Ohne Anspruch auf Vollständigkeit, versuche ich mal eine Deutung aus psychotherapeutischer Sicht.
Die Gitarre ist wie kaum ein Instrument beladen mit Implikationen, Wünschen, Träumen und Selbstdarstellung im positiven Sinne. Der Gitarrist einer Band ist in der Regel mehr Frontmann als es Bassist oder Drummer sind. Er gleich damit dem Sänger in den Erwartungen des Publikums an Ausdruck, Emotionalität und allgemeiner Performance. Aber in der Wahrnehmung des Publikums ist ein Gitarrist dabei mehr ein Techniker/Handwerker, während der Sänger eher eine Gabe hat und Singen kann. Und mir ist klar, dass das nicht unbedingt der Wahrheit entspricht und Sänger durchaus enorm in Technik usw. investieren.
Damit ist die Gitarre in der Außenwahrnehmung bei Rockstars, SingerSongwritern, Flamencovirtuosen etc. ein mediales Ereignis. Das dürfte in vielen Fällen ein Beweggrund sein, sich für die Gitarre zu entscheiden und dient im Grund der Regulation des eigenen Selbstwertes, d.h. des narzisstischen Gleichgewichts. Und das ist nicht im mindesten abwertend gemeint, jeder Mensch braucht eine solche narzisstische Homöostase und es bedeutet nicht, dass Gitarristen irgendwie alle narzisstisch (i.S. von Störung) wären. Aber ich glaube ein Alphorn oder ein Xylophon (so virtuos das manche Menschen spielen können), sind hier ein denkbar ungeeignetes Objekt, wenn es um Selbstwert geht.
In der Psychotherapie gibt es den Ausdruck des Selbstobjekts. Es bezeichnet ein Objekt, in welchem wir unseren Wert bzw. unser Streben nach Vollkommenheit als Mensch erkennen können. Wir alle sind auf solche Dinge angewiesen. So wie wir - im guten Sinne - darauf stolz sind in irgendwas gut zu sein, so ist ein Pokal (der Regionalliga im Fußball) das zugehörige Selbstobjekt. Ich habe also einen Teil meines Selbstwertes auf der materiellen Ebene ausgelagert und darauf bin ich als Mensch fast immer angewiesen. Selbstobjekte können auch schöne Partner, tolle Freunde, ein schnelles Auto, ein selbstgeschnitzter Schlüsselanhänger oder die Erlangung einer Berufsausbildung sein.
Wenn man sich die Gitarre als Selbstobjekt vorstellt, funktioniert sie retrospektiv, spiegelnd und idealisierend also einfach gesagt in Richtung Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Und ich würde mal vermuten, das genau das die Trennung von Gitarren so schwierig macht. Aber der Reihe nach:
Retrospektives Selbstobjekt
Wie
@Navar schon sagte, sie ist aufgeladen mit emotionalem Wert und Erinnerungen. Von schönem Spiel, ersten Erfolgen (auf der ersten Mumpfelgrumf Supercaster von 89) und vielen Stunden des harten Übens. Die Gitarre erinnert uns an Glück, schöne Momente oder auch an die Disziplin, die wir aufgebracht haben, zu dem Gitarristen zu werden, der wir heute sind.
Spiegelndes Selbstobjekt
Spiegelnd meint hier, dass die Gitarre selbst ihren Wert in Punkto Seltenheit, handwerklicher/klanglicher/optischer Perfektion oder eben auf finanzieller Ebene mitbringt. Das heißt, wenn ich diese Gitarre besitze, bin ich jemand, der eine solche Gitarre besitzt und das macht mich stolz/glücklich und im besten Fall zufrieden. Oder wie bei Signature-Modellen, meinem Idol komme ich damit einen Schritt näher und freue mich über ein Stück, das irgendwie zu einem von mir bewunderten Gitarristen gehört.
Idealisiertes Selbstobjekt
Sehr häufig idealisieren wir Objekte, in dem wir sie mit unseren Wünschen und Erwartungen aufladen und ihren Wert damit erheblich steigern. Wieso habe ich eine Gibson ES-335 hier stehen, wenn ich doch erst seit kurzer Zeit Gitarre spiele? Weil ich zu jemandem werden möchte, der diese Gitarre zu Recht spielen darf. Ich idealisiere die Gitarre als ein Vehikel, das mir die Entwicklung vom Anfänger zum Gitarristen ermöglicht. Wieso schwört jemand auf eine Gitarre aus dem Jahrgang XY, wenn kaum jemand einen Unterschied nach durchlaufender Signalkette noch hören kann außer ihm? Und auch das ist nicht abwertend gemeint (im Sinne "alles Spinnerei"), sondern als ganz normaler menschlicher Vorgang. Eine Gitarre im Sinne des idealisierten Selbstobjekts ist das Versprechen etwas zu werden oder etwas zu erreichen. Und garnichtmal auf rein technischer Ebene. Meine Gibson ist das Versprechen die Lässigkeit, die ich persönlich damit verbinde, zu entwickeln. Kurzum: dem idealisierten Selbstobjekt wohnen unsere Idealisierungen inne und das beschreibt den Wert des Objekts.
Ich behaupte also, eine Gitarre ohne den Charakter eines Selbstobjektes, ist nur ein Werkzeug zum Musikmachen und lässt sich sehr leicht verkaufen. Sobald ich aber eine gewisse Zeit mit dem Instrument (spielend oder auch nur als Sammelobjekt) verbracht habe, geschieht sehr oft eine Aufladung im Sinne unseres Selbstwertes. Und wenn ich es weggebe, gebe ich einen Teil meiner Selbstwertregulation auf, die ich dann anderweitig bzw. in andere Objekte besetzen muss.
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Diese Definition dürfte jeder psychiatrischen Krankheitsdefinition entgegenstehen.
Das ist die gängige Definition nach dem aktuellen Klassifikationsmanual psychischer Erkrankungen (ICD10) aus der Kategorie F für psychische Erkrankungen im Bereich von Zwangs- und Persönlichkeitsstörungen. Es ist ein Kernkriterium, dass Erkrankung erst dort beginnt, wo der Betroffene oder sein soziales Umfeld leidet. Im Übrigen eine sehr menschliche und ethische Sicht auf psychische Erkrankungen.