Gut, dann poste ich mal... Das Video von Christian Rössle klingt viel originalgetreuer, keine Frage. Aber er spielt dabei auch nur die rechte Hand und stellt evtl. noch den Sound um, der Rest wurde schon am PC vorbereitet (vermute ich mal), und da wurde sicher schon vorher viel Arbeit in die Sequenz gesteckt.
Das ist vollkommen richtig. Zumindest bei Christians Solovideos gehört das dazu.
Ich habe dagegen nur die im Keyboard eingebauten Rhythmen und Sounds verwendet, und das Keyboard gibt nun mal keinen Style her, der der Jarre-Begleitung besonders nahe käme... eben, weil sie auch relativ außergewöhnlich ist.
Wenn man ernsthaft Jarre covern will, am besten noch für Jarre-Fans, und das Equipment beschränkt einen derart drastisch dann hat man das falsche Equipment. Jedenfalls spielt man Jarre nicht mit Preset-Sounds und Preset-Rhythmen aus dem Arranger-Keyboard. Jarres Musik lebt vom Sound, und wenn man den Sound nicht bringen kann, kann man die Musik nicht bringen.
Da muß die Drummachine bei so Stücken wie "Oxygène 2", "Oxygène 4" oder "Equinoxe 5" bis "7" nach Korg MiniPops-7 klingen, bei den ersten vier Stücken der
Magnetic Fields nach Korg KR-55, bei "Rendez-vous 4" und den
Oxygène 713-Nummern nach Roland TR-808, bei den Stücken von der
Chronologie nach Roland TR-909 etc. (es sei denn, man will im Stil der Konzerte der 80er und 90er Jahre spielen und hat einen Schlagzeuger in der Band), die Streicher der 70er-Jahre-Stücke müssen nach Stringmachine klingen (die meisten ernsthaften Jarre-Coverer setzen sogar das gleiche Gerät für diese Strings ein wie Jarre selber), der Phasereffekt speziell auf den Strings
MUSS ein Small Stone sein, weil kein anderer Phaser wie ein Small Stone klingt (siehe weiter unten), und so weiter und so fort.
Gerade Drums sollten eigentlich keine große technische Hürde darstellen, zur Not nimmt man einen Drumsampler.
Und bei Künstlern und Bands, die nicht einfach nebenbei einen Jarre-Song oder zwei einbauen wollen, sondern wirklich ernsthaft Jarre-Covers spielen wollen, ist es üblich, sich Equipment zuzulegen, mit dem sie dem Jarre-Sound so nahe kommen, wie sie können. Es wird also nicht der Sound dem vorhandenen Equipment angepaßt, sondern es wird das Equipment dem geforderten Sound angepaßt.
Alternativ hätte ich noch beide Hände spielen können (Baß und Melodiestimme), aber dann wären die restlichen Spuren (Streicher und Wah-Wah) komplett weggefallen.
Deswegen gibt es in dem Fall nur zwei mögliche Lösungen: entweder sehr viel Sequencer oder mehr Musiker und ein wenig Sequencer.
Übrigens wird dir so ziemlich jeder einigermaßen informierte Jarre-Fan sagen können, daß das kein Wah-Wah ist, sondern ein Electro-Harmonix Small Stone Phaser. Gerade bei "Oxygène 4" ist mittlerweile wohl vollständig und sehr detailliert bekannt, was im Original womit gemacht wurde.
Daher war das, was ich gespielt habe, in meinen Augen der beste Kompromiß.
Für dich selber vielleicht. Für den Zuhörer womöglich einen, der was von Jarre versteht ist es bestenfalls ein fauler Kompromiß, wenn das Cover mit Jarre kaum mehr als die Melodie gemeinsam hat und keinen einzigen Sound auch nur annähernd.
Alle Spuren mit 2 Händen live zu spielen, ist so natürlich unmöglich.
Das ist wahr. Wohlgemerkt, die originale Studioaufnahme von 1976 wurde bis auf die Drums auch händisch eingespielt LFOs und Delay waren natürlich erlaubt.
Ich habe jedenfalls keine Sequenz vorbereitet, die ganze Aufnahme ist bei mir in 25 Minuten entstanden (ohne die Nachbearbeitung des Videos, wo aber kein zusätzlicher Sound dazu gekommen ist).
Ehrlichkeit in allen Ehren, aber du merkst ja selbst, das geht zu Lasten der Qualität. Und das ist bei Jarres Musik schlimmer als Teilplayback.
Das Ziel ist sicher ein anderes... die Frage ist dann, wieviel von dem, was gespielt wird, schon vorher vorbereitet sein darf, und wieviel live von den Musikern bzw. dem Musiker kommen muß.
Natürlich wird im allgemeinen Playback, auch Teilplayback, selbst Teilplayback zum Sequencer eher negativ gesehen. In gewissen Fällen kommt man allerdings nicht um Teilplayback herum.
Dass Jean Michel Jarre selbst auch playback gespielt hat, habe ich hier auch gelesen, ich glaube sogar, bevor ich meine Version aufgenommen habe.
Das hat er in der Tat. 1979 ging es nicht anders, weil er noch keine Mitmusiker hatte. Und bei den Großkonzerten ab 1986 war es wahrscheinlich der Sicherheit halber, damit musikalisch so wenig wie möglich dem Zufall überlassen ist, während mehrere 100 m um die Bühne herum eine durchchoreographierte Licht-, Laser- und Feuerwerksshow abläuft. Teilweise wurden aber auch den offiziellen Live-Releases nachträglich Studiospuren beigemischt, habe ich das Gefühl.
Deswegen wollte ich ja mal sehen, wie weit ich komme, wenn ich versuche, das live zu spielen.
Na ja, wenn das nur als Experiment galt und nicht als endgültige Auftrittsfassung... wenn es vor allem nicht dafür gedacht ist, vor Fans gespielt zu werden...
Hier ein paar Beispiele von live gespielten Jarre-Covers. Auch in Live-Situationen wird auf einen originalgetreuen Sound geachtet.
Radek Tymecki kann beispielsweise auch live.
Das spanische Elektroniktrio SCOPE (immer noch keine Tributeband, aber musikalisch gehen sie in Sachen Jarre sehr in die Richtung) hat seine Live-Version von "Oxygène 4" der
originalen Jarre-Liveversion vom Aero-Konzert 2002 im Windpark Gammel Vraa Enge nachgebaut (allerdings nicht sehr originalgetreu), deshalb klingt die etwas seltsam. Man beachte das eingeblendete
originale 1989er Pinguin-Video und am Ende den Schiebeeffekt des originalen
Destination Docklands-Videoclip. Da waren Hardcore-Fans am Werk das erkennt man schon an der gewählten Version des Stücks, die nur als Bootleg kursiert und nie offiziell veröffentlicht wurde.
Noch einmal SCOPE, dieses Mal "Millions Of Stars" (
Metamorphoses, 2000), wieder in der
Aero-Liveversion. Hier sieht man sie wenigstens spielen. Leider gibt es keine SCOPE-Videos in annehmbarer Qualität, geschweige denn in HD. Das ist alles nur unscharfes, bis zum Gehtnichtmehr komprimiertes SD-Material.
Martman