Geschichte des Moll-Blues

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Harrisson
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Hallo,

ich beschäftige mich gerade mit Blues, wobei mir Folgendes aufgefallen ist. Während mir die Geschichte des Dominant-Blues (Dur-Blues) hinreichend erforscht zu sein scheint, entdecke ich beim Moll-Blues große Lücken. Weiß jemand Genaueres zur Entstehung des Moll-Blues? Wann wurde zum ersten Mal eine Moll-Blues-Aufnahme veröffentlicht?

Vielen Dank
Harrisson
 
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Wirklich weiter helfen kann ich Dir leider nicht. Aber wenn ich die mir bekannten Moll-Blues-Stücke anschaue, sind diese meist selten, neueren Datums und instrumental.

Hier eine Auswahl:

Blues For Wood (Woody Shaw)
Equinox (John Coltrane)
Israel (John Carisi)
Loose Blues (Bill Evans)
Minor Mood (Clifford Brown)
The Silver Strut (Rickey Woodard)
Mr. Syms (John Coltrane)
Mr. P.C. (John Coltrane)
One For Daddy-O (Nat Adderley)

In der englisch-sprachigen Wiki kannst Du vielleicht zum ein oder anderen Stück etwas mehr erfahren.
 
Hallo Cudo II,

vielen Dank für deine Antwort. Deine Stücke-Liste wird mir bei meinen Recherchen weiterhelfen.

Noch ein schönes neues Jahr
Harrisson
 
Hallo Harrisson!

Der "Minor Blues" von Django Reinhardt ist von 1949.
Meiner Meinung nach sollten wir "Summertime" (ca. 1935), obwohl 16-taktig- ebenfalls zum Mollblues dazuzählen. Auch beim Dominantblues wurde schließlich in seiner Entstehungszeit mit Formen experimentiert (der "Weeping Willow Blues" mit Bessie Smith zB. besitzt ebenfalls eine 16-taktige Form).
Ich kann mir gut vorstellen, dass die Entstehung des Mollblues sogar bis in die Tradition der marching bands bei den Beerdigungen zurückreicht (im groben: hin Moll, zurück Dur). Vielleicht weiss hier jemand anderes mehr.

beste Grüße,

Mathias
 
Hallo Harrison!

Deine Frage hat mir keine Ruhe gelassen. Ich glaube, bei den Marching Bands ist nicht viel zu holen, deren Songs waren wohl weniger bluesorientiert.

Was ich noch herausgefunden habe, ist Folgendes:

1) Duke Ellington "Ko-Ko", 12 taktiger Mollblues in Eb-Moll, 1940
2) Teddy Wilson "Blues in C# Minor", 12 taktiger Mollblues in C#-Moll, 1936
3) amerik. Folksong, Anonym, "ST. James Infirmary Blues" in D-Moll. Aufnahme von Louis Armstrong 1928, Form 8 taktig (oder 16er, je nach pers. feel)
Interessant ist die starke Ähnlichkeit zu "Summertime" aus 1935....

4) Sarah Martin "Shipwrecked Blues", 1926. Hierzu kann ich leider keine validen Angaben machen, bei You Tube momentan kein Hören möglich.

Wenn ich mir den "St.James Infirmary Blues" anhöre, scheint es mir musikalisch nur noch ein winziger Schriit zu einem 12-taktigen Mollblues. Ähnlich wie beim Dominantblues also sind anfangs auch 8/16-taktige Formen gespielt worden, und wie beim Dominantblues, hat sich am Ende der "Zwölftakter" als die beliebteste Form herauskristallisiert.

Beste Grüße!

Mathias
 
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Ich finde das Thema Moll-Blues auch spannend. Gibt es bei Moll eine Standardprogression? Evtl. Im7 (Whd) IVm7 (Whd) bVI7 - V7 - Im mit der bVI7 als Sekundärdominante?

Oder wurde der Moll-Blues zuerst mit der Im6 eingeführt, welches bei Melodisch-Moll anzusiedeln wäre?

Und was ist an der Behandlung von Moll-Tonarten Blues-spezifisch? In der abendländischen Musiktheorie ist Moll das Chamäleon, mit dem man alles möglich anstellen kann - was macht der Blues anders?

Zu Progressionen im Minor-Blues:

http://www.angelfire.com/fl4/moneychords/MINORBLUES.html
 
... der "Weeping Willow Blues" mit Bessie Smith zB. besitzt ebenfalls eine 16-taktige Form.

Hallo Mathias,
weder von der Form noch vom harmonischen Ablauf her kann ich diesen Song zum Blues zuordnen. Nur weil eine Melodie mit Blue-Notes ausgeschmückt ist wird ein Song doch nicht automatisch zum Blues. Oder wieso hast Du diesen Song in diesem Zusammenhang erwähnt?
 
Leute.....

Wenn man sich auch nur etwas intensiver mit dem Blues beschäftigt, stolpert man förmlich über einen der bekanntesten und einflussreichsten Blueser, die je gelebt haben, der so gut wie alle (!) seine berühmten Bluesnummern ausschließlich in Moll gespielt hat:
Skip James!

Um nur zwei der schönsten Blues zu nennen, die je asufgenommen wurden:
"Devil Got my Woman" und "Hard Time Killin' Floor Blues"!
 
Hallo emptypockets,

der Begriff "Blues" hat verschiedene Bedeutungen. Unter anderem auch die der 12-taktigen Bluesform mit ihrer charakteristischen Akkordfortschreitung und ich denke mal dass es dem Threaderöffner um die 12-taktige Moll-Variante davon ging.

Deine beiden Titel "Devil Got my Woman" und "Hard Time Killin' Floor Blues" haben weder die 12-taktige Form noch die charakteristische Akkordfortschreitung eines Blues. Natürlich rechnet man beide Titel zum Genre Blues, aber im oben genannten Sinne sind sie das nicht. Dazu sind diese beiden Titel auch nicht wirklich in Moll.


Moll-Blues ist meines Wissens eine relativ späte Entwicklung - so ab den 50-ziger Jahren.

Hier mal ein typischer Moll-Blues wie er im Modern-Jazz gespielt wird.


minorblues.jpg
 
Ok..
Ich habe allerdings mit Jazz nichts am Hut und bin reiner Blueser. Und da fällt einem eben sofort Skip James ein.

Mein Lapsus tut mir leid.

Das ganze zeigt mir allerdings 'mal wieder überdeutlich, dass Begriffe in der Musik oftmals eher zur Verwirrung als zur Klarheit führen, weswegen ein Gutteil der Diskussion auch in diesem Forum üverhaupt erst zustande kommen!
Denn meistens muss man erst wie in einer politischen Diskussion fragen: "In welchem Sinne?"
 
Zuletzt bearbeitet:
Hi Folks,

Vorab:

Ich habe Harrison ebenfalls so verstanden, dass es neben der Entstehung des Mollblues auch um die Frage nach dem ersten aufgenommenen 12-taktigen Mollblues geht, bzw., um genauer zu sein, dem Mollblues, den wir auch heute als solchen bezeichnen. Ich habe in meiner Liste 16-taktige Formen ebenfalls mit aufgeführt, weil sie nach meinem Empfinden sehr nahe am "12-Takter" liegen (erst Recht bei den Changes aus meinen Beispielen). Für mich ist, um ein weiteres Beispiel zu nennen, " Unchain My Heart", obwohl 16-taktig, ebenfalls ein Mollblues. Aber das soll jetzt hier nicht in den Focus rücken; wer das anders fühlt, bitte die "16er" einfach streichen.
Zu Cudo zum Ersten: Beim "Weeping Willow Blues" kann man mit Fug und Recht geteilter Meinung sein, da gebe ich Dir recht. Aber alles Weitere würde zu einem anderen Thema gehören; die Entstehung des Dominantblues. Ich habe hier ein etwas unglückliches Beispiel gewählt, mit dem ich zeigen wollte, dass Fertiges nicht vom Himmel fällt, sondern sich zumeist entwickelt oder Varianten besitzt, siehe Skip James, yeah!

Jetzt zurück zu Harrison's Frage und damit zu Cudo weiter: was ich nicht nachvollziehen kann ist, wieso Du weiterhin meinst, bleiben wir mal formstreng beim 12-taktigen Mollblues, dass
Moll-Blues ist meines Wissens eine relativ späte Entwicklung - so ab den 50-ziger Jahren.

Ich habe doch gezeigt, dass das nicht stimmt, höre ua.Teddy Wilson "Blues in C# Minor", 12 taktiger Mollblues in C#-Moll, 1936.

beste Grüße!

Mathias
 
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Sorry Mathias für die verspätete Antwort.

Danke für das Beispiel Teddy Wilson. Dieses Beispiel ist natürlich NICHT maßgebend für die Stilistik der 30iger Jahre. Wenn ich sagte - so ab den 50-ziger Jahren - dann meinte ich damit einen "allgemeinen" Trend.
 
Hallo Cudo II und MathiasL,

ja, mir geht es um den "normalen"; 12-taktigen Blues. Wann er allgemein Trend wurde, finde ich eher nicht so interessant, sondern mehr die Tatsache, wann jemand zum ersten Mal auf die Idee gekommen ist, einfach alle Dominantseptakkorde in Moll-Akkorde umzuwandeln.
Ich bin dem guten Hinweis von MathiasL mit dem "Shipwrecked Blues" nachgegangen und habe auf Youtube tatsächlich eine Aufnahme von 1925 gefunden. Für mich ein klarer Moll-Blues. Hier der Link:
http://www.youtube.com/watch?v=FkxX-IKW6X0

Ich danke euch für eure Kommentare.
Harrisson
 
... sondern mehr die Tatsache, wann jemand zum ersten Mal auf die Idee gekommen ist, einfach alle Dominantseptakkorde in Moll-Akkorde umzuwandeln. ...und habe auf Youtube tatsächlich eine Aufnahme von 1925 gefunden. Für mich ein klarer Moll-Blues.http://www.youtube.com/watch?v=FkxX-IKW6X0

Bei einem Mollblues werden nicht alle Dominantseptakkorde in Moll Akkorde umgewandelt. Die Hauptstufen des Mollblues entsprechen einer Mollkadenz.


Hier in etwa die Chords Deines Zitats:

|| Dm6 | A7/E | Dm6 A7/E | Dm6 |

| Gm6 | A7 | Dm6 | % |

| Em7(b5) | A7 | Dm6 | Dm6 A7 ||
 
Hallo Cudo II und MathiasL,

ja, mir geht es um den "normalen"; 12-taktigen Blues. Wann er allgemein Trend wurde, finde ich eher nicht so interessant, sondern mehr die Tatsache, wann jemand zum ersten Mal auf die Idee gekommen ist, einfach alle Dominantseptakkorde in Moll-Akkorde umzuwandeln.
Harrisson


Du meinst, aus den Akkordfunktionen T7 S7 D7 werden t7 s7 d7 , und der "Blues in Moll" ist da? Nein, wie in Moll nicht anders zu erwarten, erscheinen nun bestimmte Akkorde in Moll und in Dur - die D und d wäre hier zuerst zu nennen, welche als V7 dominantisch verwendet und auch als V7m erscheinen kann, aber nicht dominantisch. Als Prädominante wird statt der in der Klassik üblichen s65 (= IIm7b5) die tG7 , also die bVI7, herangenommen. In wieweit beim Blues in Moll die IIm7b5 eine Rolle spielt, weiß ich nicht. Aber die bVI7 ist sehr typisch. (Eine gewisse Ähnlichkeit zur German 6th ist mMn nicht ganz von der Hand zu weisen).

Das harmonische Modell Im, bVI7, V7 kommt schon bei Morton "The Crave" vor. Das Stück ist von 1902.

edit: Ach, da war CUDO II wieder schneller. Nachtrag: Im Grunde nähert sich der Blues damit der Klassik (sehr) an!

Und noch ein Nachtrag: Worin unterscheiden sich in #15 Em7b5 und Gm6? Nur in der Grundstellung? Gm6 wäre dann ja Prädominante - bei beiden Akkorden folgt die Dominante A7. Harmonisch ist "Shipwrecked" eher an Klassisch Moll als mein Beispiel eines frühen Moll-Blues " Delta Bound", gesungen von Rosetta Howard (1932)

http://www.youtube.com/watch?v=a3m9qIByy-Q
 
Zuletzt bearbeitet:
Worin unterscheiden sich in #15 Em7b5 und Gm6?

Beide Akkorde sind an dieser Stelle austauschbar, da sie die gleiche Funktion haben - nämlich Subdominantmollfunktion als Vorbereitung zur folgenden Dominante.
Der Unterschied besteht deswegen nur im jeweiligen Grundton.
 
Beide Akkorde sind an dieser Stelle austauschbar, da sie die gleiche Funktion haben - nämlich Subdominantmollfunktion als Vorbereitung zur folgenden Dominante.
Der Unterschied besteht deswegen nur im jeweiligen Grundton.

Somit ist also die SDM in Moll die der Prädominante? Wäre ja ganz klassisch-harmonisch; man könnte auch noch die bIImj7 nennen.
Was ich noch nicht verstehe, warum und weshalb die Im als Im6 erscheinen kann (wäre ja "dorisch") - ich hätte nur an die Im7 gedacht.
 
Was ich noch nicht verstehe, warum und weshalb die Im als Im6 erscheinen kann (wäre ja "dorisch") - ich hätte nur an die Im7 gedacht.

Kehrfrage: Warum nicht ? :)

m6 ist der übliche tonikale Mollsound im Jazz-Kontext ... so, wie eben dorisch die "angestammte" Molltonika im Jazzumfeld ist. Daß in der Bluestonleiter die 6 nicht vorkommt, tut dabei (meiner Meinung nach) nichts zur Sache, weil der richtige Mollblues eher von der Jazzseite herkommt, als von der Bluesseite ...

LG - Thomas
 
Somit ist also die SDM in Moll die der Prädominante? Wäre ja ganz klassisch-harmonisch; man könnte auch noch die bIImj7 nennen.
Was ich noch nicht verstehe, warum und weshalb die Im als Im6 erscheinen kann (wäre ja "dorisch") - ich hätte nur an die Im7 gedacht.

Den Begriff "Prädominante" gibt es meines Wissens im Deutschen nicht. Im Englischen heißt er "predominant chord". Gemeint ist mit diesem Begriff jeder Akkord, der unmittlebar vor einer Dominante stehen kann. Das ist sehr weitläufig und wirklich bringen tut diese Bezeichnung keinem etwas.

Hier die vollständige Gruppe der SDM Akkorde (die können natürlich auch als MI Akkorde in Dur eingesetzt werden):

bIIMA7, IIm7(b5), IVm6, IVm7, bVIMA7 und bVII7.



Die Molltonika nimmt im Jazz für gewöhnlich Melodisch Moll oder manchmal auch Aeolisch (Dorisch ist eher selten).
 

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