Jein, aber ich kann auch von einem Selbständigen eine Terminplanung verlangen. Weder kommen in der Regel Aufträge so plötzlich, noch werden Auftritte kurzfristig geplant. Da sollte in 95% der Fälle eben kein Terminkonflikt entstehen. Auch Selbständige haben ein Recht auf ein Privatleben. Und in der Regel geht doch für einen Auftritt nicht mehr als ein halber Tag drauf. Da müsste bei einem Auftrag echt schon der Hut brennen, wenn man dann einen - schon länger geplanten - Auftritt absagen muss.
Natürlich hat der Selbständige ein Recht auf Privatleben - das steht aber bei den meisten Selbständigen schon zurück. Ich habe einen in meiner Band, und kenne das Problem sehr gut.
Und ich glaube, hier haben etliche Leute ein völlig falsches Bild davon, wie (viele) Selbständige planen oder nicht planen können.
Schon bei "normalen" Selbständigen ist durchaus der Terminplanungshorizont deutlich kürzer als ein halbes Jahr, während Gigs durchaus auch länger im Voraus gebucht werden. Dieser spezielle Mitmusiker von mir handelt mit Oldtimern. Die stehen selten länger als ein paar Wochen auf dem Hof. Wenn dann da ein Kunde nach einer Anzeige auf einem Autoportal anruft und extra quer durch die Republik anreist, dann richtet man sich
in der Regel nach dem Kunden.
Und auch sonst: natürlich kann ein (ggf. neuer) Kunde nicht
einklagen, dass der Selbständige immer Gewehr bei Fuß steht (im Sinne von Recht auf Privatsphäre). Nur kann man sich eben nicht beliebig oft leisten, "nein" zu sagen und Aufträge abzulehnen. Schon gar nicht, wenn der einzelne Auftrag ein vier- bis fünfstelliges Volumen haben kann und sich über Tage und Wochen erstreckt.
Aber es müssen gar keine Selbständigen sein, damit Terminplanung schwierig ist. Ich habe u.a. mit folgenden Berufsangehörigen schon zusammengespielt:
- beim britischen Militär arbeitender Dolmetscher. Der wird immer wieder für Verhandlungen benötigt - meist kurzfristig. Auch gerne nachts, wenn mal ein "Kunde" in der Kneipe einen zuviel hatte...
- Bereitschaftspolizistin. Da gehört es zum Berufsbild, dass man a) gerne am Wochenende eingesetzt wird und b) nicht wirklich immer vorher klar ist, wann die Hundertschaft wo stehen muss.
- Berufsmusiker mit Engagement bei verschiedenen Musicals. Im Wechsel mit einer Zweitbesetzung; das heißt aber eben auch, dass der dann trotzdem kurzfristig einspringen muss, wenn die Zweitbesetzung an seinem eigentlich freien Tag krank ist. Das kommt übrigens bei Sängern gar nicht so selten vor, weil "krank" im Sinne von "die Vertretung muss ran" nicht unbedingt 40° Fieber heißen muss, sondern evtl. einfach "kriegt heute keinen Ton raus".
- am Theater angestellte Veranstaltungstechnikerin. Die kriegte ihre Dienstpläne (ebenfalls Einsätze hauptsächlich abends/am Wochenende) immer frühestens 6 Wochen vorher. War zwar Mist, aber sie konnte es sich nicht aussuchen.
Was sollen all diese Menschen machen? Einfach keine Gigs mehr annehmen, weil man ja ggf. den Termin nicht halten kann? Für jeden Gig Urlaub nehmen (bei tariflichen Urlaubstagen und mit Familie, wo man ja auch vielleicht mal "normal" in Urluab fahren möchte, schon schwierig)? Oder mit dem Risko leben, dass man evtl. einen Gig canceln muss?
Wie gesagt, auch mit all diesen Leuten habe ich noch keinen einzigen Gig absagen müssen in fast 25 Jahren. Aber etliche Probetermine hat es auf die Weise geschmissen, und es waren teilweise extreme Klimmzüge erforderlich, um den Gig noch zu retten.
Wie auch @CampFire Hero oben angemerkt hat: Veranstalter buchen doch gern die Hobbybands, weil sie halt günstiger sind. Und sich auch leichter mit dem Argument "wenn ihr absagt, bekommt ihr nie wieder einen Auftritt" abschrecken lassen.
Da sind wir aber schon wieder bei dem Problem, dass Hobbymusiker so wie ich auch gern mal für lau spielen, was sich ein Profi natürlich nicht leisten kann. Und damit natürlich auch den Profis Markt wegnehmen bzw. die Gagen allgemein gedrückt werden, nach dem Motto: ich krieg auch billiger eine Band für den Anlass.
PS: in diesem Zusammenhang sollte man sich auch mal fragen, ob denn der Veranstalter die Loyalität umgekehrt auch hätte. Da steht es nämlich in meiner persönlichen Bilanz 2:0 für die VAs bei Absagen: ich noch keinen, aber schon zweimal hat der VA den Gig abgesagt. Einmal war es eine private Feier, die auf einen anderen Termin verschoben wurde, wo wir nicht konnten, und einmal war es eine Fußballübertragung in der Kneipe, wo wir spielen sollten. An das Spiel hatte wohl ein halbes Jahr vorher der Wirt noch nicht gedacht.
Wer hier 110% Loyalität dem VA gegenüber proklamiert, sollte sich mal fragen, was er in so einem Fall macht. Die volle Gage einfordern (wäre eigentlich normal, und steht auch bei uns so im Vertrag)? Zahlt der VA die auch? ("Wieso, ihr habt doch jetzt gar nicht gespielt...")...
Bzw. gerade die, die für "Spielen ums Spielens willen" bzw. "um bekannter zu werden" spielen, also mit Rennommee statt Geld bezahlt werden wollen: Wie ersetzt euch der VA in so einem Fall die entgangene Publicity? Wie sorgt ihr dafür, dass der Gig-Ausfall nicht auf die BAnd zurückfällt?
So, wie ich einige hier lese, fordern sie zwar vom Musiker 110% Verlässlichkeit, würden aber bei Absage durch den VA wahrscheinlich mit den Schultern zucken und sagen "Na gut, dann nicht..." Denkt mal drüber nach...