Das ist bei 7ender nicht anders. Die bringen jetzt in 2017 ihre Pro-Serie raus, die angeblich die AmStd ablöst. Richtig: Alle noch genauer, noch historischer, noch originaler, noch besser...
Hi,
im letzten Punkt tust Du Fender mMn aber ein bisschen Unrecht. Mit der asympotischen Annäherung an ein (nicht mal definierbares) Original aus der Vergangenheit hat gerade das eigentlich nichts zu tun.
Diesen Trend macht der Custom Shop bei Vintage-Strats natürlich mit, aber was seit 1986 als Standard/American- und jetzt Professional-Serie geführt wird, hat eine andere Zielrichtung. wird da ein jeweils aktueller Standard für den Bereich der US-Produktion vorgeführt, sozusagen der neueste VW Golf. Die Anpassung geschieht dann eher mit Blick auf die Anforderungen, die man jeweils aktuell in der Gitarrenszene erkennt oder vermutet. 22 Bünde, flacherer Radius und ein 2-Punkt-Tremolo, das war damals ein großer Schritt. Dass man nach der Pappel-Phase zu traditionelleren Hölzern zurückgekehrt ist, war eher Marktbeobachtung als Vintage-Zauber, ebenso die Abschaffung der Swimming-Pool-Fräsung. Aktuell gibts sowas zwar auch, wie die (allerdings technisch stark modernisierte) neue Blechbrücke auf der Tele und die echten Knochensättel, aber andererseits kommt jetzt ein steckbarer und in der Gängigkeit einstellbarer Tremoloarm, ein neues Halsprofil, modernisierte PUs mit individuell unterschiedlichen Magnetsorten für die einzelnen Positionen und teils sogar Bass-/Diskantsaiten, Treble Bleed, höhere Bünde...
Um den Bogen zu PRS zu schlagen: Ich sehe es schon auch so wie der TS, PRS sind gebraucht eher unterbewertet und damit schwerer zu einem guten Preis zu verkaufen. Und das liegt mMn nicht zuletzt an der beschriebenen Politik, die ja auch bei PRS gepflegt wird. Ob PUs, Schaltung, Lackierung oder Hardware, es wird immer mal was geändert und nur selten zum Schlechteren - mir selbst fallen da eigentlich nur die idiotischen Formen ein, die er vielen PUs inzwischen verpasst.
Paul selbst hat in Interviews schon geäußert, was er zB von dem Versuch hält, "Pre-Factory"-PRSi als etwas besonderes darzustellen. Aus seiner Sicht baut er heute die besten Gitarren ever, die im direkten Vergleich seinen eigenen alten Gitarren absolut überlegen seien. Aus seiner Sicht klar, er hat ja jung angefangen, immer weiter gelernt und sie immer näher an sein eigenes Ideal angepasst. Und ich habe das Gefühl, dass das die PRS-Gemeinde halt ganz ähnlich sieht. Mit den konsequenten Verbesserungen geht dann eben auch eine gewisse Abwertung der früheren Produkte einher. Recht clever war/ist natürlich auch die Verknappung der neuen PUs aus der 59/09, 85/15 usw.-Serie. Eine ältere Custom zu kaufen wird um einiges teurer, wenn man unbedingt 57/08-PUs drin haben will.
Ein ganz wichtiger Faktor aus meiner Sicht: Gibson und Fender haben beide mal eine Zeit hinter sich gebracht, in der die Qualität total den Bach runter ging. Das ist der eigentliche Ursprung des Vintage-Mythos und der Wertschätzung älterer Gitarren. Kurioserweise hat sich das danach sogar zu einem gewissen Grad auf die Gitarren aus genau der übelsten Norlin- bzw. CBS-Ära übertragen (die mMn gegen eine Am Std keinen Stich machen).
PRS dagegen hatte so eine Situation nie - die Gitarren sind eigentlich kontinuierlich immer besser geworden. Und damit gibts keinen rechten Grund für eine Nostalgie, die dann generell auf die Wertschätzung durchschlagen könnte. Ein 2005er Golf ist kein Oldtimer, sondern halt einfach ein Gebrauchtwagen.
Ein weiterer Punkt ist kurioserweise gerade die Hochwertigkeit der Verarbeitung. Die Teile sind ab Werk einfach so makellos, dass die Erwartungen der Zielgruppe dann auch sehr stark um dieses Ideal kreisen. Ich glaube, dass sich deshalb viele lieber eine günstigere neue PRS kaufen, als fürs gleiche Geld eine gebrauchte mit allen Schikanen, die womöglich ein paar kleine Macken hat. Gerade die S2-Serie ist mMn gezielt für diese Leute mit mittlerem Budget entworfen worden, die dann doch lieber eine neue haben wollen. Paule hat damit nochmal einen Teil aus dem Markt geschnitten, der sich früher - wenn auch eher zähneknirschend - für eine Gebrauchte interessiert hätte.
Für die - in der Tat wohl etwas seltenen - Leute auf der Suche nach Gebraucht-PRS stehen wohl funktionale Aspekte im Vordergrund, sprich Sound und Bespielbarkeit einer Custom, McCarty oder Singlecut. Entsprechend sind die auch eher preissensibel, weil sie preissteigerndes Bling-Bling nicht so interessiert. 10-Tops oder Gold-Hardware kosteten teils ordentlich Aufpreis, werden aber kaum honoriert. Hat sie nur Moon-Inlays, gibts zwar Abzüge; die Birds sind umgekehrt aber kein großartiger Plus-Faktor, sondern werden eher vorausgesetzt.
Ich selber hab übrigens auch eine gewisse Zeit gebraucht, um mich mit PRS anzufreunden; das hatte vor allem mit der Mensur zu tun - weder Fender-straff noch Gibson-weich, das fühlte sich erstmal sehr ungewohnt an. Was mich überzeugt hat, war witzigerweise die SE-Serie, die mir damals viel hochwertiger vorkam als die Epiphones und Squiers. Heute hätte ich von daher schon gerne eine PRS im Stall, vorzugsweise aber schon ein Original... Und wenns mal soweit ist, werde ich sicher
keine Neue kaufen, sondern skrupellos das hervorragende Preis-Leistungsverhältnis gebrauchter PRS ausnutzen.
Gruß, bagotrix