Die Deutsche Griffweise-ein Fauxpas?

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Auf der Suche nach Bärenreiterflöten habe ich auch Peter Harlan als Hersteller ausgemacht und mich mal auf die wenigen Spuren des "Erfinders der Deutschen Griffweise" gemacht, über die ja schon viel spekuliert wurde.
Auch hier im Forum fand ich nur eine vage Aussage dazu:
Die deutsche Griffweise wurde in den 60ern oder so mal eingeführt mit dem Ziel, die erste Oktave einfacher für Blockflötenschulkinder zu machen. Die Einfachheit wurde halt mit Intonationsproblemen und blöden Griffen in den oberen Registern erkauft


Einen sehr interessanten Artikel über ihn fand ich in der Online-Windkanal-Ausgabe 2006-3. Da gibt es eine Abschrift eines Interviews mit ihm, in dem er sagt:

Dass aber dadurch nun die Deutsche Griffweise entstanden ist, weil ich da einen Fauxpas begangen habe aus Mangel an Kenntnissen, das bleibt eine Tragik.

Etwas später im Text wird im Zusammenhang mit den Bärenreiterflöten von ihm noch folgendes erwähnt:

Aber dann baute ich ja die Instrumente für den Bärenreiter-Verlag. Und der Kampf mit Schulmeistern, den ich dann aufgab: Also gut, in Gottes Namen, wir bauen das jetzt als Deutsche Griffweise, was meine persönliche Dummheit und mein Irrtum war. Aber die Schulmeister wollten das! Hier wickelt man einfach die Fehler so ab!

Also scheint die Deutsche Griffweise nur "aus Versehen" in die Welt gekommen zu sein... denn es ist noch zu lesen:

Dass ich an der herumdokterte und verbesserte und eins der verrücktesten Dinge gemacht habe, die man heute die Deutsche Griffweise nennt!

Er wollte scheinbar nicht, dass sich seine Griffweise weiter verbreitet, da er es für falsch hielt was er da gebaut hat, aber der "Siegeszug" war nicht aufzuhalten.
 
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Irgendwo habe ich einen ich glaube von Herrn Moeck geschriebenen Artikel, der sich mit diesem Fehler auseinandersetzt. Finde ihn leider gerade nicht auf Anhieb in meiner Bibliothek. Das ist ein ganz dünnes Heftchen aus einer vor vielen Jahren veröffentlichent Schriftenreihe.

Damals war man dabei, die Blockflöten wiederzuentdecken und erarbeitete die Modelle nach alten Vorlagen. Wenn ich es recht in Erinnerung habe, entstand der Fehler durch irgendein Missverständnis oder einer falschen Interpretation einer Vorlage. Genau weiß ich das nicht mehr. Sobald ich Zeit dafür habe, suche ich den Artikel mal in meiner Bibliothek. Das Heftchen st halt sehr dünn und versteckt sich gerne. Wenn es dann versehentlich mitgegriffen und anschließend falsch abgelegt wurde ... :rolleyes:


EDIT
Gut, wenn man eine Datenbank pflegt ...

Jetzt hab ich das Heftchen beim 2. Anlauf mit Hilfe dieses "Wegweisers" gefunden. :)

Hermann Moeck: Zur "Nachgeschichte" und Renaissance der Blockflöte
Sonderdruck aus TIBIA 1978

Ich fand nur Verweise auf dieses Schriftstück jedoch keine Bezugsquelle.
Daher zitiere ich die mir am wichtigsten erscheinenden Passagen daraus in geraffter Form.
Von mir erklärende Hinweise setze ich in türkis ab.

... Kommen wir zu Peter Harlan (1898-1966), der das ausgelöst hat, was man die deutsche Blockflötenbewegung nennt. Er war ... auf der Suche nach einem ... unkomplizierten ... Volksinstrument, ... Für seine Zwecke neigte er ... von vornherein ... mehr zum Renaissance-Flötentypus, ...
Harlan hat ... vor 1930 nur das ausgesprochen und in Gang gesetzt, was für sehr viele "in" war, wobei er sich dann schon 1931 beklagte, daß er keine Gewalt hätte über die Geister, die der rief ...
Neben der - mehr oder minder - historischen Blockflöte versuchte man es in Deutschland seit 1928 im schulischen Bereich ... auch mit dem Czakan, einer Sopranflöte mit 6 Löchern. ... W. Berndt ... schreibt dazu: "Die Richtlinien (gemeint sind die preußischen Musikunterrichtserlasse auf Initiative Leo Kestenbergs; d. Verf.) fordern, dass der Musikunterricht Lust und Liebe zur Musik wecken ... soll. ... Leider verbieten die heutigen wirtschaftlichen Verhältnisse noch manchem ... den Kauf eines Klaviers, und da sind es die Violine und die Schulflöte, die für jeden erschwinglich sind."
Nach dieser Beschreibung des "Umfeldes" zurück zu Peter Harlan. ... Er hat nie Blockflöten selbst gebaut, sondern nur im Auftrag bauen lassen, zuerst vom Holzblasinstrumentenmacher Kurt Jacob, der angeblich schon 1923 für ihn eine Blockflöte kopierte (vgl. Rummel, a.a.O.)
Fußnote 15 dazu: Später arbeitete Kehr in Zwota für ihn, der um 1930 schon 20 Flötenmacher beschäftigt haben soll. ...

Ich (Hermann Moeck) glaube aber aus Gesprächen mit Rudolft Eras und Hans Jordan (1949), die Harlan in der Arbeit verbunden waren, dass das ein Irrtum ist. Die Bekanntschaft mit Blockflöten hatte er (Harlan) wohl schon 1921 in Gurlitts Seminar gemacht, das motivierende Erlebnis war aber offenbar der Besuch bei Dolmetschs erstem Haslmere-Festival 1925. ... Dolmetschs handwerklilch hervorragende Kopien ... machten einen großen Eindruck auf ihn. Entgegen anderen Meinungen ... kaufte er sich aber dort keine Instrumente, um sie zu Hause kopieren zu lassen, sondern lieh sich für diese Zwecke ein Instrument der Berliner Sammlung. Er selbst sagte, es sei ein Denner-Instrument gewesen. Luise Rummel ... gewann aus Vergleichen den Eindruck, dass es sich nur um die Rottenburgh-Alt (in heute es') der Berliner Sammlung handeln konnte. Wie dem auch sei: Das erste "gelungene" Versuchsstück, eine Altflöte in e', befindet sich mit einem weiteren weniger gelungenen noch heute im Besitz der Familie Harlan. Die Entwicklung ... Es existiert (im Besitz des Instrumentenmuseums Markneukirchen) wohl dazu eine technische Zeichnung. ... Rottenburgh-Flöte ... Kopie auf e' erhoht... ? ... widersprechende Angaben... Jedenfalls ist die zu Pfingsten 1926 angebotene erste verkaufsfertige Harlan-Flöte ...eine e'-Flöte der die Grifftabelle Ganassis (1535) beigelegen hat. ... Flötenquartet ... stand in E und A . Diese Instrumente waren nach eigenen (Harlans) Angaben weitmensuriert, aber ohne genaue historische Vorbilder. Das "Instrumentenbauerfabulierbedürfnis wurde zur Leidenschaft, welche die Musikanten ansteckte, die sich nun von mir Blockflöten bauen ließen. ... aren gleich im Anfang dabei und halfen durch ihre Ansprüche an den verschiedenen Modellen feilen ...", schreibt er (Harlan) dazu. ...

Es folgen Hinweise auf weitere an der Blockflöte interessierte Musiker und diverse Hersteller, die sich in der Folgezeit aufgrund der von Harlan und seinen "Mitstreitern" ausgelösten Nachfrage an Blockflöten mit diesem Instrument intensiver zu beschäftigen beginnen.

...
 
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Wenn ich es recht in Erinnerung habe, entstand der Fehler durch irgendein Missverständnis

Gerade das scheint "der Fehler" von Harlan gewesen zu sein, denn er beschreibt es in dem Artikel vom Windkanal noch genauer wie er dazu kam so eine Flöte zu bauen und was daraus wurde. Man muss nur etwas querlesen, denn da steht noch einiges über andere Instrumente und Ereignisse die mit Flöte nichts zu tun haben.

Edith sagt: @Lisa2 du warst aber schnell und hast ja schon editiert als ich geschrieben habe, danke für den Hinweis :great: Ich habe es als Downloaddatei gefunden.
 
Ah! Prima und ich habe beim Lesen des Artikels die Finger mitlaufen lassen (siehe oben).
Ich lasse das Zitat aber mal stehen, da darin verkürzt berichtet wird, was der Auslöser für den Blockflötenboom ab etwa 1926 war.
 
An anderer Stelle habe ich gelesen, dass es sich anfangs um eine Fehlbohrung (eines Lehrlings(?)) handelte, mit der Feststellung, dass man die Anfängertonleitern mit dieser "Fehlbohrung" einfacher greifen könne und hat dies dann weiter verfolgt.

In späterer Zeit habe Peter Harlan aber die "Deutsche Griffweise" selbst als Fehler angesehen, da später die Gabelgriffe komplexer werden und die Intonation leide.

Küng z.B. baut gar keine Blockflöten mit "Deutscher" Griffweise. Andere Hersteller nur Anfängerflöten.
 
Klasse, das war mein "missing link". Mit dem Artikel von Hernn Moeck ergibt es so langsam ein Bild.
Ich lasse das Zitat aber mal stehen, da darin verkürzt berichtet wird, was der Auslöser für den Blockflötenboom ab etwa 1926 war.

Na klar, da können Interessierte erst mal querlesen :great:

An anderer Stelle habe ich gelesen, dass es sich anfangs um eine Fehlbohrung (eines Lehrlings(?)) handelte

Das kannst du auch in dem Bericht lesen. Diese "Fehlbohrung" war wohl sein erster Versuch und sie existiert noch und ist in Familienhand zusammen mit der nächsten, besseren Flöte die Harlan gemacht hat.

In späterer Zeit habe Peter Harlan aber die "Deutsche Griffweise" selbst als Fehler angesehen

Die Einsicht hatte er wohl recht schnell, aber da alle erst mal begeistert waren von der scheinbar einfacheren Griffweise, hat er den Trend den er angestossen hat nicht mehr aufhalten können.
 
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Da hast Du etwas Interessantes ausgebuddelt.:great:
 
Da musste ich nicht buddeln @Ralinem :D Die Seite ist in meiner Linksammlung, ich habe inzwischen nur schon sooooooooooooo viele schöne links gesammelt und noch viel mehr Interessen... :rolleyes:


Ich hoffe, dass ich es dieses Jahr mal schaffe in Stockstadt aufzutauchen @blockarina, letztes Jahr hat es leider nicht geklappt.
Ich muss doch @Lisa2 noch vorführen, wie ich meine Flöten von innen poliere, ich habs versprochen...:whistle::D
 
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Da mich dieses Thema noch lange nicht los lässt, habe ich inzwischen viele interessanten Informationen zusammen getragen. Vorab ist für mich total spannend, dass ja eigentlich keine wirklich gute Flöte mehr existierte als Vorbild. Die wenigen noch vorhanden waren fast alle unspielbar uns es war in dieser Zeit ein großes ringen darum, überhaupt wieder spielfähige Instrumente zu erschaffen.

Kurioserweise hat aber die Flöte in aller Stille im Berchtesgadener Land überlebt. Dort werden die alten Pfeifenmacherfamilien Walch und Öggl erwähnt, die in alter Tradition immer noch ihre "Fleitln" gebaut haben und wohl ihren Ursprung in der Barockzeit hatten .

Bei meiner Recherche stiess ich dann auf ihn :cool:

Ein Nachfahre der Familie Öggl hat noch eine kleine, feine Drechslerei
und da gibt es sie, das "Original Berchtesgadener Fleitl". :great:

Wenn Herr Öggl noch nach alten Vorbildern arbeiten sollte, dann wäre es die letzte "echte Blockflöte" die die Jahrhunderte bei uns in aller Stille überdauert hat:eek:... :m_flute:
 
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Ich habe Herrn Öggl heute morgen angeschrieben und prompt eine freundliche Antwort erhalten. Leider macht er zur Zeit keine Fleitln... :(

Und ja, er hat das Handwerk noch von seinem Großvater gelernt und konnte das handwerkliche Wissen und die alten Werkzeuge noch von seinem Urgroßvater übernehmen.

Mit ihm geht wohl ein großer Wissensschatz "flöten" wenn er keinen Nachfolger mehr hat und ob er nochmal welche baut lies er leider offen...
 
Auf der Webseite der Drechslerei Öggl erfährt man leider nicht sehr viel über das Fleitl. Hast Du nach dem Griffsystem gefragt?
 
Hast Du nach dem Griffsystem gefragt?

So weit kam es garnicht, leider.

Aber die Berchtesgardener Flöten wurden nachdem was ich gerade noch gelesen habe gerade im 1900 Jahrhundet in Norwegen beliebt und davon zeugen heute noch die Sjøfløyte und die Tussefløyte. Diese scheinen noch das Griffsystem von "damals" zu haben.

Während man die Tussefløyte/Stadtflöte noch einfach kaufen kann und scheinbar eher einer Schulflöte entspricht, ist die Sjøfløyte/Seeflöte in alter Tradition weiter gegeben worden zu sein und nachdem niemand mehr sie baute, hat Bodil Diesen diese rekonstruiert und nachgebaut.

Bei Blockis gibt es eine Grifftabelle von einer Sjøfløyte in Alt von Bodil Diesen , könnte das die alte Griffweise sein?
 
Die alte Griffweise...

Da ich immer noch mit dem größten Vergnügen in Peter Thalheimers Buch: " Die Blockflöte in Deutschland 1920–1945" lese habe ich mal versucht was zu finden.

Nicht so einfach, da ist viel verschollen. Aber die Schätze zu diesem Thema kann ich garnicht auf die Schnelle heben und es würde dem Buch auch nicht gerecht, denn vieles würde aus dem Zusammenhang gerissen. Man findet Beispiele zu allen möglichen Griffweisen und und und...

Auf alle Fälle waren die Berchtesgardener Flötenbauer Teil eines größeren Zunftsystems von Pfeiffenmachern die sich 1581 zusammen geschlossen haben. Da war zumindest eine lange, durchgehende Tradition dahinter.
 
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Ich habe die Homepage gerade noch einmal gefunden.
 
Es ist aber nur noch die Flötenseite eingeschaltet und man kann nicht weiterklicken, oder geht das bei dir noch?
 
Ja. Am unteren Rand ist doch ein Menü.
 

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