Spieltechnik für französischen Swing Valse und Musette

Jetzt dachte ich dass ich ein klein wenig wüsste, was Musette ist,

... aber nach alldem, was ich hier jetzt lese verstehe ich immer mehr, dass ich davon rein gar nichts verstehe und das ich überhaupt nichts weiß!

Nach den Beispielen und insbesondere im Vergleich mit dem Video mit Ariondo mein ich zumindest soviel verstanden zu haben, dass richtiger Musette sehr hart und spitz gepielt wird - da klingt der Ariondo einfach noch zu weich, weil er zu lange auf der Taste bleibt und nicht staccato genug spielt. Soviel hab sogar ich da rausgehört! Drum also schon mal vielen Dank an euch alle mit den vielen Beispielen - die find ich in der Summe recht lehrreich.:great:

Was ich aber nicht verstehe, ist die Wahl der richtigen Schwebung also des "Tremolo".

Ariondo klingt überhaupt nicht authentisch. Das Tremolo ist zu weit, das Akkordeon klingt insgesamt zu soft.
Das "Tremolo" seines Intruments häte ich jetzt als normales Tremolo bezeichent, wie es vioele Akkordeons typischerweise ab Werk haben - ich nenn es immer "Hohner-Tremolo".

Die Höhe der Schwebung ist beim "americain" auch sehr flach. Und es klingt total "stichig". Unser übliches 4ct Tremolo ist dagegen nur soft.

4 Cent ist schon ziemlich flach.

Wenn ich alte Aufnahmen anhöre, war ich bislang immer der Meinung, das Tremolo sei recht kräftig also in Richtung 20 bis 25 Cent. jetzt bin ich völlig verwirrt- ist "richtiges" Musette Tremolo nun stärker als das des Herrn Ariondo oder weniger? Von einem Konzert von Lydie Auvray (ok, die ist keine anerkannte Musette Größe, spielt aber ach welchen) habe ich als Erinnerung mitgenommen, dass die Schwebung bei ihrem Akkordeon ziemlich flach eingestellt war (ich hätte ih Richtung 2 bis 4 Cent geschätzt), das Ganze sich aber sehr wohl bei Musette bissig und richtig gut angehört hat...

Und was ich auch noch nicht ganz verstehe, ist der Unterschied, ob die Stimmplatten auf Kork genagelt oder mit Wachs befestigt sind. Ok - Die Stimmplatten müssen fest auf dem Stimmstock befestigt sein und genagelt ist da eine relativ sichere Bank. Denn eine Stimmpaltte, die selber mitschwingt, oder ein Stimmstock, der mitvibriert, entzieht der Stimmzunge Energie, die diese nicht mehr in Schall umsetzen kann.

Aber was hat hier der Kork oder das Leder für eine Auswirkung auf den Klang?
Soll das eine möglichst harte Unterlage darstellen, damit nix mitvibriert, außer der Stimmzunge? Oder soll das eine eher weiche Unterlage sein, die die Stimmplatte ein bischen dämpft?:confused:

Also ihr seht - ich bin grad ziemlich ratlos und verwirrt.

Das einzige was ich soweit verstanden hab, ist dass ich diesen Stil bislang mit meiner (Finger-)Technik nicht spielen kann... auch lieber im Moment nicht spielen will, weil ich musikalisch grad eher in die andere Richtung übe (weicher Tonansatz - Klassik eben) und drum von Musette lieber die Finger lasse, auch wenn ich es ab und an ganz gerne höre, wenn s einer gut spielt:).

Gruß, maxito
 
Hallo nochmal. Also - ich werde für den Seelenfrieden heute noch einmal aufschrauben. Vielleicht sind es doch genagelte Stimmen.
Ich weiß nur noch, dass da ein riesiges Blech im inneren war, das auch die Sicht versperrt. Aber es war auch schon ab und da glaubte ich nichts besonderes entdeckt zu haben. So wie bei Jupiter sah es jedenfalls nicht aus, eben eher wie bei den Italienern. Ich schau heute nach!

In dem Ariondo Link fallen mir noch besonders die Balgwechsel auf. Früher hätte ich gesagt - "wie ein Schwein". Aber viele wechseln nach dem Akzent mitten im Ton. Viele Schüler machen das instinktiv so und der Lehrer schimpft so lange, bis die Pausen zwischen den Phrasen zum Balgwechsel benutzt werden. Was ist musikalischer?

BeiMORAGE Jo "Soir de dispute" TF1 années 80 fallen zwei Sachen auf.
1. Der Balg wird zu 75% gezogen, zu 25% zu geschoben. Tondichte und Lautstärke bleiben aber gleich! Ich sage immer, das ist eine Mißhandlung des Instruments, denn das geht nur, wenn sie mit so viel Kraft schieben, dass die Klappen die 75% der Luft ungenutzt vorbei lassen müssen. Sie nennen das "mit Kompression arbeiten". Da ist das geräuschlose oder auch flätig - geräuschhafte zuschieben ZWISCHEN den Phrasen mit vielen gedrückten Knöpfen immernoch viel gesünder für das Akkordeon.
2. Man braucht viel Stilgefühl, um derartig spitz und zickig zu spielen ohne wirklich fleischlose Töne abzuliefern. Einfach alles nur kurz ist das nämlich nicht. Es ist eine stilvolle Ballance aus einem dichten Regen an nonlegato Tönen auf der einen und spitzen Akkorden auf der anderen Seite. Wie laut darf ein langer Akkord sein? Das hängt von der Position in der Struktur der Komposition ab... Das ist wirklich nicht so einfach nachzumachen und Ariondo macht das auch ganz anders. Das ist schon ähnlich, grob richtig analysiert, aber die letzten Details im Slang sind anders.

Ich frage mich gerade, wie man damit umgeht. Wie reini2 gestern schrieb, er läßt sich beim Hören vom Gesamteindruck beeinflussen.
Ist es interessant, wenn ein Italiener versucht französisch zu klingen, oder braucht man das nicht?
Einerseits ist klar, das kann nicht einfach so gelingen. Andererseits entstehen manchmal gute neue Sachen. Ich finde zum Beispiel meistens gut, wenn Amerikaner russische Sachen spielen. Übertriebene, hochgezüchtete "heiße" Stilistiken werden durch coole Showmaßnahmen ersetzt. Aber der eigentliche Inhalt wird vielleicht auch schon mal demontiert.
 
Asche auf mein Haupt. Ich habe keinen Blick für so etwas! Im Diskant sind die Platten auf Holz genagelt.

rechts1.jpg rechts2.jpgrechts3.jpg

Im Bass auf Kork geschraubt. Aber ist ist auch gewachst ... seht selbst:

links1.jpg links2.jpg links3.jpg links.jpg
 
Guten Morgen! :)

@ Maxito - äh ja ich dachte 4 ct wäre das "normale Hohner-Tremolo" - genau das meinte ich. Wieviel ct. hat das denn?
Lydie Auvray hat ein flaches Tremolo, ja. Wenn das 2 bis max 4ct sind, hab ich wieder was gelernt, danke, Max! :)

Es gibt allgemein / grob zwei Tremolo-Stimmungen in Frankreich. Nein, vermutlich noch viel mehr, aber mir sind zwei Richtungen bekannt.
Einmal das "américain", ziemlich flach. Frach mich jetzt keiner nach ct., offenbar habe ich da keinen Plan ;)
Zum anderen das ganz weite, meist 3-chörige "Musette".
Gibt es aber auch in zweichörig.
Kann man bei den Herstellern auch in so oder so, je nach Modell, bestellen.
"américain" klang in meinen bisherigen youtube-links.

Das weitere "Musette" klingt z.B. so: http://youtu.be/yZJm0GrQPq8
Das scheint mir kein älteres Stück zu sein, weiß ich aber nicht.
Ah, hier noch ein Klassiker: Perle de cristal von Andre Verchuren: http://youtu.be/g7iwWCAVNTk

Ursprünglich, Anfang der 30er Jahre, war es meines Wissens nach üblich, ein weites, gerne 3chöriges Tremolo zu haben.
Man nannte das Akkordeon auch "La Boîte à Frissons" - die "Schüttelfrostkiste". ;)
Dann, Ende 30er, als sich in den Musette / Java..... der Swing / Jazz mendelte, fingen Viseur, Murena, Privat.... an, sich die Tremolos flacher zu stimmen. Die Musik hat sich dann auch etwas verändert. Der eher fröhliche Tanz-Musette wurde zum z.T. dramatischen, sentimentalen, jazzigen.... Swing Valse (Musette): http://youtu.be/yfPFtL5mBbU (La Zone von Tony Murena)
Ich selber beschäftige mich primär mit letzteren.
Die "zickige" Spielweise hat man aber bei beiden Tremolos und auch quer durch die Historie.

Das auf Kork oder Leder eine deutliche Auswirkung in Richtung "frech" oder "spritzig" auf den Klang haben, habe ich auch schon von HZIMs gehört / gelesen. _Warum_ das rein physikalisch so ist, weiß ich aber nicht.

@ Klangbutter:
Genau das mit der "Kompression arbeiten" und "maximale Kompression auf der 1" ist auch das, was ich von meinem "Informanten" aus Frankreich habe. Ja, dieser Druck ist schon echt beanspruchend - nicht nur für das Akkordeon, auch für einen selber. Und man fängt immer wieder unwillkürlich an zu "schlabbern". *gnarz*

Das mit dem Stilgefühl hast Du wirklich prima beschrieben, Klangbutter. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Das Geheimnis ist vermutlich, diese Musik "zu leben". Wenn ich "Literatur" spiele, spiele ich nichts anderes und wenn dann doch, dann nach Möglichkeit so gut in diesem Stil wie ich kann.
Auch so entsteht etwas neues. Man höre sich den Akkordeonisten von Bratsch an - Francois Castiello. Der mixt den Style mit "äh irgendwie östlich" und ich finds großartig!!! http://youtu.be/9HJw0hlMDj4
Deine Beispiele, wie neues entsteht, machen mich neugierig - hast Du links?
Wir können ja einen neuen Thread aufmachen - "fröhlicher Eklektizismus rules" oder so ;-)

Meine Motivation war ursprünglich ja auch, etwas neues zu schaffen, da ich diesen Sound in meinen Experimentalkram reinbringen möchte.
Was mit meiner Weltmeister noch ganz von alleine, ohne viel nachzudenken ging, bereitet mir jetzt schon deutlich Kopfzerbrechen.
Aber je mehr ich diesen Spielstil durchdringe, desto zufriedener bin ich auch mit dem, was ich so frei produziere. Wie gesagt - so richtig arbeite ich da erst seit einem Jahr dran, da es mir erst dann erklärt wurde und ich habe weder Musik studiert noch bin ich virtuos. Ich komme aus der bildenden Kunst, Klangkunst und Experimentalfilm. Das passende Akkordeon konnte ich mir auch erst vor gut zwei Jahren leisten...
Aber es ist schon ein Akt, sich mit über 40 zu sagen - so, ab heute mache ich alles anders.
Mein Mann hat seine Plektrumtechnik damals komplett auf "original Django" umgestellt. Dem ging es ähnlich.
2 Jahre kam er sich vor wie ein Idiot und seitdem ist alles besser. Ich hege in meinem Fall also noch Hoffnung. :D

Habe meinen Mann grad gefragt, ob er die "ein-Ton-Methode" kennt, die Du beschrieben hast, Klangbutter.
Er meinte - ah "Z*******"-Methode" (Sinti- / Manouche). Er ist ziemlich in der Django-/Jazz-Manouche - Szene drin und kennt das von Sinto-Gitarristen so ähnlich. Da werden eben kurze Phrasen so lang wiederholt, bis es passt.
Sieht man ein wenig hier, wo Dorado Schmitt seinem Sohn Samson Unterricht gibt und etwas mit ihm jammt:
http://youtu.be/J5A58PwkPPo
Das Prinzip kann man auch für einzelne Phrasen / Töne stundenlang durchziehen. Vor laufender Kamera dann wohl nicht so exzessiv ;)

Und Klangbutter - danke für die Mühe, Dein Akkordeon aufzumachen :)
Ja, da wurde auch mit Wachs gearbeitet bei einer Reihe Stimmplatten, aber komplett eingewachst sind sie ja nicht, oder?
Das Cassotto-Blech haben meine Akkordeons auch, von unten ist dann eine Lage dick Filz draufgeklebt.

viele Grüße
Thuja
 
Zuletzt bearbeitet:
:rofl: fröhlicher Eklektizismus rules ... muhaahaaaaa!
Interessant alles - melde mich später wieder. Muß mal


ähm


mein Akkordeon wieder zuschrauben und so...
 
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Also, hier erst einmal nochmal die Cent-Beträge und ihre Auswirkungen:
https://soundcloud.com/klangbutter/the-impact-of-Cents

Also die 4 cent sind ungefähr das, was man von den modernen Franzosen kennt. Hohner muß also mehr als 4 cent haben.
Allerdings vertehe ich die Bezeichnung nicht. Für "american" hätte ich immer das noch flachere Tuning im Doublebassoon gehalten, denn das klingt auch nach amerikanischem Jazz. Die 4 cent Tunings im 2x8 klingen doch immer noch recht französisch?

Beispiele, wie eine Kultur eine andere Kultur interpretiert gibt es zuhauf. Der Ariondo war doch ein gutes Beispiel.
Ich frage mich eben nur, ob man die Vermischung der Stile bedauern soll, weil die Originale dadurch verloren gehen, oder ob das zu begrüßen ist.
Sprachen sterben aus, ist das nicht schade oder ist die Sorge unbegründet?

Ein ewiges Thema, das mich sehr und schon lange beschäftigt!
 
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fröhlicher Eklektizismus rules"

So - Aha!

... keine Ahnung, was das ist, aber das lass ich vorsichtshalber nicht an mein Akkordeon! Nicht dass das das Zelluloid angreift!:gruebel:

ok - die Centangaben weiter oben vergessen wir also besser. Iss auch nicht so wichtig. Wichtig, ist, wie s klingt!

Und da find ich Thujas Beispiele ganz aufschlussreich. Die "alten" Aufnahemn sind mit dem Tremolo, wie ich das von früher kenne - kräftig und kurz unter der Schmerzgrenze. Ich hatte mir mal meine alte Verdi mit so einem Tremolo stimmen lassen (ca. 28 bis 30 cent) Das Ding konnte man wirklich nur für Musette verwenden. Bei allem anderen rollte es einem die Zehennägel auf!

Und die neueren Beispiele von oben zeigen, das auch die Musette Welt mit dem Trend geht. Und der Trend geht schon seit ner Weile in Richtung flacheres Tremolo. "American" ist ja kein fester Begriff mit genauer Zuordnung. Aber Instrumente die ich mit dieser Stimmung gehört habe haben ein flacheres Tremolo als , das, wie ich es oben bezeichent habe "Hohner Tremolo" (Welches irgendwo bei geschätzten 14 bis 18 Cent liegt, je nach Instrument, Jahrgang und Ausführung). In Cent würde ich das auf Werte irgendwo zwischen 6 und 8 einschätzen.

Die obenerwähnte 4 Cent klingen in Natura komisch - nicht richtig schwebend, und auch nicht so sämig, wie ganz flache Stimmung. Halt nicht Fisch nicht Fleisch. Drum macht das auch niemand. Die Instrumente mit flacherer Stimmung sind da heutzutage entweder in der Gegend um die 8 ( so dass sich bereits ein wirkliches Tremolo einstellt, welches auch von vielen als angenehm empfunden wird), oder zwischen 0 und 2 ( da hört man keinen wirklichen Schwebeton, sondern der klang klingt eher etwas rauh bis sämig, aber ohne Schwebung).

Und in den moderneren Beispielen hört sich das schon wie ein Tremolo an, kein kräftiges wie früher, aber auch nicht ganz ohne - von daher würde ich mal schätzen, ist die "moderne Musettestimmung" gerne bei american, oder in Zahlen irgendwo in der Gegend von 8. Und in meinen Ohren klingt die Musette Musik damit kein bischen schlechter als früher - ich finde sogar eher noch etwas besser. Tut der Musik gut - macht sie moderner und frischer. Diese starken Schwenbungen verbinde ich immer mit knacksenden Plattenaufnahmen, mäßigem Monosound und welligen Schallplatten - einfach mit alt.

- Aber wie gesagt, die Zahlen sind eigentlich unwichtig, denn es hängt imemr auch n bissl vom Instrument ab wie´s dann klingt und wenn es in der groben Gegend ist, dann passt das auch.

Was die genagelten Stimmplatten angeht - das halte ich für Anglerlatein (Akkordeonlatein - gibts den Begriff?) Der Kork oder das Leder sllen eine harte dichtende Unterlage bilden, die gleichzeitig die Stimmplatte dicht abschließen. Und die Nägel sollen die Platte auch schön fest an den Stimmstock drücken. Wenn es das alles tut, dann kann die Stimmzunge gut arbeiten und kräftigen Ton abgeben. Das geht aber mit Wachs auch, wenn man sauber arbeitet.

Warum sich die Geschichte so hartnäckig hält, sind vermutlich Kombinationen von einigen (leichten ) Änderungen in der Schallführung und Geometrie der Teile, was einen anderen Klang ausmacht (wie z.B. das befilzte Abschirmblech in Klangbutters Akko) und weil der Erbauer vielleicht gleichzeitig die Platten aufgenagelt hat, weil im dieses klebrige Wachs vielleicht auf den Geist gegangen ist. Und weil aber beim Akkordeon alles was den Klang betrifft gerne auf die Stimmplatten fokussiert wird, wurde nur die Sache mit den genagelten Platten gesehen und für den Klang verantwortlich gemacht....

Nicht falsch verstehen: aufgenagelte Platten bringen einen guten Kontakt zum Stimmstock und das ist gut für die Tonentfaltung, aber für den Klang muss man in den Details des Aufbaus suchen, od erin der Stimmung des Schwebetons.

... und dann natürlich nicht den Spieler vergessen, denn der macht letzenendes die Musik, durch die Art, wie er spielt. Denn auch wenn ich all die Akkos der guten Spieler aus den Beispielen hätte - ich könnte nicht annähernd diese Musik erzeugen...:redface: ...weil mir einfach das Können und die Spieltechnik dazu fehlt!

Drum würd ich im Zweifelsfall sagen: Mehr üben bringt mehr, als genagelte Stimmplatten!;)

Und was Klangbuttes Anmerkung angeht:
ich find es schön, wenn die Musik in den jeweiligen Ländern ihren eigenen "Slang " bekommt. Dass also italienischer Musette anders klingt, als französischer. Und was den Stil angeht, so würde ich lieber meinen eigenen Stil haben wollen, als einen anderen Spieler perfekt nachmachen zu können.:)

Gruß, maxito
 
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So, erstmal zur Info:
http://de.wikipedia.org/wiki/Eklektizismus


Ich bin mir sicher, dass das schon lange an Dein Akkordeon drankommt, Max, da die meisten Akkordeontraditionen davon leben. Und das ganz prächtig! :D

Und ja Klangbutter - ich finde es auch spannend, wenn neues herauskommt. Schön, dass es in dem Fall frz. Akkordeonkultur "die reine Lehre" noch gibt, schön, dass es weltweit kreative Musette-adaptionen gibt. Danke für den Link zu den Tremolos btw.!

Dann: "alte" vs. "neue" Musetteaufnahmen:
nein, die von mir verlinkte wirklich alte Aufnahme von Murena z.B. hat americain. Americain heißt das eben. Das was vermtlich 4ct. Schwebung sind.
Warum auch immer - ob es da einen Bezug zum amerikanischen Jazz gibt oder der nur inspirierend war, ich weiß es nicht.
Es gibt auch ein wunderschönes Stück von Jo Privat, dass heißt "Cauchemar" = Alptraum.
http://youtu.be/piV_Z_877OM
auch mit flachgestimmtem Tremolo btw.. Da denkt man dann glatt an schweißgebadet nachts in einem Alptraum hochschrecken.
Ist aber auch nicht so. "Cauchemar" war der "Codename" für die Frau eines Freundes von Jo Privat, die ihm wohl total auf die Nerven ging. :rofl:
Immerhin hat sie ihn zu diesem (wie ich finde auch wunderschönen Stück) inspiriert.
So ist / war das mit den Namen in der Szene.

Hier eine neuere Aufnahme von Privat: http://youtu.be/jn3vcV2tMOk

Das flache Tremolo kam Ende 30er auf, vorher war das weite üblich.
Das weite gibt es immer noch (siehe Soundbeispiele aus heutiger (E. Durand) und hm ich schätze mal 60er Jahre (Verschuren).
Mir scheint es, dass je swingiger und jazziger desto flacher das Tremolo, je mehr Tanzvergnügen und Unterhaltung desto mehr "Boîte à Frissons".
Da wo ich mich rumtreibe, haben alle alle alle ein americain-Tremolo (4ct, nä?) und wenn 4chörig, dann eben noch das Doppelbasson (2x16'). Ich auch.
Kauft man so ein Akkordeon neu, wird einem primär diese Stimmung angeboten wenn es nicht ein Modell ist, was auf das weite Tremolo ausgelegt ist.
So viel zum Thema "klingt nicht Fisch nicht Fleisch macht keiner". :ugly:

Was die genagelten Stimmplatten angeht: überregional versierten HZIM fragen. Wenn es keinen Unterschied machen würde, würde nicht unterschiedlich produziert, oder? Anno Tobak wurden hier gelegentlich auch noch Akkordeons mit genagelten Stimmplatten gebaut. Man sagte, sie klängen "frecher"... Man bekommt mit Knopf-Italienern mit gewachsten Stimmplatten den Sound nicht hin, da kann man üben wie man will. Das "French-Line" Modell des selben Herstellers macht das.
Klar sind andere Baukomponenten auch wichtig und die Übung usw... Dennoch...

Aber: man hat halt immer diesen Sound. Und damit schöne Töne zu machen ist spieltechnisch bedeutend schwieriger als mit unserem Standart hier. Definitiv, ich weiß wovon ich rede, hatte den lang genug. Ein schlecht gespieltes Americain in einem Akkordeon französischer Bauart kann unglaublich beschissen klingen, viel schlimmer als wenn einer es hier nicht so richtig kann. Wenn man es denn im Griff hat ist es _geil_. Wenn mans mag. Muss man ja nicht... Ich aber. :)

viele Grüße
Thuja

 
Hallo Thuja,

vielenDank für die Ausführugnen zu den Einsätzen der verschiedenen "Tremoli"!

Wie schon gesagt, die genauen Zahlen sind mir nicht so wichtig hier in diesem Zusammenhang - Hauptsache es klingt! Das wollte ich auch ger nciht soo inde Vordergrund rücken, da es mit der Spieltechnik nich tunbedingt so viel zu tun hat.

Übrigens kann ich mir Musette auch mit komplett flacher Stimmung , also Nulltremolo gut vorstellen - Wie sich das anhört, kann man gut nachvollziehen, wenn man in Richtung Osten in den Balkan schaut. Die dortige Musik wird ja auch sehr viel mit Triller und Triolen und ähnlichen Verzierungen gespielt und dies auch oft einchörig oder mit flacher Stimmung.
Unter dem Aspekt find ich auch einen Vergleich interessant, denn bei näherer Betrachtung ergeben sich hier doch auch viele Parallelen, wobei im Balkan nicht mit soviel Druck auf dem Balg gespielt wird wie beim Musette (zumindest nach meiner Erfahrung).

Was die Aussagen der HZIMM angeht, da bin ich sehr vorsichtig geworden, denn ich hab schon oft feststellen müsen, dass bei genauer Nachfrage in dem Bereich sehr schnell Ende des genauen Wissens ist und sehr bald der Bereich des Glaubens anfängt. ... Aber auch das ist nicht schlimm, denn der versetzt bekanntlich Berge! Aber auch da wie gesagt - wenn´s funktioniert, ist s gut!;)


Ein schlecht gespieltes Americain in einem Akkordeon französischer Bauart kann unglaublich beschissen klingen, viel schlimmer als wenn einer es hier nicht so richtig kann

Das hab ich jetzt nicht ganz verstanden:
Ist "americain" ein Musikstil des Musette, oder eine Instrumentenstimmng?:confused:


So ... und überhaupt, jetzt habt ihr mich doch soweit gebracht, dass ich schon mal nach meine Musette Noten gekramt hab...:rolleyes:

Gruß, maxito
 
Guten Morgen in die Runde!

Americain ist die Stimmung. Von Klangbutter auf ca. 4ct. geschätzt.
Und wenn man das Register wählt und nicht genug Druck auf dem Balg hat und die Akzente nicht entsprechend setzt usw. usf. klingt es entsetzlich. Auch wenn man grad nicht Musette / Swing Valse spielt. Entweder man macht das konsequent oder es ist nix.
Die "amtliche" Spieltechnik ist mit Balkan auch so nicht zu vergleichen, die Triller / Triolen werden völlig anders gespielt.

Man kann ja Musette spielen wie man lustig ist, ob amerikanisch, italienisch oder Balkan - alles super spannend - ich beschreibe nur um die _französische_ Spieltechnik so gut ich es derzeit hinkriege. Jedenfalls war das mal gefragt.
Und für eben die Technik und den Sound braucht es eben die entsprechenden Akkordeons. Sonst wird das auch nix.

(im Thread Name ist übrigens ein Tippfehler - vielleicht kann ein Mod das ja noch mal ändern, damit man es auch später leichter suchen kann)

Wie sich das ganze mit dem frz. weiten Tremolo verhält, kann ich nicht beurteilen, da ich das noch nie ausprobieren konnte.
Ich bin mit meinem americain glücklich, trotz der Plackerei.

Zum Thema Wachs vs. Genagelt:
Ich kenne eine Frau, die ein deutsches antikes Akkordeon sich hat für teuer Geld restaurieren lassen.
Die Stimmplatten waren auf Leder genagelt, mussten raus und dann konnte nicht mehr genagelt werden (Holz zu alt whatever).
Der HZIM hat sie dann eingewachst und betont, dass es vorher anders, eben "frecher" klang.
War das bei Brusch? Ich weiß es nicht mehr genau.

Ähnliches zum Klangunterschied habe ich aus verschiedenen Ecken gehört. Alle vermutlich katholisch. Jungfrauengeburt, Heilige, Wunder und so. Ah ja, man soll mit genagelten Stimmplatten auch leichter über Wasser wandeln können und selbiges in Wein verwandeln. Man muss dazu aber auch konsequent mit gaaanz viel Balgdruck spielen. Sonst wird das auch nix. So weit bin ich aber noch nicht. ;)
Mehr kann ich dazu auch nicht sagen.

so und nun muss ich arbeiten :)
viele Grüße
Thuja
 
Sehr interessante Diskussion!

So wie ich es verstanden habe steht "americain" für eine eher geringe Schwebung, wie sie in Amerika üblich zu sein scheint.

Meine Infos hierzu:

Cavagnolo Vedette americain (aktuell): Beginnt bei den tiefen Tönen mit ca. 8 Cent und endet bei den hohen Tönen bei ca. 3 Cent

Paolo Soprani, ca. 1976: 23 Cent => 10 Cent

Hohner Morino Artiste VI N: 14 Cent => 7 Cent (Viele mir bekannte Hohner-Morino Vereins-Instrumente liegen ebenso in diesem Bereich)

Bugari Artist Cassotto Serie (aktuell): wie Hohner

Dallapé Organtone (1970er): unisono (Dallapé belieferte stark den Balkan => Kolo-Musik)


Nun muss man allerdings berücksichtigen, dass es aktuell bei vielen Cassotto-Instrumenten üblich ist, neben 16' auch die 8' Fußlage ins Cassotto zu legen. Das war nicht immer so. Es war früher durchaus üblich, 16' und 4' ins Cassotto zu legen. Die 8' im Cassotto geben dem 8'8'8' Mussette Register einen leicht abgedämpften Touch, an der Anzahl der Schwebungen ändert das allerdings nichts, ist aber Geschmacksache.

Der Vorteil des Roland FR7x: Ich kann mir meine eigene Mussette Stimmung kreieren. Zusätzlich zur Einstellung der Schwebungshöhe lassen sich unterschiedliche Stimmzungentypen in einem (8'8'8')-Register kombinieren. Ist zunächst ein wenig mühsam, aber es lohnt sich. Hiermit kann man recht gut der entsprechenden Stilrichtung folgen.
 
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Ob die beiden so gut sind, wie sie selbst behaupten, kann ich nicht beurteilen :D Jedenfalls gefallen sie mir sehr gut ... und zeigen, dass auch die junge Generation sich für Swing-Musette interessiert.

***
To save the galaxy, two young french muscians prepare the famous "Contre-attaque du Jazz Musette".
Thomas Le Bris - Guitar
Erwan Mellec - Accordion
The real french swing-musette !!!
***
http://www.youtube.com/watch?v=cj9VRsciUW8
http://www.youtube.com/watch?v=yIC0FHgoUVU

Gruß,
INge
das " !!!" stammt von ihnen, nicht von mir - bei mir wären es zwei Ausrufezeichen und ein Leerzeichen weniger!
 
So sehr mir die beiden Videos von lil gefallen, ich geb zu, ich habe dann schon ein gewisses Problem damit, wenn die Beinahe-Klone überhandnehmen und den originären Musikstil überdecken/auslöschen, z.B. weil es für "Fremd"-Länder einfacher ist einen Mix zu spielen...


Aber eine ganz andere (OT-)Frage beschäftigt mich seit ich hier mitlese:
Wie läuft denn so ein Auftritt mit Musette überhaupt ab? Spielen die den ganzen Abend 3/4-Takt in verschiedenen Tempi, oder gibt es da auch noch andere Bausteine in anderen Taktarten?
 
... ich habe dann schon ein gewisses Problem damit, wenn die Beinahe-Klone überhandnehmen und den originären Musikstil überdecken/auslöschen, ...

Ich bin zwar kein Musette-Spezialist, aber wenn ich das, was ich während dieses Threads und in den weiterführenden Links gelesen habe richtig verstehe, wurden die Swing-Elemente schon in den (ca.) 1930er-Jahren in den Musette eingebaut. Von heute "den originären Musikstil überdecken/auslöschen" ist hier also keine Rede. Oder meintest Du etwas ganz anderes?

Gruß,
INge
 
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ob amerikanisch, italienisch oder Balkan - alles super spannend - ich beschreibe nur um die _französische_ Spieltechnik so gut ich es derzeit hinkriege. Jedenfalls war das mal gefragt.

Keine Frage - bei dem Thema soll es auch bleiben mit allem was dazugehört.

Mir geht es so, dass ich nicht der Spezialist in Swing Valse oder orig. franz. Musette bin und ich manche Dinge so noch nicht gemacht habe, bzw. wie ich nun lese auch nicht das richtige Akkordeon hierfür habe. Deshalb nicht böse sein - ich versuch mich der Sache nun halt soweit anzunähern, indem ich das mir (noch) unbekannte mit dem vergleiche, was ich kenne, um die Unterschiede besser verstehen zu können. Irgendwie möchte ich ja auch unterscheiden können, ob ich nun französischen Musette höre, oder anderen.

...Also bitte nicht persönlich nehmen...ich bin nun mal ein Kopfmensch, der nicht einfach macht, was man ihm sagt, sondern der zuerst verstanden haben möchte, was er denn tun soll... und drum frag ich halt machnmal nach, warum man was tut, was man da üblicherweise so tut, damit ich irgendwann nal vielleicht selber unterscheiden kann, was ich da höre. (denn damit anfangen das zu spielen werde ich wohl in diesem Leben nicht mehr anfangen:rolleyes:)


Und hier nochmal ne Frage zur Speilweise -

Nach allem was ich in Büchern über Musette gelesen habe, ist der in Frankreich aus der Unterschicht entstanden, indem sich unter anderem auch alle Einflüsse der Einwanderer miteinander vermischt haben, um dann zu dem zu werden, was es heute ist - Ist denn der Unterschied in der Spielweise so deutlich zu anderen Musette Stilen, dass man das richtig deutlich heraushört? Bzw. an was für Merkmalen kann ich das als außenstehender unterscheiden?
Wodurch unterscheidet sich die Technik?

Gruß, maxito
 
"Contre-attaque du Jazz Musette" ?
Wohl weil Mr Pouce den 5. Finger nie benutzt?
 
Hallo zusammen,

nachdem sich dieser Faden so interessant entwickelt hat, drängt es mich, ein paar Anmerkungen zu machen.

Klar ist mir geworden, dass eine 08/15-Stimmung am Akkordeon keinen charakteristischen Musette-Sound ergibt. Man muss sich eben für Fisch oder Fleisch entscheiden. American-Stimmung klingt Richtung Swing Walz, starkes Tremolo (größer als Hohner-Standard) klingt klassisch, aber vielleicht etwas angestaubt.

Das Thema mit den genagelten Stimmplatten scheint mir nach allem, was ich verstanden habe, eher eine Glaubensfrage zu sein. Beim Stakkato und dem frechen Klang kommt es zuerst auf den Spieler und die Stimmung des Instruments an, und, wenn überhaupt, ganz zuletzt auch die Befestigung der Stimmplatten mit Wachs oder Nägeln.

Ich komme auf die bei dem Youtube-Link in #8 diskutierte Balgtechnik zurück. Das Zusammenschieben des Balgs mit der flachen Hand auf den Knöpfen links funktioniert bei mir nur dann, wenn ich ganz langsam schiebe (Morino VN, Bj. 1975, Produktion Excelsior). Wenn ich so schnell schiebe wie in #8, dann sprechen die Basszungen sofort an, und es entsteht ein starkes Geräusch, nicht nur etwas "Dreck", wie es Klangbutter beobachtete (Bassregister auf Tutti). Völlig ausgeschlossen ist, dass dabei rechts noch ein Akzent oder was auch immer gespielt werden kann. Die Zungen der Diskantseite rühren sich noch lange nicht, da machen die Basszungen schon richtig Lärm. Also mit meiner Morino ist dieses Balgzusammenschieben mit gedrückten Bassknöpfen nicht während des Spiels anwendbar. Ich will damit sagen, dass nicht mit jedem Akkordeon diese Zusammenschiebe-Technik funktioniert.

Desweiteren habe ich den Eindruck, dass die Balgtechnik in #8, also immer wieder zusammenschieben um auf Zug möglichst kräftig spielen zu können, eher eine vielleicht unbewusste Marotte des dortigen Spielers ist. Warum sage ich das? Ich habe einmal mit Manfred Leuchter nach einem seiner Konzerte gesprochen, nachdem mir aufgefallen war, dass er an seiner Gola häufig den Balg (mit dem Luftknopf!) zusammenschiebt. Er meinte ganz trocken in seiner preußischen Art, dass er es nicht wisse, er mache es eben aus Gewohnheit so. Dass es (bei Leuchter) nichts mit dem Balg-auf = wenig Kraftanstrengung, Balg-zu = viel Kraftanstrengung, zu tun hat, ist dadurch belegt, dass er nach eigenem Bekunden das Bending, welches bekanntlich hohen Druck benötigt, bewusst stets in Balg-zu-Richtung spielt. Und wenn ich meinen sicher nicht maßstäblichen Körper beobachte, dann bemerke ich, dass ich beim Gegeneinanderdrücken der Arme mehr Kraft habe als beim Auseinanderziehen.

Dennoch halte ich die Musette-Spielweise in #8 locker, frisch, pfiffig und sehr individuell. Die Spielweisen in den übrigen Musette-Posts sind, abgesehen von der gelegentlich aufblitzenden Virtuosität, nach meinem Dafürhalten bei Weitem nicht so ungewöhnlich wie die in #8 und nach Einhören in diese Art der Musik auch ohne jahrzehntelanges Training erlernbar - wie gesagt, nach meinem Dafürhalten.

Viele Grüße

morino47
 
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Ich bin zwar kein Musette-Spezialist, aber wenn ich das, was ich während dieses Threads und in den weiterführenden Links gelesen habe richtig verstehe, wurden die Swing-Elemente schon in den (ca.) 1930er-Jahren in den Musette eingebaut. Von heute "den originären Musikstil überdecken/auslöschen" ist hier also keine Rede. Oder meintest Du etwas ganz anderes?
Gruß, INge
Jein...
Die beiden Videos haben ausgeprägte Improvisationsanteile (was mir sehr gefällt), weichen damit aber doch schon etwas von der bevorzugt ausnotierten Vorlage ab. Aber das ist eher eine Randerscheinung.

Vielmehr sehe ich, daß wenige Italiener "italienischen" Musette spielen, in Russland gibts mehr Akkordeonisten, wenn da ein "russischer" Musette gespielt wird, dann hat es schon mehr Auswirkung auf die Gesamtheit. Wenn jetzt noch die Chinesen mit einem "chinesischen" Musette dazukommen, dann wird es für die originären Spieler aus Frankreich eng, überhaupt noch wahrgenommen zu werden und dann ist halt die Frage, wohin entwickelt sich dieser verwässerte Musette...?
 
Dass es (bei Leuchter) nichts mit dem Balg-auf = wenig Kraftanstrengung, Balg-zu = viel Kraftanstrengung, zu tun hat, ist dadurch belegt, dass er nach eigenem Bekunden das Bending, welches bekanntlich hohen Druck benötigt, bewusst stets in Balg-zu-Richtung spielt. Und wenn ich meinen sicher nicht maßstäblichen Körper beobachte, dann bemerke ich, dass ich beim Gegeneinanderdrücken der Arme mehr Kraft habe als beim Auseinanderziehen.
Trotzdem reagiert der Balg auf Zug schneller und leichter, weil ihn die Schwerkraft eben beim Zug unterstützt. Nur wenn auf Druck der Balg oben geschlossen wird, unterstützt die Schwerkraft das "Zusammenfallen" des Balgs an der Instrumentunterseite. In dieser Haltung Akzente zu spielen, ist sicher nicht unmöglich, aber gewiss ungünstig. Da ich vor 45 Jahren gelernt habe, den Balg unten möglichst geschlossen zu halten - und seitdem auch so spiele, ist für mich das Setzen von Akzenten auf Zug leichter und angenehmer (wenngleich ich mit meiner Spielpraxis in aller Bescheidenheit sagen darf, dass es gleichwohl auch auf Druck ohne Qualitätsverlust funktioniert :))

Musettewalzer zeichnen sich übrigens auch dadurch aus, dass die Spannungsbögen einfach länger sind als bei vielen anderen Stücken. Und trotzdem setzt man hier und da in die Bögen hinein noch Akzente und führt den Bogen dennoch weiter. Man kann Polkas, Swing oder was auch immer mit kürzeren Bögen prima spielen - überträgt man aber dieses "übliche" kürzere Spiel auf Musettewalzer, klingen sie allzuleicht "zerhackt".

Zum Thema Staccato: Entique Ugarte, dessen Musetteaufnahmen ich sehr schätze, hat mal gesagt: "Das Wichtigste für gutes Musettespiel ist ein sauberes Staccato". In seinen Aufnahmen ist folglich selten ein Legato zu hören...

Hier mal ein Video mit einigen seiner allgemeinen Erläuterungen zur Spieltechnik: http://www.youtube.com/watch?v=bk2EBj4mZdI

Und hier eines mit einem Musettewalzer: http://www.youtube.com/watch?v=kLYT2en0TGU
Daran wird sowohl die Bedeutung des Staccatos als auch das Prinzip der langen Bögen recht deutlich.

Jens.
 
Wenn man verstehen möchte, wie die Musik ursprünglich gedacht war, einfach ihre Erfinder anhören. (habe ja schon etliche genannt und verlinkt) Endlos. Rauf und runter. Dann wird das verständlich.
Das ist effektiver, als wenn man hier noch weiter mit Worten ringt.
Frühe 30er: Charles Peguri, Emil Vacher, Joseph Colombo, Guerino...
Joseph Colombo leitete dann schon "die Moderne" ein. Stichwort "Swing Valse". Ab Ende 30er / Anfang 40er Jahre.
Unbedingt anhören: Tony Murena, Jo Privat, Gus Viseur.
Es gab zu der Zeit keinen internationalen Musette. Allenfalls das, was man sich woanders drunter vorstellte. Hier in Deutschland ist Will Glahe so ein typischer Vertreter. Wir nennen es Musette, es ist "Walzer zu träumen" oder so...
Deutlich mischen sich die Stile der Einwanderer, klar! Besonders die italienischen Einflüsse sind sehr präsent, bei den Trios vieler Stücke besonders deutlich.

Die Jungs aus INges link orientieren sich am Galliano-Stil. Ziemlich modern. Der Akkordeonist spielt sehr französisch (ist bestimmt auch einer), aber eben nicht "oldscool". Auch klingt seine (Bugari?) dann eher in die Richtung Gallianos Viktoria. Jedenfalls anders als die Cavagnolos et al..
Das Improvisieren machten schon die Erfinder selber. Man findet kaum Aufnahmen, wo sie sich komplett an die eigene Notation halten. Z.T wird sogar ziemlich weit davon abgewichten, "Nostalgia Gitana" von Tony Murena ist da ein gutes Beispiel: http://youtu.be/ydZt4kEmRp8 (eher getragen für den Stil)

Enrique Ugarto orientiert sich für mein Dafürhalten an den frühen 30er Jahren, aber irgendwie ist das noch anders was und wie er es macht.
Das Stück ist übrigens von René Maquet, der klang so: http://youtu.be/j5bCkTUieHU . Er spielte ein weites Tremolo und klingt nicht nach der Linie, die sich mal mit dem Jazz vermählte. Stichwort Swing Valse.
Ein sauberes Staccato ist wichtig, das wichtigste ist aber ein wie aus dem Maschinengewehr geschossenes leggero. Und die Phrasen bedacht beenden - entweder richtig gut und schnell abphrasieren oder stehenlassen. Aber wirklich entschieden.
Besonders deutlich bei Tony Murenas La Zone. Link irgendwo oben, sonst bei youtube suchen.

Die Spielweise in #8 (Valse des Niglos) ist so individuell nun auch nicht - aber ich finde den Mann grandios, er spielt ziemlich in der Tradition von Jo Privat.
Der hier: http://youtu.be/btLtpCe7F3s war ja schon mal weiter oben verlinkt - er bewegt sich eher im Fahrwasser des späten Gus Viseur.

Verwässerter Musette - hmmmmm. Egal wohin der sich entwickelt, in Frankreich wird es immer Leute geben, die an und mit den Quellen arbeiten. Wenn andere wo anders was anderes machen, interessiert die das glaub ich kaum.
Die machen sich eh nicht so einen Kopp. Sie hören zu und spielen.
Die Sessions, die ich kenne, gehen dann von 3/4 auch wieder viel in Jazz-Standarts, die im Manouche-Style mit Akkordeons gespielt werden. Und auch mal wieder zurück. Wenn es ganz spät ist, wird gerne gesungen. Auch ohne Akkordeons. Wie gesagt, ich bin ja mit so einem Jazz-Manouche-Gitarristen verheiratet ;)

Ach so - es sind ja nicht nur die auf Leder / Kork genagelten Stimmzungen, sondern auch die Lederventile, die u.A. auch mit soundbildend sind. (jaja die HZIMs labern alle, ich weiß aber dennoch...) :rolleyes:

viele Grüße
Thuja
 

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