SPIELEN, verdammt. Ich verstehe das Problem nicht.
Robert Johnson, der am meisten verehrte Blues-Gitarren-"Gott" (der mit dem groessten Einfluss auf Rock&Co., auch wenn er zu Lebzeiten eine eher unbedeutende Figur war und wenig bis keine Platten verkauft hat), ist "theoretisch" auch schon entschluesselt (es gibt sehr gute Noten), trotzdem klingt keiner wie er. Trotzdem sagt ein Eric Clapton (einer der groessten RJ fans und kein schlechter Gitarrist), dass er das nicht so spielen kann wie Johnson und auch nicht weiss, wie es geht. Schau' Dir andere "Bauern" wie Muddy Waters oder B.B. King (beide waren mal Traktorfahrer auf einer Plantage) an, oder andere Blueser... die sind ueber Jahrzehnte mit einer gewissen Musik aufgewachsen, haben sie "im Ohr" und setzen das um. Und das auch ganz gut.
Oder anderswo in Afrika - Ali Farka Toure, Tiamani Diabate, also Mali und so... ist musikalisch auch eine andere Welt.
Rein technisch macht z.B. der Herr im Video oben ja nicht viel - Wechselschlag, auf den beiden hoechsten Saiten, oft auch innerhalb einer recht kleinen Box. Das ist ein bisschen wie B.B. King, der eigentlich auch nur 4 Toene gespielt hat - aber auf eine Art und Weise, die frisch und spannend war und durch Bending/Vibrator eben viel mehr "Stimme" hatte als viele Andere. Haette er ein traditionelleres Instrument mit gut funktionierendem Tonabnehmersystem, huebsch anzuschauen und zum vertretbaren Preis, wuerde er wahrscheinlich das spielen. Oder vielleicht auch gerade nicht, weil die "Show" mit der (Westlichen) E-Gitarre schon cool rueberkommt.
Hoer' aber mal sachen wie "Mississippi To Mali" von Corey Harris oder sowas hier
http://en.wikipedia.org/wiki/A_Meeting_by_the_River und siehe da, es geht... man kann verschieden Traditionen zusammenbringen und auch zusammen zum Funktionieren bringen, wenn man an sich ganz gut ist. Oder auch simpleres wie "City Don't Cry" oder "Yallah" von Page/Plant Unledded. Oder oder oder.
Viele der Musiker sind "ungebildet", ohne (formales) Training, viel learning-by-hearing-then-doing. Man spielt zusammen, weil man derselben Tradition entstammt. So, wie man in der westlich-amerikanisch gepraegten Welt eben einen 12-Bar-Blues in E spielt, findet man auch in anderen Laendern eine irgendwie geartete Sprache. Die muss man aber verstehen lernen, bevor man sie sprechen kann.
Man muss es halt "nur" im Ohr haben und dann umsetzen koennen.
Bei uns kann ein Kindergartenkind "Alle meine Entchen" singen (C-Dur) und dazu im 4/4-Takt klatschen. Kindergartenkinder in anderen Laendern hoeren andere Dinge. Und da geht's halt eben los. Geh mal nach Japan oder China und hoere traditionelle Musik da - auch anders, und auch da spielen Menschen E-Gitarre.
Wenn ich es will, dann taste ich mich ran und schaue, wie nah ich rankomme. Geh zu den Leuten hin, hoere Aufnahmen, schau auf die Finger und probiere. Werde ich es 1:1 schaffen? Wahrscheinlich nein. Kann ich mit viel Fleiss und Geduld nah drankommen? Wahrscheinlich Ja.