Insgesamt fühle ich mich gerade sehr blöd. Mein Freund wird jetzt immer gelobt und ich werde fast gar nicht mehr beachtet.^^ Ist wahrscheinlich nur mein Gefühl.. Meine Stimme klingt - höchstes Lob vom Lehrer - nett.
Es ist höchst unangenehm, einfach nicht weiterzukommen..
Ich möchte noch einmal auf das Thema des mangelnden Lobes eingehen. Wie auch schon andere hier betont haben, sehe ich Frustration auch nicht als motivationsfördernd an. Zwar gibt es das Gefühl des "jetzt erst recht", oder "ich zeig´s euch mal!", und es ist selbstverständlich sehr wichtig, sich als Musizierender (vor allem als in der Öffentlichkeit Musizierender) sozusagen ein ´dickes Fell´ anzutrainieren, denn Rückschläge, Kritik, auch unfaire, Stagnation, Situationen der Unsicherheit oder sogar des Scheiterns sind unvermeidlich. Im Leben sowieso und bei der Musikausübung ebenso unvermeidlich auch. Frustrationstoleranz zu entwickeln gehört also unabdingbar dazu. Aber fortwährende Frustration oder gar das Gefühl, sich in einer Sackgasse zu befinden ohne Aussicht auf einen Ausweg ist zermürbend und höchst demotivierend.
Ohne Lob geht es nicht. Der Applaus des Publikums ist auch nichts anderes als Lob und jeder kann den höflichen von begeisterten Applaus unterscheiden, sowohl als Applaudierender als auch als Auftretender, und jeder fühlt spontan, wo dieses "Lob" größer ist.
Für den Unterricht gilt das noch viel mehr. Der Unterricht ist ein geschlossener, privater Raum, ohne Publikum (auch der Freund wirkt hier nicht als Publikum, da er in diese private, abgeschlossene Situation einbezogen ist). Das Feedback muss vom Lehrer kommen, das ist sein Auftrag als Lehrender. Dazu muss er dem Schüler einen Weg aufzeigen (den der Schüler gleichwohl
selber gehen muss, das liegt ganz in seiner
eigenen Verantwortung), und wie anders kann der Schüler eine Ahnung bekommen, als durch das Feedback des Lehrers? Dazu gehört unabdingbar Lob.
Beim Lob lässt sich weiter unterscheiden, nach welchem Maßstab es gegeben wird. Im professionellen Bereich kann bzw. muss der Maßstab sozusagen ein ´absoluter´ sein, also nach Kriterien, die sich am hohen Level der Profiwelt orientieren und die dem angehenden Profi, wenn er sie erfüllen kann, zumindest im Grundsatz garantieren können, in der Profiwelt nicht nur künstlerisch, sondern auch schlicht materiell zu überleben. Dazu wird an den Hochschulen "gesiebt", schon bei den Aufnahmeprüfungen und später bei den Zwischen- und Abschlussprüfungen.
Für den Amateur kann bzw. sollte der Maßstab hingegen ´relativ´ sein, also angemessen an seinem
eigenen Vermögen und seinen
eigenen Möglichkeiten, ein anvisiertes Ziel zu erreichen - wobei diese Ziele dem aktuellen Vermögen angemessen sein sollten. Der Maßstab-Level des Profis kann, darf und sollte - jedenfalls für ambitionierte Amateure - als Modell und als Anregung thematisiert werden, es ist ja für viele ohnehin oft der Urgrund der eigenen Motivation: "Ich will das auch können".
So gesehen können und müssen von einem Lehrer, der Amateure unterrichtet, normalerweise auch nur kleine Änderungen in die gute Richtung und noch so kleine Fortschritte zurück gemeldet, hier also gelobt werden. Dazu sollte der Lehrer auch merken und spüren, wie und in welcher Form für den jeweiligen Schüler das Lob angemessen und förderlich, und wo und in welcher Form eine Kritik (hier gleichbedeutend mit dem Hinweis, dass der Schüler den falschen Weg einschlägt) ebenfalls angemessen und förderlich ist.
Auch wenn,
@Seventy, deine Darstellung naturgemäß nur subjektiv sein kann und die Situation womöglich nicht ganz korrekt wiedergibt (die Seite des Lehrers kommt hier ebenso naturgemäß nicht zu Wort), so machen mich deine Ausführungen doch sehr stutzig. Mir scheint es, dass der Lehrer recht unsensibel ist, so gilt der z.B. Ausdruck, etwas sei/klingt "nett" eigentlich immer ziemlich abwertend (noch deutlicher "ganz nett"). Da er andererseits deinem Freund regelmäßig Lob zukommen lässt (wohl auch recht großes), er sozusagen gut ´gefüttert´ wird, dich aber in diesem Bild regelrecht ´verhungern´ lässt, jedenfalls maximal ein paar Brosamen zuwirft, ergibt sich für mich der Eindruck, dass er seine Energie lieber in deinen Freund steckt und an dir und deinem Fortkommen wenig oder gar kein Interesse hat.
In jedem Fall scheint ihm diese Diskrepanz selber nicht aufzufallen und auch nicht deine zunehmende Frustration. Ein guter Lehrer sollte das aber können. Und jeder Schüler/Mensch, der mit Interesse kommt und sich weiter entwickeln möchte, verdient, dass der Lehrer Energie in ihn investiert. Zumal er auch noch dafür bezahlt wird.
Leider gibt es das Phänomen der Lehrers, der seine Lieblinge hat, diese auch mehr fördert, und der andere für uninteressant hält, weil er sie als talentlos einschätzt, der das aber nicht weiter thematisiert, da er mit den unliebsam abgefertigten "Talentlosen" halt auch sein Geld verdienen muss. Da auch Lehrer nur Menschen sind, kann man so eine Haltung im Prinzip auch irgendwo nachvollziehen, aber ehrlich ist es nicht, und für mich auch nicht professionell. Es wäre für mich am Lehrer, diese Diskrepanz in eurem Gruppenunterricht zu erkennen und zu thematisieren, und mit euch zusammen ein Lösung für die Situation zu finden die jedem von euch gerecht wird.
Wenn du selber zu wenig übst und seine Ratschläge und Aufgaben nicht befolgst, dann liegt das Problem zu einem nicht unerheblichen Teil auch bei dir, aber auch das sollte thematisiert werden.
So wie es jetzt läuft, kann es jedenfalls nicht weiter gehen meiner Einschätzung nach.
Noch eine Anmerkung zum Kiefer-Problem:
Bei mir ist so, dass ich den "Ratschlag" des Lehrers - Kiefer tiefer^^ - nicht ausführen kann. Es ist extrem schwer für mich, gleichzeitig die Worte korrekt zu singen/artikulieren und den Mund weit aufzumachen. Ich kanns einfach nicht.
Ich glaube dadurch bleibt meine Stimme einfach leiser und weniger voll und fast piepsig.
Es gibt durchaus Gründe, dass jemand seinen Kiefer nicht weit genug öffnen kann und Gründe für einen leisen und "piepsigen" Klang gibt es sehr viele.
Ohne Betrachtung der Haltung, Aufrichtung und Spannkraft, bzw. dessen mögliches Fehlen und möglicher Fehlhaltungsstereotype kommt man da in vielen Fällen nicht weiter.
Jemand, der eine (mehr oder weniger) losgelassene Haltung hat, dessen Haltungsform ist meist etwas eingesunken, nicht wirklich aufgerichtet. In einer solchen Haltung schiebt sich oft der Kopf etwas nach vorne (eigentlich müsste er mit dem Kinn Richtung Brustbein fallen, aber da halten die Betroffenen immer gegen mit übertriebenen Aufwand der Nackenmuskeln - sonst würde sie ja immer zum Boden gucken). Meistens stellen sich dann schnell Nackenschmerzen/Schulterschmerzen/Kopfschmerzen) ein.*
Durch diese verspannte Situation der Kopfhaltung verspannen auch die Kaumuskeln und der Kiefer kann sich nicht mehr frei in seinem Gelenk bewegen (das Kiefergelenk kann schließlich auch schmerzen). Ohne eine gute Arbeit an Haltung, Aufrichtung und Spannkraft wird der so Betroffene keine Chance haben, den Kiefer wirklich gut zu öffnen und die Raume in Mundhöhle, Rachen usw. aufzumachen und zu formen je nach beabsichtigen Klang.
Ich will dies hier nur als ein typisches Beispiel für eine typische Ursache des Kiefer-Problems anführen. Ich will und kann damit keineswegs sagen, dass es sich bei dir,
@Seventy so oder ähnlich verhalten muss. Das kann man ohne genaue Beobachtung der Person sowieso nicht feststellen, und von Verspannungen, Nacken- oder gar Kiefergelenksschmerzen hast du hier ja auch nichts berichtet.
Aber ohne eingehende Betrachtung deiner Haltung zum Erkennen - oder Ausschließen - besagter oder ähnlicher Hintergründe kann es schwer werden, die Kieferöffnung zu verbessern. Außerdem sollte sich der offene Kiefer durch eine Vorstellung wie z.B. Weite, Offenheit, großer Raum usw. einstellen und nicht durch "Aufreissen" des Kiefers, was nur eine rein mechanische Sache wäre, die schlimmstenfalls wiederum nur zu Verspannungen führt oder bestehende Verspannungen verstärkt.
Die Anregung, in einem Raum und einer Situation zu üben, die keine Hemmungen gerade in Richtung Lautstärke auferlegt, kann ich auch nur voll unterstützen. Wer sich nicht traut, wird sich "klein" üben und bekommt schließlich ein Stereotyp mit dieser "kleinen" Form - und wenn sich so etwas erst mal als Stereotyp festgesetzt hat, macht es meistens sehr viel Mühe, es wieder aufzubrechen.
Was die "Methoden" angeht, so gebe ich zu Bedenken, dass es immer wichtig ist, darauf zu achten, dass jemand gerade beim Musizieren nicht
gegen seine Anatomie und Physiologie arbeitet.
Und die richten sich nie nach Methoden. Anatomisch sind alle Menschen im Prinzip gleich. Die Unterschiede liegen im Detail, der eine hat z.B. einen kräftigeren Knochenbau mit stark ausgeprägten Gelenken und ein anderer ist dahingehen viel filigraner gebaut. beim Ersteren werden die Bewegungsradien in den Gelenken von Natur aus kleiner sein als beim Letzteren, so dass Anweisungen, die mit Bewegungsvorstellungen und konkret daraus resultierenden Bewegungen zu tun haben, von außen betrachtet bei beiden zu unterschiedlichen sichtbaren Bewegungsabläufen führen müssen.
Diese können aber vom
Gefühl für beide jeweils gleich sein (z.B. groß, weit, öffnend, raumgreifend oder aber klein, eng, verschließend). Unabhängig von der angewendeten Methode sollten Unterrichtende also auch guten Einblick in die Grundlagen der menschlichen Anatomie und Physiologie haben und ihre Methode(n) individuell bei jedem Schüler damit abgleichen.
Wer gegen seine Körper arbeitet, wird irgendwann scheitern. Das gilt für alle Musiker und Instrumente, aber ganz besonders für Sänger, da ihr "Instrument" bekanntlich ihr ganzer Körper selber ist.
*)
In dem Sinne möchte ich auch
@FerdinandK widersprechen, wenn er in Post #17 die "Schmerzgrenze" so betont.
Ich gehe davon aus, dass er es nicht meint im Sinne von echten Schmerzen, sondern mehr in dem Sinne, dass man auch mal an seine Grenzen gehen muss (ich lese auch sonst viel gutes von dir,
@FerdinandK).
Dennoch gehe ich darauf warnend ein, weil es leider allzuviele Musikausübende gibt (Amateure und Profis), die nicht auf ihren Körper hören und seine Signale ignorieren, und tatsächlich üben, bis es wirklich schmerzt. Und die Auffassung, dass man gerade erst dann Grund zur Zufriedenheit haben darf, weil man eben "an seine Grenzen" gegangen ist, wirklich so richtig "fleißig" war und sich so richtig verausgabt hat, diese Auffassung ist gar nicht so selten zu finden.
Davor möchte ich ausdrücklich warnen. Schmerzen jeglicher Art sind ein Warnsignal des Körpers, dass man etwas
falsch macht! Ein sehr spätes Warnsignal zudem, denn schon lange davor gab es Verspannungen und Ermüdungserscheinungen, die der auf diese negative Weise exzessiv Übende erst recht nicht bemerkt hat. Dabei geben diese auch schon genug Hinweise darauf, dass womöglich etwas nicht stimmt.