Warum sind Akustikgitarren nicht innen lackiert?

  • Ersteller Dr_Martin
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Hier herrscht eine gewisse Schwierigkeit der Diskussion gerecht zu werden, die darauf beruht, dass viele Dinge miteinander vermischt werden und manche Aussagen sehr schwammig sind.

Beispielsweise ist "etwas schwingt besser" eine subjektiv bewertende Aussage, wenn man über Gitarren redet. Ansonsten muss man hier extrem darauf achten, ob man von Eigenschwingung des Korpus redet, von der Deckenschwingung oder der Saitenschwingung und ob mit "besser" einfach "mehr" gemeint ist oder "gefällt mir besser".

Dazu kommt noch der Fakt, dass die Klangerzeugung bei der genannten Epiphone Wildcat quasi genau andersrum als wie bei einer Akustikgitarre funktioniert:
Der genannte Gewinn an Sustain durch die "Füllung" mit Epoxy kommt dadurch zu Stande, dass eben der Korpus weniger Schwingungsenergie von den Saiten "klaut" und somit die Saiten selbst länger schwingen und das Magnetfeld des Tonabnehmers länger anregen. Entsprechend hat man mehr Sustain.
Bei einer Akustikgitarre wäre aber der Effekt genau entgegengesetzt: Wenn ich meinen Korpus mehr härte, dann "klaut" er weniger Energie von den Saiten, aber er gibt dann auch entsprechend weniger Energie an die Luft ab, entsprechend wird das Sustain eher weniger.

Man muss hier wirklich beachten, dass das zwei extrem unterschiedliche Arten von Gitarren sind:
Bei einer E-Gitarre will man gar nicht, dass da der Korpus viel schwingt. Deswegen ist das ein Brett. Bei einer Semi-Hollow ist durch das Ausschnitzen der Decke, diese Decke extrem steif und schwingt sehr wenig.
Das ist so gewollt, weil hier die Tonerzeugung über die Tonabnehmer passiert und dann über den Verstärker laut gemacht wird.
Bei einer Akustikgitarre ist es genau das Gegenteil: Man will, dass der Korpus, insbesondere die Decke, viel schwingen, denn das IST der Verstärker.

Deswegen macht es bei E-Gitarren auch nichts, wenn da die Decke millimeterdick lackiert ist, während die meisten Akustikgitarrenbauer versuchen die Decke möglichst dünn zu lackieren, damit sie sich leichter anregen lässt.
Letztlich ist es aber auch wie immer irgendwo Geschmacksache.
Meiner Meinung nach, werden A-Gitarren nur extrem selten von innen lackiert, weil der Effekt den Aufwand nicht rechtfertigt. Die Frage ist also für mich eher: "Warum sollte man das machen?" und nicht "Warum sollte man das nicht machen?"
 
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Bei einer Akustikgitarre <...> Man will, dass der Korpus, insbesondere die Decke, viel schwingen, denn das IST der Verstärker.
Die Decke ja, beim Rest streiten sich die Geister: Doppelzargen , doppelte Böden, ..., sind ja dazu da, den Korpus steifer zu machen. Und natürlich reflektiert eine glatte Oberfläche (Lack) besser, als eine poröse (nur gehobelt/geschliffen). Die Physik ist da recht klar - Badezimmerkacheln vs. schwere Wollvorhänge oder Diffusoren.
Ach so: Nicht klar ist, was man beim Hören angenehmer findet.
 
Und natürlich reflektiert eine glatte Oberfläche (Lack) besser, als eine poröse (nur gehobelt/geschliffen).

Eine glatte Oberfläche ist ein relativer Begriff; auch lackiertes Holz ist "porös" und nimmt über die lackierte Oberfläche Feuchtigkeit auf und gibt sie wieder ab.

Gruß, Bert
 
Absolut gesehen hast Du Recht, Lacke sind wasserdampfdurchlässig (und selbst auch für Epoxy gilt das schlussendlich technisch wohl auch, allerdings in einem sehr, sehr geringen Ausmaß. Für den Bootsbau reicht das, auch wenn die Baustoffe das ganze Jahr lang im oder unter Wasser sind...) Aber Wasserdampfdurchlässigkeit und Glätte (= Reflektion) sind noch verschiedene Kriterien, auch wenn es da Zusammenhänge gibt (je glatter, desto kleiner in der "Mikrobetrachtung" die Oberfläche usw.).
Aber im Vergleich von einer geschliffenen / gehobelten Oberfläche und einer ordentlich lackierten Oberfläche sehe ich da noch Unterschiede. Ob ich sie höre, weiß ich nicht, da ich da keinen a/b-Vergleich habe. (Und mit der Zeitperspektive eines Geologen ist auch Erdöl ein nachwachsender Rohstoff.)
 
Meiner Meinung nach, werden A-Gitarren nur extrem selten von innen lackiert, weil der Effekt den Aufwand nicht rechtfertigt. Die Frage ist also für mich eher: "Warum sollte man das machen?" und nicht "Warum sollte man das nicht machen?"

Das ist auch meine Vermutung; sicherlich bekäme die Gitarre durch die Innenlackierung einen anderen Klang, aber warum sollte man das machen, wenn es mit einem großen Aufwand verbunden ist? Und wer will einen anderen Klang haben?
Die Gitarrenbauer haben ihre bewährten "Tricks", den Klang einer Gitarre so oder so zu gestalten, und ich denke, daß sie ihren Kunden viele individuelle Wünsche auch ohne Innenlackierung erfüllen.

Eine andere Sache ist, wenn ein Künstler das Instrument für ein konkretes Werk (Konzert/Sonate) in einer speziellen Weise "tunen" läßt, damit es an der Stelle (im Stück) so klingt und an einer anderen Stelle anders.
Zu diesem Thema (allerdings ging es um Klaviere) habe ich vor etwa 10 Jahren einen atemberaubenden Film gesehen, in dem Stefan Knüpfer (Klavierstimmer) Steinway-Klaviere für die ganz großen Virtuosen (Lang Lang, Alfred Brendel ...) "präpariert", damit sie genau den Ton erzeugen, wie es sich der Pianist vorstellt.

Gruß, Bert
 
sicherlich bekäme die Gitarre durch die Innenlackierung einen anderen Klang, aber warum sollte man das machen, wenn es mit einem großen Aufwand verbunden ist? Und wer will einen anderen Klang haben?
Der Gitarrenbauer?!? Ich habe Instrumente mit einer Innenlackierung ab Werk. Ich habe sie wegen des Klangs gekauft. Ich bin mir nicht sicher, ob sie ohne die Innenlackierung genau so (oder jedenfalls fast so) klingen würden, aber auf jeden Fall haben sie den Klang, der mir gefällt.
Und, wie oben geschrieben, theoretisch kann ich die Gründe nachvollziehen; als Gitarrenbauer würde ich es auf jeden Fall versuchen wollen.
Vielleicht werde ich mal eines meiner Bastelobjekte nachträglich von innen lackieren.
Noch'n Nachtrag: Wenn man den Korpus von innen lackiert, bevor der Deckel draufkommt, hält sich die Arbeit ja auch in Grenzen. Und natürlich kann man das dem Kunden als "Wertvorteil" verkaufen. Die Leute bezahlen ja auch Kohle für Bling, Bindings, ...
Noch'n 2. Nachtrag: Der spanische Halsfuß bei klassischen oder der Schwalbenschanz bei Steelstrings sind auch mit großem Aufwand verbunden. Ob das "besser" klingt, darüber streiten sich auch die Gitarrenbauer. (Wer aus "der Tradition" kommt, wird dies sofort bejahen. Und dennoch sind auch im hochpreisigen Bereich viele Instrumente mit anderen Befestigungen vertreten.) Und dennoch sind die Leute bereit, dafür Kohle zu zahlen.
 
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Ich habe sie wegen des Klangs gekauft. Ich bin mir nicht sicher, ob sie ohne die Innenlackierung genau so klingen würden, aber auf jeden Fall haben sie den Klang, der mir gefällt.

Das ist ausschlaggebend; Dir gefällt der Klang (mit der Innenlackierung), einem Anderen gefällt der Klang ohne Innenlackierung, und so, denke ich, findet jeder das Instrument, das zu seinem "gespitzten" Ohr paßt.
Wenn Du weißt, welchen Klang Du haben willst, und daß der Klang durch eine bestimmte Innenlackierung erreicht wird, dann lohnt sich der Aufwand.
Mir gefällt der jetzige Klang (ohne Innenlackierung), deshalb lasse ich es so sein, denn ich weiß nicht, ob mir der neue Klang (mit Innenlackierung) gefallen würde. Und so geht es vielen Kunden.

Gruß, Bert
 
deshalb lasse ich es so sein, denn ich weiß nicht, ob mir der neue Klang (mit Innenlackierung) gefallen würde. Und so geht es vielen Kunden.
Klar, ich kaufe eine Gitarre, weil sie mir gefällt, und nicht weil ich sie verändern möchte. (Ok, die Jugend-forscht-Bastelobjekte außen vor, aber die gibt es für lau oder für wenig Geld bei ebay-Kleinanzeigen.)
in dem Stefan Knüpfer (Klavierstimmer) Steinway-Klaviere für die ganz großen Virtuosen (Lang Lang, Alfred Brendel ...) "präpariert", damit sie genau den Ton erzeugen, wie es sich der Pianist vorstellt
Das ist aber reversibel, ein "Setup", anders als die Innenlackierung.
 
Das ist aber reversibel, ein "Setup", anders als die Innenlackierung.

Ja, aber das zeigt die unerschöpflichen Möglichkeiten, einen bestimmten Klang zu erzeugen.

Mit diesem Beispiel ging es mir um die klare/konkrete Vorstellung, welchen Klang will ich haben; wenn man das weiß, kann man überlegen, mit welchen Modifikationen der Klang erzielt wird.
Die Innenlackierung ist bei akustischen Gitarren sicherlich recht selten anzutreffen, aber selbst mir, der nur eine Handvoll Gitarren gekauft hat, ist schon eine Gitarre mit Innenlackierung begegnet. Deshalb denke ich, daß man sich diesen Wunsch durchaus erfüllen kann; und wenn die Stange nichts hergibt, dann halt bestellen.
Ob man die Innenlackierung (nachträglich) selbst in die Hand nehmen sollte/könnte - na, das muß jeder selbst wissen.

Gruß, Bert
 
Sehr schön, angenehm nüchtern!
Eine Anmerkung dazu: Man kann einfach selbst mal eine Schelllackpolitur ausprobieren. Das kostet - jedenfalls zum Ausprobieren - wahrscheinlich weniger, als den Kaffee, den man während der Arbeit verbraucht. Etwas Schelllack, etwas Spiritus, weiche Lappen. Damit Holz zu beschichten, ist relativ einfach, einfacher als Fensterstreichen. Daraus eine meisterhafte Politur hinzukriegen, allerdings nicht....
 
Ich besitze eine Gitarre die vom Gitarrenbauer damals 1979 innen lackiert wurde. Ich hatte dies nicht in Auftrag gegeben. Es war Standard bei seinen Spitzenmodellen, ebenso wie Sattel und Steg aus Elfenbein, spanischer Halsfuß (bei einer dreadnaught) und doppellagigen Zargen (Sperrholz!).

Die Gitarre ist bis heute meine absolute Referenz was die klangliche Güte betrifft.

Wäre sie ohne Lack im innern wahrscheinlich auch, aber irgendwas wird er sich dabei gedacht haben.

Positive Begleiterscheinung ist dass sie kaum auf Luftfeuchtigkeitsschwankungen reagiert.
 
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Nein, sie sind natürlich nicht gesperrt.

Die Gitarre ist von Rainer Krempel gebaut worden.
 
Ja, ok, Du schriebst "gesperrt", da war ich irritiert. Was für eine Krempel hast Du? Bei mir ist es eine RR-6F (eine klassische), ist mittlerweile mein Hauptinstrument. (Und innen ist sie auch lackiert.)
Noch'n Nachtrag: Das scheint Krempel, jedenfalls bei den teureren Instrumenten, häufiger gemacht zu haben. In der Bucht steht eine RR-5, bei der man das ganz gut sieht (https://i.ebayimg.com/00/s/MTYwMFg5MDA=/z/kNMAAOSwrndgTfKe/$_57.JPG). Bei einer wohl einfacheren CH-4 scheint er es nicht gemacht zu haben (https://i.ebayimg.com/00/s/MTIwMFgxNjAw/z/hXMAAOSwMDJgkqh2/$_57.JPG), bei einer MM-5 (Steelstring) wohl auch nicht (https://i.ebayimg.com/images/g/QCIAAOSwONBZDFar/s-l640.jpg)
 
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Wäre mal interessant was der Gitarrenbauer Krempel dazu sagt.
 
Ich fürchte der weilt nicht mehr unter uns.

Sein Sohn Magnus könnte da eventuell was zu sagen.
Beitrag automatisch zusammengefügt:

P.S.: Die oben beschriebene ist eine MM-7 aus 1979

Und dann hab´ ich noch eine MM-3/12 Pe aus 1985

Letztere ist deutlich einfacher gebaut und innen nicht lackiert.
 
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Auf jeden Fall ist Magnus sehr hilfsbereit und ein toller Bass-Bauer (eine Gitarre von ihm hatte ich noch nicht in der Hand). Danke für die Info.
 

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