Nachdem ich hier vom guten ribboncontrol schon mehrfach als Paradebeispiel für Replica-Perfektionswahn genannt wurde (und da ginge noch einiges mehr, guck mal in meinem Profil nach meiner Gearlist), sollte ich auch mal ein paar Worte sagen:
Du willst also mit 1 Synth und dafür gekauften Sounds alles, aber auch wirklich alles 100% perfekt studiogetreu replizieren können, richtig? Komplett aussichtslos. Und wenn, dann wird es abartig teuer. Laß dir vom wohl einzigen Bandkeyboarder hier mit zwei VA-Synths im Bandsetup sagen, daß das mit einem samplebasierten Synth unmöglich und selbst mit einem virtuell-analogen nur in der Theorie machbar, mit konkreten Geräten aber aussichtslos ist.
Der große Knackpunkt sind elektronische Sounds. Die kann man nicht samplen, Punkt. Jedenfalls nicht, wenn da irgendwas in Bewegung ist, und außer bei Jump (Werkspreset vom Oberheim OB-Xa) ist da immer was in Bewegung. Schon ein Solina String Ensemble klingt gesamplet nicht halb so fett und lebendig wie the real deal. Wenn dann auch noch Hüllkurven und LFOs an Filtern und Verstärkern, jeweils mit eigenem Charakter, rummodulieren, bist du mit Samples am Ende. Erst recht, wenn das keine bei jeder gespielten Note immer gleiche Modulation ist. Wenn etwa der Originalkeyboarder die Cutoff-Frequenz per Velocity, Aftertouch, Modwheel oder ganz profan am Cutoffregler in Echtzeit bearbeitet, ist mit Samplen Essig, dann brauchst du die Charakteristik des Originalfilters.
Sprich, samplen kann man, wenn überhaupt, allenfalls rohe Oszillatoren, wenn der Sampleplayer dann so agieren kann wie die Oszillatoren beim Original (unpräzises Tuning bei spannungsgesteuerten Analogsynthesizern, bei Polysynths klingen die Voicecards nie genau gleich, Simulation frei schwingender Oszillatoren, exakter Gleichlauf mehrerer frei mischbarer Waveforms etwa bei Moog-Modular- oder Yamaha-Synthesizern, bei letzteren pro Voicecard usw.).
Oszillatorsamples bringen dir ganz genau gar nichts, wenn du die hinter die Originaloszillatoren geschaltete Klangformungskette nicht hast. Und in einer Workstation mit Livemuckern als Zielgruppe wirst du die nicht finden. Du bräuchtest zunächst mal Unmengen an perfekten, wie bei einem Softwaresynth auf Bauteilmodeling basierenden Filtertypen. Ein Moog-Vierpol-Tiefpaß klingt anders als ein ARP-Moogklon-Vierpol-Tiefpaß klingt anders als ein ARP-Eigenentwicklungs-Vierpol-Tiefpaß klingt anders als ein Jupiter-8-Vierpol-Tiefpaß klingt anders als ein Virus-Vierpol-Tiefpaß klingt anders als ein MicroKorg-Vierpol-Tiefpaß klingt anders als zwei hintereinandergeschaltete generische Rompler-Zweipol-Tiefpässe.
Um mal ein ganz fieses Beispiel zu nennen: Africa von Toto. Allein der Kalimbasound ist schon komplizierter, als man glaubt. Der stammt von einem Yamaha GS1 (ja, dasselbe Modell wie das, auf dem Edo Zanki Ulla Meineckes Tänzerin einspielte). Zweimal 4OP-FM. Und zwar wirklich Frequenzmodulation und nicht etwa Phasenmodulation wie bei allem "FM"-Zeugs vom DX7 bis zur PLG150-DX. Nur machbar an einem virtuell-modularen Synthesizer.
Und dann ist da der Synthbrass-Sound vom Yamaha CS80. Hinter einem einzelnen Oszillator pro Stimme (der CS80 ist ein spannungsgesteuerter Polysynth und dafür berüchtigt, daß die 16 Voicecards für die 8 Stimmen sich gern unabhängig voneinander verstimmen, besonders nachdem der Synth warm geworden ist), der nicht zwingend nur eine Sägezahnwelle ausgibt, folgt je ein Hochpaßfilter und Tiefpaßfilter mit 12 dB/Oktave. Yamaha-Filter haben eine sehr eigene Charakteristik, die besonders daraus resultiert, daß sie immer leicht verzerren und so für die yamahatypische leicht heisere Brillanz sorgen. Keine anderen Filter klingen so, Romplerfilter erst recht nicht. Der einzige programmierbare Hardwaresynth, der diese Filter imitiert, ist der Arturia Origin. Und auch den müßte man spielen über einen alten Ensoniq (SQ-80, ESQ-1, TS-10 o. ä.) mit polyphonem Aftertouch, denn von genau dem am CS80 hat David Paich besonders im Refrain Gebrauch gemacht, um die Cutoff-Frequenzen der beiden Filter (geht nur zusammen) vangelisartig bearbeiten zu können. Genau so ein Fall, wo Sampling scheitern muß.
Selbst wenn du die Sounds perfekt repliziert kriegst: Im Synthsolo wirst du für die perfekte Arrangement-Replica vier Hände brauchen. Zwei für das Solo auf dem GS1, eine für die Brass-Akkorde vom CS80, und dann sind da noch die Pianoakkorde. Nun haben die meisten Bands nur einen Keyboarder, und jeder Keyboarder wird seine eigene Art haben, da wieder rauszukommen. Wenn dir das einer gegen Geld vorkaut, mußt du damit nicht unbedingt zufrieden sein.
Denn was für den einen das perfekte Soundsetup für einen Song ist mit Verteilung der Sounds über die Tastatur und so weiter, ist für den anderen unspielbar und für den nächsten noch nicht genug. Hier wurde ja schon genannt, daß ich aufwendige Arrangements von Earth, Wind & Fire zu erheblichen Teilen per Hand spiele. Sagen wir, ich baue meine Einstellungen für Boogie Wonderland für die Roland Fantom-G7 nach (mehr als 61 Synthesizertasten ohne starke Gewichtung empfohlen). Der Song ist ja ein ziemlicher Kracher und kommt zigmal besser an als immer wieder Celebration von Kool & The Gang. Der Aufbau: Drei Parts sind permanent auf die Tastatur gemappt, links Oktavstreicher, in der Mitte Blechbläser, oben Saxophone. Als Teillayers zuschaltbar sind noch einmal drei Sounds, zwei Glockenspiellayers für die Strophen, die teilweise die Streicher überdecken, ein Kesselpaukenlayer, das eine Taste der Blechbläser überdeckt. Die müssen mitten im Song blitzschnell zu- und abgeschaltet werden. Dazu kommen zwei RPS, eins mit einem Stringfall, eins mit der dreistimmigen Leadsynthfigur aus dem Refrain, wo das Tempo nach Gehör händisch dem Drummer angepaßt werden muß, wenn der nicht mit Click spielt, und das einen siebten Performance-Part mit einem from scratch gebauten Leadsound ansteuert, der über die Tastatur nicht spielbar ist. Wohlgemerkt, das macht immer noch einen zweiten Tastenmann fürs Piano erforderlich. Dies alles biete ich als Paket gegen Geld an. Die Leute kaufen das, spielen es auf ihre Fantoms und fragen mich hinterher: Sag mal, bist du total bekloppt, oder sollen wir das wirklich so spielen? Kein Mensch spielt so!
Ich bin übrigens auch der Wahnsinnige, der bei etwas so Profanem wie Play That Funky Music acht Bläserparts über die Tastatur verteilt. Würde auch sonst kaum einer so machen. Ich mach das aber so.
Martman