Hi,
vielleicht der am meisten erwartete Teil in diesem Fall.. heute die Gitarrenrecordings.
Vorab: 90% unseres gefilmten Studiomaterials ist leider nicht mehr verfügbar, da unsere externe Festplatte letzte Woche komplett den Geist aufgegeben hat. Wir hatten einen richtigen "Rig Rundown" im Studio gefilmt, der euch durch meine komplette Signalkette geführt hätte. Das ist jetzt leider nicht mehr möglich, da eine Datenrettung zwar denkbar, für uns Studenten aer viel zu teuer ist. Sehr sehr schade.. Dann eben in Text und Bild.. und dem ein - oder anderen Videoschnipsel.
All das soll aber die Laune auf die Scheibe nicht trüben! Wir haben ja dennoch alles dokumentiert, und so starten wir in die Gitarrentrackings...
..die im übrigen vor den Basstrackings stattfanden. Alle Maintracks (=erste Hauptspur) wurden innerhalb anderthalb Tagen eingedonnert, bevor Fabs mit seinem Bass anrückte. Zwar hatten wir uns fürs Studio gut vorbereitet, fanden es aber dennoch komfortabler, die Bassline auf die schon in Stein gemeißelten Gitarrenspuren zuzuschneiden, und nicht umgekehrt. Gewisse Basslines hätten meine Gitarrenarbeit limitieren können, und das wollten wir vermeiden. Fabs spielte also auf die Maintracks ein, und ich doppelte dann erst, als die Bassspuren drinlagen - u.a. um zu entscheiden, ob ich in der Dopplungspur näher an der Bassline laufen oder tatsächlich einfach den Maintrack 1:1 abdoppeln würde. So hatten wir wiederum alle Freiheiten.
Wer Nice Try hört, wird von einer verzerrten Gitarrenwand getroffen. Die Gesamtheit der Spuren vermittelt den Eindruck von viel Verzerrung, dies ist aber nicht der Fall. Würde man die Einzelspuren hier abspielen, wären viele überrascht, wie wenig Gain eigentlich auf den Gitarren wirklich liegt. Was wir hier gemacht haben, nennt sich
Stacking. Die Definitionen gehen weit außeinander, aber Stacking unterscheidet sich grundlegend ein wenig vom klassischen Doppeln. Beim letzteren nimmt man in etwa zwei gleich verzerrte Sounds, und spielt mit je einem genau das gleiche, möglichst Tight aufeinander. Stacking funktioniert ein bisschen anders, und wird vor allem von vielen unserer Lieblingsamibands ständig gemacht. Das ist einer der Gründe, warum ich schon viele Feedbacks á la "Das klingt sehr Ami-like!" bekommen habe.. der Recordingapproach ist der selbe. Beim Stacking fährt man Gitarrenspuren mit unterschiedlichen Gainstufen zusammen, oft auf einer breiten Skala von "near-clean" bis "near-higain". Stellt es euch vor wie ein gut gestapelter Burger. Unten liegen die weniger verzerrten, oben drauf die mit mehr Zerre.
Das ist aber noch nicht alles. Um das Stereobild der Gitarren möglichst breit zu bekommen, fährt man dann die verschiedenen Spuren mit mindestens verschiedenen Gitarren, besser aber noch auch mit verschiedenen Amps. Warum? Verschiedene Gitarren und Amps bringen verschiedenen hervorgehobene Frequenzen in den Gesamtmix. So lassen sich die Spuren, wenn sie dann auf links oder rechts gedreht werden, besser klanglich unterscheiden und machen das Stereobild somit gefühlt breiter. Der Sound klingt größer, dreidimensionaler. Wenn man einen Maintrack mit identischem Equipment doppelt, "schmiert" die Gitarren tendenziell "mono-mäßig" in die Mitte.
Die Gesamtheit der Spuren, und die Präzision, mit der sie aufeinander gespielt wurden (möglichst tight und gleich) machen also den Druck - nicht das Gain. Klar, dass ich da im Studio natürlich nicht nur mit einem Verstärker und einer Gitarre anrücken konnte.
The Gear
Anfang und Ende meines Gesamten Sounds ist dieser
Marshall 2550 Silver Jubilee. Alle Maintracks (bis auf einen Song) sind mit diesem Amp getrackt worden, sowie alle Soli. Darunter seht ihr auch schon den ersten Dopplungsamp den wir nutzten, einen
Mesa Boogie Heartbreaker. Ein Zweikanaliger Mark I, wenn man so will.
Der absoluter Geheimtipp aber ist der
THC Sunset, ein 38-Watt Non-Master Volume Amp. Ihr wärt überrascht, wie sehr das Teil nach Zeppelin und Vox AC30 klingt. Natürlich war ich deshalb ein riesen Fan des Sounds, und so wurde der THC zu dem "Lieblingspartner" meines Marshalls.
Weitere Amps, die benutzt wurden (leider kein Foto):
Marshall JCM 800 2205,
Fender Twin Reverb 2x12 Combo.
Gitarrentechnisch habe ich zwei Schätzchen mitgenommen, die unterschiedlich nicht sein könnten, und genau deshalb nahm ich sie mit. Zum einen mein Hauptinstrument: Eine
Gibson 1958er Reissue Les Paul. Die Strat ist eine
2001 Fender Esche Strat mit einem 69 Hendrix Singlecoil am Hals.
"Aber hat er nicht geschrieben, er stackt mit unterschiedlichen Instrumenten?" ... Jep!
Tatsächlich zieht sich durch den kompletten Song "Nice Try" eine fast cleane Stratspur mit dem Bridge-Pickup (!), die, wenn man sie einzeln hören würde, unfassbar fies und höhenlastig dengelt. Im Gesamtstack der Gitarrenspuren fügte sie den verzerrten Signalen mit ihrem "Däng" im Anschlag eine unfassbare Definition hinzu, jeder einzelne Anschlag klang deutlich perkussiver. Natürlich ist sie im Gesamtmix nicht einzeln herauszuhören.. das ist auch nicht gewollt. Sie soll ihren Teil zum Stack beitragen, und das tut sie. Tatsächlich gibt es nur wenige Tracks auf "Whatever Remains", die nicht beide Gitarren beinhalten.
Tatsächlich gibt es auch mehrere akustische Momente auf dem Album.. so musste also unbedingt meine sehr geliebte und unerreichte
Martin D28HD auch mit ins Studio.. über jeden Zweifel erhaben. Ohne Piezo oder sonstigen Tonabnehmer - ich bin überhaupt kein Fan davon.
Die E-Gitarren liefen dann ins Effektboard... ich nenn's allerdings eher Spielewiese.
U.a.
Petterson Tuner, Fulltone Full-Drive 2, Fulltone OCD, Diamond Boost EQ, ZVEX Box of Rock, ZVEX Fuzz Factory, EHX Memory Boy, BOSS DD-20, Line 6 Echo Park, Small Stone Phaser, Digitech Whammy, BOSS Tera Echo... und hin und wieder ein
Dunlop Crybaby.
Je nach Härte des Songs und der Vorstellung in meinem Kopf waren dann diverse Treter an.. sehr oft z.B. die cleane Boost Funktion der Box of Rock, und für Soli sehr häufig der Diamond Boost EQ - sowieso ein klarer Kauftipp von mir! Natürlich war die Signalkette immer nur so lange, wie sie sein musste - wenn wir nur einen Diamond EQ brauchten, haben wir das Restsignal nicht durch die anderen drölf Effekte laufen lassen. Ganz wichtiger Tipp für gute Sounds: Die Signalketten kurz halten! je kürzer, desto besser.
Durch die verschiedenen Amps wurde das Signal dann in meine
Orange PPC 2x12er Box gejagt. (Im Falle des Fender Twin Reverbs natürlich nicht.) Bestückt mit stinknormalen V30ern. Ich halte sie nach wie vor für eine der besten Speaker für Rockmusik. Durchsetzungsfähig, gute Mitten, gute Präzision. Nicht so sägend wie die (für mich) sehr schlimmen G12T75er aus den Marshallboxen, und nicht so höhenlastig und oldskool wie die Greenbacks. Eigentlich nur persönliche Präferenz.
Mics
Christoph und ich stehen bei Gitarrensounds sehr auf Bändchenmikrofone. Demnach überrascht unsere Wahl nicht wirklich..
Das
NEVE SE RNR1. Ein zwar sehr teures, aber absolut krass geniales Mikrofon. Es klingt exakt so, wie das Signal, dass man aus den Speakern hört, wenn man im selben Raum steht. Natürlich klingt es bändchentypisch weich, deshalb paarten wir es auch mit einem normalen
Shure SM57 und mischten es nach Gusto dazu - je nach dem, wieviel "Grit" wir noch im Sound brauchten. Den Twin Reverb mikrofonierten wir mit einem
Shure SM7.
Okay.. das alles wäre auch in meinem damals gefilmten "Rig Rundown" zu sehen gewesen, den wir jetzt leider nicht mehr haben. Dafür habe ich aber nen kleinen Trost.. es gibt auch heute wieder ein Video. Leider nicht mit der Studiosignalkette, aber dennoch mit meinem Hauptinstrument. Viel Spaß. Und bis demnächst.