Auf diese Zusammenhänge verweist weder der einleitende Text noch die nachfolgende Diskussion! Dabei streichen Komponisten regelmäßig und frech Worte, die ihnen zu verkopft erscheinen. Man stelle sich vor, der Texter striche einen Tritonus oder eine Septime mit Hinweis auf deren unangenehme Dissonanz….
Das sind mE die eigentlichen Ursachen für den armseligen Umfang des Wortschatzes im Pop.
Hip Hop lass ich mal außen vor, der ist ja mindestens so sehr ein Literatur- wie ein Musikgenre. Im Pop im engeren Sinne ist die Entwicklung aber auch für mein Gefühl ziemlich unübersehbar, korrespondiert aber auch mit einer musikalischen Verengung. Stark repetitive Musik mit zigmal wiederholten Hooks lässt sich ja nur schwer mit einem auch innerhalb eines Songs variablen Wortschatz verbinden. Harmonien wie in "Ka-Ching" von Shania Twain findet man heute noch viel seltener in einer Pop-Single als damals.
Beides hat vielleicht auch mit der permanenten Verfügbarkeit von Musik zu tun, und mit der damit verbundenen sinkenden Bedeutung von Alben. Auf denen waren ja schon immer auch längere oder weniger zugängliche Songs zu finden, an denen den KünstlerInnen oft mehr gelegen war als an den Hits - und die sich nicht selten als die erweisen, die Jahrzehnte später noch immer Fanfavoriten sind. Ich schätze mal, dass heute nicht mehr viele auf der Couch sitzen, einfach nur Musik hören und dabei die Texte aus dem Einleger mitlesen (weshalb ich es immer gehasst habe, dass manche Bands grundsätzlich keine Texte abgedruckt haben). Heute muss innerhalb von 10 Sekunden die Hook kommen, oder es wird weitergeklickt. Und da man währenddessen womöglich noch in WhatsApp mitliest, spielt oder sich selber filmt, sollte der zugehörige Text die Aufmerksamkeit auch nicht überfordern

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Trotz der aktuellen Entwicklungen sehe ich deswegen aber nicht das Ende des Abendlands gekommen. Schon, weil es immer noch andere Musik gibt, die mir gefällt - und irgendwann wird jeder Trend dem Publikum auch mal langweilig - das ist ja quasi das Wesen von Popmusik. Aufwendigere Arrangements und Texte, bei denen sich der/die AutorIn wirklich was gedacht hat und es auch ausdrücken konnte, sind schon in der Vergangenheit nicht immer angesagt gewesen. Trotzdem kamen schon ein paar Jahre nach den Sex Pistols Iron Maiden wieder mit 12 Minuten-Songs und Texten, die Stoffe von Tennyson, Coleridge oder G.K.Chesterton weiterspinnen.
Nicht zuletzt existieren heute auch eher mehr als weniger Genres, Subgenres und Ansätze bei deren Umsetzung nebeneinander, man muss halt ein bisschen suchen. Das war aber schon früher so - auch in der Rockmusik, wenn ich mal die Texte von Thin Lizzy und The Sweet vergleiche. Mal ganz abgesehen davon, dass ein glaubwürdig präsentiertes, saftiges Klischee auch mal besser passen kann als ein Wort, über das man erst mal grübeln muss.
Finde ich heutige Poptexte also "schlechter"? Würde ich so nicht sagen. Es hat schon immer gute und schlechte gegeben, und wenn man die von heute einordnen will, muss man vielleicht erst 20, 30 Jahre warten.
Gruß, bagotrix