Nee, nee, das Problem ist schon recht ernsthaft, man muß es nicht ins Lächerliche ziehen.
Man kann (auch komplexe) Dinge so einfach darstellen, daß sie jedem verständlich sind;
Hallo Bert,
Ich finde
@McCoy s Ausführungen sehr spaßig und seine Erfahrungen basieren auf jahrzehntelanger Lehrtätigkeit. Und glaube mir, er steht allein durch seinen persönlichen Bildungsweg alternativen und kindgerechten Methoden mehr als aufgeschlossen gegenüber.
Ich möchte aber tatsächlich mal ganz ernsthaft Deine "einfache" Zahlen/Buchstaben-Vorstellung der Notenschrift gegenüberstellen, die ja auch nur das Ende einer langen Entwicklung darstellt.
Es wurde schon viel geschrieben, aber ich möchte eine zentrale Aussage herausgreifen, um eine Gegenposition zu konstruieren.
Und das, obwohl ein ein lausiger vom-Blatt-Spieler bin.
Wenn man erst eine Fremdsprache (klassisches Notensystem) lernen muß, um ein notiertes Stück spielen zu können, stellt diese Fremdsprache für viele Lernende eine schwer überwindbare Hürde. Das ist auch der Grund, warum viele Menschen Text/Zahlen lesen und telefonieren können, aber beim Notenlesen scheitern.
Sprache und Schrift
Mir scheint, Du vermengst Sprache und Schrift.
Ein Kind lernt ganz natürlich seine Muttersprache, lange bevor es mit Schreiben und Lesen in Berührung kommt.
Sprache und Schrift entsprechen in der Musik eben Musik und Notenschrift.
Ein Kind wird schon viel früher singen und tanzen - lange bevor es mit Schreiben und Lesen (egal ob Text oder Notenschrift) in Berührung kommt (siehe oben).
Buchstaben/Zahlen als allgemein bekannte und vertraute Symbole?
Zahlen werden, da stimme ich Dir zu, mittlerweile in allen Kulturen auf ähnliche Weise verwendet. Abgesehen davon, dass die arabischen (eigentlich indischen) Ziffern anders aussehen als "unsere" gebräuchlichen Ziffern:
Also statt
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 eben je nach Kulturkreis auch
٠ ١ ٢ ٣ ٤ ٥ ٦ ٧ ٨ ٩ (Schreibrichtung beachten - hoppla! hcua sad hcon!) oder
० १ २ ... in Indien (Dewanagari) usw. usw.
Da man bei einer Notenschrift sowohl Tonhöhe als auch Tondauer darstellen muss, eignet sich eine Kombination aus Buchstaben und Ziffern.
Und spätestens hier müssen wir sowieso unseren europäisch-amerikanischen Kulturkreis verlassen, wenn wir Anspruch auf Allgemeingültig erheben wollen, wie Du es gewissermaßen tust.
Für Kinder vieler Kulturkreise in das uns vertraute lateinische Alphabet auch nur eine
fremde Schrift, deren Kenntnis lange nach dem Sprach- und Musikerwerb im Rahmen des Fremdsprachenunterrichts gelernt wird.
Also wirklich vertraut statt
A B C D E F G dann auch
А Б В Г Д Е Ж oder
Α Β Γ Δ Ε Ζ oder
א ב ג ד ה ו (auch Schreibrichtung beachten!) usw.
Arabische alleinstehende Buchstaben sind auch nicht sehr handlich. Von asiatischen Schriften möchte ich jetzt erst gar nicht anfangen.
Es ist naheliegend, dass die Reihenfolge der Buchstaben aufsteigen der Reihenfolge der Töne entsprechen sollte.
Dann kommt noch erschwerend hinzu, dass, selbst bei gleichem Buchstabensystem verschiedene Sprachen
verschiedene Reihenfolgen im Alphabet haben.
Erkenntnis:
Buchstaben/Zahlen --> Babylonisches Sprachgewirr, lateinisches Alphabet oft nur im Rahmen von Fremdsprachen
Notenschrift --> Hauptsächlich graphische Darstellung - wirklich international gleich.
Und auch, wenn Du ein ungarisches Buch lesen kannst, weil Du die Buchstaben kennst, heißt das noch lange nicht, dass Du verstehst, was dort steht.
Der Punkt ginge also eindeutig an die Notenschrift - aus meiner Sicht.
Darstellung von komplexer Musik mit Zahlen/Buchstaben?
Da man gleichzeitig Tonhöhe und -dauer darstellen muss, bietet sich eine Kombination aus Buchstaben und Zahlen an.
Beispiele gibt es genug, dank der Computer-Technologie, die zunächst auf die Zeichen des 7-Bit-ASCII-Codes beschränkt war.
Textdateien sind außerdem extrem gut austauschbar, lesbar und platzsparend. Aber das ist ja ein anderes Thema.
Außerdem soll Eingabe von Musik per Computer-Tastatur möglich sein - da kann man sich z. B. an der "
ABC-Notation" orientieren:
ABC-Tonhöhe
Die Töne der eingestrichenen Oktave werden mi C D E F G A B notiert, die zweigestrichene Oktave kann bequem mit c d e f g a b dargestellt werden. Darüber und darunter müssen Zusatzangaben wie ein ' pro Oktave nach oben oder ein , pro Oktave nach unten angefügt werden, z. B. c'' oder C,,,
Pausen werden durch ein z dargestellt.
ABC-Tondauer
Es gibt eine "Default-Tondauer", die nicht angegeben wird und in der Kopfdefinition festgelegt werden kann.
Soll das eine Viertel sein, wird das mit L = 1/4 definiert.
E wäre also das eingestrichene e auf der untersten Notenlinie mit der Dauer einer Viertelnote.
Abweichungen von der Standard-Dauer müssen als Faktoren hinter dem Notenbuchstaben angegeben werden.
Eine 2 bedeutet: doppelt so lang wie die definierte Standard-Notendauer.
Ein / reicht zur Halbierung, ansonsten /4, /8 usw.
Nach dieser mathematischen Logik werden können punktierte Noten dann mit Brüchen dargestellt werden, z. B. g3/2 wäre eine punktierte Viertelnote, wenn die Standard-Notendauer 1/4 ist.
Einfacher Fall: Alle meine Entchen
C D E F G2 G2 A A A A G4 A A A A G4 F F F F E2 E2 G G G G C2 z2
Die Bruchrechnerei scheint mir für Kinder gänzlich ungeeignet, vielleicht könnte man eine Schreibweise wie in LilyPond (Notensatzprogramm mit textbasierter Eingabe) den Vorzug geben: da bedeutet 1 eine ganze Note, 2 eine halbe Note, 4 eine Viertelnote, 8 eine Achtelnote und Punktierung geht einfach durch einen Punkt: eine punktiere Viertelnote würde man dann als 4. schreiben.
Polyphonie
Auch hier würde sich Bewährtes wie LilyPond als Vorlage anbieten, denn das Programm kann mit Akkorden, polyphoner Musik und sogar, wenn es sein muss, Polyrhythmik umgehen.
Parallele Kontexte schließt man in << >> ein und
Code:
<<
{ c'4 d' e' f' g'2 g' a'4 a' a' a' g'1 }
{ c'2 c' e' e' f'4 f' f' f' e'1 }
>>
Hier stellen die ' nach den Tonbuchstaben die Oktavlage dar (eingestrichene Oktave), das ginge auch anders, aber sei's drum...
Spätestens hier hätte ich schon bei diesem extrem einfachen Beispiel (beidhändiges Spiel auf einfachstem Niveau) für mich ziemlich unleserlich.
Für Maschinen eindeutig und toll, aber die beiden Stimmen rhythmisch übereinander zu bekommen, überfordert mich. Ich habe zwar versucht, die Notenbuchstaben entsprechend über/untereinander anzuordnen - das sieht dann aber trotzdem besch...eiden aus.
Ist da nicht so etwas einfacher und klarer?
Der Punkt geht aus meiner Sicht auch eindeutig an die Notenschrift - auch schon bei einfachsten Fällen wie "Alle meine Entchen" mit zwei Händen.
"Vertrautheit" von Buchstabe vs. bildliche Darstellung
Die von Dir propagierte Vertrautheit und Geläufigkeit im Umgang mit Buchstaben und Zahlen mag tatsächlich gegeben sein, aber die Zuordnung von Buchstaben zu tatsächlichen Tonhöhen muss auch erst gelernt werden.
Ich gebe Dir recht, dass die Einstiegshürde sehr tief liegt, wenn man die nur die Symbole betrachtet (hier: vertraute Buchstaben ggü. neuartigen Notensymbolen), aber die eigentliche Leistung besteht dann darin, diesen Symbolen auch Töne zuzuordnen. Ohne das hat alles keinen Sinn und da gehen die Schwierigkeiten schon los.
Noten nicht als bedrohliche Geheimschrift", sondern als "bildliche Darstellung"
Du erwähnst "Einfache Sprache" usw. um Hürden abzubauen. Aber vor der Einfachen Sprache steht, wenn möglich, die
noch viel einfachere bildliche Symboldarstellung.
Ich behaupte ganz frech
- bevor Kinder Schreiben und Lesen lernen, malen sie schon.
- Kinder sind sehr graphisch orientiert.
- Notenschrift ist nicht böse, wenn man ihnen die Angst nimmt, sondern sind nur lustige Punkte. Die sind viel einfacher als Buchstaben.
- Vor allem sieht man intuitiv auf einen Blick, welche Töne höher und tiefer sind: je höher der Punkt, desto höher der Ton.
Einfach, oder?
Es gibt auch kindgerechte, vereinfachte Notensysteme wie z. B. von Valenthin Engel, das ich mal vor Jahren aus Spaß an der Freue mit LilyPond nachgestellt habe.
Dann sähe der erste Takt so aus:
Die Notensymbole versuchen, einen inhaltlichen Zusammenhang mit den erklingenden Tönen (Tonnamen) herzustellen, deshalb hier eine stark vergrößerte Darstellung.
- Circuszelt für das C
- Drachen für das D
- Elefant für das E
- Fisch für das F
- Gitarre für das G
Somit wird man spielerisch in die Richtung "Erwachsenen-Noten" geführt.
Da die Notenkopfsymbole sich nicht für voll/hohl-Unterscheidung eignen, wird einfach langsamer notiert: die mit den Hälsen entsprechen Halben und die ohne Hälse gen ganzen Noten.
Na ja:
Das muss kein Kind verängstigen und in den Noten sieht auch jeder ohne Vorbildung, ob ein Ton gleich bleibt oder sich die Melodie nach oben oder unten bewegt.
Das können Buchstaben nicht leisten.
Bei Videospielen (oder wie das korrekt heißt) wie Sing Star o. ä. werden auch Balken angezeigt, die der Tonhöhe entsprechen und deren Länge die Tondauer angibt.
Davon kann man halten, was man will, aber es ist auch für musikalisch völlig Ungebildete gedacht und offenbar geeignet.
Die "bösen" Noten stehen einer solchen graphischen Darstellung näher als ein mystischer Zahlen-Buchstaben-Code.
Das ist zumindest meine Meinung zum Thema.
Viele Grüße
Torsten