24 taktiges Bluesschema?

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Ok, also ich hab die Sache nochmal nach allen Seiten wirklich sehr gewissenhaft durchdacht und ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich hier dem Inhalt des letzten Post von RMACD (#58) zu 100% zustimmen muss.

Ich habs hin und hergekaut in meinen Gehirnwindungen. Jeden einzelnen Satz von RMACD, vorwärts und rückwärts. Ich stimme auch seiner Analyse hinsichtlich "Bluesette" zu:


"Bluesette" hat AbMj7 - Ab6 ; also haben wir bIIIMj7 und bIII6 beide als kleinterzverwandten Tonikavertreter; die bIII6 erhält sogar den Grundton.

"Bluesette" hätte damit die Vertreterfunktion reharmonisiert (zugleich vereinfacht, gewissermaßen entspannt).

Was die Terzvervandschaften betrifft- für bIIIMj7 kann ich es so formulieren:

Ab(maj) = C(m13-)


Und für bIII6 kann ich es so formulieren:

Ab(6) = F(m7)


Ich versuche hier durch die Klammern und den Fettdruck zu verdeutlichen, dass ich mich grundsätzlich immer schön entlang der Akkkord- PRIME orientiere ( die Zusatztöne wie zB maj7 oder 6 usw sind für mich in gewisser Weise zweitrangig, 'vordergründig').

1. Im Rahmen der 12taktigen Bluesform muss es ja in irgendeiner offenen oder verdeckten Weise F, also die Tonika ( oder Stellvertreter) in Takt 7 ( entspricht Takt 13 in "Bluesette") sein- oder es kann kein BLUES mehr sein:rofl: ( Rückkehr zur Tonika ist in Takt 7 ja zwingend).


Und jetzt kommt die Jazz- Polizei:

2. Bei Aebersold finden wir auch den Ab(maj) in Takt 7... allerdings, was die Anwendungshäufigkeit betrifft, erst an 13. Stelle...


CUDO II schrieb:
Ja, aber vergiss nicht - tonisch = IMA7, IIIm7 und VIm7...

... also an wen geht jetzt der Punkt? Ist es wirklich eine Modulation nach Ab- Dur?

CUDO II schrieb:
Bei "Bluesette" wird Takt 11. bis 14. eher als implizierte Modulation gehört denn als bIII. Wenn eine bIII Stufe als bIII Stufe gehört werden soll, muss in unmittelbarer Umgebung etwas Diatonisches stehen, sonst wird das Ohr dies nicht als bIII hören.

Wie gesagt, wenn es da tatsächlich eine Modulation nach Ab- Dur in "Bluesette" gibt, dann gute Nacht "Bluesette- Blues":D

Was nun?... Findet in Takt 13 bei Thielemans eine Modulation nach Ab- Dur statt? Was würde Aebersold dazu sagen und was die Blues- Polizei?...


Ich hätte an dieser Stelle eine Lösung, die evt sowohl für Bluesette als "Blues", als auch für Aebersold akzeptabel wäre... rein musiktheoretisch zumindest^^... da wären aber sowieso noch einige andere Dinge in "Bluesette" zu klären... er bleibt zB verdammt lang auf Ab hängen ab Takt 13:D

RMACD schrieb:
"Bluesette" hätte damit die Vertreterfunktion reharmonisiert (zugleich vereinfacht, gewissermaßen entspannt)...

Meine Ohren und mein Feeling jedoch haben, was "Bluesette's Blues" betrifft, sowieso schon längst ein Urteil gefällt, nicht nur in Takt 13... :cool: Gibt übrigens auch Original- Lyrics zu dem Stück. Wenn das ein Bluestext ist, dann ist "Somewhere over the rainbow" auch ein Blues...

http://www.metrolyrics.com/bluesette-lyrics-leny-andrade.html
 
Die dominantische Wirkung des III(m7) lässt sich leicht erheblich steigern, indem man einfach aus dem Mollseptakkord einen Durseptakkord oder sogar einen Verminderten macht. Bezogen auf C- Dur:

|C |F |E7 |C |

...
Hinter der Folge E(7) -> C verbirgt sich ein Quintfall, da C6 = Am7!:hat:... und da gibts ganz sicher etliche Beispiele in Jazz/Blues und Pop!

Abgesehen davon, daß man ihn so nicht wahrnimmt (den Quintfall) ... kannst Du ein Musikbeispiel aus der freien Wildbahn nennen, wo die Akkordfolge
C - F - E7 - C vorkommt, und zwar so vorkommt, daß nicht E7 der Abschluß einer Phrase ist und damit sozusagen bei C neu begonnen wird ...

Der E7-eigene Tritonus g#-d löst sich halt nun einmal "ungern" nach C auf ...

Thomas
 
Meine ursprüngliche Aussage lautete:

sigiguitar schrieb:
Die dominantische Wirkung des III(m7) lässt sich leicht erheblich steigern, indem man einfach aus dem Mollseptakkord einen Durseptakkord oder sogar einen Verminderten macht. Bezogen auf C- Dur:

|C |F |E7 |C |

oder:

|C |F | |C | /( F° = E7/b9 = G7/b9 = Bb7/b9 = Db7/b9)

Die hier aufgefühten b9- Akkorde bitte als Akkorde ohne Grundton lesen!
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Wir müssen aufpassen, dass wir nicht wieder aneinander vorbeireden^^

... kannst Du ein Musikbeispiel aus der freien Wildbahn nennen, wo die Akkordfolge C - F - E7 - C vorkommt

Gleich vorweg: Mir ging es bei der obigen Folge nicht unbedingt um die IV in Takt 2, da könnte natürlich auch genauso gut was anderes stehen. Mir ging es um die Auflösung der III in die I.

Ich weiss natürlich nicht auf Anhieb, ob es in der Literatur einen Verlauf gibt, der exakt |C |F | |C | entspricht. Obwohl ich mir selbst da ziemlich sicher bin. Aber das ist auch garnicht der Punkt. Es ging mir vielmehr darum, dass E = G ist.

Die III, also E, ist mit der V, also G, identisch, da:

= E7/b9 = G7/b9 = Bb7/b9 = Db7/b9 ( Die 7b9- Akkorde bitte als Akkorde ohne Grundton lesen!)

Siehst Du, was ich meine? Wenn ich keinen Verlauf in der Literatur finden sollte, der exakt dem obigen entspricht, so gibt es ja mit absoluter Sicherheit Akkordfolgen, die zumindest einen der von mir genannten Stellvertreter für die III bzw für die V enthalten^^

Du könntest also in meinem obigen Beispiel genausogut G7/b9, Bb7/b9 oder Db7/b9 statt F° einsetzen oder auch Ab°, B° oder D° statt des angegebenen F°, weil alle diese Akkorde vollkommen identisch sind!:

= Ab° = B° = D° = E7/b9 = G7/b9 = Bb7/b9 = Db7/b9 ( Die 7b9- Akkorde bitte als Akkorde ohne Grundton lesen!)

Verstehst Du, was ich sagen will? Alle diese Akkorde sind vollkommen identisch, was das Tonmaterial und auch ihre Funktionen betrifft. Alle diese Akkorde bestehen aus den vier Tönen H, D, F und Ab. Das sind zwei ineinander verschachtelte Tritoni, nämlich:

H - F und D - Ab (G#)

Und zwar gehört der Tritonus H - F in den C- bzw. Gb(F#)- Bereich und der Tritonus D - Ab(G#) gehört in den A- bzw. Eb- Bereich!

Also auch anhand der zwei ( ineinander verschachtelteten) Tritoni kann man erkennen, dass der Tritonus H - F sich eben nach C ( bzw. Gb) und der Tritonus G# - D sich eben GLEICHZEITIG nach A ( bzw. Eb) auflöst. Und warum? Weil C und A identisch sind, da:

C6 = Am7 ( oder auch C7/b9 = A7/b9 = .... siehe weiter unten!)

Wenn Du also kein Beispiel in der Literatur findest, das die Folge E(7b9) C enthält, so wirst Du doch eine Folge finden, die zB G7/b9 C oder Db7/b9 C oder Bb7/b9 C verläuft, oder?! All diese Folgen sind aus meiner Sicht vollkommen identisch, da sie exakt dasselbe Tonmaterial enthalten. Das bedeutet bezogen auf Deine Aussage:

Der E7-eigene Tritonus g#-d löst sich halt nun einmal "ungern" nach C auf ...

Die Tritoni G# - D bzw B - F lösen sich verdeckt bei der Folge E7(b9) -> C gleichzeitig nach A und nach C auf, da ist überhaupt kein Unterschied, da eben E7/b9 = G7/b9 ( beide ohne Grundton!), die Tritoni G# - D und B - F sind beide in diesen beiden identischen Akkorden enthalten.

Verstehst Du, was ich sagen will? Wenn E7/b9 sich nach A auflöst, dann löst sich gleichzeitig G7/b9 nach C auf. Oder umgekehrt: Wenn G7/b9 sich nach C auflöst, dann löst sich gleichzeitig E7/b9 nach A auf. Anders formuliert:

Bei der Folge E -> C findet ein verdeckter Quintfall statt und zwar von E nach A und gleichzeitig von C nach G, weil E(7/b9) = G(7b9), bzw weil C(6) = A(m7).

Wenn sich also in der Literatur kein Gang von E(7b9) nach C finden lässt, was ich wirklich nicht glaube, so lässt sich mit Sicherheit ein Gang von G(7b9) nach C finden:D... für mich ist das ein- und dasselbe! Ebenso Bb(7b9) nach C oder Db(7b9) nach C, ist physikalisch alles dasselbe.

All diese Akkordfolgen sind vollkommen identisch, da alle vier Folgen dieselben zwei Tritoni H - F und D - Ab (G#) enthalten, die sich gleichzeitig in vier verschiedene Richtungen/Bereiche/Toniken auflösen:

Ein Verminderter ist gleich vier 7b9- Akkorde ( ohne Grundton!). So lösen sich also die vier Dominanten E7/b9 = G7/b9 = Bb7/b9 = Db7/b9 gleichzeitig nach A = C = Eb = Gb auf. Anders formuliert:

E(7/b9) = G(7/b9) = Bb(7/b9) = Db(7/b9) löst sich auf nach:

A(7/b9) = C(7/b9) = Eb(7b9) = Gb(7b9)

Hier sieht man sehr schön die vier Quintfälle E -> A, G -> C, Bb -> Eb und Db -> Gb, die alle vier gleichzeitig stattfinden. Diese vier Quintfälle sind vollkommen identisch.


Bei der einen Bewegung eines einzigen 7/b9- Akkordes in seine Auflösung lösen sich also gleichzeitig vier Akkorde in vier Richtungen auf. Insofern ist es physikalisch vollkommen gleichgültig ob zB G oder E sich nach C auflöst, weil beides vollkommen dasselbe ist.

Probiert es an Euren Pianos, Saxophones, Gitarren usw. aus! Hört und seht Euch die genannten Verminderten bzw 7/b9- Akkorde ( ohne Grundton!) genau an und löst sie in die genannten Richtungen auf, dann werdet ihr hören und sehen, was ich meine, garantiert:

= Ab° = B° = D° = E7/b9 = G7/b9 = Bb7/b9 = Db7/b9 ( Die 7b9- Akkorde bitte als Akkorde ohne Grundton lesen!)
................................... E....... = G ( die III ist mit der V also vollkommen identisch).

Das
wollte ich in meinem vorletzten Post #60 sagen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich mag mich jetzt auch nicht mehr in diese Diskussion einmengen. Dazu geht sie mir zu weit an meiner persönlichen Herangehensweise vorbei ... aber nur soviel: Ich kann mit Deiner grundlegenden Einstellung, die Grundtöne so völlig zu ignorieren (G7b9 = E7b9) halt recht wenig anfangen. Wenn man von Harmonien oder Akkorden spricht, dann ist in aller Regel eine Situation gemeint, in der irgendein Grundton KLAR ist. Wir wissen alle, daß C6 dieselben Töne beinhaltet, wie Am7, und daß sie "parallel" zu einander sind. Dennoch stehen beide Bezeichnungen, beide Akkorde für ganz andere Situationen, haben ihre eigenes Wesen und ihr eigenes harmonisches Umfeld. Daß man diese beiden Akkorde theoretisch in einander umdeuten kann, tut dabei nichts zur Sache ...
So eine Argumentation ist bei vollständig symmetrischen Akkorden ja noch (für mich) verständlich (7dim), aber E7b9 hat nunmal kein g als Akkordton, G7b9 dafür kein e.

Abgesehen davon weiß ich mittlerweile schon gar nicht mehr, was das mit der ursprünglichen Fragestellung zu tun hat, und wie in Gottes Namen wir so dermaßen abschweifen konnten ... :)

LG - Thomas
 
Aber um nochmal auf das geforderte Literatur- Beispiel zurückzukommen:

Bei der Harmonisation Django Reinhardts von "Old Folks at home" (Swanee River) gibts zB. eine Akkordfolge, die in F- Dur folgendermassen verläuft:

|F |F7 |Bb | |F |....

= A(7b9) = C(7/9b) = Eb(7b9) = Gb(7b9)

http://www.youtube.com/watch?v=rVOXsuuIG-o


Also auch hier ein Stellvertreter (B°), der sowohl mit der III als auch mit der V identisch ist. Diese Folge verläuft bei Djangos Harmonisation von Takt 5 - 9, Takt 13 - 17 und Takt 23 - 27.

Es gibt sicher weitere Beispiele, wo direkt vor der I die IV als Verminderter oder auch die III7 direkt vor der I vorkommt, wie in meinem C- Dur- Beispiel aus Post #60...

Es spielt absolut keine Rolle, ob Django hier einen B° oder D° oder F° oder Ab° oder A7/b9 oder C7/b9 oder Eb7/b9 oder Gb7/b9 ( 7/b9- Akkorde ohne Grundtöne!) spielt. Warum? Weil ALLE diese Akkorde vollkommen identisch sind.

Probiert es aus!
 
Vorsicht ... B steht dort eindeutig für B-natural, also das deutsche H. Das hat mit A oder C leider garnichts zu tun. Sonst müsste es Bb heißen.

Die Progression kennt man aus dem Jazzblues und sie funktioniert nur gut wenn man die darauf folgende Tonika mit der Quinte im Bass bringt. (dann gibt es eine chrimatische aufsteigende Linie)

Ich glaube das Hauptproblem der Diskussion liegt hier:

In der Jazzharmonik ist viel erlaubt. Es gibt tausend Tricks wie man Akkorde umdeuten kan (zB über die Verminderten in den 7b9 Akkorden). Auf diese Wiese finden sich auf dem Papier plötzlich unglaublich viele Verwandschaften.

ABER: Es ging eingentlich um viel fundamentalere Zusammenhänge! Ich muss nichts umdeuten um zu sehen, dass V7 und VIIm7b5 dominantisch sind. Diese Prinzipien nutzten schon klassische Komponisten bevor es überhaupt unsere heutige Funktionsanalyse gab. Umdeutungen von Dominanten über die verminderten Vierklänge findet man hingegen zB bei Stücken von Wayne Shorter und man muss sich schon mühe geben um diese Changes zum klingen zu bringen.

Lass dich nicht erschlagen von den tausend Möglichkeiten. Bevor du dich mit Ausnahmen beschäftigst, schau dir erstmal genau die Grundlegenden Zusammenhänge an. Und da ist III-7 nunmalin erster Linie kein dominantischer Klang.
 
Ich mag mich jetzt auch nicht mehr in diese Diskussion einmengen. Dazu geht sie mir zu weit an meiner persönlichen Herangehensweise vorbei ...

Das ist das eigentliche Problem: Ich verstehe Eure Herangehensweise sehr gut- aber Ihr versteht meine Herangehensweise offenbar nicht wirklich:D ... was auch nachvollziehbar ist, da Ihr Euch ja mit meiner Herangehensweise offensichtlich bisher erst im Ansatz auseinandergesetzt habt, sonst würdet ihr mich weitaus besser verstehen, garantiert!

Ihr kommt von der klassischen bzw. Jazz- Harmonielehre, aber ich komme von der klassischen bzw. Jazz- Harmonielehre und von der Pöhlertschen Grundlagenharmonik her. Es gibt übrigens auch internationale Jazz- Größen, die denselben Ansatz wie Pöhlert haben!

Ein wesentlicher Unterschied ist hier, dass die klassische bzw. Jazz- Harmonielehre von gewissen "qualitativen" Unterschieden der diversen Stufen spricht, während Pöhlert mehr von den physikalischen Gegebenheiten ausgeht.

Zum Beispiel unterscheidet die klassische bzw. Jazzharmonielehre strikt zwischen Dur und Moll, da sie Dur und Moll als verschiedene "Qualitäten" betrachtet. Aber diese Qualitäten sind rein subjektiv. Jedoch objektiv/physikalisch betrachtet gibt es diese Unterschiede garnicht:D, weil ( bezogen auf C):

C7/9 = Em7/b5 = Gm6

Wenn also zB eine Akkordfolge von Dur nach Moll wechselt, ohne den Grundton zu wechseln, dann sieht das zB bei "Blues for Alice" ( Takt 5 und 6) so aus:

|Bb7.... |Bbm7.... |

Was geschieht hier genau, wenn Bb nach Bbm wechselt?! Wie würdet ihr den Wechsel eines Dur- Akkordes in einen Moll- Akkord mit demselben Grundton erklären? Ich würde es bezogen auf "Blues for Alice" so erklären:

Bb(7/9) = D(m7/b5) = F(m6) und:

Eb(7/9) = G(m7/b5) = Bb(m6)

So kann ich erkennen, dass sich beim Wechsel von Dur nach Moll unter der Oberfläche ein Quintfall von Bb nach Eb vollzieht, denn Bb7/9 fällt hier nach Eb7/9. Und das, obwohl die gr. 9 bei Parker garnicht vorkommt, so ist sie in der Obertonreihe doch an dem Wechsel von Dur nach Moll beteiligt. Desweiteren gibt es in der Obertonreihe gar keinen Mollakkord! Die Qualitäten Dur und Moll sind subjektiv, nicht aber objektiv vorhanden. Objektiv betrachtet gibt es keinen Unterschied zwischen Dur und Moll, bzw in der Obertonreihe gibts nur Dur...

Ich kann mit Deiner grundlegenden Einstellung, die Grundtöne so völlig zu ignorieren (G7b9 = E7b9) halt recht wenig anfangen

Der Grundton oder auch die ( reine) Quinte kann doch in der Praxis weggelassen werden, entscheidend ist die Terz und die Septime. Das siehst Du doch genauso, oder?

Daß man diese beiden Akkorde theoretisch in einander umdeuten kann, tut dabei nichts zur Sache ...

Du kannst ja auch die Grundtöne der 7/b9- Akkorde in der Praxis beibehalten, es spielt keine Rolle. G7b9 und E7b9 und Bb7b9 und Db7b9 sind allesamt austauschbar, ob mit oder ohne Grundton. Probier es aus am Piano oder auf einem anderen Instrument. Ich hab die Grundtöne nur weggelassen, damit es rechnerisch klar wird, was ich meine! Und wenn Du die Sache am Intrument nachvollziehst, dann wirst Du realisieren, dass es auch in der Praxis funktioniert.

Abgesehen davon weiß ich mittlerweile schon gar nicht mehr, was das mit der ursprünglichen Fragestellung zu tun hat, und wie in Gottes Namen wir so dermaßen abschweifen konnten ... :)

Wir sind so verdammt weit abgeschweift, weil wir eben verschiedene Herangehensweisen haben. Und natürlich kommt die Folge III7 V weitaus weniger häufig vor, wie die zB die Folge V7 I, das hab ich ja auch weiter oben gesagt. Aber es ist grundsätzlich nicht falsch, statt V7 I die Folge III7 I zu spielen- beides ist richtig- allerdings ist die Folge V7 I eindeutiger, als die Folge III7 I.

Wir haben verschiedene musiktheoretische Ansätze. Aber das macht nichts, denn ursprünglich ging es ja um "Blues for Alice" und "Bluesette" bzw den 24taktigen Blues. Ich hatte ja auch schon vorgeschlagen, die Analyse auszulagern, wo sie wohl besser aufgehoben ist: Ins Analyse- Forum;)

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Vorsicht ... B steht dort eindeutig für B-natural, also das deutsche H. Das hat mit A oder C leider garnichts zu tun. Sonst müsste es Bb heißen.

Schon klar, das das dortige englische B das deutsche H meint. Aber das ändert nichts an meiner Analyse der Akkordfolge bei Django!

Die Progression kennt man aus dem Jazzblues und sie funktioniert nur gut wenn man die darauf folgende Tonika mit der Quinte im Bass bringt. (dann gibt es eine chrimatische aufsteigende Linie)

Mh, also in meiner Notation ist ein klares F- Dur in der Grundstellung angegeben, kein F/C ( also F mit C im Bass) !! Entweder meine Notation ist falsch oder Deine Aussage. Meine Notation ist eine Original- Transkription, herausgegeben von Hal Leonard.

Ich glaube das Hauptproblem der Diskussion liegt hier:

In der Jazzharmonik ist viel erlaubt. Es gibt tausend Tricks wie man Akkorde umdeuten kan (zB über die Verminderten in den 7b9 Akkorden). Auf diese Wiese finden sich auf dem Papier plötzlich unglaublich viele Verwandschaften.

Wie bereits mehrfach gesagt funtionieren all jene Umdeutungen, die ich aufgeführt habe, nicht nur auf dem Papier, sondern ebenso in der Praxis. Probier es aus auf Deinem Instrument!

ABER: Es ging eingentlich um viel fundamentalere Zusammenhänge! Ich muss nichts umdeuten um zu sehen, dass V7 und VIIm7b5 dominantisch sind. Diese Prinzipien nutzten schon klassische Komponisten bevor es überhaupt unsere heutige Funktionsanalyse gab.

So ist es. Die V und die VIIm75- offen sind ganz offen als natürliche Stufenakkorde vorhanden. Allerdings wirds schon etwas schwieriger, wenn eine Akkordfolge die Diatonik verlässt und tonleiterfremde Grundtöne aufweist. Und genau dann arbeite ich mit Umdeutungen.

Lass dich nicht erschlagen von den tausend Möglichkeiten. Bevor du dich mit Ausnahmen beschäftigst, schau dir erstmal genau die Grundlegenden Zusammenhänge an. Und da ist III-7 nunmalin erster Linie kein dominantischer Klang.

Nö nö, keine Sorge, ich fühl mich nicht erschlagen von all den Umdeutungsmöglichkeiten;)... allerdings bleibe ich bei meiner Analyse, was die dominantische III betrifft:D... finde ich aber nicht schlimm, dass wir anderer Meinung sind, was die verdammte III betrifft, denn die eigentliche Analyse von "Bluesette" und "Blues for Alice" war/ist ja garnicht davon betroffen! Ich finde also, dass uns die Analyse der beiden Stücke bisher sehr gut gelungen ist! Jedenfalls hab ich bisher dabei eine Menge gelernt!

Um nun zu der eigentlichen Analyse zurückzukommen:

Aber was ist nun mit Takt 13 in "Bluesette"?! Findet dort, wie CUDO II weiter oben sagte, eine Modulation nach Ab- Dur ( bezogen auf F- Dur) statt oder nicht?...

CUDO II schrieb:
Bei "Bluesette" wird Takt 11. bis 14. eher als implizierte Modulation gehört denn als bIII. Wenn eine bIII Stufe als bIII Stufe gehört werden soll, muss in unmittelbarer Umgebung etwas Diatonisches stehen, sonst wird das Ohr dies nicht als bIII hören.
 
Die Auffassung des Vollverminderten als "Akkordfabrik", bei dem durch Tiefalteration eines der Töne des Vierklangs ein (dom.) Septakkord entsteht, ist nicht neu. Lässt man den Vollv. stehen und fügt nur die Tiefalteration hinzu, erhält man den Septakkord mit kl. None. Die ursprüngliche dominantische Funktion des Vollv. wird dadurch nicht aufgehoben ( 4 mögliche Auflösungen).

Somit kann die "German Sixth" als Vertreterfunktion der Doppeldominante gesehen werden (es war, glaube ich, Tschaikowsky, der die German Sixth als Dominante postuliert hat, etwa mit der Begründung: Wenn sowohl DD7 als auch G.S. die Fortsetzung in die Dominante fordern, dann muss die Funktion die gleiche sein) . bVI7 und II7 sind also funktionsgleiche Akkorde im Tritonusabstand und haben beide den gleichen DDv als Grundlage.





 
Wir haben verschiedene musiktheoretische Ansätze. Aber das macht nichts, ...

Das muß ich verneinen ... denn ich habe GAR keinen solchen Ansatz ... :)

- - - Aktualisiert - - -

Der Grundton oder auch die ( reine) Quinte kann doch in der Praxis weggelassen werden, entscheidend ist die Terz und die Septime. Das siehst Du doch genauso, oder?

Eigentlich nicht. Er kann im VOICING weggelassen werden, einfach, weil er "ohnehin immer präsent" ist und man ihn mithört, und das Voicing dadurch schlanker wird. Ihn in der theoretischen Betrachtung außer Acht zu lassen, finde ich merkwürdig bis sträflich ...
 
Die Auffassung des Vollverminderten als "Akkordfabrik", bei dem durch Tiefalteration eines der Töne des Vierklangs ein (dom.) Septakkord entsteht, ist nicht neu. Lässt man den Vollv. stehen und fügt nur die Tiefalteration hinzu, erhält man den Septakkord mit kl. None. Die ursprüngliche dominantische Funktion des Vollv. wird dadurch nicht aufgehoben ( 4 mögliche Auflösungen).

Wir sind uns vollkommen einig: Die Sache ist nicht wirklich neu!

Somit kann die "German Sixth" als Vertreterfunktion der Doppeldominante gesehen werden (es war, glaube ich, Tschaikowsky, der die German Sixth als Dominante postuliert hat, etwa mit der Begründung: Wenn sowohl DD7 als auch G.S. die Fortsetzung in die Dominante fordern, dann muss die Funktion die gleiche sein) . bVI7 und II7 sind also funktionsgleiche Akkorde im Tritonusabstand und haben beide den gleichen DDv als Grundlage.

Exakt. Hinter diesem Sachverhalt verbirgt sich eben die Tatsache, dass, bezogen auf C, gilt: Ab° = B° = D° = F° So gesehen gibts eigentlich überhaupt nur 3 verschiedene Verminderte, die jeweils aus zwei ineinander verschachtelten Tritoni bestehen:

B° = D° = F° = Ab°

C° = Eb° = Gb° = A°

Db° = E° = G° = Bb°

turko schrieb:
Das muß ich verneinen ... denn ich habe GAR keinen solchen Ansatz ... :)

Ok, Du hast gar keinen solchen Ansatz. RMACD versteht, was ich sagen will. Verstehst Du denn auch, was ich sagen will mit all diesen Umdeutungen? Egal, ob Du denselben Ansatz hast oder nicht. Entscheidend ist ja, ob Du verstehst, was ich sage... falls nicht, ist auch nicht so tragisch, solange Du mit Deinem Ansatz gut zurecht kommst und ich mit meinem...:)

Bezüglich des Grundtons bzw der Frage, ob man diesen weglassen kann in der theoretischen Betrachtung oder nicht, schreibst Du

Eigentlich nicht. Er kann im VOICING weggelassen werden, einfach, weil er "ohnehin immer präsent" ist und man ihn mithört, und das Voicing dadurch schlanker wird. Ihn in der theoretischen Betrachtung außer Acht zu lassen, finde ich merkwürdig bis sträflich ...

Ok, aber trotzdem kann ich mit dieser Betrachtungsweise gut leben und komme in der Praxis zu korrekten Ergebnissen. Und es gibt etliche Leute, die diese Art der Betrachtung kennen und verstehen und für richtig erachten. Ich sage nicht, dass Du mit Deinen Aussagen falsch liegst, aber sollten wirklich all jene, die mit solchen Umdeutungen tagtäglich in Theorie und Praxis arbeiten, denn alle falsch liegen? Kaum, oder? Also es geht grundsätzlich nicht darum, wer den besseren Ansatz sprich weniger merkwürdigen, weniger sträflichen Ansatz hat, sondern ob wir mit unserer eigenen Herangehensweise klarkommen. Du kommst mit Deinem Ansatz gut klar, ich mit meinem, RMACD mit seinem, CUDO II mit seinem usw... Also ist alles in Butter. Für mich jedenfalls spielts keine Rolle, ob jemand 3 x 4 oder 4 x 3 rechnet;)

Also will mir denn keiner verraten, ob es sich, wie CUDO II schrieb, in Takt 13 von "Bluesette" um eine Modulation handelt oder nicht?. Also, moduliert er nach Ab- Dur in Takt 13 ( bezogen auf die Ausgangstonart F- Dur) oder nicht?

Ihr wollt doch nicht wirklich, dass ich mir die Antwort, frech und unbedarft, wie ich nunmal bin, einfach selbst gebe, oder?...:D
 
Mh, also in meiner Notation ist ein klares F- Dur in der Grundstellung angegeben, kein F/C ( also F mit C im Bass) !! Entweder meine Notation ist falsch oder Deine Aussage. Meine Notation ist eine Original- Transkription, herausgegeben von Hal Leonard.

In der Praxis spielt ein Bassist in einer Warking-Bass-Linie doch nie nur Grundtöne auf die 1. Zählzeit des Taktes. Weder ist deine Notation falsch, noch meine Aussage.

Wir verstehen schon sehr gut was du mit deinen Umdeutungen meinst ... ich für meinen Teil denke nur, dass das Sonderfälle sind. Nicht alle Dominanten sind b9er ... wär ja auch langweilig. Pohnert war Gitarrist und seine Denkweise scheint mir halt auch sehr gitarristisch. Ich glaube nicht umsonst ist seine Harmonielehre nicht das absolute Standardwerk. Es gibt ja auchnoch das Lydian-Chromatic-Concept, das Harmolodische Prinzip und etliche andere "alternative" Lehren. Vieles davon behandelt Sonderfälle oder hat eben sehr spezielle Blickwinkel.

zu Takt 13:

Ich würde schon sagen dass es kurz moduliert.

Edit: Truko hat's unten besser formuliert.
 
Also will mir denn keiner verraten, ob es sich, wie CUDO II schrieb, in Takt 13 von "Bluesette" um eine Modulation handelt oder nicht?. Also, moduliert er nach Ab- Dur in Takt 13 ( bezogen auf die Ausgangstonart F- Dur) oder nicht?

Ob sich sowas schon Modulation nennen darf, oder noch eine Ausweichung ist, oder sonstwie anders bezeichnet werden mag, weiß ich nicht. Es ist jedenfalls ein kurzfristig etabliertes neues tonales Zentrum, wo das Abmaj als neue Tonika wahrgenommen wird.
 
Kommen wir also zum Wesentlichen:

In meinen Augen und Ohren ist Blues eine Volksmusik. Schwarze Volksmusik, afrikanische Volksmusik, Musik also. die ihre Wurzeln in Westafrika hat. Und ich stelle mir die Frage, ob man wirklich Musik studiert haben muß, um einen Blues als Blues wahrnehmen zu können...

Wenn ich etwas über das Wesen und die Roots des Blues und Jazz erfahren will, dann erkundige ich mich ganz grundsätzlich bei den Schwarzen, denn es ist ihre Musik, die ihre Wurzeln auf dem schwarzen Kontinent hat, die Musik ihrer Geschichte. Wer könnte besser über die schwarze Musik- Kultur Bescheid wissen, als die Schwarzen selbst?

Ali Farka Touré und Corey Harris in Mali:



In den Anfängen wurden die Worksongs, Field Hollers, die "Negro Spirituals" von den Weissen in den USA als Teufelsmusik verketzert. Nicht wenige wurden gleich an den nächsten Baum geknüpft, wenn sie es wagten, diese Musik zu singen, zu spielen, denn oft handelten die Songs offen oder verklausuliert von Flucht, von Rebellion und Anklage gegen die "white ghosts", die weissen Aufseher mit ihren Peitschen und Galgenschlingen. Ausserdem stärkte diese Musik das kulturelle Gemeinschafts- u. Zusammengehörigkeitsgefühl unter den Schwarzen
in der Diaspora, in der Sklaverei ( was den Weissen natürlich ein Dorn im Auge war):

" Oh, oh, oh,
I won't be here long

Oh, oh, oh,
Oh, dark gonna catch me here

Oh, oh, oh,
Oh, oh, oh."

Arwhoolie

Später wurde diese Musik von den weissen Radiostationen systematisch boykottiert:

" Ein Boykott ist ein organisiertes wirtschaftliches, soziales oder politisches Zwangs- oder Druckmittel, durch das eine Person, eine Personengruppe, ein Unternehmen oder ein Staat vom regelmäßigen Geschäftsverkehr ausgeschlossen wird. Heute steht der Boykott allgemein für eine Verrufserklärung oder Ächtung durch Ausdruck einer kollektiven Verweigerungshaltung. Der wirtschaftliche Boykott dient insbesondere der Ausschaltung von Konkurrenz; der soziale Boykott als Druckmittel von Interessensgruppen..."

http://de.wikipedia.org/wiki/Boykott

Dann endlich begriffen die Weissen, dass sich mit Blues und Jazz eine Menge Geld verdienen lässt und die weissen Jazzer und Rock'n Roller tauchten auf und verwässerten den Blues, schickten ihn durch den Weichspülgang, um ihn für zarte, weisse Mittelschicht- Ohren kompatibel zu machen. Die schwarzen Musiker indes wurden weiterhin boykottiert. Erst später erfuhr der schwarze Blues und Jazz über den europäischen Umweg seine späte Rehabilitation. Franzosen und Briten zeigten weitaus mehr Wertschätzung für diese Musik, als das weisse Amerika.

Es kam hier im Thread die Frage auf, ob Charlie Parker ein Intellektueller war. Immerhin hielt er sich oft in Greenwich Village, einem "traditionellen Hort amerikanischer Kunst und Freiluft- Treffpunkt einer Art amerikanischer Boheme" (Amiri Baraka aka LeRoi Jones, Blues People), auf.
Aber dennoch war Charlie Parker von der musikalischen Herkunft her ein Blues- Man. Und eines ist sicher:

Der Blues ist von seinen Wurzeln her durch und durch Volksmusik und damit eben keine intellektuelle Angelegenheit.

Und was "Bluesette" betrifft:

Ich kenne kein zweites Stück in der echten Blues- Tradition, das eine derartige 24taktige Struktur ( noch dazu im Walzertakt!) aufweist. Zeige mir jemand weitere Blues- Stücke in dieser Form!- ich kenne kein einziges. War Thielemans etwa ein Blues- Man? War er ein Be- Bopper? Nein, todsicher nicht. Wie aber soll er dann etwa den Blues oder den Be- Bop Charlie Parkers weiterentwickelt haben können, wie hier im Thread behauptet wurde? Wie? Auch Charlie Parker hatte mit den musikalischen Formen gespielt, aber seinen Blues konnte man auch ohne jede musikalische Ausbildung jederzeit als Blues erkennen...

" Beispiele für den harmonisch erweiterten sog. Parker Blues mit rhythmisch raffiniert „versetzter“ Themenphrasierung sind Au Privave, Confirmation oder Blues for Alice: Charakteristisch sind zum einen die Verwendung des Großen Septakkords (oder in der im Jazz international üblichen englischen Bezeichnung Major Seventh) anstatt des Dominantseptakkords auf der I. Stufe, d.h. der Erweiterung des Durdreiklangs durch die große anstatt der kleinen Septime, s. erster Teil im Hörbeispiel), zum anderen kadenzartige Überleitungen zwischen den Hauptakkorden, insbesondere von der I. auf die IV. Stufe in den ersten 4 Takten (die z.B. in Confirmation oder Blues for Alice schon im 2. Takt beginnt). So gelang es Parker, Blues und funktionale Harmonik miteinander zu verschmelzen."

http://de.wikipedia.org/wiki/Charlie_Parker

Thielemans moduliert in "Bluesette" im 13. Takt eindeutig nach Db- Dur ( bezogen auf die Originaltonart Bb- Dur). Spätestens an dieser Stelle verlässt Thielemans in "Bluesette" den Blues. Aber auch Takt 17 moduliert und zwar nach Cb- Dur. Natürlich könnte man diese Modulationen musiktheorethisch mithilfe von Umdeutungen als Stellvertreter der Tonika ( Takt 13) bzw der Dominante ( Takt 17) interpretieren. Aber das wäre eine ziemliche Kopfgeburt. Meine Ohren jedenfalls sagen mir eindeutig, dass es sich bei Thielemans "Bluesette" um eine durchkomponierte, 24taktige, europäische Liedform im Walzertakt handelt, aber nicht um einen Blues. Ausserdem habe ich noch nie einen echten Blues im 24taktigen Walzerrhythmus gehört, nie. Und wenn ich "Bluesette" etwa mit Charlie Parker's "Blues for Alice" vergleiche, dann höre ich eine völlig andere Welt, eben einen echten Blues. Hier mal ein weiteres Stück im 3/4 Takt, das als "Blues" bezeichnet wird. Es stammt von George Gershwin, einem weissen Komponisten, der klassische, europäische Komposition studiert hatte:



Auch Gershwin's Stück ist kein Blues, sondern eine 16taktige, europäische Liedform- trotzdem wird es als "Blues" bezeichnet:cool:

Mein Fazit: Ich vergleiche Musik gerne mit Brot für die Ohren. Und wenn "Blues for Alice" echtes, kräftiges, dunkles Vollkornbrot ist, dann ist "Bluesette" in meinen Ohren weisses, labbriges Toastbrot... und die Original- Lyrics zu dem Stück sind die Konfitüre dazu:D

Und daher: Um Ohren, Geist und Seele mit echtem Blues zu wärmen, orientiere ich mich immer schön an den schwarzen, afrikanischen Wurzeln. Stücke wie diese hier machen mich wirklich glücklich und satt:



In diesem Sinne:

"Lern die verdammten Akkorde, um sie zu vergessen!"

Charlie Parker
 
Sooo viele Worte ... und ich habe nicht den Hauch einer Ahnung, was genau Du mit ihnen eigentlich zum Ausdruck bringen willst ... noch dazu in Zusammenhang mit unserem aktuellen Thread hier ...

? ... LG - Thomas
 
Sooo viele Worte ... und ich habe nicht den Hauch einer Ahnung, was genau Du mit ihnen eigentlich zum Ausdruck bringen willst ... noch dazu in Zusammenhang mit unserem aktuellen Thread hier ...

Was den Zusammenhang mit diesem aktuellen Thread hier betrifft, so lautete die Ausgangsfrage dieses Threads ( Post #1):

Hi,

als durchschnittlich begabte langjährige Gitarrenschülerin gehe ich gerade mal mit Bass (kennen)lernen fremd.
Als Rockerin ist das 12taktige Bluesschema für mich kein Problem, das ist verinnerlicht.

Nun habe ich aber als Basslehrer einen Extremjazzer erwischt, der mich gerade arg ins Grübeln bringt:
Weil das Grundmotiv über 2 Takte geht, meint er, das Bluesschema auf 24 Takte erweitern zu müssen. :gruebel:
Da fallen dann noch eineige Takte zwecks eigener Improvisation an.

Mein Gefühl sträubt sich so dagegen, daß es mir echt schwer fällt, da überhaupt durchzukommen.....

Meine Frage: Stelle ich mich echt zu doof an? Ist das vielleicht zu "fortgeschritten" für mich Bass-Anfänger?...

Und dann kam gleich im 2. Post das Thema auf "Bluesette";:

Der einzige 24-taktige Blues der mir bekannt ist, heißt "Bluesette" und ist von Toots Thielemans. Die Harmonisation von "Bluesette" ist natürlich sehr außergewöhnlich und absolut nicht bluestypisch ist. Trotzdem stellt das Stück eine 24-taktige Bluesform dar.

Im Prinzip muss beim 24-taktigen Blues einfach alles zeitlich verdoppelt werden. Die Abfolge der Akkorde bleibt dabei deckungsgleich mit dem 12-taktigen Schema bestehen.

Dann habe ich mir erlaubt, die These, dass "Bluesette"; ein Blues bzw eine "Weiterentwicklung"; des Bird- Blues ist, in Frage zu stellen. Auf meine wiederholte Frage, ob mir irgendjemand weitere 24taktige, durchkomponierte "Blues" im Walzertakt a la "Bluesette" nennen könne, kam nichts.... Und dann bin ich, nachdem wir uns reichlich der Analyse von Thieleman's "Bluesette"; und Parker's "Blues for Alice"; gewidmet hatten, in meinem letzten Post #73 zu dem Schluss gekommen:

Nein, "Bluesette"; ist kein Blues.

Wo siehst Du da bezüglich meines Posts #73 die Zusammenhänge nicht, was verstehst Du an meinem Post #73 nicht?....:D


LG,
sigiguitar
 
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... was verstehst Du an meinem Post #73 nicht?....:D

Sehr vieles, ... eigentlich fast alles ... aber das macht ja nichts. Ich muß nicht alles verstehen.
Wenn Du mit Deiner scheinbaren Kernaussage "Bluesette ist kein Blues" glücklich bist, soll mir das auch recht sein.

LG - Thomas
 
"Bluesette" weicht auf die bIII aus, welche im Kleinterzabstand zur I diese mühelos vertreten kann. bIII wird anmoduliert über die bVII. Die ursprüngliche I wird dabei aber nicht aufgegeben, sondern modal um 3 Quinten nach unten verschoben, d.h. sie wird vermollt (Im kommt über bIII6 ins Spiel). bIII kann als subdominantisierte Variante der I angesehen werden. Der Übergang bIIIMj7 zur bIII6 macht den Weg frei für den weiteren Quintfall über die bVI zur bII : Wir sind beim Neapolitaner der I angelangt; der Neapolitaner ist hier dominantisch zu verstehen. Es wird mit der IIm11 fortgesetzt; statt 11 könnte hier auch II7sus4 stehen. Die II ist hier doppeldominantisch aufzufassen; die 4 nimmt bereits den Grundton der Dominante vorweg, welche auch prompt folgt. Die anschließende Quintfallsequenz, welche, mit der IIIm beginnend, zur Dominante führt, gehört diatonisch wieder nach F-Dur, d.h. wir lösen also die Vermollung in strahlendes Dur auf. Im Endergebnis: "Bluesette" folgt einem klassischen, nach Dur ausgerichteten diatonischen Modell. Deswegen klingt sie auch so "locker-flockig".

Der harmonische Plot (die Idee mit dem Neapolitaner) ist indessen nicht ganz neu, man vergleiche Präludium BWV 998, auch schön erklärt in:

http://teoria.com/tutorials/hf/mod06.php

Zu den verlinkten afrikanischen Songs: Die Songs richten sich nach Moll( höre ich da eine phrygische Kadenz?) wobei es nicht nur zur typischen Ausweichung bVII nach VII kommt, sondern auch zu IV nach #IV. Die (doppeldominantische) #IV als notwendigen Bestandteil von Moll zu begreifen, ist nicht selbstverständlich. Dass im Gesang auch die Blue Notes vorkommen, welches den Terzen Unschärfe verleiht, fügt sich zum Zusammenstoß bVII/VII bzw IV/IV# harmonisch hinzu.

Blue Notes kann man mit dem Klavier nicht spielen, aber #IV und VII zusammen, das geht durchaus:

WOo 63 (Variationen über einen Marsch von Dressler) : nach dem Auftakt ein sehr auffälliger VMj7 - Akkord. Dieser Akkord hätte mMn ein Ausrufezeichen verdient.
 
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Wenn ich etwas über das Wesen und die Roots des Blues und Jazz erfahren will, dann erkundige ich mich ganz grundsätzlich bei den Schwarzen, denn es ist ihre Musik, die ihre Wurzeln auf dem schwarzen Kontinent hat, die Musik ihrer Geschichte. Wer könnte besser über die schwarze Musik- Kultur Bescheid wissen, als die Schwarzen selbst?

Jazz entstand übrigens in der Vermischung von afrikanischer UND westlicher Musiktradition ... aber das blenden auch viele gerne aus.
 
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@ RMACD:

Bluesette" weicht auf die bIII aus, welche im Kleinterzabstand zur I diese mühelos vertreten kann.

Ja, so hatte ich es mir im Prinzip musiktheoretisch auch aufgedröselt:


Bbm7 = Db(6)


Dass im 13. Takt ein Dbmaj (= Fm13-) steht und kein Db6, nehme ich nicht so genau. Allerdings, dass die bIII hier in Takt 13 die I bluesmäßig "mühelos vertreten kann", nehmen meine Ohren so leider immer noch nicht wahr:D...


bIII wird diatonisch anmoduliert über die bVII. Die ursprüngliche I wird dabei aber nicht aufgegeben, sondern modal um 3 Quinten nach unten verschoben, d.h. sie wird vermollt (obwohl die I jetzt gar nicht kommt).


Ok, Dbmaj wird von Ab7 "anmoduliert" und die I, also Bb, fällt 3 Quinten nach unten, wird vermollt" und heraus kommt Dbmaj in Takt 13.


bIII kann als subdominantisierte Variante der I angesehen werden.


Also Dbmaj als "subdominantisierte Variante" von Bb? Wie das? Und wozu? Ich sehe hier einen einfachen offenen Quintfall von Ab7 nach Dbmaj, wozu brauchen wir eine "subdominantisierte bIII"? Was meinst Du mit"subdominantisiert"? Und wie wurde die bIII "subdominantisiert"?


Der Übergang bIIIMj7 zur bIIIm macht den Weg frei für den weiteren Quintfall über die bVI zur bII : Wir sind beim Neapolitaner der I angelangt; der Neapolitaner ist hier dominantisch zu verstehen.


Also Quintfall von Gb nach nach Cb in Takt 17. Und Cbmaj ist bezogen auf Bb dominantisch, ok. Aber wäre der Neapolitaner von Bb nicht die Moll- Subdominante mit kleiner Sexte, sprich Ebm13-? Mh...


Ebm13- = Cbmaj


Verstehst Du Ebm13- als dominantisch wegen der 13-?


Es wird mit der IIm11 fortgesetzt; statt 11 könnte hier auch II7sus4 stehen. Die II ist hier doppeldominantisch aufzufassen; die 4 nimmt bereits den Grundton der Dominante vorweg, welche auch prompt folgt.


Klar, anstatt Cm7b5 könnte auch C7sus4 da stehen... oder Ab7/9 oder Eb7/9 oder Bbm6 usw...:cool: / EDIT: Bei mir steht da ein Cm7b5 in der Notation, kein Cm11!


Die anschließende Quintfallsequenz, welche, mit der IIIm beginnend, zur Dominante führt, gehört diatonisch wieder nach F-Dur, d.h. wir lösen also die Vermollung in strahlendes Dur auf.

Und dann lösen wir die "vermollte ?Subdominante?" Bbm wieder in ein strahlendes Bbmaj auf, yeah:D


Kurze Pause, ich muss jetzt erstmal den Kopf unter kaltes Wasser halten...
 
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@RMACD:

Der harmonische Plot (die Idee mit dem Neapolitaner) ist indessen nicht ganz neu, man vergleiche Präludium BWV 998, auch schön erklärt in:

http://teoria.com/tutorials/hf/mod06.php

Okeee... ich geh jetzt aber nicht zu Hernn Bach, den ich sehr schätze, um den Blues zu verstehen:D...

Wie gesagt, die "subdominantisierte bIII" verstehe ich noch nicht so ganz... ansonsten kann ich Dir ganz gut folgen. Allerdings war mir zu spät aufgefallen, dass Du in F- Dur, statt wie ich, in Bb- Dur gedacht hast. Aber das macht ja nichts. Am Ende bist Du in F- Dur und ich in der Originaltonart Bb- Dur ausgekommen. Den Stufensymbolen jedenfalls konnte ich soweit folgen.

Zu den verlinkten afrikanischen Songs: Die Songs richten sich nach Moll( höre ich da eine phrygische Kadenz?) wobei es nicht nur zur typischen Ausweichung bVII nach VII kommt, sondern auch zu IV nach #IV. Die (doppeldominantische) #IV als notwendigen Bestandteil von Moll zu begreifen, ist nicht selbstverständlich. Dass im Gesang auch die Blue Notes vorkommen, welches den Terzen Unschärfe verleiht, fügt sich zum Zusammenstoß bVII/VII bzw IV/IV# harmonisch hinzu.

Blue Notes kann man mit dem Klavier nicht spielen, aber #IV und VII zusammen, das geht durchaus:

WOo 63 (Variationen über einen Marsch von Dressler) : nach dem Auftakt ein sehr auffälliger VMj7 - Akkord. Dieser Akkord hätte mMn ein Ausrufezeichen verdient.

Klar, die Blues- Songs sind in Moll. Aber ich denke nicht, dass die Musiker in "phrygisch" und dergleichen denken. Ich höre da eher eine simple Blues- Pentatonik, weniger "phrygisch". Ich orientiere mich auch nicht an Modi, eher an Akkorden und Grundtönen. Ich brauch keine Modi. Ich weiss, dass ich eine Tonleiter von 7 verschiedenen Stufen aus spielen kann, das genügt mir.

In dem ersten Blues ( Corey Harris & Ali Farka Toure) höre ich ein simples Dm und eine Bluespentatonik. In dem zweiten Blues "Felenko Yéfé" höre ich Cm, Gm und Fm, also Im, Vm, IVm und eben auch hier, wie im ersten Blues, eine simple Bluespentatonik dazu.

Blue Notes kann man mit dem Klavier nicht spielen

Dann würde ich mir niemals ein Klavier kaufen:D... gut, dass ich Gitarre spiele!


Liebe Grüße,
sigiguitar
 
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