Mein Fazit vorweg:
alles in allem war es ein Tag, der sich trotz des frühen Aufstehens, der zweistündigen Fahrt (gar nicht zu reden von den Umleitungen und Vollsperrungen auf dem Rückweg) voll und ganz gelohnt hat - ich bereue nichts!
Die Fahrt führte durch das schöne südliche Thüringen ins ebenso schöne Franken. Und das allerschönste dort: man spricht ein Deutsch, welches ich verstehe - das ist in dieser Gegend mit dem stark rollendem Rrrrr nicht immer der Fall
Unser Ziel liegt direkt an der Abfahrt Gramschatzer Wald der A7, nicht zu verfehlen. Auf dem großräumigen Firmenparkplatz angekommen, wurden wir (tranquillo hatte mich in Meiningen aufgegabelt, da wir ab da den gleichen Weg hatten) mit einer selbstverständlichen Herzlichkeit empfangen, als wären wir alte Bekannte.
Im Eingangsraum des Bürogebäudes steht eine Gitarre in einer Art Ausstellungs-Case - ich hab leider verpaßt, zu fragen, ob es dazu eine Story gibt
Geplant war, bei Kaffee und/oder kalten Getränken aus dem Marshallkühlschrank eine Einführung in die Firmengeschichte zu geben, die allerdings etwas länger dauerte. Kein Wunder, denn erstens war das alles wirklich sehr interessant, wenn so eine Firma quasi aus dem Nichts erblüht und auch nach 25 Jahren trotz China immer noch festen Boden unter den Füßen hat und zweitens wurden alle Fragen mit einer Offenheit beantwortet, die mich beeindruckte (sry, falls ich das Wort 'beeindruckt' im weiteren Verlauf etwas häufiger verwende
).
Martijn Treike hat eine kleine Diashow am versenkbaren Monitor vorbereitet:
Die beiden Mustertafeln mit den einzelnen Zubehörteilen und den Farb- und Materialproben fanden reges Interesse:
In der Konstruktionsabteilung:
mit dem lustigen Wandschmuck:
wurde uns anschaulich demonstriert, warum nicht jedes Rad einfach so an ein Keyboard-Case paßt:
Außerdem kamen Erinnerungen von z.B. Martin Hofmann, dessen Vater Schreiner war, zu Tage, wonach er nach einem Konzertbesuch der Gruppe Yes von dem Case für die damals riesigen Verfolger mit Kohlefadenlampen so begeistert war, daß er es unbedingt nachbauen mußte...
Irgendwann wurde es dann Zeit für einen kleinen Imbiss, deshalb legten wir uns vorher noch schnell und kurz entschlossen die Produktion "FlexCut"-Koffers fest, ein für mich neuer Begriff für eine gar nicht so neue Sache:
Im Theater hab ich seit Anfang der 90er sogenannte Systainer aus dem Werkzeuggerätebereich, die ich mithilfe der entsprechenden Einlagen zu Mikrofonkoffern umgestaltet habe. Leider ist inzwischen das Schaumstoffmaterial arg bröslig geworden, so daß ein solcher FlexCut-Koffer grad passend für mich bzw. mein Theater ist
Auf der Tour durch die Werkhallen hab ich nur noch gestaunt, und, ich geb's zu, ich bin nicht ganz der Schnellste, ich hab nicht alles und nicht jedes Detail mitbekommen. Anhand von ein paar Bildern versuch ich mal zu zeigen, was wir da zu sehen bekommen haben:
Zurück vom (hauseigenen) Lackieren:
Für die Nietmaschiene sollte man eine ruhige Hand haben:
Jede Menge Aluprofile:
Scharniere, Griffe usw liegen neben dem Arbeitstisch griffbereit:
Ebenso griffbereit die Nieten in drei Größen:
Wer wollte, durfte es auch mal probieren, gar nicht so einfach:
Um das Eigengewicht zu reduzieren, wird auch Plastikmaterial verwendet:
Rackschienen für Sonderanfertigungen:
Hier werden die Griffe eingenietet:
Und hier die Löcher in die Aluprofile gestanzt, immer mehrere auf einmal:
Dabei entsteht auch ein bißchen Abfall:
Mit dieser Säge werden mehrere Profile gleichzeitig winklig geschnitten:
Warum auf der Kiste Hanomag steht, hab ich auch vergessen zu fragen, vielleicht in Anlehnung an den alten Spruch von früher: "ein bißchen Blech, ein bißchen Lack und fertig ist der Hanomag"?
Um die Rollenbretter leicht auf beiden Seiten anzufasen, gibt es diese kleine (sehr laute) Maschine:
Und diese hier macht quasi nur "Unterfase", wie z.B. in den Ausschnitten für die Griffe:
Zu der "Multibohrerbohrmaschine" hat Martin Hofmann ja schon ein Video gezeigt:
Und hier nun warten unsere vormontierten Koffer (der blaue wird meiner
) auf die Endmontage:
So sieht es bei der Vormontage aus, die Teile müssen alle fest arretiert sein, bevor die Winkelecken und alles andere drankommen:
Nach der Endmontage geht es zu den Klebern:
In den Kesseln wird der Kleber auf ca. 180°C vorgeheizt, bevor er in die Klebepistolen eingefüllt wird. Das spart Zeit:
Es ist irre, wie das alles funktioniert. Von außen, auf den ersten Blick, sieht es ziemlich chaotisch aus, hat irgendwie entfernt was von Garagenproduktion (im positiven Sinne). Es fehlt die klinische Sauberkeit, die kalte Perfektion einer automatischen Fließbandlinie - dort ist alles eben noch menschlich. Das gefällt mir sehr und das hat auch einen, für den deutschen Standort vermutlich entscheidenden Vorteil: auf jeden Kundenwunsch, der nicht dem Standardprogramm entspricht, kann sofort eingegangen werden, selbst wenn es sich um 21"Cases handeln würde
Mir sind im Vorfeld der Werksbesichtigung 1,2 Fragen eingefallen, die erste betraf ein 6HE Eco-Case für mein Siderack. Da ist ja der Tragegriff am Deckel und dieser hält mit zwei Schnappverschlüssen das gesamte Case.
Irgendwie hab ich immer ein bißchen Bammel, daß sich da womöglich ein Verschluß von selbst öffnet und mir das ganze Case zu Boden knallt. Nun jedoch bin ich etwas beruhigt, diese Cases wurden mit einem Gewicht bis zu 30 kg getestet, da hab ich höchstens ein Drittel an Gewicht drin
Meine zweite Frage, die ich vorbereitet hatte, betraf
das Jacky-Case: warum ausgerechnet Whiskey & Cola? Die Antwort war simpel: zumindest dort in der Umgebung ist das das Standardgesöff in der Musikerszene
Machbar wäre auf Kundenwunsch aber auch alles andere, wer es z.B. britisch mag: mit Gin & Tonic. So ganz nach dem Motto: "sag mir, was du gern trinkst und ich bau dir den passenden Koffer" Prost!
Die Firmengeschichte kann man ja auf der relativ neuen
Homepage nachlesen. Fakten wie:
1987: 2 Mann = 200 Cases/Jahr
1997: 1. CNC-Fräse mit einer Auslastung von 4 Stunden am Tag
2015: 3 CNC-Fräsen, die 9 Stunden am Tag laufen
sind so ein paar Eckdaten, die von der positiven Entwicklung zeugen. Einer der beiden Firmengründer, Dietmar Treike, hat mich mit seiner Antwort auf Martin Hofmanns Frage, wie hoch das Verhältnis beim Materialeinsatz von Holz zu Plastik sei, fast unter den Tisch lachen lassen: "Wir haben keine Zeit, das auszurechnen, wir verkaufen Cases!"
Überhaupt ist der Seniorchef, der ganz offensichtlich von dem Begriff "Senior" noch viel weiter entfernt ist, als der Mond von der Sonne, eigentlich das interessanteste "Teil" (sorry) an dieser Firma. Er erzählte mir, daß er einst ebenfalls, wie die meisten hier, als Hobbymusiker angefangen habe, da es sich finanziell lohnte, wurde er Berufsmusiker, Schlagzeuger, wenn ich mich jetzt nicht irre. An den Wochenenden hatte er Auftritte, doch unter der Woche begann er sich zu langweilen und suchte eine Beschäftigung. Und so fing er an, sich Gedanken zu machen, wie er für seine Band Cases basteln könnte, die nicht so schweineteuer wie die damals aus England und USA kommenden Cases. Und so kam das dann alles...
Ich fürchte, ich hab die Hälfte von dem, was ich eigentlich noch so alles schreiben wollte, schon wieder vergessen, es waren eine Menge Eindrücke. Ach ja, zum Beispiel:
- die überdachte Raucherinsel auf dem Werksgelände, kein unbedingt üblicher Punkt bei manchen Firmen, unser Theater hat sowas leider nicht hinbekommen
- die Festeinstellung von Zeitarbeitnehmern, wenn sie sich bewährt haben, find ich prima!
- der moderate Umgang mit der temporären Notwendigkeit, Überstunden zu leisten
Alles solche Dinge, die für mich beeindruckend sind und dazu führen, daß ich jetzt die Firma und vor allem die Produkte mit etwas anderen Augen sehe, jetzt, wo ich weiß, wieviel Arbeit in so einer Kiste steckt
Vielleicht sollte ich mir mal zum Vergleich und zum Testen ein Case aus China bestellen - ich wüßte jetzt allerdings gar nicht wie und woher...
Abschließend möchte ich mich ganz herzlich bei allen Beteiligten (sry, mit Namen hab ich es nicht so, da fehlt in meinem Gehirn 'ne Windung
) für die Einladung und die Durchführung dieses spannenden Werksbesuches mit anschließendem Koffergeschenk bedanken, es hat mir sehr gut gefallen, und vielleicht bin ich ja bei einer eventuellen Wiederholung in fünf Jahren oder so wieder mit dabei - das würde mich freuen
Ich komm auch, ohne einen Koffer abzufassen, wobei der allerdings echt schick ist:
Bedankt auch die beiden (osteuropäischen?) Textilienhändler(?) die aus dem Kofferraum eines weißen SEAT für jeden ein schwarzes und ein weißes T-Shirt mit MB-Logo hervorzauberten
Nachlese: Lederwaren und Reiseartikel:
http://www.infobel.com/de/germany/d...rg/DE102026343-093672606/businessdetails.aspx
Nachlese von der Thomann-Homepage:
https://www.thomann.de/de/thon.html?hl=orgdeals198
Wissenswertes über Thon
Die Ursprünge der Firma Thon reichen ins Jahr 1987 zurück, als Dietmar Treike den Grundstein für das Unternehmen legte. Die Hauptniederlassung der Firma Thon ist in Hausen/Erbshausen (D). Die Anzahl der Mitarbeiter liegt bei 60 (Stand 2010).
Thon ist eine unserer Hausmarken. Die Produkte werden von verschiedenen namhaften Herstellern gefertigt, die auch für viele andere bekannte Marken produzieren. Durch Direktimport ohne Zwischenhändler können wir Ihnen so Markenqualität zum günstigsten Preis anbieten.
Bei uns sind aktuell 1042 Produkte von Thon gelistet – davon sind 711 versandbereit auf Lager verfügbar und 62 Angebote in unseren aktuellen Hot Deals. Wir führen Produkte von Thon seit 1987.
Thon gehört zu unseren Top-Marken. Jeder 19-ste Thomann-Kunde hat ein Produkt von Thon bei uns gekauft.
Diese Information von vor 5 Jahren können wir nun eigentlich aktualisieren
Danke fürs Lesen, es ist doch mehr geworden, als ich mir vorgestellt hab, bloß gut, daß ich mir nicht alles merken konnte
Wer nicht mitkommen konnte, bekommt in diesem von Martijn Treike hochgeladenen Video einen ganz guten Eindruck vom Casebau: