LeGato
Mod Emeritus
Wie kommen wir an Auftritte?
Manche Dinge kommen einfach immer wieder. Mein Augenzucken, wenn ich Dieter Bohlen im Fernsehen sehe zum Beispiel. Meine Freundin auf der Suche nach ihrer Uhr. Tina Turners Abschiedstourneen. Und die Frage, wie man als Band an Auftritte herankommt.
Und weil all diese Dinge immer wieder kommen, ist es streng genommen natürlich zwecklos, einen Beitrag wie diesen zu tippen und zu hoffen, dass die Fragen dadurch weniger würden. Aber immerhin kann ich dann in Zukunft einfach auf diesen Thread verweisen, statt alles immer noch einmal zu tippen. Ich bin nun mal ein fauler Mensch...
Punkt 1: Die Voraussetzungen
Voraussetzung Nummer eins: Alle wollen Gigs!
Als erstes sollte klar sein, dass alle aus der Band überhaupt Gigs spielen möchten. Klingt zunächst banal, ist es aber nicht. Es gibt unzählige Bands, die an unterschiedlichen Vorstellungen über Art und Anzahl von Gigs zerbrochen sind. Ein Familienvater mit drei Kindern und einem nine-to-five Bürojob hat sicher ganz andere Ansichten zum Thema "Auf Tour am Wochenende" als ein ungebundener Teenager, der vielleicht mal seine Brötchen mit Musik verdienen möchte.
Also auch wenn's erst mal lächerlich klingt: Klärt im Vorfeld ab, was euch allen an Gigs pro Jahr realistisch und machbar erscheint. Klärt auch, wer welche Prioritäten setzen will. Sagt der Keyboarder auch schon mal einen Gig ab, weil seine Oma Geburtstag hat? Würden Drummer und Bassist auch mal dreihundert Kilometer fahren, um irgendwo zu spielen? Ist der Gitarrist - zumindest in der Anfangszeit - auch bereit, mal Geld draufzulegen, um einen Promogig zu spielen?
Nichts ist ärgerlicher, als einen mit viel Mühe an Land gezogenen Gig wieder absagen zu müssen, weil ein Teil der Band sich das "irgendwie anders vorgestellt" hat. Also bitte vorher klären.
Voraussetzung Nummer zwei: Ausreichend Programm
Wie viel Zeit könnt ihr füllen? Klar gibt es jede Menge Gigs, bei denen man gar nicht dazu kommt, mehr als drei oder vier Songs zu spielen. Bandcontests und Massenveranstaltungen mit fünf oder mehr Bands im örtlichen Jugendzentrum zeichnen sich für Bands hauptsächlich dadurch aus, dass man schon wieder von der Bühne muss, bevor man überhaupt richtig darauf angekommen ist.
Viele Bands lassen sich dadurch dazu verleiten, auf Gigsuche zu gehen, wenn sie gerade mal 20 Minuten Programm vorweisen können. Für oben genannte Veranstaltungen mag das durchaus angehen, aber für fast alles andere sollte man schon ein "vollwertiges" Programm mitbringen. 60 Minuten dürfen es gerne sein, noch mehr ist sicher kein Problem. Weniger spielen kann man dann immer noch.
Bedenkt, dass Veranstalter ihr Publikum i.A. einen ganzen Abend lang unterhalten müssen. Ein Pluspunkt für euch, wenn ihr ihnen dabei so viel wie möglich helfen könnt. (Semi)Professionelle Coverbands z.B. werden nur selten für Gigs unter 2,5 Stunden gebucht. Absolutes Minimum für Bands mit eigenem Programm sollten 45 Minuten Show sein, Zeit für Intro, Ansagen, Mitklatschteile etc. eingerechnet.
Voraussetzung Nummer drei: Aussagekräftiges Infomaterial
Euer Infomaterial ist normalerweise alles, was ein Veranstalter von euch kennt. Außerdem sind Veranstalter ungeduldige Menschen. Euer Infomaterial muss daher auf einen Blick klar machen, wer ihr seid und was ihr für Musik macht.
Dabei interessieren weder die Hobbys der Bandmitglieder noch deren Lieblingsessen oder -film. Auch Sätze wie "The Frozen Chewing Gums lassen sich in keine Schublade packen, sondern schaffen mit Elementen aus allen Musikrichtungen ganz eigene Klangwelten" sind wenig hilfreich, und auch die "schweißtreibenden Grooves" haben gefühlte 95% aller Bands im Gepäck.
Beschreibt kurz und knackig, was ihr macht. Nicht mehr und nicht weniger. Habt dabei keine Angst vor Schubladen, die können sehr hilfreich sein, wenn es darum geht, Bands zügig einzuordnen. Und genau darum geht es einem Veranstalter bei eurer Bewerbung. Richtig kreativ sein könnt ihr auf der Bühne, euer Info aber sollte in erster Linie informativ sein.
Eine gute Bewerbung sollte folgendes enthalten:
Die mittlerweile um sich greifende Unsitte, einfach einen MySpace- oder Youtube-Link per Mail zu versenden mit der höflichen Bitte, sich dort doch einfach mal umzusehen, hat den Vorteil, dass sie sehr billig ist. Der Nachteil ist jedoch, dass dadurch nur in seltenen Ausnahmefällen Gigs reinkommen werden.
Das soll natürlich nicht heißen, dass MySpace- oder eigene Homepage überflüssiger Luxus wären! Eine gute und informative Internet-Präsenz verschafft Veranstaltern und Agenturen schon mal einen ersten Eindruck, und machmal kommen sogar Anfragen direkt über die Website rein.
Aber wenn ich etwas von jemandem möchte (z.B. eine Buchung von einem Veranstalter), mache ich es ihm so leicht wie nur möglich, sich für mich zu entscheiden. Wenn irgend möglich, lege ich ihm mein Infomaterial direkt auf den Schreibtisch, schiebe meine Demo-CD persönlich in seinen Player und kredenze ihm während des Reinhörens noch einen eigenhändig frisch aufgebrühten Kaffee.
Jemandem unaufgefordert eine kurze Mail mit einem einfachen Link zu schicken und ihn zu bitten, doch einfach selbst mal nachzugucken, ist schon fast eine Garantie dafür, dass eure Bewerbung im (in diesem Falle virtuellen) Papierkorb landet.
Voraussetzung Nummer vier: EIN Ansprechpartner.
Die schlechte Nachricht: Für Akquise und Booking eurer Band ist ab sofort nur noch eine einzige Person zuständig! Klar wäre es schön, wenn man sich diese Arbeit (und es handelt sich hier auf jeden Fall um richtig viel Arbeit!) mit mehreren Personen teilen könnte. Aber spätestens ab der ersten Kontaktaufnahme mit potentiellen Veranstaltern sollte nur eine einzige Person zuständig sein.
Nichts ist für einen Veranstalter schlimmer als mit zwei oder drei verschiedenen Personen wegen eines einzigen kleinen Gigs sprechen zu müssen. Wenn ihm dann auch noch jeder von euch was anderes erzählt, ist das Chaos perfekt. Erfahrungsgemäß ist aber der einzige Weg, genau dieses Szenario dauerhaft zu vermeiden, alles in die Hände einer einzigen Person zu geben.
Also egal ob erstes schüchternes "Hallo" am Telefon, Diskussionen am Venue über fehlende grüne Gummibärchen im Catering oder wütendes Einfordern der Gage drei Monate nach dem Gig - alles läuft ab sofort über euren soeben neu ernannten Booker und Tourmanager. Herzlichen Glückwunsch zur Beförderung!
Punkt 2: Die Akquise
Jetzt beginnt die eigentliche Arbeit: Adressen von Clubs, Festivals, Jugendzentren, Kulturzentren etc. raussuchen und sich bewerben. Dabei gilt: Persönlicher Kontakt ist durch nichts zu ersetzen! Wenn ihr auch nur entfernt die Möglichkeit habt, den Veranstalter direkt zu besuchen, tut es! Eine Mail oder ein Schreiben sind schnell beiseite gelegt. Jemanden, der direkt vor einem steht, kann man nur schwer ignorieren.
Bedenkt aber bitte, dass fünf dunkle Gestalten, die plötzlich vor der Tür stehen, u.U. eher für Unmut bis Entsetzen sorgen, speziell wenn man gerade ungelegen kommt. Also verabredet bitte im Vorfeld telefonisch einen Gesprächstermin, zu dem dann allerhöchstens zwei Bandmitglieder erscheinen, damit das Ganze nicht so nach Mafia-Gespräch aussieht.
Auch die Zeit vor/nach Gigs außerhalb der eigenen Region kann man für solche (wenn's geht angekündigten!) Besuche nutzen. Vielleicht gibt es ja vor Ort noch andere Auftrittsmöglichkeiten, und wo man schon mal in der Gegend ist...
So kann man auch Kneipen, Jugendzentren, Clubs etc. persönlich mit Infomaterial versorgen, auch wenn das sonst nicht möglich wäre.
Oft genug ist aber aufgrund der räumlichen Entfernung der persönliche Kontakt vor Ort einfach nicht möglich. In diesen Fällen heißt es dann, sich mit einer Kombination von schriftlicher und telefonischer Bewerbung in das Gedächtnis der Veranstalter zu schleichen.
Erfahrungsgemäß hat sich folgendes Vorgehen bewährt:
Und diese Aktion bei jedem Veranstalter, den ihr auf der Liste habt, ein bis zwei Mal im Jahr. Idealerweise habt ihr für jede neue Bewerbungsaktion einen besonderen (vielleicht auch konstruierten? ) Anlass: Neues Infomaterial, neue Songs, neues Demo, neue CD, liebe Grüße zu Weihnachten ... auch hier: kreativ sein.
Langfristiges Ziel ist es, sich langsam in das Bewusstsein der Veranstalter zu schleichen. Das erfordert viel Arbeit und Ausdauer, und zwar über Jahre! Eine gut gepflegte Kontaktliste mit Veranstaltern ist nicht mit Gold aufzuwiegen!
Bei meiner Showband hat es z.B. ca. sieben Jahre gedauert, bis die Veranstalter und Agenturen von sich aus auf uns zukamen, um uns für große Events zu buchen ... also Geduld!
Punkt 3: Kundenpflege
Ihr habt also einen Gig an Land gezogen. Herzlichen Glückwunsch! Jetzt nur nicht auf den Lorbeeren ausruhen. Euer nächstes Ziel heißt: Demnächst (z.B nächstes Jahr) wieder hier spielen!
Diesem Ziel kommt ihr sehr viel näher, wenn der Veranstalter zufrieden mit euch ist. Natürlich erwartet er (und ihr auch, denke ich), dass ihr euer Publikum gut unterhaltet und eine grandiose Show abliefert. Das ist schon die halbe Miete für den nächsten Vertrag. Aber eben nur die halbe!
Die andere Hälfte besteht aus eurem Verhalten vor und nach der Show im Backstage. Klar ist es cool und total Rock'n Roll, schon betrunken aus dem Bus zu kippen, zwanzig Sekunden nach Ankunft das Catering auf Vollzähligkeit zu überprüfen, sich mit einem bandinternen Wettsaufen auf den Gig einzustimmen und nebenbei den Tontechniker und die Bühnencrew übers Mikro wissen zu lassen, dass sie alle total unfähig sind. Zwischendurch kann man die Kippen so herrlich auf Teppich und Polstermöbeln ausdrücken, und nach dem Gig ist es ja schon fast Tradition, das letzte Bier in den Bus zu schleppen und das Catering für den nächsten Tag/die andere Band schon mal vorsorglich einzutuppern. Hey, wir sind schließlich im Musikbusiness!
Nur könnte es dann mit dem Vertrag für die nächste Veranstaltung eng werden, selbst wenn die von jemand anderem ausgerichtet wird. Man sollte gar nicht glauben, wie gut sich viele Veranstalter untereinander kennen und worüber die den ganzen Tag lang so reden. Ein schlechter Gig oder rüpeliges Benehmen im Backstage sprechen sich unter Veranstaltern so schnell rum wie ein Schuhsonderverkauf im Schwesternwohnheim.
Euer neuer Verhaltenskodex beinhaltet also ab sofort Händeschütteln und Smalltalk mit Veranstalter und örtlicher Crew, das Eingehen auf Sonderwünsche des Veranstalters, SACHLICHE Diskussionen bei Problemen, maßvollen Umgang mit Alkohol und - ja, richtig gelesen! - das Aufräumen des Backstageraums vor Abreise.
Das mag einigen jetzt lächerlich erscheinen, aber ich habe im Laufe der Jahre einige - professionelle - Bands gesehen, die wegen ihres Verhaltens am Venue keine Gigs mehr bekamen. Und ich habe gesehen, wie Veranstalter und Agenturen meine Band immer wieder gern buchen, weil wir so pflegeleicht und freundlich sind.
Punkt 4: Einige Gedanken zu Agenturen
Ab einem gewissen Level kommt bei Bands die Frage nach der Zusammenarbeit mit Agenturen oder professionellen Bookern auf. Grundsätzlich keine schlechte Idee, wenn man folgende Punkte im Hinterkopf behält:
Einige weitere Informationen zum Thema "Zusammenarbeit mit Agenturen" findet ihr in diesem Post.
Punkt 5: Selbst Gigs veranstalten
Nicht ganz einfach, aber machbar. Vielleicht mit anderen Bands zusammen? Allerdings bleibt dann der gesamte Organisationskram (Venue organisieren, Werbung, Versicherungen, GEMA, Getränkeausschank, Security, Kassenpersonal, Abfallentsorgung etc.) an euch hängen. Unterschätzt das nicht, das ist Arbeit. Es ist sogar so viel Arbeit und auch unternehmerisches Risiko, dass ihr euch vorher unbedingt z.B. hier im Board darüber informieren solltet. Die Suchfunktion hilft euch gerne weiter.
Puuuuhhh, das war jetzt 'ne ganze Menge Zeugs, vielleicht hiflt's ja dem einen oder anderen weiter. Und vielleicht sehen wir uns ja demnächst mal "on the road" - ich freu' mich drauf!
Manche Dinge kommen einfach immer wieder. Mein Augenzucken, wenn ich Dieter Bohlen im Fernsehen sehe zum Beispiel. Meine Freundin auf der Suche nach ihrer Uhr. Tina Turners Abschiedstourneen. Und die Frage, wie man als Band an Auftritte herankommt.
Und weil all diese Dinge immer wieder kommen, ist es streng genommen natürlich zwecklos, einen Beitrag wie diesen zu tippen und zu hoffen, dass die Fragen dadurch weniger würden. Aber immerhin kann ich dann in Zukunft einfach auf diesen Thread verweisen, statt alles immer noch einmal zu tippen. Ich bin nun mal ein fauler Mensch...
Punkt 1: Die Voraussetzungen
Voraussetzung Nummer eins: Alle wollen Gigs!
Als erstes sollte klar sein, dass alle aus der Band überhaupt Gigs spielen möchten. Klingt zunächst banal, ist es aber nicht. Es gibt unzählige Bands, die an unterschiedlichen Vorstellungen über Art und Anzahl von Gigs zerbrochen sind. Ein Familienvater mit drei Kindern und einem nine-to-five Bürojob hat sicher ganz andere Ansichten zum Thema "Auf Tour am Wochenende" als ein ungebundener Teenager, der vielleicht mal seine Brötchen mit Musik verdienen möchte.
Also auch wenn's erst mal lächerlich klingt: Klärt im Vorfeld ab, was euch allen an Gigs pro Jahr realistisch und machbar erscheint. Klärt auch, wer welche Prioritäten setzen will. Sagt der Keyboarder auch schon mal einen Gig ab, weil seine Oma Geburtstag hat? Würden Drummer und Bassist auch mal dreihundert Kilometer fahren, um irgendwo zu spielen? Ist der Gitarrist - zumindest in der Anfangszeit - auch bereit, mal Geld draufzulegen, um einen Promogig zu spielen?
Nichts ist ärgerlicher, als einen mit viel Mühe an Land gezogenen Gig wieder absagen zu müssen, weil ein Teil der Band sich das "irgendwie anders vorgestellt" hat. Also bitte vorher klären.
Voraussetzung Nummer zwei: Ausreichend Programm
Wie viel Zeit könnt ihr füllen? Klar gibt es jede Menge Gigs, bei denen man gar nicht dazu kommt, mehr als drei oder vier Songs zu spielen. Bandcontests und Massenveranstaltungen mit fünf oder mehr Bands im örtlichen Jugendzentrum zeichnen sich für Bands hauptsächlich dadurch aus, dass man schon wieder von der Bühne muss, bevor man überhaupt richtig darauf angekommen ist.
Viele Bands lassen sich dadurch dazu verleiten, auf Gigsuche zu gehen, wenn sie gerade mal 20 Minuten Programm vorweisen können. Für oben genannte Veranstaltungen mag das durchaus angehen, aber für fast alles andere sollte man schon ein "vollwertiges" Programm mitbringen. 60 Minuten dürfen es gerne sein, noch mehr ist sicher kein Problem. Weniger spielen kann man dann immer noch.
Bedenkt, dass Veranstalter ihr Publikum i.A. einen ganzen Abend lang unterhalten müssen. Ein Pluspunkt für euch, wenn ihr ihnen dabei so viel wie möglich helfen könnt. (Semi)Professionelle Coverbands z.B. werden nur selten für Gigs unter 2,5 Stunden gebucht. Absolutes Minimum für Bands mit eigenem Programm sollten 45 Minuten Show sein, Zeit für Intro, Ansagen, Mitklatschteile etc. eingerechnet.
Voraussetzung Nummer drei: Aussagekräftiges Infomaterial
Euer Infomaterial ist normalerweise alles, was ein Veranstalter von euch kennt. Außerdem sind Veranstalter ungeduldige Menschen. Euer Infomaterial muss daher auf einen Blick klar machen, wer ihr seid und was ihr für Musik macht.
Dabei interessieren weder die Hobbys der Bandmitglieder noch deren Lieblingsessen oder -film. Auch Sätze wie "The Frozen Chewing Gums lassen sich in keine Schublade packen, sondern schaffen mit Elementen aus allen Musikrichtungen ganz eigene Klangwelten" sind wenig hilfreich, und auch die "schweißtreibenden Grooves" haben gefühlte 95% aller Bands im Gepäck.
Beschreibt kurz und knackig, was ihr macht. Nicht mehr und nicht weniger. Habt dabei keine Angst vor Schubladen, die können sehr hilfreich sein, wenn es darum geht, Bands zügig einzuordnen. Und genau darum geht es einem Veranstalter bei eurer Bewerbung. Richtig kreativ sein könnt ihr auf der Bühne, euer Info aber sollte in erster Linie informativ sein.
Eine gute Bewerbung sollte folgendes enthalten:
- Bandfoto (so professionell wie möglich)
- Individuelles Anschreiben für den Veranstalter
- Bandinfo
- Demo-CD (idealerweise drei, allerhöchstens fünf Songs)
Die mittlerweile um sich greifende Unsitte, einfach einen MySpace- oder Youtube-Link per Mail zu versenden mit der höflichen Bitte, sich dort doch einfach mal umzusehen, hat den Vorteil, dass sie sehr billig ist. Der Nachteil ist jedoch, dass dadurch nur in seltenen Ausnahmefällen Gigs reinkommen werden.
Das soll natürlich nicht heißen, dass MySpace- oder eigene Homepage überflüssiger Luxus wären! Eine gute und informative Internet-Präsenz verschafft Veranstaltern und Agenturen schon mal einen ersten Eindruck, und machmal kommen sogar Anfragen direkt über die Website rein.
Aber wenn ich etwas von jemandem möchte (z.B. eine Buchung von einem Veranstalter), mache ich es ihm so leicht wie nur möglich, sich für mich zu entscheiden. Wenn irgend möglich, lege ich ihm mein Infomaterial direkt auf den Schreibtisch, schiebe meine Demo-CD persönlich in seinen Player und kredenze ihm während des Reinhörens noch einen eigenhändig frisch aufgebrühten Kaffee.
Jemandem unaufgefordert eine kurze Mail mit einem einfachen Link zu schicken und ihn zu bitten, doch einfach selbst mal nachzugucken, ist schon fast eine Garantie dafür, dass eure Bewerbung im (in diesem Falle virtuellen) Papierkorb landet.
Voraussetzung Nummer vier: EIN Ansprechpartner.
Die schlechte Nachricht: Für Akquise und Booking eurer Band ist ab sofort nur noch eine einzige Person zuständig! Klar wäre es schön, wenn man sich diese Arbeit (und es handelt sich hier auf jeden Fall um richtig viel Arbeit!) mit mehreren Personen teilen könnte. Aber spätestens ab der ersten Kontaktaufnahme mit potentiellen Veranstaltern sollte nur eine einzige Person zuständig sein.
Nichts ist für einen Veranstalter schlimmer als mit zwei oder drei verschiedenen Personen wegen eines einzigen kleinen Gigs sprechen zu müssen. Wenn ihm dann auch noch jeder von euch was anderes erzählt, ist das Chaos perfekt. Erfahrungsgemäß ist aber der einzige Weg, genau dieses Szenario dauerhaft zu vermeiden, alles in die Hände einer einzigen Person zu geben.
Also egal ob erstes schüchternes "Hallo" am Telefon, Diskussionen am Venue über fehlende grüne Gummibärchen im Catering oder wütendes Einfordern der Gage drei Monate nach dem Gig - alles läuft ab sofort über euren soeben neu ernannten Booker und Tourmanager. Herzlichen Glückwunsch zur Beförderung!
Punkt 2: Die Akquise
Jetzt beginnt die eigentliche Arbeit: Adressen von Clubs, Festivals, Jugendzentren, Kulturzentren etc. raussuchen und sich bewerben. Dabei gilt: Persönlicher Kontakt ist durch nichts zu ersetzen! Wenn ihr auch nur entfernt die Möglichkeit habt, den Veranstalter direkt zu besuchen, tut es! Eine Mail oder ein Schreiben sind schnell beiseite gelegt. Jemanden, der direkt vor einem steht, kann man nur schwer ignorieren.
Bedenkt aber bitte, dass fünf dunkle Gestalten, die plötzlich vor der Tür stehen, u.U. eher für Unmut bis Entsetzen sorgen, speziell wenn man gerade ungelegen kommt. Also verabredet bitte im Vorfeld telefonisch einen Gesprächstermin, zu dem dann allerhöchstens zwei Bandmitglieder erscheinen, damit das Ganze nicht so nach Mafia-Gespräch aussieht.
Auch die Zeit vor/nach Gigs außerhalb der eigenen Region kann man für solche (wenn's geht angekündigten!) Besuche nutzen. Vielleicht gibt es ja vor Ort noch andere Auftrittsmöglichkeiten, und wo man schon mal in der Gegend ist...
So kann man auch Kneipen, Jugendzentren, Clubs etc. persönlich mit Infomaterial versorgen, auch wenn das sonst nicht möglich wäre.
Oft genug ist aber aufgrund der räumlichen Entfernung der persönliche Kontakt vor Ort einfach nicht möglich. In diesen Fällen heißt es dann, sich mit einer Kombination von schriftlicher und telefonischer Bewerbung in das Gedächtnis der Veranstalter zu schleichen.
Erfahrungsgemäß hat sich folgendes Vorgehen bewährt:
- Ansprechpartner ermitteln. Entweder steht schon ein Name z.B. auf der Website oder im Branchenverzeichnis, oder ihr fragt einfach telefonisch nach("an wen kann ich mich wenden, wenn ich mit meiner Band...?").
- Bewerbung so weit wie möglich personalisieren. Anschreiben direkt an den zuvor ermittelten Ansprechpartner ("Sehr geehrter Herr...") ist das Mindeste. VIP-Behandlung ist immer gut. Vielleicht einen personalisierten Backstagepass beilegen? Oder eine kleine Tüte Gummibärchen? Kreativ sein! Eure Kontaktadresse muss leicht zu erkennen sein. Möglichst alle Kontaktmöglichkeiten (Telefon, E-Mail, Handy, Postadresse, ...) angeben.
- Bewerbung per Post abschicken. In Werbeagenturen gilt der Dienstag als bester Tag zum Versand von Mailings. Im Normalfall kommt die Sendung dann am Mittwoch an, und mittwochs sind die Menschen in Gedanken nicht noch (wie montags) oder schon wieder (donnerstag, freitag) im Wochenende
- Nach Versand des Infomaterials eine Woche warten. Wenn sich der Veranstalter in dieser Zeit von alleine meldet - um so besser, er hat Interesse! Glückwunsch!
- Nach einer Woche telefonisch nachfragen. Demomaterial angekommen? Und, schon reingehört? Ganz wichtig: Euer Minimalziel für dieses Telefonat lautet NICHT, einen Gig klarzumachen. Das wäre quasi der Jackpot. Euer Minimalziel lautet "in guter Erinnerung bleiben". Also immer schön freundlich!
- Ab jetzt ist das weitere Vorgehen von der Reaktion des Veranstalters abhängig. Einige muss man ständig wieder anrufen, andere sagen gleich, ob sie Interesse haben oder nicht. Euer Ziel ist es immer noch nicht, den Veranstalter zu überreden. Aber versucht auf jeden Fall, eine klare Aussage zu bekommen! Viele Veranstalter versuchen sich aus Höflichkeit um eine Absage zu drücken. Dadurch bleibt so eine Anfrage ewig offen. Erstens nervig, zweitens steht das bei der nächsten Kontaktaufnahme immer zwischen euch und dem Veranstalter. Also versucht, eine klare Aussage zu bekommen: Kein Interesse? Kein Problem. Vielleicht dürfen wir uns ja später noch einmal bei Ihnen melden...? Doch Interesse? Glückwunsch!
Und diese Aktion bei jedem Veranstalter, den ihr auf der Liste habt, ein bis zwei Mal im Jahr. Idealerweise habt ihr für jede neue Bewerbungsaktion einen besonderen (vielleicht auch konstruierten? ) Anlass: Neues Infomaterial, neue Songs, neues Demo, neue CD, liebe Grüße zu Weihnachten ... auch hier: kreativ sein.
Langfristiges Ziel ist es, sich langsam in das Bewusstsein der Veranstalter zu schleichen. Das erfordert viel Arbeit und Ausdauer, und zwar über Jahre! Eine gut gepflegte Kontaktliste mit Veranstaltern ist nicht mit Gold aufzuwiegen!
Bei meiner Showband hat es z.B. ca. sieben Jahre gedauert, bis die Veranstalter und Agenturen von sich aus auf uns zukamen, um uns für große Events zu buchen ... also Geduld!
Punkt 3: Kundenpflege
Ihr habt also einen Gig an Land gezogen. Herzlichen Glückwunsch! Jetzt nur nicht auf den Lorbeeren ausruhen. Euer nächstes Ziel heißt: Demnächst (z.B nächstes Jahr) wieder hier spielen!
Diesem Ziel kommt ihr sehr viel näher, wenn der Veranstalter zufrieden mit euch ist. Natürlich erwartet er (und ihr auch, denke ich), dass ihr euer Publikum gut unterhaltet und eine grandiose Show abliefert. Das ist schon die halbe Miete für den nächsten Vertrag. Aber eben nur die halbe!
Die andere Hälfte besteht aus eurem Verhalten vor und nach der Show im Backstage. Klar ist es cool und total Rock'n Roll, schon betrunken aus dem Bus zu kippen, zwanzig Sekunden nach Ankunft das Catering auf Vollzähligkeit zu überprüfen, sich mit einem bandinternen Wettsaufen auf den Gig einzustimmen und nebenbei den Tontechniker und die Bühnencrew übers Mikro wissen zu lassen, dass sie alle total unfähig sind. Zwischendurch kann man die Kippen so herrlich auf Teppich und Polstermöbeln ausdrücken, und nach dem Gig ist es ja schon fast Tradition, das letzte Bier in den Bus zu schleppen und das Catering für den nächsten Tag/die andere Band schon mal vorsorglich einzutuppern. Hey, wir sind schließlich im Musikbusiness!
Nur könnte es dann mit dem Vertrag für die nächste Veranstaltung eng werden, selbst wenn die von jemand anderem ausgerichtet wird. Man sollte gar nicht glauben, wie gut sich viele Veranstalter untereinander kennen und worüber die den ganzen Tag lang so reden. Ein schlechter Gig oder rüpeliges Benehmen im Backstage sprechen sich unter Veranstaltern so schnell rum wie ein Schuhsonderverkauf im Schwesternwohnheim.
Euer neuer Verhaltenskodex beinhaltet also ab sofort Händeschütteln und Smalltalk mit Veranstalter und örtlicher Crew, das Eingehen auf Sonderwünsche des Veranstalters, SACHLICHE Diskussionen bei Problemen, maßvollen Umgang mit Alkohol und - ja, richtig gelesen! - das Aufräumen des Backstageraums vor Abreise.
Das mag einigen jetzt lächerlich erscheinen, aber ich habe im Laufe der Jahre einige - professionelle - Bands gesehen, die wegen ihres Verhaltens am Venue keine Gigs mehr bekamen. Und ich habe gesehen, wie Veranstalter und Agenturen meine Band immer wieder gern buchen, weil wir so pflegeleicht und freundlich sind.
Punkt 4: Einige Gedanken zu Agenturen
Ab einem gewissen Level kommt bei Bands die Frage nach der Zusammenarbeit mit Agenturen oder professionellen Bookern auf. Grundsätzlich keine schlechte Idee, wenn man folgende Punkte im Hinterkopf behält:
- Agenturen arbeiten im Normalfall als reine Gig-Lieferanten, alles andere macht die Band selbst oder ihr Management. Die Agenturen bieten die Bands bei Veranstaltern an und kassieren im Vermittlungsfall eine Provision, die auf die Gage draufgeschlagen wird. Also verdient ihr an einem Agentur-Gig weniger Geld, oder ihr werdet für den Veranstalter teurer. Das ist nichts Schlimmes, man muss sich dessen nur bewusst sein.
- Agenturen und Booker arbeiten für Geld, nicht für belegte Brötchen. Interessant werdet ihr für diese Leute daher erst, wenn ihr mit euren Gigs auch tatsächlich Geld verdient. Wer also 97% seiner Gigs in Jugendzentren für 'nen Kasten Bier spielt, wird bei Agenturen nicht unbedingt offene Türen einrennen...
- Agenturen gehen davon aus, dass ihr einen von ihnen vermittelten Gig spielt, sofern ihr nicht andernweitig gebucht seid. Einmal absagen geht noch klar, ein zweites Mal ist schon haarig, und beim dritten Mal seid ihr mit eingier Sicherheit raus. Wenn also euer Sänger einen Gig nicht spielen will, weil er "mehr Zeit mit seiner Freundin verbringen" will, solltet ihr dringend gut eingearbeitete Ersatzleute bereithalten. Oder auf die Zusammenarbeit mit Agenturen verzichten.
- Seid euch bewusst, dass ihr Dienstleister seid. Eure Agentur vermittelt eure Dienstleistung an den Veranstalter. Benehmt euch also entsprechend. Unzufriedene Kunden haben die Agentur schneller angerufen als ihr wieder zu Hause seid.
Einige weitere Informationen zum Thema "Zusammenarbeit mit Agenturen" findet ihr in diesem Post.
Punkt 5: Selbst Gigs veranstalten
Nicht ganz einfach, aber machbar. Vielleicht mit anderen Bands zusammen? Allerdings bleibt dann der gesamte Organisationskram (Venue organisieren, Werbung, Versicherungen, GEMA, Getränkeausschank, Security, Kassenpersonal, Abfallentsorgung etc.) an euch hängen. Unterschätzt das nicht, das ist Arbeit. Es ist sogar so viel Arbeit und auch unternehmerisches Risiko, dass ihr euch vorher unbedingt z.B. hier im Board darüber informieren solltet. Die Suchfunktion hilft euch gerne weiter.
Puuuuhhh, das war jetzt 'ne ganze Menge Zeugs, vielleicht hiflt's ja dem einen oder anderen weiter. Und vielleicht sehen wir uns ja demnächst mal "on the road" - ich freu' mich drauf!
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