Irgendwie habe ich das Gefühl, dass hier einiges durcheinander geschmissen und eher nach Belieben Dinge eingeworfen, die, zumindest meiner Meinung nach, nichts miteinander zu tun haben. Da ich in diesem Forum aber immer wieder das eine und andere lernen konnte, möchte ich dazu etwas nachfragen.
Zunächst aber möchte ich aber noch einmal betonen, wie mir die Thematik des "absoluten Hörens" ausschließlich vertraut ist. Ich kenne absolutes Hören nur aus der Musikwelt und nur bei Musikern, wobei es ohne Unterschied Profis und Amateure betreffen kann.
Dabei ist die Definition ganz einfach: Der Absoluthörer kann einen gehörten Ton sofort bestimmen, ohne vorher einen Referenzton genannt bekommen zu haben, er kann die Töne also absolut bestimmen. Töne, die in seinen Stimmumfang passen, kann er logischerweise auch sofort aus Noten singen, ohne dass man ihm vorher diesen Ton, einen Akkord oder einen anderen passenden Referenzton angeben muss (z.B. Stimmgabel).
Der Relativhörer braucht dazu mindestens einen Referenzton, der ihm vorher zu Gehör gebracht und auch benannt wird. Die darauf folgenden Töne kann er dann relativ zu dem vorher bekannten Ton bestimmen. Er kann auch pauschal gesagt einen Ton aus Noten nur dann auf der korrekten Tonhöhe ansingen, wenn er vorher einen Referenzton oder Akkord hört, dessen Töne ihm bekannt sein müssen (kann auch eine Stimmgabel sein). Er hört und singt den beabsichtigten Ton also in Relation bzw. relativ zu einem vorher bekannten Ton. Er kann die Töne also nur relativ bestimmen.
Daraus ergibt sich, dass - nach dieser Definition - absolutes Hören außerhalb der Musikwelt keine Rolle spielt bzw. nicht von Relevanz ist, denn ohne Kenntnis des Tonsystems und der Tonnamen ist ja gar nicht verifizierbar. Und sollte es jemand haben, aber keine Musik machen oder sich nicht weiter mit Musik beschäftigen, dürfte es kaum auffallen und sich bemerkbar machen.
Dabei kenne ich (sehr gute) Absoluthörer, die auch mühelos kleinere Tonabstände als Halbtonschritte, wie z.B. Vierteltöne, bestimmen und (z.B. singend oder auf einer Geige) spielen können. An unser übliches Tonsystem sind sie also nicht wirklich gebunden.
Ein Freund und Kollege macht sich manchmal den Spaß, Umweltgeräusche wie etwa eine quietschende Tür tonal einzuordnen und dann kommt etwa sowas: "Das war jetzt ein etwas zu tief intoniertes F#3". Und das stimmt dann auch immer wenn man es nachprüft!
Dass das absolute Gehör erblich sei, habe ich schon als Musikschüler in den 70-er Jahren erzählt bekommen. Ein wissenschaftlicher Nachweis dazu ist mir aber bis heute nicht begegnet. Hat jemand seriöse Quellen dazu?
Auch dass Säuglinge absolut Hören können sollen und sich das ohne Training verliert, davon habe ich noch nie gehört. Hat jemand dazu eine gute Quelle und was ist überhaupt genau damit gemeint? Da Säuglinge keine Noten lesen können, wäre nach meiner oben erläuterten Definition der Begriff gar nicht anwendbar.
Die erstaunliche und verblüffende Leistung des Gehörs (vor allem der damit befassten Gehirnregionen), auch die komplexesten Muster und Geräusche identifizieren und aus einem Kontext extrahieren zu können - wobei dem stets ein Lern- und Konditionstraining voraus geht, meist ein unbewusstes alleine durch die wiederholte Konfrontation mit Umweltgeräuschen etc. -, sind mir bekannt. In dem sehr informativen Buch "Auditory Neuroscience" (Schnupp u.a.) kann man dazu sehr erhellendes lesen.
Aber auch dort ist in diesem Zusammenhang nie von "absolutem Hören" die Rede.