Vielleicht nochmal ganz allgemein eine kleine Übersicht über die wesentlichen Elemente gewerblicher Schutzrechte - und warum die so sind wie sie sind. Das kann zumindest bei der Einordnung helfen - auch wenn manch einer dann immer noch für sich selbst und seinen Moralkompass zu anderen Ergebnissen kommt.
Erstmal ist wichtig festzuhalten, dass im
gewerblichen Schutzrechtsbereich nichts automatisch kommt - im Gegensatz zum
Urheberrecht in der Kunst, wo man weder den Schutz anmelden muss noch Gebühren zahlen muss, um ihn aufrecht zu halten. Man muss also das, was geschützt werden soll,
anmelden und jährlich steigende
Gebühren zahlen.
Ganz grob lassen sich die Rechte unterteilen in
technische (
Patente, Gebrauchsmuster),
gestalterische (Geschmacksmuster, "
Design patent") und
werbliche (
Marken, Logos, Firmennamen). Letztere nehmen eine gewisse Sonderrolle ein, z.B. dadurch, dass der Markenschutz nicht zeitlich begrenzt ist, aber dafür die Marke auch aktiv im Geschäftsverkehr benutzt werden muss, um sie vor dem Verfall zu bewahren.
Der zweite wichtige Punkt ist, dass die allermeisten Rechte (bis auf die werblichen)
zeitlich begrenzt sind. Es gibt international gewisse Unterschiede, auch zwischen Patent und Gebrauchsmuster, aber grob ist die maximale Schutzdauer auf
25 Jahre beschränkt.
Fangen wir mit den
technischen Schutzrechten an:
Die Grundidee ist, dass man den technischen Fortschritt insgesamt nicht durch zuviel Geheimhaltung blockieren möchte. Der Deal des gesamten Patentrecht ist kurz zusammengefasst: "Du
veröffentlichst deine Erfindung - und zwar so detailliert beschrieben, dass sie jeder nachbauen kann. Dafür bekommst du im Gegenzug
das Recht, anderen die Benutzung deiner Idee zu verbieten, solange du die Gebühren für das Patent bezahlst". Man kann seine Erfindung natürlich versuchen geheimzuhalten, hat dann aber keine Handhabe gegen Nachahmer.
Man kann jetzt ganze Bücher über Themen wie Neuheit, Erfindungshöhe etc. schreiben, aber der wichtigste Punkt (für diese Diskussion) ist: Man kann nicht die Idee patentieren,
was ein Produkt können soll (
Aufgabe) - nur
wie diese Funktion technisch gelöst ist (
Lösung der Aufgabe). Am Beispiel eines Kabeltesters:
man kann kein Patent erwerben auf die Funktionsbeschreibung "eine Kiste, in die ich ein Kabel reinstecke und es leuchtet bei Verbindung/Kurzschluss". Man kann nur z.B. eine
konkrete Schaltung schützen, die diese Funktion bereitstellt (z.B. eine Diodenmatrix + LEDs + Komparator und ein Schmitt-Trigger, um "Wackelkontakte" anzuzeigen). Wenn jetzt jemand die gleiche Aufgabe anders löst (z.B. statt mit einer "diskreten" Schaltung mit Hilfe eines
Microprozessors und Software, die darauf läuft), dann verletzt er das Patent nicht und darf so ein Gerät bauen und vertreiben. Das ist übrigens ganz analog(
sic ) zu dem VST-Clone eines Analogsynths. Jetzt kann man auch verstehen (kleiner Exkurs), warum auf einigen Versionen des CT100 dick "Microprocessor Controlled" draufsteht und warum der nur die Hälfte kostet von einem aus einzelnen Logik-ICs aufgebautem Vorbild.
Dass das übrigens so ist (zeitliche Begrenzung + kein Schutz der Idee, sondern nur der Lösung), ist sehr gut. Sonst dürfte nur Daimler-Benz Autos bauen, nur Apple dürfte Smartphones bauen, und auch Oberheim und Smith hätten tief in die Röhre geguckt, weil Moog oder jemand vorher das Konzept der subtraktiven Synthese für sich beansprucht hätte. Man kann halt sehr wohl ein bestimmtes Filterdesign, eine bestimmte Art der Kraftstoffeinspritzung oder sowas wie "Face unlock" mittels Laserpunktmatrix-Projektion patentieren - nicht aber z.B. die Smartphone-Entsperrung per Gesicht an sich.
Bei den
gestalterischen Schutzrechten ist vieles grundsätzlich ähnlich.
Wichtig ist auch hier (wie auch bei den technischen Rechten), dass eine Designidee
neu ist und
nicht trivial aus Bekanntem hervorgeht (oder sich von selbst aus der
Funktion ergibt - beim Eimer den Henkel oben anzubringen wäre nie ein schützenswertes Design gewesen). Analog zu dem Konzept in der Technik, dass die Idee als solche nicht schützbar ist, ist bei einem Design
nie das gesamte Gerät geschützt - man kann also keinen Designschutz erwerben auf "etwas, das so aussieht, wie mein Gerät hier", sondern immer nur auf ganz bestimmte, klar definierte
Designelemente. Ganz klassisches Beispiel ist die (Korpus-)Form einer Stratocaster - die ist nicht geschützt: erstens ist da zuviel ähnlich zu einer klassischen Gitarre, die zusätzlichen Cutaways ergeben sich aus der Funktion, auch hohe Bünde spielen zu können - und viel mehr ist da nicht dran. Die
Kopfplatte hingegen konnte geschützt werden - deren typische Fender-Form ist gegenüber klassischen Gitarren neu gewesen und die charakteristische Kontur ergibt sich nicht aus der Funktion.
Zu beschreiben, was denn nun genau an einem Design das Einzigartige sein soll, ist übrigens nicht einfach! Deswegen sind viele Designpatente für heutige Notebooks, Smartphones etc. auch so hoch umstritten, weil da einfach nicht viel Spielraum besteht, wenn die Funktionen "möglichst dünn und leicht" und bei Smartphones "soll in die Hosentasche gesteckt werden" im Vordergrund stehen... Auch bei Autos wird das bei steigendem Stellenwert der Aerodynamik immer schwieriger, während es zu Zeiten eines 2CV, Käfer oder eines Rolls Royce Phantom noch deutlich einfacher war.
Wenn man diese Kernpunkte (und ein paar weitere, wie Schöpfungshöhe, Neuheit,...) einmal verinnerlicht hat (und versteht, warum die insgesamt gut und richtig sind), dann sieht man vieles in dem Bereich in einem ganz anderen Licht als wenn man da "naiv" und nach Bauchgefühl herangeht... Letzteres ist nicht schlimm, aber man muss sich immer wieder vergegenwärtigen, dass wir technisch noch "auf den Bäumen hocken" würden, wenn jeder jede gute Idee allein für sich beanspruchen dürfte (wohlgemerkt, die Idee an sich). In einer Welt mit sehr restriktiven Schutzrechten (oder einer Welt, in der sich eine strenge Moralvorstellung diesbezüglich durchgesetzt hätte), würden wir - um zum Thema zurückzukommen - nämlich über Firmen wie Sequential, Arturia und Oberheim gar nicht reden können, weil es sie gar nicht gegeben hätte - sondern nur die jeweils ersten, die eine Idee gehabt hätten. Dann wären wir in Sachen Synthesizer nämlich beim Telharmonium oder spätestens bei Moog stehen geblieben und Arturia hätte den Firmenaufbau nicht mit liebevollen Software-Repliken echter Hardware finanzieren können.