Vor allem sollte ich in bezug auf Gebrauchtinstrumente mal auf etwas hinweisen.
Klar, wenn's ein Weihnachtsgeschenk sein soll, ist es natürlich schön, wenn der Filius es erst aus dem Geschenkpapier und dann auch noch aus der ungeöffneten OVP schälen darf, woraufhin ihn der Geruch eines jungfräulichen, fabrikneuen Instruments umweht.
Aber: Im Gegensatz zu dem, was einem häufig bei z. B. Gitarren oder Autos passiert, sind bei elektronischen Musikinstrumenten Gebrauchtgeräte mitnichten
Verbrauchtgeräte. Zumindest erklärt das nicht, warum gebrauchte Synthesizer so billig werden.
Es ist eher so, daß Synthesizer jüngeren Datums in den allermeisten Fällen einen immensen Wertverlust haben. Noch dazu hat man es häufig mit doppelt so schnellen Modellzyklen zu tun wie beim Pkw. Workstations kriegen in der Regel alle drei, vier Jahre Nachfolgemodelle. Weil der Anschaffungswiderstand erheblich geringer ist als beim Neuwagen, steigen entsprechend viele auf das neueste Modell um. Das Vorgängermodell wird schon, kurz bevor es ausläuft, zu 80%, 70%, 60% des vorherigen Straßenpreises vertickt, um die Lager leerräumen zu können. Wenn dann das neue Modell da ist und alle Welt darauf upgradet, flutet die vorige Generation auf den Gebrauchtmarkt. Man kann sich vorstellen, was das mit den Preisen macht.
Nochmals ältere Generationen werden natürlich bis zu einem gewissen Punkt auch mit jeder neuen Generation billiger, weil es schwieriger wird, sie an den Mann zu bringen. Wie gesagt, das liegt nicht daran, daß z. B. eine 15 Jahre alte
Yamaha Motif in dem Alter einfach abgenutzt ist, sondern das liegt daran, daß sie heute in der ausgehenden Motif-XF-Ära einfach für die meisten Musiker veraltet ist und ihr Gebrauchtpreis von mittlerweile
drei neuen Generationen gedrückt wird – und obendrein kleinere Workstation-Klassen in manchen Punkten mit ihr mindestens gleichziehen. Im Falle der Motif lasten auf ihrem Gebrauchtpreis also
sieben jüngere Workstations.
Wenn man jetzt aber nicht unbedingt dem Konkurrenzdruck semiprofessioneller und vollprofessioneller Top40-Coverbands ausgesetzt ist und schon von daher immer the latest & greatest gear haben muß, damit die Band, in der man spielt, mit der Konkurrenz mindestens auf einer Höhe ist, dann spricht selten etwas gegen Auslaufmodelle. Bei virtuell-analogen Synthesizern kriegt man zum Preis eines heutigen virtuell-analogen Kompaktsynth mit eingeschränkter Bedienung und Funktionalität ein 12 oder 14 Jahre altes, fast vollbeknopftes Schlachtschiff (neuer Polo vs. gebrauchte S-Klasse), das in 98% der Fälle nie auf einer Bühne war und für einen Einsteiger auch noch erheblich zugänglicher ist als der spärlich beknopfte Kompakte.
Gerade Workstations haben dann auch noch die Eigenart, daß ihnen beim Nachfolgemodell auch mal was weggezüchtet wird, weil der Hersteller glaubt, die Zielgruppe braucht das nicht. Ich denke da an die
Korg TR. Im Prinzip eine kleine Triton. Vor allem aber aufrüstbar mit diversen Triton-Optionen – man konnte ihr auch einen Sampler mit allem Schickimicki einbauen. Die Nachfolger M50 und Krome können nicht nur mit Geld und guten Worten nicht zum Samplen gebracht werden, sondern Korg hat ihnen auch noch den Aftertouch weggezüchtet und besonders der M50 die wohl mieseste Workstation-Tastatur aller Zeiten eingebaut.
Fazit: Längst ausgelaufene elektronische Musikinstrumente können einem eine gewaltige Menge bang for the buck bieten.
Martman