pdf
Noch mal zu den "Phasen":
Bei Stereo-Hauptmikrophonsystemen ist wie gesagt dieser Ansatz ziemlich irrelevant. Denn bei einem so komplexen Schall wie es natürliche Klangerzeuger, und dann noch im Ensemble sind, macht die Betrachtung von Phasenbeziehungen praktisch keinen Sinn mehr. Allenfalls, wenn bei zwei sehr stark korrelierenden Signalen eines verpolt ist, z.B., weil ein Stecker falsch verlötet wurde - für so etwas ist ein Korrelationsgradmesser oder ein Stereo-Sichtgerät sehr hilfreich, aber auch um die Stereo-Basisbreite zu kontrollieren und Überbreiten zu vermeiden - hat heute jede DAW dabei.
Warum ist die "Phase" kein so wichtiger Aspekt?
Weil sie für jede Frequenz anders ist. Die Phasenverschiebung ist bei einem gegebenen Abstand nicht konstant, sondern ändert sich linear über den Frequenzbereich. Hier sind sehr ausführliche Infos dazu zu finden nebst einer kleinen Rechentabelle, mit der diese Zusammenhänge gut veranschaulicht werden können:
http://www.sengpielaudio.com/Rechner-LaufzeitPhase.htm
Nehmen wir als Beispiel 500 Hz (ein zu hoch intoniertes H1) und 20ms (rund 7m Abstand). Als Phasendifferenz errechnen sich 3600 Grad, also 10 x 360 Grad = dieser Sinus von 500 Hz wird sich also 1:1 decken, also das Signal am Hauptmikrofon und das der Stütze. Es sollte also zu einer Verstärkung kommen. Nun liegen die Pegel aber üblicherweise deutlich auseinander, der verstärkende Effekt wird also nur gering sein, praktisch kaum wahrnehmbar.
Das gilt nun aber nur für diese eine Frequenz sowie ihren (reinen!) Obertönen. Schon eine dazu gespielte (reine) Terz mit 625 Hz liegt mit 12,5 x 360 Grad in ihrer Phasenbeziehung Stütze-Hauptmikrofon ganz woanders. Und wenn das H1 sauber intoniert wird mit 493,89 Hz (bezogen auf A1=440 Hz und gleichstufige Temperatur), dann liegt die Phase mit 9,8778 x 360 Grad wieder daneben. Usw., usw., ...
Wenn man die Betrachtung nur auf ein A/B-Hauptmikrofonsystem beschränkt, dann wird es ebenfalls sehr komplex.
Eine Schallquelle, die genau mittig vor den beiden Mikros platziert ist, produziert keine Laufzeitunterschiede, also auch keine Phasendifferenz, da ihr Schall beide Mikros gleichzeitig erreicht. Schallquellen, die ganz seitlich platziert sind, würden den vollen Laufzeitunterschied zwischen den Mikros erreichen, bei 60cm Abstand wären das ca. 1,74ms (wobei es praktisch eher selten vorkommt, dass sich ein Ensemble im 180-Grad-Winkel um buw. zu den Mikros positioniert, die Laufzeitunterschiede werden daher meistens geringer sein).
Wenn nun ein Ensemble unisono ein und denselben Ton aushält, würde(n) diese Frequenz(en) am A/B-Hauptmikrosystem alle ihre je eigene Phasenlage produzieren, je nach Postion und Winkel des Spielers zum Hauptmikrofonsystem. Wohl gemerkt: ein und derselbe Ton und Dutzende verschiedene Phasenlagen. Schon bei einem Zweiklang kämen noch mal etliche Phasenlagen dazu.
Wie soll also die Betrachtung von "Phasen" im Bezug zum Hauptmikro-System irgendwie weiter helfen?***
Noch ein Wort zum "Grundton" weil davon weiter oben in einem Post die Rede war:
ELementar für die Tonalität ist ja der Grundton des Instrumentes. Das ist auch der lauteste Sinus nach einer Fourier Transformation
So generell stimmt das nicht. In dieser Quelle finden sich sehr detaillierte Infos mit Spektrogrammen dazu:
https://curdt.home.hdm-stuttgart.de/PDF/Klassische Orchesterinstrumente.pdf
Auf S. 50 findet sich eine anschauliche Tabelle, der man entnehmen kann, dass es viele Instrumente gibt, bei denen der Grundton im Pegel unter den Obertönen liegt (zum Teil auch abhängig vom Register). Es sind verblüffend viele, bei Glocken (nicht in der Tabelle) ist es sogar immer der Fall.
Das Superlux S502. Ich bin damit mega Zufrieden.
Zuguterletzt auch von mir eine Empfehlung zu diesem Mikro. Ich habe es selber und nutze es für einfache Aufnahmen, wo ich mich nicht mit Technik und langen Vorbereitungen herum schlagen will (z.B. Schülerkonzerte, rein dokumentarische Aufnahmen). Ein hervorragendes Preis-Leistungs-Verhältnis und man kann auch mit ORTF nicht allzuviel verkehrt machen, wenn man sich ein wenig mit Aufnahmewinkel und Schallereigniswinkel beschäftigt (siehe den weiter oben schon erwähnten Link:
http://www.sengpielaudio.com/HejiaD.htm).
Gruß, Jürgen
*)
Genau das ist ja der Grund, warum XY-Systeme mitunter etwas sehr in Richtung Mono tendieren können, hier gibt es nur Pegel- und keine Laufzeitunterschiede. Wenn aus Gründen der Raumakustik und falscher/ungünstiger Aufstellung die Korrelation aufgrund zu geringer Pegelunterschiede zu groß wird, klingen die Aufnahmen leider zu "blass".
**)
Daher sollte der Abstand der Mikros zueinander bei A/B-Hauptmikrosystemen auch nicht zu groß gewählt werden. Sie wirken dann wie zwei Einzelmikros, die schlimmstenfalls keine vernünftige Korrelation mehr haben. Es gibt zwar einen Stereo-Effekt, aber hoffnungslos übertrieben: das gefürchtete "Loch in der Mitte" - die vom jeweiligen Mikro erfassten Ensemblebereiche werden sozusagen in den korrespondierenden Lautsprecher "gezogen", das Klangbild ist uneinheitlich und hat keine Geschlossenheit mehr sie für ein gutes Stereosignal nötig ist.
***)
Zu allem Überfluss kommt noch hinzu, dass sich die Schallgeschwindigkeit mit der Lufttemperatur ändert. Da die Frequenz und die Wellenlänge mit der Schallgeschwindigkeit in einem linearen Zusammenhang stehen, ändert sich die Wellenlänge bei konstanter Frequenz, wenn sich die Lufttemperatur ändert. Da auch der Abstand der Mikrofone in diesem Beispiel sich nicht ändern soll, ändern sich folglich die Phasenbeziehungen des Signals zwischen diesen beiden Mikros, wenn es kälter oder wärmer wird (es wird dabei auch angenommen, dass es den Musikern gelingt, bei sich ändernden Temperaturen immer gut die Stimmung zu halten, damit auch die Frequenz gleich bleibt
).
Und schon wieder "Chaos", wo es doch so einfach sein sollte ... mit den "Phasen" und den Mikros.