Ich hatte das so verstanden, dass jemand, der aktiv absolut hört, einen Ton hört und sagt "Das ist ein a" und eine Note sieht, oder gesagt bekommt, "singe ein c" und das dann tut.
Genau das ist damit gemeint. Alle meine Musiker-Kollegen, die Absolut-Hörer sind (das ist allerdings die Minderheit, die Mehrheit sind Relativ-Hörer), können einen x-beliebigen gespielten oder gesungenen Ton
exakt mit seinem Tonnamen und normalerweise auch der Oktavlage benennen (z.B. C´´´usw.). Sie können auch einen benannten Ton treffsicher auf der korrekten Tonhöhe singen, wenn er in ihren Stimmumfang passt (z.B. "singe bitte mal ein Ab´ usw.).
was passiert mit einem absoluthörer, wenn zb. ein orchester eine alternative stimmung verwendet, zb. 432hz. dann wäre das komplette musikstück für ihn "flat", wenn sein absolutes gehör auf 440hz geeicht ist?
432 zu 440 Hz ist allerdings deutlich mehr als nur "flat", das ist schon rund 1/4-tel Ton. Aber es geht noch ´schlimmer´. In meiner Schulzeit habe ich einen pensionierten Professor kennengelernt, der ein regelrecht auf 440 Hz ´geeichter´ Absoluthörer war. Er hatte eine umfangreiche Schallplattensammlung, aber als etwa zu Beginn der 70-er Jahre die Orchester immer höher stimmten, bis auf über 445 Hz, konnte er sich keine neuen Aufnahmen mehr kaufen, da sie für ihr sehr unangenehm zu hoch gestimmt klangen. Für ihn war das eine regelrechte Qual! Dann bekam er aber irgendwann von einem Bekannten den Tip, sich einen neuen Schallplattenspieler zu kaufen da damals Plattenspieler auf den Markt kamen, wo man die Umdrehungsgeschwindigkeit regeln konnte ("Pitch"). Mit so einem Spieler konnte er sich dann neue Einspielungen wieder anhören, indem er sie sich sozusagen "stimmte" mit dem Pitch-Regler. Dass sie dann etwas langsamer liefen, war für ihn zu verschmerzen, die hohe Stimmung nicht.
Das Thema "Absolut Hören" wird aber sehr überbewertet. Die damit verbundenen Probleme wurden ja schon angesprochen, mein Beispiel bringt dazu nur eine noch extremere Variante.
Dann muss man aber auch bedenken, dass es für Spieler
transponierender Instrumente normalerweise definitiv nicht hilfreich ist, absolut hören zu können. Die Klarinette z.B. ´verschiebt´ jeden gegriffenen Ton um einen Ganzton nach unten, aus einem gelesenen und gegriffenen C wird also ein Bb (daher der Name Bb-Klarinette). Ein Absolut-Hörer wird nun immer den Ganzton in seiner Vorstellung
real mithören, der zwischen dem gelesenen Ton und dem erklingenden Klarinettenton existiert. Ziemlich ungünstig und verwirrend. Die Absolut-Hörer, die ich kenne, sind tatsächlich auch alle Streicher oder Sänger.
Wenn man ein transponierendes Instrument spielt oder sogar mehrere verschieden transponierende (Sax in Eb, Sax in Bb), dann wird man in der Regel kein absolutes Gehör entwickeln bzw. eine womöglich bestehende Anlage dazu kaum weiter entwickeln.
Dass es für einen Absolut-Hörer auch mühsam bis unmöglich sein kann, eine Gesangsstimme einfach in der erklingenden Tonart zu verschieben, ohne die Noten in eben dieser Tonart vorliegen zu haben, wurde schon angesprochen.
In der Praxis spielt ein gutes
relatives Gehör, das sich sowohl auf verschiedene Stimmungen als auch Tonarten/Transpositionen einstellen kann, meiner Erfahrung nach die wichtigere Rolle.
Eine gute Übung dazu ist, ein Lied, das man gut kennt, ohne Begleitung in verschiedenen Tonarten transponiert zu singen. Den Anfangston oder, je nachdem, Grundton, soll man sich dazu vorher von einer A-Stimmgabel ableiten. So machen es gute und routinierte Chorleiter.