Guten Morgen,
also lass mich zunächst einmal widersprechen: Gefühlte 90% der Metalcore-Songs sind nicht unbedingt anspruchsvoll. Das heißt nicht, dass es nicht auch sehr anspruchsvolle Metalcore-Bands gibt, allerdings ist ein Gros eben jener jetzt nichts außergewöhnliches.
Das schöne am Metal (da schließe ich Metalcore mal ganz frech mit ein) ist, dass du für das Songwriting keine besonderen Regeln beachten musst. So etwas wie eine feste Abfolge von Refrain/Strophe/Solo/Bridge ist keine Regel, sondern nur eine Beschränkung die du dir selbst auferlegst. Du kannst nicht pauschal eine bestimmte Reihenfolge immer wieder abklappern, es kommt viel mehr auf das Gefühl an bestimmten stellen an. Ist eine Strophe meinetwegen sehr langatmig, ist es vielleicht klüger, mal wieder was neues dahinter zu heften, anstatt noch eine weitere Strophe. Oder du sorgst mit einer Modulation, sprich einer Veränderung am Strophenriff beispielsweise, für Abwechslung.
Grundsätzlich ist, wenn du deine eigenen Songs schreibst, alles erlaubt!
Ein weiterer Punkt: Songwriting kann man nicht planen! Jedenfalls in den meisten Fällen. Du kannst dich nicht einfach hinsetzten und sagen "So, jetzt schreib ich mal eben nen geilen Song", und erwarten dass es auf der Stelle klappt. Die besten Ideen entstehen meiner Meinung nach ganz spontan, sei es beim jammen mit der Band oder beim rumklimpern zuhause. Es gibt doch die schöne Anekdote, das James Hetfield das Intro von Nothing Else Matters beim Telefonieren "erfand", als er nur eine Hand frei hatte und nebenher etwas auf seiner Klampfe rumzupfte. Und sowas funktioniert nunmal tatsächlich. Songwriting ist kein Hexenwerk, manchmal muss man eben einfach auf eine gute Idee warten. Hier ist Geduld das Stichwort.
Ich selbst mache es meistens einfach so, dass ich beim täglichen Üben immer ein wenig drauf achte ob etwas mich so richtig aus den Socken haut, also ob ich den Groove mag oder den Rhytmus, wenn ich mal was improvisiere. Gute Riffs müssen nicht immer kompliziert oder ewig durchdacht sein. Dieses Riff verwende ich dann als "Anker", um etwas drum herum aufzubauen. meistens beginne ich entweder bei der Strophe oder bei einem Refrain. Ich notiere so etwas gerne mit Guitar Pro, um auch mal einen Tag später auf das Riff zurückzukommen, oder auch einen Monat, das ist unterschiedlich. Manchmal habe ich beim Autofahren oder auf dem Klo oder wo auch immer eine gute Idee aber grad keine Gitarre zur Hand, dann kann ich Zuhause direkt diese Idee notieren. Aus diesen kleinen Mosaiken hat sich dann irgendwann das Grundgerüst zu einem Song gebildet. Da haben wir dann zB. eine Strophe, einen Refrain, vielleicht einen netten Breakdown, aber alles noch in recht loser Reihenfolge. Jetzt gilt es also, es ansprechend zusammen zu flicken.
Grundsätzlich ist Tempo auch nicht alles. Ein guter Metalcore-Song muss nicht unbedingt wahnsinnig schnell sein. Beispielsweise "Carrion" von Parkway Drive oder "My Curse" von Killswitch Engage sind an sich nicht besonders schnell, haben aber eine tolle Wirkung und eine gute Substanz.
Tempo ist ein Stilmittel!
Ein guter Song, so sagt man, lebt vom Aufbau und Abbau von Spannung. Es muss interessant und ansprechend sein. Da bietet es sich zum Beispiel an, den Song mit einem dieser Ohrwurmriffs zu beginnen, oder vielleicht mit einem langsamen, düsteren Intro (siehe zB Thy Art Is Murder - Reign of Darkness). Wenn der Song spannend beginnt und Lust auf mehr macht, werden die meisten Leute recht früh wieder abschalten. Irgendwann, wenn die Spannung an ihrem Höhepunkt ist, kannst du das dann mit einem Zwischenpart oder Breakdown wieder entspannen, oder aber mit einem Solo auf die Spitze treiben (All Shall Perish beherrschen das beispielsweise in Perfektion). Aber wie gesagt, es gibt für so etwas keine festen Regeln.
Am Ende solltest du auf jeden Fall darüber nachdenken, den Hörer von der Spannung zu erlösen. Denn sonst kann es sein, dass durch die Erwartung, irgendwas müsste noch kommen, der Song unvollständig erscheint.
Letztenendes kann ich dir nur den Rat geben, dir Bands genau anzuhören, bei denen du das Songwriting wirklich gut findest. Empfehlen kann ich hier wärmstens All Shall Perish, Killswitch Engage oder auch Callejon (zumindest die älteren Sachen; die neuen sind mmn. etwas zu poppig geraten). Du kannst dir natürlich auch gerne mal meine Band anhören, siehe meine Signatur!
Hör dir einfach mal die Songs an, die du magst, und notiere dir den groben Ablauf, und denk darüber nach, was dieser Ablauf für eine Wirkung auslöst. Wenn du erst einmal durchblickt hast, welche Wirkung was hat, dann wird es dir auch leicht fallen, eben dies auf deine eigenen Sachen anzuwenden.
Ich hoffe ich konnte dir etwas helfen.
Viele Grüße,
Shred