Hier wurden jetzt aber doch einige musikpädagogische Halbwahrheiten verbreitet. Dass man auf einem Instrument dadurch schneller wird, dass man zu einem Metronom übt, welches man langsam immer höher dreht, ist leider schlicht und einfach falsch, bzw. man erreicht irgendwann eine Grenze, die man mit diesem Verfahren nicht überwinden kann. Das ist hinreichend durch die Hirnforschung belegt und mittlerweile eigentlich den meisten Musikpädagogen klar. Für langsame und schnelle Bewegungen sind nämlich zwei Bereiche im Gehirn zuständig. Die langsamen Bewegungen, die man zu Beginn der Übemethode mit schneller werdendem Metronom abspeichert, werden also im Gehirn nicht da abgelegt, wo die schnellen Bewegungen abgelegt werden, die man bei der Methode später erlernt. Somit kann man sich das langsame Üben im Grunde sparen, da die schnelle Bewegung durch das langsame Üben nicht besser oder schlechter wird. Der Schlüssel liegt darin sofort schnell zu üben, wenn man etwas schnell spielen möchte und da das natürlich nicht mit einem ganzen Stück geht, nimmt man sich kleine Abschnitte vor. So ist es sinnvoll einfach mal die ersten vier Töne eines Stücks auf 200 bpm zu spielen. Dann macht man eine kleine Pause und spielt wieder die ersten vier Töne. Dann nimmt man entweder zwei Töne dazu oder nimmt sich den nächsten Abschnitt vor, wobei sich die Abschnitte überschneiden sollten, damit später nicht noch Übergänge geübt werden müssen.
Noch ein Tipp fürs Schnellspielen: Es hilft ungemein deutliche Betonungen zu machen, um in dem Wust aus schnellen Tönen den Überblick nicht zu verlieren. Betont man z.B. bei 16teln immer die Erste von vier Noten ist das in der Regel nicht nur musikalisch sinnvoll (wenn denn die erste 16tel auf einer Hauptzählzeit ist), sondern auch deshalb, weil man selbst auf die Betonungen achten kann und so plötzlich ein viel langsameres Tempo wahrnimmt. Die Betonung strukturiert auch die Anschlagsbewegung und obwohl man es nicht hört, empfiehlt es sich die Betonung sogar in der linken Hand zu spüren - das hilft, um die beiden Hände zu koordinieren. Die Betonung kann etwa erfolgen, indem man den rechten Arm bei der zu betonenden Note etwas mehr fallen lässt (man muss also nur der Schwerkraft nachgeben). Die linke Hand kann auf der zu betonenden Note einfach etwas mehr zupacken und schon haben beide Hände einen gemeinsamen Impuls, der die schnellen Töne unterteilt.
Da ich nicht eine Übemethode schlecht machen möchte, ohne mehr als zwei Alternativen zu nennen, folgt hier jetzt noch eine Dritte
: punktiert üben! Das ist gut, nicht nur um schnell zu werden, sondern auch um technische Sicherheit zu erlangen. Ich möchte ja nicht an einer Methode rumnörgeln, ohne mehr als eine Alternative anzubieten. Also, mit punktiert üben ist das Folgende gemeint: Man hat z.B. eine 16tel-Gruppe vor sich. Man übt sie aber nicht als 16tel-Gruppe, sondern stellt sich vor, die erste Note sei eine punktierte 16tel, die Zweite eine 32tel, die Dritte wieder eine punktierte 16tel usw.. Man übt den Abschnitt zunächst so. Dann dreht man die Punktierung um: Man übt die erste Note als 32tel, die Zweite als punktierte 16tel, die Dritte als 32tel usw.. Im Anschluss spielt man den Abschnitt in 16teln und wundert sich, wie gut das geht!
Ich sehe ein, dass diese Übemethoden sehr viel Konzentration erfordern. Da ein gewisser Spaßfaktor beim Üben erhalten bleiben sollte, sollte man sie gut mit Stücken mischen, die man bereits gut kann und die beim Spielen Freude bereiten. Wer mehr Anregungen haben möchte, kann sie aus folgenden sehr empfehlenswerten Büchern bekommen: Ulrich Mahlert - "Handbuch Üben", Gerhard Mantel - "Einfach üben" und Peter Schwarzenbach und Brigitte Bryner-Kronjäger - "Üben ist Doof".
Damit ich jetzt nicht generell missverstanden werde Punkt 1: Langsames Üben ist ebenfalls sehr wichtig! Punkt 2: Zu übende Passagen zu wiederholen ist sehr wichtig! Aber Punkt 3: man wird einzig und alleine durch schnell spielen schnell! Zumindest - und das möchte ich auch mal hier anführen - wenn der aktuelle Stand der Forschung richtig ist. Vielleicht denkt man über diesen Punkt in ein paar Jahren schon ganz anders aber so ist das mit der Wissenschaft und wenn man sie sich zu Nutze machen möchte, muss man sich wohl mit dem jeweils aktuellen Stand zufrieden geben. Ich bin im Übrigen auch kein fanatischer Anhänger der Hirnforschung, im Gegenteil, ich stehe ihr sehr kritisch gegenüber aber ich glaube, dass sie nichts desto Trotz Interessantes gezeigt hat in den letzten Jahren.
Bleibt noch zu sagen, dass ich es lustig finde, dass viele Menschen offensichtlich denken, dass sich schnelles und musikalisch sinnvolles bzw. emotionales Spiel ausschließen. Tun sie das wirklich? Warum sollten das so sein? Was wäre der Umkehrschluss? Dass man, wenn man langsamer spielt auch gefühlvoller spielt? Schön wäre es! Dann wären alle komischen Menschen, die versuchen sich bei YouTube in Sachen Tempo zu übertrumpfen - und die gibt es ja ohne Frage - vielleicht ja doch alles musikalisch intelligente und einfühlsame Musiker. Das ist aber nicht so. Allerdings liegt das nicht daran, dass sie schnell spielen, sondern daran, dass sie keine musikalisch intelligenten und einfühlsamen Musiker sind. Aber dürfen Musiker, die solche Tugenden haben etwa nicht schnell spielen, weil sie sonst ihre Musikalität gefährden? Wohl nicht, um das einzusehen muss man sich nur mal Paco de Lucia anhören. Ich glaube einfach, dass das Tempo eines Musikstücks nicht das Geringste mit seinem musikalischen Sinn oder seinem emotionalen Gehalt zu tun hat (es sei denn ein Stück ist so langsam oder so schnell, dass es nicht mehr wirklich als Musik wahrgenommen werden kann).
Ein andere Behauptung, auf die man immer wieder stößt ist die Phrase: Technik sollte NIE Selbstzweck sein und immer einem musikalischen Sinn dienen. Wo steht denn das nun wieder? Das ist doch schrecklich dogmatisch. Seit es Musik gibt, gibt es wohl auch Virtuosen und vom Anbeginn der Menschheitsgeschichte waren Menschen von virtuoser Musik begeistert. Warum darf also Technik NIE Selbstzweck sein?
Diese zugegeben etwas provokante Frage soll auch nicht meine Meinung überdecken, dass gute Musik mehr zu bieten haben sollte als Virtuosität und auch gänzlich ohne sie auskommen kann. Aber warum man Gitarre spielt ist ja wohl noch jedem selbst überlassen und wenn man Freude am Shredden hat, dann ist das halt so. Davon abgesehen sollte man aber den musikalischen Gehalt beim Üben nie gänzlich von der Technik trennen, denn man übt diesen als Gestus mit ein. Ob der jetzt virtuos ist oder einer bestimmten Emotion entspricht ist dabei egal. Man muss sich beim Üben natürlich immer mal wieder auf technische Dinge konzentrieren, dass man aber erstmal zwei Jahre Technik üben muss, bevor man sich musikalisch ausdrücken kann, ist aber doch der Gipfel des Blödsinns. In diesem Zusammenhang kann ich das Buch "Der Instrumentalschüler als Interpret" von Peter Röbke empfehlen.
Zum Thema Improvisation, weil es hier gerade angesprochen wurde, würde ich Federfuchs folgendes raten: Spiel doch mal modal, also nicht mit einer Tonleiter über ein Stück. Eine im Jazz häufig auftauchende Variante über eine Moll-II-V-I-Kadenz zu spielen, geht so: II -> Lokrisch, V -> Alteriert, I -> Dorisch. Nehmen wir mal an, das Ganze findet in A-Moll statt. Die Akkordfolge geht dann so: Hm7b5, E7(#5), Am7. Spielt man über diese Akkordfolge nun a-Moll, klingt das selbstverständlich nach a-Moll und nicht etwas nach H-Lokrisch, E-Lydisch (hier kämen sich ohnehin das g der Skala und der Domiantleitton, der ist nämlich charakteristisch für tonale Musik, in die Quere) und A-Aeolisch. Möchte man aber über diese tonale Akkordfolge modal improvisieren, verwendet man halt Modi, die sich nicht von der Ursprungstonleiter a-Moll ableiten lassen. Man wählt bewusst andere Färbungen. Hier nochmal die Skalen und im Überblick im Vergleich zu a-Moll:
a-Moll: a, h, c, d, e, f, g
H- Lokrisch: h, c, d, e, f, g, a (dieser Modus basiert natürlich auf a-Moll)
E-Alteriert: e, f, g, as, b, c, d
A-Dorisch: a, h, c, d, e, fis, g
Ein Stück, das ich in diesem Zusammenhang (neben den erwähnte Children's Songs von Chick Corea) zur Analyse empfehlen kann ist die Gnossienne Nr.1 von Eric Satie. Das Stück lebt überwiegend vom Wechsel zwischen F-Dorisch#11 und B-Dorisch und man kann an dem Stück sehr schön sehen, wie der Komponist mit den charakteristischen Tönen der Modi umgeht.
LG