Tach!
Vieles stimmt, was ich hier gelesen habe. Bzw. vieles sehe ich genauso. Ob es objektiv und unverrückbar stimmt, das kann ich nur vermuten
Was hier noch gar nicht zur Sprache gekommen ist, ist die Wirkung von entspannter Haltung, lockeren Bewegungsabläufen usw. Meist findet man ja nur Esoterisches oder Fernöstlich-Sektenhaftes zu diesem Thema.
Es ist aus meiner Erfahrung so: Je höher der Muskeltonus bei einer Bewegung ist, desto stärker wird unwillkürlich die Aufmerksamkeit auf die Bewegung an sich fokussiert. Das ist wohl ganz natürlich, so ist der Körper nun einmal gestrickt. Das ist aber beim Musikmachen fatal. Denn Musik ist zu einem großen Kommunikation und Interaktion mit seiner Umgebung, extrinsisch oder auch intrinsisch: Seien es die Mitmusiker, sei es ein Backing Track, sei es das innere Hören oder Fühlen des Grooves, des Swings oder des Ablaufs des Stücks, das oder dessen Stimme man spielt (auch das ist etwas, das mit der Aktion auf dem Griffbrett interagiert!), oder sei es das Klicken eines Metronoms, oder auch seines Gefühls für Musik an sich.
Wenn man nicht entspannt, sondern angespannt spielt, wird man höchstwahrscheinlich ein anderes musikalisches Gefühl haben als man es hat, wenn man jemandem zuhört. Aber: Idealerweise sollte es dabei keinen Unterschied geben. Warum sollte beim selbst Spielen der Groove oder das Gefühl leiden, wenn man doch beim Zuhören von Musik aus der Konserve oder eines anderen Musikers diesen/dieses deutlich wahrnimmt?
Je höher die Muskelspannung, desto schlechter wird die Interaktion. Man nimmt sich selbst zu stark oder überhöht wahr, die Wahrnehmung des musikalischen Umfeldes hingegen tritt in den Hintergrund. Mit "Umfeld" meine ich auch das Gefühl für Musik an sich.. siehe oben.
Es gibt die schon oft formulierte Regel, dass man es dann wirklich im musikalischen Sinn "geschafft" hat, wenn man bei Selbstaufnahmen das Gefühl hat, man würde jemandem anderen zuhören. Das bedeutet, dass man zu allererst sein eigenes Spiel nicht an tief ins Bewusstsein und ins Gedächtnis gefrästen Fehlern erkennt. Kleine, typische Timingschwankungen, kleine zigtausendmal gespielte Licks in stets derselben Artikulation und Dynamik, kleine Ungenauigkeiten der Intonation, aber auch ungeile Rhythmik, uncoole Phrasierungen, und natürlich auch die großen Hackser.
Es gibt so unglaublich viele Musiker, gerade Gitarristen, die dann von Feeling und Individualität anfangen.. dabei ist diese Individualität eine Individualität der Fehler, keine Individualität der Stärken. Insgeheim, glaube ich, sind sich die meisten dessen bewusst, oder ahnen es zumindest. Aber vor sich selbst, geschweige denn vor anderen es zuzugeben, daran scheitert ein Großteil (...und flüchtet sich ins G.A.S... dann hat man ja schon einmal einen Ansatzpunkt, gelle?
)
Von daher: @TE Großartig und echt mutig von Dir, so ein Thema zu posten! Keine Angst zu haben ist etwas, das ich wirklich respektiere!
Mein Gitarrenlehrer, schon 27 Jahre her, ein Jazzer, pflegte zu sagen: Swing it.. but you can't zwing it (Haha.. Kalauer-Englisch..
) Recht hatte er, das ist meine Erfahrung, die ich danach machte. Wenn es irgendwie möglich ist, sollte man an seiner Lockerheit arbeiten. Natürlich gibt es Techniken, die ein sattes Hinlangen erfordern. Gerade wenn es um Bendings geht. Aber man findet dieses Prinzip des entspannten Spiels überall. Ich habe es sogar in einer, oder besser gesagt "der", JS Bach-Biographie (
http://www.amazon.de/Johann-Sebastian-Bach-Christoph-Wolff/dp/3596167396) gelesen, dass der olle Bach mit unglaublicher Leichtigkeit spielte, so beschrieb es ein Zeitgenosse. Frag' mich jetzt aber nicht nach der Seite, das ist ein richtig dicker Wälzer
Deshalb mein Tipp: Arbeite daran, dass Du alles möglichst entspannt spielen kannst. Das Gefühl wird sich dann eher auch beim Spielen selbst einstellen, als wenn Du es mit der Brechstange versuchst.
Eine Übung, um sich die Kraft seines Griffes vor Augen zu führen ist folgende: Spiel eine Tonleiter, einen Akkord oder was auch immer. Dann nimmst Du die Hände von Griffbrett und tust so, als sei Dein rechter (oder linker) Unteram der Gitarrenhals und Du greifst dort in normaler Haltung. Du wirst wahrscheinlich erstaunt sein, wieviel Kraft Du aufwendest. Dann versuche, Deinen unteram nur so eben noch zu berühren, machst Dir die Kraft, die Du nun aufwendest bewusst und wechselst wieder zum Griffbrett. Versuche z.B. so locker zu greifen, dass der Ton absterben würde, wenn Du noch weniger Kraft ausübst.
Eine andere Übung: Nimm den Daumen von der Halsrückseite und versuche ohne Daumeneinsatz zu spielen. Das geht. Sogar Barrée-Griffe funktionieren hervorragend.
Grüße Thomas
---------- Post hinzugefügt um 21:59:24 ---------- Letzter Beitrag war um 21:47:46 ----------
Nachtrag und etwas zum Gucken.
Ein Gitarrist, der mich diesbezüglich nachhaltig beeindruckt hat, ist Nikolay Karageorgiev
http://nikolaik.ch. Der ist Gitarrist der Stefanie Heinzmann-Band und ich finde seinen Groove, aber auch seine offensichtliche Lockerheit überwältigend
Grüße Thomas