Bis jetzt hatte ich mit solchen Modeling-Sachen als FoHler leider nur negative Erfahrungen. Das mag weniger an der Technik selbst liegen, als viel mehr an den Nutzern. Was auf dem heimischen Kopfhörer oder der Anlage im Proberaum trocken gut klingt, kann leider im Liveeinsatz vollkommen ungeeignet sein. Hat der gemeine Saiteninstrumentalist bei einem normalen Combo oder einer Topteil-Box-Combi nur die Möglichkeit mit einem Gain-Regler und einem EQ in den Klang einzugreifen (was man relativ gut korrigieren kann), kann bei einem Kemper oder anderem Gerät so ziemlich alles in den Signalweg geschoben werden, was es am Markt gibt; ob das nun Sinn hat oder nicht, wird aber genau das auch meistens gemacht. Das resultiert aber fast immer in einem kraftlosen, unpräzisen Sound, der sich schlecht in das Bandgeschehen einfügt.
Hm, ich hatte die letzte Zeit als Mischer eigtl. eher die umgekehrte Erfahrung - allerdings v.a. im Gitarren-Bereich, bei Bassern ist 'ne reines Modelling-Setup ja eher noch die Ausnahme. Aber hatte das schon einige Male, dass Axe FX o.ä. auf die Bühne gestellt wurden, ab auf's Frontholz und die Monitore, fertig. Waren aber - und da kommt's wirklich drauf an, da hast Du auch echt Recht - meist Bands, die sich ausgiebig mit ihrem Live- und Bandsound beschäftigt und das gut eingestellt und abgestimmt haben. Und das Ergebnis spricht für sich: Mit so wenig Aufwand hatte ich selten 'nen so guten Front- und Bühnensound.
Das Gegenteil mit unbrauchbaren, überladenen Sound-Basteleien gibt's sicher auch. Aber mehr Probleme krieg' ich i.d.R., wenn die Gitarristen 100W-Röhren-Half-&Fullstacks auf die (kleine Club-)Bühne (bei 100pax) wuchten, Gain hochziehen, Master aufreissen, Mitten raus ziehen, Bässe pushen und sich bei jedem(!) Eingriff in die Settings bitterst beschweren, sie hätten "keinen Druck mehr", man würde ihnen den Sound kaputt machen - aber hinterher maulen, der Monitoring-Sound wäre total kacke gewesen, sie hätten die andern nicht gehört, dauernd Feedback auf den Monitoren gehabt, und der Mischer wär 'n unfähiger Penner gewesen ...
Insofern - man kann mit jedem Besteck Mist bauen, aber die Modelling-Kisten werden besser, und die Nutzer werden kompetenter
Eine besondere Unart, die mir dabei aufgefallen ist, sind überzogene Hall- und Delay-Effekte, die die Gitarre (bzw. den Bass) komplett entrücken. Nichts stört mehr als unterschiedliche Hallfahnen.
Hat aber in 'nem Live-Preset auch nix verloren ... Klar, ist leider noch nicht bei jedem angekommen
Aber ich hab' z.B. bei meinen Gitarren-Settings zwei Bänke: Für zuhause & allein im Bandraum mit etwas Raumhall für 'n schönes Spielgefühl. Für Probe & Bühne GANZ ohne, und mit deutlich anders abgestimmten EQ. Maximal für den Solo-Sound etwas old-school Slapback-Delay. So rein gemischt, dass es grade bemerkbar wird und den Sound andickt, aber nicht so, dass man den Effekt direkt raus hört und der Hall alles übertüncht ...
Viele Bassisten (auch ich selbst) sind Puristen: Da reicht ein Amp mit DI-Out, damit man mit dem Ergebnis zufrieden ist. Ob da ein Bass-Kemper seinen Platz findet, wage ich zu bezweifeln. Ob ein Kemper auch das richtige Werkzeug für das gemeinsame Musizieren ist, wage ich auch zu bezweifeln. Ein Solo schön klingendes Instrument sorgt nicht für gute Musik.
Rischtisch - aber digitales Modelling / Profiling und Purismus schließen sich nicht aus! Grade der Kemper erlaubt es z.B., 'n simples Setup - bulliger Röhrenamp, ggf. gute Box, fertig - bei kleinem Packmaß und minimalem Gewicht auf die Bühne zu bringen. Das dürfte bei Amps wie dem Kemper auch eher der Ansatz sein - das analoge Equipment zuhause lassen, und den (annähernd) gleichen Sound bei minimalem Aufwand live fahren zu können.
Da verführen m.M. die "Modelling-Spielkisten" à la Line6 eher zum Überladen der Sounds. Aber auch da sitzt oder steht, wie so oft, das Problem eher vor dem Gerät
Mein Bass-Setup auf meinem Pod HD Pro X: Comp -> SVT Bright-Modell -> 810er Boxen-Sim. Dazu das Signal vor dem Amp-Model noch aufgeteilt, und nur auf den Mitten / unteren Hochmitten etwas Zerre. Weil ich in 'ner Death-/Thrash-Band spiele und, da wir mit nur einer Gitarre spielen, das "Rhythm-Guitar-Loch" etwas füllen muss.
Ist das, was ich auch "analog" sonst spiele - im Modelling-Preamp pultfertig nachgebaut. Und dank der erweiterten Möglichkeiten bei Signalfluss und Aufbau des Presets sitzt der Sound aus der Digi-Kiste tatsächlich im gesamten Bandkontext noch etwas sauberer und fetter im Mix, der Bass trägt auch bei etwas weniger Lautstärke, und die Gitarre bekommt ein bissl mehr Freiraum. Ohne dass was fehlt im Sound.
Also, langer Schreibe kurzer Sinn: Es kommt immer drauf an, was man draus macht
Die aktuelen Digi-Kisten bieten tolle Möglichkeiten GERADE für guten Live-Sound - man muss sie nur sinnvoll anwenden. Wie bei analogem Equipment auch - die Beschäftigung mit gutem Bandsound und das Abstimmen der einzelnen Instrumente aufeinander ist unumgänglich, und ein grundlegendes Verständnis von der Soundgestaltung im Bandkontext Voraussetzung dafür, dass das funktioniert.
Mit welchem "Werkzeug" man das aber erreicht, halte ich für nebensächlich. Kemper & Co. bringen viele gute Möglichkeiten mit, hier noch besser und einfacher guten (Live-)Sound zu gestalten - genau so kann man diese Möglichkeiten aber natürlcih auch mißbrauchen, um das Gegenteil zu erreichen
Dass diese Geräte aber deswegen nicht das richtige Werkzeug zum gemeinsamen Musizieren wären - das würd' ich so nicht unterschreiben, da ist meine eigene, subjektive Erfahrung - als Musiker und als Mischer / Live-Tech - überwiegend doch 'ne andere ...