Avicii - Superlove (Melodie)

  • Ersteller JulianFL94
  • Erstellt am
Aber hast du ein sehr gutes relatives oder ein absolutes Gehör?

Nein, ein absolutes Gehör habe ich nicht. Das braucht man zu Heraushören auch nicht, solange man einen Referenzton hat. Wenn nicht, ist das auch nicht tragisch, dann stimmt halt höchstens die Tonart nicht ganz und man muß das Ergebnis noch "zurechtrücken" (transponieren).


1. Takt, 1. Hälfte

A-Moll mit Sexte: A5|A5+C6|A4|A5|G5+D6
[...]

Wo wäre denn da die Sexte? Bei Am6 würde ich ein fis erwarten, wenigsten s fin f...
Ich würde ich dazu einen schlichten Am spielen, vielleicht Am7. Meiner Meinung nach darf man "Ausreißer" in diesen Patterns nicht überbewerten, das ist wie bei Durchgangstönen einer Melodie, die auch nicht in die Akkordbenennung einfließen. Jeder Zusatzton färbt den Akkord, die Frage ist immer, ob er zuviel färbt, wenn ein Ton nur kurz, z. B. als Übergang zum nächsten Akkord, auftritt.

Bis auf das letzte Sechzehntel des oben zitierten Ausschnitts kommen nur die Töne c und a vor, also eigentlich nicht einmal ein vollständiger Dreiklang. Daß trotzdem nieman auf die Idee kommt, das für einen F-Dur-Akkord zu halten, liegt vor allem daran, daß das a als Grundton gut erkennbar ist (und auch als "Baß" kurz angetupft wird).
Die jeweils erste Hälfte des 1. und 3. Taktes hat für mich deshalb eindeutig den Namen Am verdient. Ganz schlicht und einfach. Der Meinung ist turko ja offensichtlich auch.
Eine kurze Rückung auf G-Dur (die letzte Sechehntel in der ersten Takthälfte) fällt nicht besonders ins Gewicht, einen rhythmischen Wechsel zwischen Am und G könnte man auch so in der ersten Takthälfte ständig spielen.



1. Takt, 2. Hälfte

Hier wechselt es auf G-Dur, genaugenommen durch das h zu einem Gadd2. Dieses "add2" ist aber so unaffällig, daß es der FL-Coverer überhört hat.
Gleich zurück zu Am ist auch klar, das d im "Baßaufgang" würde ich als unbetonten Durchgangston in der Akkordbezeichnung völlig ignorieren.


2. Takt, 1. Hälfte

F-Dur, evtl. eigefärbt durch das einleitende g zum Fadd2 oder streng genommen Fsus2, aber die Terz a kommt ja gleich darauf sowieso im Baß.


2. Takt, 2. Hälfte

E-Moll (beginnt mit eindeutigem E-Moll-Dreiklang),
zurück zu Am, oder meinetwegen Am7.


Du siehst, ich bin ganz schlicht voll auf @turkos Linie.
Begründung: das minimalistische Pattern hat so viele Lücken, daß allzu spezifische Akkordangaben eine Genauigkeit vorspiegeln, die überhaupt nicht gegeben ist. Man hat sogar ziemliche Freiräume: Beispielsweise läßt sich über den "E-Moll" auch problemlos G-Dur spielen, was durch das zusätzliche d den Em zum Em7 macht, gerne sogar mit G im Baß.

Dieses relativ offene Pattern mit "pseudo-exakten" Akkordonamen zu versehen, bedeutet, einen musikalischen Sinn/Inhalt drüberzustülpen, den das Pattern von sich aus überhaupt nicht hat.
Laß doch mal die Schleife laufen und spiele irgendwas am Klavier dazu. Dann wirst Du merken, daß es mehrere Möglichkeiten gibt.
Angefangen dabei, immer durchgehend a im Baß liegen zu lassen. :)

Viele Grüße
Torsten


PS: als Beispiel für die "einfachen" Akkorde eine kleine dilettantische Aufnahme (auf die Schnelle, mit Mini-Tastatur am Lapotp, ömmeligem verknorztem Soudfont und einer Latenz, die mich fast wahnsinnig macht - bitte nicht auf Timing-Schwächen und Klangqualität achten, es geht ja nur ums Prinzip:

[MP3=http://dl.dropbox.com/s/ssp6swgs7b0r843/avicii-superlove-comping.mp3?dl=0][/MP3]

Über die Endlos-Schleife einfach mit einem Rhodes-Sound drübergedudelt, die Akkorde sind praktisch fast alles Dreiklänge mit entsprechendem Baßton dazu. (also auch mal ein rootless Am7 als C-Dur mit a im Baß usw.).
Am Anfang kommt überhaupt kein Em vor, sondern wird komplett durch G ersetzt, später sogar Dm7 statt F oder Am/D, was faktisch einem Dm9 emtspricht.
Alles mögliche geht, auch mal ein Fmaj7 statt des Am.

Alles einfach nur so ohne Nachdenken dahingespielt, nur ein Beispiel von vielen - es soll zeigen, daß zu starke Einengung durch feste über-exakte Akkordvorgaben am Ziel vorbeischießt und vor allem - wie gesagt - eine Genauigkeit vorspiegelt, die das Ausgangsmaterial überhaupt nicht auferlegt.
 
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Trotz mehrtägiger Verspätung: Danke für deine ausführliche Antwort und das nette Beispiel, Torsten!

Ich gehe mal darauf ein:

- Wie hast du dir denn so ein gutes relatives Gehör antrainiert?

- Ich meinte im ersten Teil des ersten Taktes natürlich Am mit (maximal) Septe g.

- Woran erkennst du, dass a der Grundton des ersten Taktes sein muss?

- Wie du bereits gesagt hast, sind eine ganze Menge Durchgangs- und Wechseltöne enthalten, die für die Melodie nahezu irrelevant sind, sodass das Ausgangsmaterial eben keine absolute Genauigkeit in der Harmonik besitzt. Was meinst du, was der "Trick" an dieser bei dieser Melodie (in harmonischer und rhythmischer Hinsicht) ist?
 
- Woran erkennst du, dass a der Grundton des ersten Taktes sein muss?

Das a wird im Intro schon als Petalton längere Zeit gehalten, und kündigt sich so als kommender Grundton an. Außerdem ist in den folgenden "Arpeggios" das a immer auf den allerschwersten Zählzeiten. Somit: Keine andere Möglichkeit, als a als Grundton wahrzunehmen.

Thomas
 
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Auch noch einmal hier ein Danke an dich, Thomas. :)

Könnte mir noch jemand meine anderen Fragen, die sich aus dem Post von Torsten ergeben haben, beantworten? :)

Anm. d. Mod.: Vollzitat entfernt und durch Link ersetzt.
Gruß Be-3
 
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Hallo Julian,

dann will ich mal kurz versuchen, Deine Fragen zu beantworten:

- Wie hast du dir denn so ein gutes relatives Gehör antrainiert?
Ein "relativ gutes Gehör" ;) kann man sich durch stetes bewußtes Hören und vor allem praktische Anwendung erarbeiten. Viel nach Gehör nachspielen beispielsweise.
  • Nimm Dir doch mal zu Beginn einfache Kinder-/Volkslieder und versuche, die Melodie nachzuspielen.
    Dabei entwickelt man ganz nebenbei ein Gefühl für Intervalle. Gehörbildungs-Übungen sind natürlich auch nicht verkehrt.
  • Zusammenklänge (Akkorde/Harmonien) hört jeder Mensch wohl verschieden: Manche hören tatsächlich Einzeltöne, andere (ich beispielsweise) hören eher Gesamtklänge/"Klangfärbungen" und denken dann nicht in Einzeltönen, sondern in Akkordnamen, sozusagen...
  • Zum Thema Avicii-Pattern: wie erkennt man auf die Schnelle, daß er an einer Stelle keinen Quintklang, sondern einen vollständigen Em mit Terz spielt?
    Spiele auf dem Klavier einmal eine "leere" Quinte wie c-g oder eine Quarte wie c-f. Hörst Du den "rauhen" Klang im vergleich zum runden/ausgefüllten Klang mit Terz (c-e-g bzw. c-f-a)?
Die nur als kleinen Anregungen...


- Ich meinte im ersten Teil des ersten Taktes natürlich Am mit (maximal) Septe g.
Das g (7) und das h (9) und das d (11) empfinde ich nicht als Optionstöne zum Am (obwohl man die natürlich spielen darf), sondern eher als eingeschobenen Übergangs-Akkord G-Dur.
Diese Töne tauchen nur kurz am Ende des Taktteils auf und rechtfertigen nicht unbedingt, daß man sie als charakteristisch für den gesamten Taktteil-Akkord ansieht.

- Woran erkennst du, dass a der Grundton des ersten Taktes sein muss?
Wie @turko schon geschrieben hat: Das a zieht sich ja quasi als Pedalton ziemlich durch.
Im Pattern wird auch "nach unten hin" immer das a angetupft und somit als Grundton etabliert.
Man kann aber auch mal, wenn man's drauf anlegt, eiskalt beispielsweise einen Fmaj7 u. ä. drüberspielen. :)

- Wie du bereits gesagt hast, sind eine ganze Menge Durchgangs- und Wechseltöne enthalten, die für die Melodie nahezu irrelevant sind, sodass das Ausgangsmaterial eben keine absolute Genauigkeit in der Harmonik besitzt. Was meinst du, was der "Trick" an dieser bei dieser Melodie (in harmonischer und rhythmischer Hinsicht) ist?
Von "Melodie" würde ich sowieso eher nicht sprechen, ich (und auch andere, die sich im Thread geäußert haben), sehen das eher als "Begleitpattern".

Fehlende Genauigkeit möchte ich der Vorlage auch nicht unbedingt ankreiden, sondern nur darauf hinweisen, daß sie sich durch eine gewisse Offenheit nicht auf bis auf das letzte Optionstönlein festlegen läßt. Darum auch das Plädoyer für einfach gehaltene Akkordnamen.

Der "Trick" ist wohl nicht in letzter Konsequenz theoretisch zu erklären, das liefe ja darauf hinaus, ein "Hit-schreibe-Programm" entwickeln zu können. Nicht, daß das schon oft versucht wurde (mit mäßigem Erfolg). Im Grunde kann man da wohl nur sagen: Kreativität und ein geschicktes Händchen... :nix:

Viele Grüße
Torsten
 
Danke, quasi alles beantwortet, nur eine letzte Gegenfrage:

Wie @turko schon geschrieben hat: Das a zieht sich ja quasi als Pedalton ziemlich durch.
Im Pattern wird auch "nach unten hin" immer das a angetupft und somit als Grundton etabliert.
Man kann aber auch mal, wenn man's drauf anlegt, eiskalt beispielsweise einen Fmaj7 u. ä. drüberspielen. :)
--> Sodass F zum Grundton wird?

Viele Grüße
Julian
 
--> Sodass F zum Grundton wird?

Ja.
"Grundton" im Sinne von Akkord-Umkehrungen usw. ist ja im Prinzip sekundär, wenn der BASS deutlich einen Ton spielt.
Dann ist es auch fast egal, ob das Pattern irgendwo ein a dudelt oder nicht, das läuft ja alles in einem sehr engen Tonumfang ab, a ist ja auch Teil eines F-Dur-Akkords. Ein e wäre dann die maj7 in einem Fmaj7-Akkord.

Extrembeispiel: Wenn der BASS ein a spielt, dann kann ein Klavier dazu einen C-Dur-Dreiklang aus dem Bilderbuch spielen, das Ergebnis klingt trotzdem definitiv nach Am7.

Der Baß hat eine größere harmonische Bedeutung, als vielen bewußt ist...
Im Barock war ja (siehe Generalbaß!) oft nur eine Baßstimme ausreichend, um den harmonischen Verlauf eines Stückes darzulegen. Oft sogar unbeziffert (!), d. h. ohne jeglichen harmonischen Zusatzinformationen.

Viele Grüße
Torsten
 
Der Baß hat eine größere harmonische Bedeutung, als vielen bewußt ist...
Im Barock war ja (siehe Generalbaß!) oft nur eine Baßstimme ausreichend, um den harmonischen Verlauf eines Stückes darzulegen. Oft sogar unbeziffert (!), d. h. ohne jeglichen harmonischen Zusatzinformationen.
Könntest du mir das ebenfalls noch beispielhaft erklären? :D
 
Nun ja,

ich wollte eigentlich nur betonen, welch gewaltiges harmonisches Gewicht der Baß hat.
"Generalbaß" ist eine Schreibweise vor allem des Barock, in der der begleitenden "Keyboarder" ;) sich anhand der notierten Baßstimme orientiert. Ensembles können ja verschiedenste Zusammensetzungen haben: Im Streichquartett spielt das Cello die Rolle des Basses. Wenn auch noch Kontrabässe dabei sind, spielen sie in der Regel ebenfalls die Cello-Stimme (nur eben eine Oktave tiefer klingend).
Auch der eventuell vorhandene Tasteninstrumentler spielt diese Stimme - allderdings steuert er zusätzlich nach den Regeln der Kunst auch noch begleitende Akkorde bei, sozusagen.

Meist sind die Harmonien (vergleichbar mit unseren heutigen Akkordbezeichnungen) angegeben, und zwar in Form von Ziffern. Aber das muß nicht einmal der Fall sein.

Beispiel aus Anna Magdalenas Notenbüchlein von Johann Sebastian Bach:


Original-Noten: Melodie (nicht vom ungewöhnlichen Schlüssel ablenken lassen) und einzelne Baßstimme ohne irgendwelche zusätzlichen Angaben (unbezifferter Generalbaß):

pfeife-bass.png


(Bitte den nach heutigen Maßstäben politisch höchst unkorrekten Text auch ignorieren) ;)

Wenn man so etwas aber "wörtlich" von den Noten abspielt, ist das nicht unbedingt, was tatsächlich gemeint war!
Eigentlich sollen anhand der Baßstimme (unter Berücksichtigung der Melodie) improvisierend Harmonien aufgefüllt werden. Und weil das heute kaum noch jemand kann, ist in vielen neueren Notenausgaben eine beispielhaft ausgesetzte Stimme notiert - also das, was im Endeffekt gespielt werden soll (so oder so ähnlich):

pfeife-satz.png


In diesem Fall (Breitkopf & Härtel) wurde der unbezifferte Generalbaß von Ernst Naumann ausgesetzt.
Achtung: So etwas darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß diese "Bach-Noten" so nicht direkt von Bach stammen, die Original-Vorlage (siehe oben) besteht nur aus der Baßstimme!

Fazit: Dieses Beispiel soll illustrieren, welche wichtige Funktion der Baß hat. Natürlich ist ohne nähere Angaben keine wirklich 100prozentig eindeutige Harmonisierung möglich, aber bis zu einem gewissen (überraschend hohen) Grade schon.

Persönliches Fazit: Ich hätte nie gedacht, von einem minimalistischen, technoiden Step-Sequencer 4-Takt-Pattern auf eine Bach-Arie aus Anna Magdalenas Notenbüchlein zu kommen.
Eigentlich müßte ich mich selbst wegen eines Off-Topic-Beitrags rügen.

Anm. d. Mod: Kann erledigt werden - Rüge an mich hiermit erteilt! ;)
Gruß ich


Viele Grüße
Torsten
 
Ah, perfekt, alles verstanden.
Vielen Dank noch mal an alle! :)
 

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