Volkslieder - vergessen oder verpönt?

  • Ersteller Effjott
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Alles ist im Wandel.

Die Kids (früher nannte man sie noch Kinder) stehen heute vor der Playstation und spielen Singstar. Wenn sie dann mal ein ordentliche Punktzahl erreichen meinen sie gleich sie könnten singen und rennen dem Bohlen die Superstar-Tür ein. Warum sollten sie sich also für das althergebrachte Liedgut der Großeltern interessieren, damit kann man ja kein Superstar werden. Und uncool ist es auch noch.
 
Die Zeiten ändern sich. *räusper* ;)
Die "Kids" lauschen heute lieber den wohligen Klängen des iPods. Mit einem Volkslied lockst du keine Kinder/Jugendlichen mehr hinterm Ofen vor.

Nee, kann ich nicht bestätigen. Meine Tochter ist in einer Jugendgruppe hier in der Gemeinde, und die singen dieselben Lieder von früher mit dergleichen Begeisterung wie wir damals. Es ist immer eine Frage, wie man mit diesem Liedgut umgeht.

- Hausmusik ist völlig aus der Mode gekommen. Geselliges Singen und Musizieren gibt es heute fast nirgendwo mehr, was ich auch schade finde.

Nein, auch hier stelle ich einen Trend wieder zur Hausmusik hin fest. Immer öfter werden Hauskonzerte organisiert, verbunden mit Liederabenden, etc

- In der Schule wird der Musikunterricht völlig vernachlässigt. In meiner Schule gab es z. B. in der letzten Klasse (10. Schuljahr) überhaupt keinen Musikunterricht mehr. In den Jahren davor beinhaltete der wenige noch vorhandene Musikunterricht fast ausschließlich langweiligste Musiktheorie. Von Volksliedern keine Spur.

Ja, das war zu meiner Schulzeit leider auch so. (Trotzdem hat mich der miese Unterricht nicht von meinem Vorhaben abhalten können ;))
Ich glaube, dass das immer vom jeweiligen Musiklehrer abhängt, und vom Stellenwert des Musikunterrichts an der betreffenden Schule.

Dass die Leute nicht mehr zusammen singen (wollen), kann ich eigentlich nicht so recht sehen. Die Kinder und Jugendlichen in der Schule tun das meiner Erfahrung nach zunehmend mit Begeisterung, allerdings ist hier das Problem, Lieder oder Songs zu finden, die allgemein gern gesungen werden, weil die Vorlieben sehr stark auseinandergehen. Die fruehen Beatles-Songs, Spirituals oder bestimmte Folksongs sind da oft am beliebtesten.

Ist das nicht erstaunlich, wie sich die Beatlessongs immer noch so großer Beliebtheit erfreuen? Mein Neffe (15), hat sich von mir alle CDs aufnehmen lassen. Er, der sonst nur auf die ganz "coolen" Sachen steht ;) Sorry: OT

Und dass Singen nicht gerade ungesund ist, dürfte ja weithin bekannt sein.;)

Nicht nur das, es macht auch noch Spaß :D
 
Die Kids (früher nannte man sie noch Kinder) stehen heute vor der Playstation und spielen Singstar. Wenn sie dann mal ein ordentliche Punktzahl erreichen meinen sie gleich sie könnten singen und rennen dem Bohlen die Superstar-Tür ein.
Das ist ein spaßiges Computerspiel bei dem man Töne treffen muss. Ich verstehe jetzt dein Pamphlet Richtung Castingshows nicht, vor allem weil das mal genau Null damit zu tun hat.

Warum sollten sie sich also für das althergebrachte Liedgut der Großeltern interessieren
Ja warum sollte man das?

Volkslieder waren doch immer von Bedeutung weil die Texte etwas ausgedrückt haben was irgendwie zu der Lebenssituation gepasst hat. Ich kenne kein Volkslied was das ausdrücken könnte. Und wenn das weg fällt, dann bleibt eigentlich nur simpel strukturierte Liedgut ohne weitere Bedeutung (abgesehen von der historischen) übrig.
Die Volkslieder sind einfach keine Volkslieder mehr weil das Volk sich verändert hat.
 
Nein, auch hier stelle ich einen Trend wieder zur Hausmusik hin fest. Immer öfter werden Hauskonzerte organisiert, verbunden mit Liederabenden, etc
auch ein bißchen OT, aber meine Beobachtung hier aus dieser Stadt Eisenach, die letztes Jahr als Stadtmotto den Slogan: "Eisenach glänzt durch Musik" wählte und zeitgleich die Opernsänger und und 18 von 42 Orchestermusikern entlassen hat ( :kotz: ) ist derat, daß tatsächlich (zumindest in der örtlichen Presse) die kleinen Laienveranstaltungen deutlich wertige, also häufiger, werden, ich weiß aber nicht, ob das ein Politikum oder eine Tatsache ist.

Dazu gehören auch halböffentliche Hausmusiken, Kindergarten-Theaterveranstaltungen, Schul- und Gymnasiumsauftritte.

Es ist schade, daß das professionell erstellte Kulturangebot offenbar nicht mehr gewünscht wird - aber sowohl schön als auch gut, daß die Kultur, zu der auch die Pflege der Volksmusik (einfach das Wort mal wörtlich nehmen! ;)) nie untergehen wird (hoffentlich!!) :).
 
Es gibt bestimmt eine Menge von Gründen, warum diese Praxis heute nicht mehr ausgeübt wird und Volkslieder in jüngeren Generationen mehr oder weniger unbekannt sind.

Welche Ursachen oder Gründe gibt es dafür?
Ursache und Grund - ganz einfach: Volkslieder sind aus der Mode gekommen. Und genau das waren sie einst: Eine Modeerscheinung. Natürlich hätte das "damals" keiner so bezeichnet und auch heute scheint der Begriff merkwürdig. Aber im Prinzip ist es mit Volksliedern genau das gleiche wie mit allen anderen gesellschaftlichen Bräuchen auch: ändert sich die Gesellschaft, so ändern sich auch die Bräuche.
Im Mittelalter zogen Sänger von Hof zu Hof und brachten dort ihre Geschichten als Lieder ans Publikum. Dann begann man, diese aufzuschreiben. Die Sänger wurden "überflüssig". Sehr vereinfacht dargestellt sieht man an diesem Beispiel, wie sich Rezeptionsgewohnheiten durch die Entwicklung der Medien ändern. Heute ist es das gleiche: Jedes Kind hat zuhause einen Computer, eine Stereoanlage, MP3-Player, Fernseher... Vermittlung von Liedgut ist nicht mehr an familieninterne Gesangsabende gebunden. Außerdem entwickelt sich die Jugend fort vom bisherigen Familienbild: ab einem gewissen Alter ist es "uncool", zuhause bei der Familie zu hocken, man geht lieber mit Freunden in die Disco. Und bei "Erziehung" denkt heute eh keiner mehr an Liederabende mit der Familie, da wird das Kind einfach vorm Fernseher geparkt.
Nicht zu vergessen, dass Volksliedgut auch stilistisch einfach nicht mehr den Geschmack der Jugend trifft...
In ländlicheren Gegenden, wo der Familienzusammenhalt noch größer geschrieben wird, haben Volkslieder sicher noch bessere Chancen. Dazu gibt es natürlich noch die "Evergreens", die bei jeder Gelegenheit am Lagerfeuer geschmettert werden. sicher werden sich die Beliebteren darunter noch lange halten, aber auch hier findet die Moderne Einzug, man singt am Lagerfeuer meines Wissen nach schon genauso häufig "Country Roads" wie irgendein beliebiges traditionelles Volkslied...

Davon aber mal ganz abgesehen muss man sich sowieso fragen, was man eigentlich unter "Volkslied" versteht. Schon seit den ersten Minnesängern finden sich Gegenbewegungen im "gemeinen" Volk, das danach strebt, ein eigenes Liedgut zu finden und sich von den gehobeneren Schichten abzugrenzen. Diese Bestrebungen ziehen sich durch die gesamte Geschichte, sei es zur Zeit der Renaissance oder der Aufklärung.
Das, was wir heute als Volkslieder verstehen, ist ein buntes Potpourri aus verschiedenen Stücken unterschiedlichster Zeiten und Stände und verdient eher den Titel "altertümlich" als "volkstümlich". Wer weiß, vielleicht ist das "moderne Volkslied" ja der Punksong? Ist schließlich auch eine Abgrenzung des "Volkes" gegen den Glamrock der oberen Schichten ;)
 
auch ein bißchen OT, aber meine Beobachtung hier aus dieser Stadt Eisenach, die letztes Jahr als Stadtmotto den Slogan: "Eisenach glänzt durch Musik" wählte und zeitgleich die Opernsänger und und 18 von 42 Orchestermusikern entlassen hat ( :kotz: ) ist derat, daß tatsächlich (zumindest in der örtlichen Presse) die kleinen Laienveranstaltungen deutlich wertige, also häufiger, werden, ich weiß aber nicht, ob das ein Politikum oder eine Tatsache ist.

Auch hier wurden und werden Orchester zusammengelegt, und alle die noch einen Job haben sind froh, dass sie ihn noch haben. Vorspiele gibt´s immer weniger, und die Ansprüche an die jeweils vorspielenden Musiker immer höher und raus kommt ein Einjahresvertrag.
Und auch hier finden sich Musiker zu kleinen Kammerensembles zusammen, um noch ein wenig zusammen muszieren zu können. Ich kann mir nicht vorstellen, das das ein Politikum ist.
Und "wir" sind jetzt Kulturhauptstadt :rolleyes:
Sorry für OT

Ursache und Grund - ganz einfach: Volkslieder sind aus der Mode gekommen. Und genau das waren sie einst: Eine Modeerscheinung. Natürlich hätte das "damals" keiner so bezeichnet und auch heute scheint der Begriff merkwürdig.

Nö, wie gesagt. Sehe ich nicht so. Und für eine Modeerscheinung hätten sie sich dann ziemlich lange gehalten. Wie schon geschrieben werden diese Lieder heute noch mit genau derselben Begeisterung gesungen wie seinerzeit auch.
 
Ich stimme da weitgehend mit Mod-Paul überein.

Zwar werden die Volkslieder sicherlich nie mehr in der Breite den Stellenwert haben, den sie mal hatten, dazu haben sich die Gesellschaft sowie die gesamte Musiksituation und technische Entwicklung zu stark verändert und sind unglaublich vielfältig geworden.

Aber eine Menge hängt mMn immer noch davon ab, ob man Kinder und Jugendliche zunächst mal überhaupt mit Volksliedern konfrontiert und dann auch versucht, ihnen diese Lieder schmackhaft zu machen, zu motivieren.
In dem oben verlinkten Artikel aus der Stuttgarter Zeitung wird ja ein Projekt beschrieben, in dem der Aufruf stattfindet, dem Baby auch mal wieder Wiegenlieder vorm Schlafen zu singen.
Chancen bestehen ebenfalls dort, wo Musik im Schulunterricht, Chor, über kirchliche Jugendgruppen, Laien-Orchester usw. erklingt.

Es gibt einen großen Schatz an guten Volksliedern und es wäre schlimm, wenn diese Kultur vergessen und verloren geht.
Mir graut ebenfalls davor, dass "Singstar" und Casting-Shows der Art wie DSDS die "Singkultur" der Jugendlichen in Zukunft bestimmen.
 
Immer wieder ein gutes Argument ;)
Sehe ich nicht so. Und für eine Modeerscheinung hätten sie sich dann ziemlich lange gehalten. Wie schon geschrieben werden diese Lieder heute noch mit genau derselben Begeisterung gesungen wie seinerzeit auch.
Es gibt durchaus Modeerscheinungen, die sich länger halten. Aber das Volkslied ist, denke ich, kritisch zu betrachten. Was genau verstehst du denn unter Volkslied?
Zu unterscheiden ist hier mMn die Tradition des gemeinsamen Musizierens vom Volkslied.
Obwohl das Musizieren mit der Familie oder in Gruppen (z.B. Lagerfeuer) sicher auch weit weniger beliebt ist als früher, so hat es dennoch immer noch einen festen Platz in der Gesellschaft.
Aber das "Volkslied" ist ein sehr schwammiger Begriff. Mit ihnen verhält es sich wie mit den Märchen. Was wir heute als "gutes deutsches Märchen" kennen, geht im Grunde auf die Grimmsche Sammlungstätigkeit zurück. Die Grimms, einer langen Tradition folgend, betteten ihre Märchen in eine bewusst auf alt getrimmte Tradition ein, um ihnen völkischen Charakter zu geben. Dabei war es ihnen egal, ob sie ursprünglich gar nicht aus D kamen (z.B. aus Frankreich) oder einfach von ihnen selbst verfasst worden waren.
Wie steht es mit dem Volkslied? Wie viele davon kannst du mir nennen, die nachweislich deutschen Ursprungs und mehr als, sagen wir 300 Jahre alt sind, heute aber noch regelmäßig rezipiert werden?
Was uns zum nächsten Punkt bringt: Die musikalische Wandlung des letzten Jahrhunderts.
Volkslieder waren ein wichtiger Träger mündlicher Tradition. Das hat sich geändert. Punkt. Im letzten Jahrhundert (natürlich auch schon davor, aber nicht ausschlaggebend) hat sich die Technologie dahin gewandelt, dass Musik immer und überall verfügbar ist, auch ohne Liederabende oder Gesang an der Wiege. Dazu kam die krasse Änderung der musikalischen Darbietung weg von "klassischen" Instrumenten zu elektronischer Musik. Mit so einem Wechsel ist es nur natürlich, dass "überholte" Erscheinungen wie das Volkslied langsam aussterben. Sie werden einfach nicht mehr gebraucht, durch Neues ersetzt oder mit aktuellem Liedgut verwässert (siehe aktuelle Lagerfeuerlied-Listen).

Kurz und knapp: Man muss trennen zwischen dem Begriff Volkslied und der Aufführung "traditioneller" Stücke bei Musikabenden und Lagerfeuern. Letztere wird es immer in einer Form geben, aber das Volkslied wird langsam in seine kleine Nische zurückgedrängt und durch neue Musikformen ersetzt werden. So war es schon immer mit den verschiedensten Formen der Lyrik, so wird es auch wieder geschehen.
Ich als Musiker und vor allem Mediävist finde das ganze natürlich schon schade, aber gewisse Läufe der Geschichte lassen sich eben nicht aufhalten...
 
Zuletzt bearbeitet:
Immer wieder ein gutes Argument ;)


Aber das "Volkslied" ist ein sehr schwammiger Begriff. Mit ihnen verhält es sich wie mit den Märchen. Was wir heute als "gutes deutsches Märchen" kennen, geht im Grunde auf die Grimmsche Sammlungstätigkeit zurück. Die Grimms, einer langen Tradition folgend, betteten ihre Märchen in eine bewusst auf alt getrimmte Tradition ein, um ihnen völkischen Charakter zu geben. Dabei war es ihnen egal, ob sie ursprünglich gar nicht aus D kamen (z.B. aus Frankreich) oder einfach von ihnen selbst verfasst worden waren.

Wie steht es mit dem Volkslied? Wie viele davon kannst du mir nennen, die nachweislich deutschen Ursprungs und mehr als, sagen wir 300 Jahre alt sind, heute aber noch regelmäßig rezipiert werden?

Der Begriff "Volkslied" ist sicherlich nicht fest definierbar. Den Unterschied zum Märchen sehe ich allerdings nach Deiner Definition darin, dass der völkische Charakter hier nur in einigen Liedern zum Ausdruck kommt, denn gerade die Volkslieder sind in ihrer Thematik außergewöhnlich vielfältig. Themen wie Wanderlust, Liebe, Jahreszeiten, Trauer usw. kommen vor. Nicht zu vergessen, dass Volkslieder nicht nur eine einfache Sammlung von fertigen Erzählungen darstellen, die Buchstabengetreu übernommen werden.

Den Begriff „Volkslied“ kann man wohl nur grob umreißen, weil sich darin so vieles Unterschiedliche verbirgt: Es sind sowohl Lieder, die im Volke entstanden und mündlich weitergegeben wurden, als auch Lieder, die von Dichtern getextet (Claudius, Brentano, Heine u.a.) und Musikern (J.F. Reichardt, F. Silcher, J. P.A. Schulz) komponiert und von der Bevölkerung tradiert, weiterentwickelt, variiert oder einfach nur übernommen wurden. Ein solches Beispiel ist das schon genannte „Der Mond ist aufgegangen“.

Und selbstverständlich gibt es eine Menge Lieder, die wir nach diesem Verständnis zu Volksliedern zählen, die auch heute noch lebendig und mehrere hundert Jahre alt sind.
Man denke nur an das Lochamer Liederbuch von ca. 1460(All mein Gedanken, die ich hab…; Ich fahr dahin…). Ebenfalls aus dieser Zeit: „Es dunkelt schon in der Heide“.
Aus dem 16. Jahrhundert: „Ach bitt’rer Winter“, „Der Kuckuck auf dem Zaune saߓ, „Es blies ein Jäger wohl in sein Horn“, „Es wollt ein Bauer früh aufsteh’n“ usw.
Aus dem 17. Jahrhundert: „Der Winter ist vergangen“, „Die güldene Sonne“, „Es waren zwei Königskinder“, „In stiller Nacht“ usw.
Aus dem 18. Jahrhundert: „Ännchen von Tharau“, „Auf, auf zum fröhlichen Jagen“, „Bunt sind schon die Wälder“, „Die Gedanken sind frei“, „Kein Feuer, keine Kohle“ usw.

Noch mehr???;)
 
Der Begriff "Volkslied" ist sicherlich nicht fest definierbar. Den Unterschied zum Märchen sehe ich allerdings nach Deiner Definition darin, dass der völkische Charakter hier nur in einigen Liedern zum Ausdruck kommt, denn gerade die Volkslieder sind in ihrer Thematik außergewöhnlich vielfältig. Themen wie Wanderlust, Liebe, Jahreszeiten, Trauer usw. kommen vor. Nicht zu vergessen, dass Volkslieder nicht nur eine einfache Sammlung von fertigen Erzählungen darstellen, die Buchstabengetreu übernommen werden.
Also gerade da sehe ich eigentlich keinen Unterschied zwischen Märchen und Volksliedern! :)
Märchen sind ja ebenfalls meist zeitlos und nicht ortsgebunden und sind oftmals großer Veränderlichkeit durch Tradition unterworfen. Das Beispiel mit den Märchen sollte eigentlich nur verdeutlichen, dass das, was wir heute als Volkslied kennen, mitnichten auf irgendwelche uralten deutschen Traditionen zurückgehen muss, sondern dass schon damals alles Mögliche mit in diese Lyrikform einfloss und es somit nur natürlich ist, dass sie einer gewissen Wandlung unterliegt und nicht statisch ist. Und gerade heute beim rasanten Wandel in der Musikwelt ist es für mich nicht verwunderlich, dass mit alten Normen gebrochen wird und z.B. kein Interesse mehr an alten Musikformen besteht.

Und selbstverständlich gibt es eine Menge Lieder, die wir nach diesem Verständnis zu Volksliedern zählen, die auch heute noch lebendig und mehrere hundert Jahre alt sind.
Man denke nur an das Lochamer Liederbuch von ca. 1460(All mein Gedanken, die ich hab…; Ich fahr dahin…). Ebenfalls aus dieser Zeit: „Es dunkelt schon in der Heide“.
Aus dem 16. Jahrhundert: „Ach bitt’rer Winter“, „Der Kuckuck auf dem Zaune saߓ, „Es blies ein Jäger wohl in sein Horn“, „Es wollt ein Bauer früh aufsteh’n“ usw.
Aus dem 17. Jahrhundert: „Der Winter ist vergangen“, „Die güldene Sonne“, „Es waren zwei Königskinder“, „In stiller Nacht“ usw.
Aus dem 18. Jahrhundert: „Ännchen von Tharau“, „Auf, auf zum fröhlichen Jagen“, „Bunt sind schon die Wälder“, „Die Gedanken sind frei“, „Kein Feuer, keine Kohle“ usw.

Noch mehr???;)
Deswegen fragte ich ja bewusst nach Liedern, die auch heute noch aktiv rezipiert werden ;)
Dass es diese Lieder gibt, ist unbestritten, aber dann müsste man auch den höfischen Roman, die Heldendichtung (mal abgesehen vom Nibelungenlied) und auch die Minnelyrik als "aktuell" bezeichnen und nicht, wie es leider der Fall ist, als "von einer verschwindend geringen Minderheit noch aktiv rezipiert, aber in der Allgemeinheit fast gänzlich unbekannt". Die von dir genannten Lieder kenne ich nicht, aber ich kann mir vorstellen (verbesser mich bitte, wenn ich falsch liege), dass es recht schwierig sein dürfte, mehr als eins oder zwei von ihnen in aktuellen Liederbüchern zu finden, was sie einer breiten Masse an "Volksliedwilligen" zugänglich machen würde ;)
 
Zitat von Effjott
Und selbstverständlich gibt es eine Menge Lieder, die wir nach diesem Verständnis zu Volksliedern zählen, die auch heute noch lebendig und mehrere hundert Jahre alt sind.
Man denke nur an das Lochamer Liederbuch von ca. 1460(All mein Gedanken, die ich hab…; Ich fahr dahin…). Ebenfalls aus dieser Zeit: "Es dunkelt schon in der Heide".
Aus dem 16. Jahrhundert: "Ach bitt'rer Winter", "Der Kuckuck auf dem Zaune saß", "Es blies ein Jäger wohl in sein Horn", "Es wollt ein Bauer früh aufsteh'n" usw.
Aus dem 17. Jahrhundert: "Der Winter ist vergangen", "Die güldene Sonne", "Es waren zwei Königskinder", "In stiller Nacht" usw.
Aus dem 18. Jahrhundert: "Ännchen von Tharau", "Auf, auf zum fröhlichen Jagen", "Bunt sind schon die Wälder", "Die Gedanken sind frei", "Kein Feuer, keine Kohle" usw.

Noch mehr???

Und wie schauts im 21. Jahrhundert damit aus?
Kannst du Lieder, die im "Kultliederbuch" drin sind als Volkslied bezeichnen? Sind Lagerfeuerlieder auch schon Volksmusik?
 
Deswegen fragte ich ja bewusst nach Liedern, die auch heute noch aktiv rezipiert werden ;)
Dass es diese Lieder gibt, ist unbestritten, aber dann müsste man auch den höfischen Roman, die Heldendichtung (mal abgesehen vom Nibelungenlied) und auch die Minnelyrik als "aktuell" bezeichnen und nicht, wie es leider der Fall ist, als "von einer verschwindend geringen Minderheit noch aktiv rezipiert, aber in der Allgemeinheit fast gänzlich unbekannt". Die von dir genannten Lieder kenne ich nicht, aber ich kann mir vorstellen (verbesser mich bitte, wenn ich falsch liege), dass es recht schwierig sein dürfte, mehr als eins oder zwei von ihnen in aktuellen Liederbüchern zu finden, was sie einer breiten Masse an "Volksliedwilligen" zugänglich machen würde ;)


@ Bannockburn:

Nun habe ich mir aufgrund Deiner Nachfrage die Mühe gemacht, in einem aktuellen Liederbuch (Schulliederbuch) nachzuschauen, das ich hier zu Hause habe.
Es handelt sich um "canto - Unser Liederbuch" aus dem Schroedel- Verlag, Westermann, Braunschweig 2007 (Erstausgabe). Ich hoffe, das ist aktuell genug ;).
Folgende der von mir oben genannten Lieder sind hier mit Text und Noten aufgeführt, sowie auf einer der insgesamt 4 CDs als Hörbeispiel beigelegt:

- Ach bitt'rer Winter (S.58)
- Bunt sind schon die Wälder (S.54)
- Der Mond ist aufgegangen (S.38)
- Der Winter ist vergangen (S.44)
- Die Gedanken sind frei (S.212)
- Die güldene Sonne (S.34)
- Es dunkelt schon in der Heide (S.184)
- Es waren zwei Königskinder (S.178)

Hier die Inhaltsangabe:

http://www.schroedel.de/pdf/978-3-507-07370-8_inhalt.pdf

Du siehst, es sind ein paar mehr geworden als eins oder zwei ;).

@ ninanna:

Ich besitze das Kultliederbuch nicht, aber habe es schon in Händen gehabt und wenn ich mich recht entsinne, sind es überwiegend Schlager, englische Popsongs oder Folksongs.
Volkslieder sind das meiner Meinung nach nicht, da es sich bei diesen Songs mehr oder weniger um kommerzielle Lieder handelt, wenn ich das richtig sehe.
Auch die Lagerfeuerlieder würde ich persönlich nicht als "klassische" Volkslieder bezeichnen, obgleich ich da durchaus gern mal aus der "Mundorgel" singe :).
Aber das ist natürlich sehr subjektiv.;)
 
Volkslieder sind das meiner Meinung nach nicht, da es sich bei diesen Songs mehr oder weniger um kommerzielle Lieder handelt, wenn ich das richtig sehe.
Nun, die "neuen" Lieder könne ja nichts dafür dass sie durch das Urheberrecht geschützt werden und dass die Lagerfeuerrunde wahrscheinlich GEMA-pflichtig wäre.


Ich würde das als Volkslied bezeichnen was es in das kollektive Gedächnis schafft und somit zu einem gemeinsamen Gut wird.
Eine kleine Theorie dazu: Das Volkslied an sich kann es nicht mehr geben, da kein neues Material dazu kommen kann weil es ganz lange über die kommerzielle Verwertung hinaus geschützt ist. Zwischen dem Auslaufen der kommerziellen Verwertung und der Transformierung zum Allgemeingut stehen je nachdem wie lange der Komponist lebt um die 100 Jahre, mehr als genug Zeit um aus der Wahrnehmung zu verschwinden. Gerade wird eines an Blues Gemeinfrei, niemand erinnert sich mehr daran, das meiste ist nicht mal mehr als Aufnahmen aufzutreiben und lebendig gehalten wurde in den 70 Jahren nach dem Ableben des Musikers gar nichts. Vielleicht würden wir da heute noch einiges von kennen.
Damit ist das Volksliedgut auf einem alten Stand fest gefroren und frei von neuen Einflüssen. Sprich: gestorben.
 
Damit ist das Volksliedgut auf einem alten Stand fest gefroren und frei von neuen Einflüssen. Sprich: gestorben.

Gestorben heißt aber nicht notwendigerweise, tot, vergessen und verschwunden zu sein aus dem Bewusstsein.

Die Wandervogelbewegung im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts hatte sich u.a. auf die Fahne geschrieben, Volkslieder wieder zu beleben.
Nach dem zweiten Weltkrieg gab es in Deutschland in den 50er und 60er Jahren eine Schulmusikbewegung, die vom Volkslied ausging.
Die 70er Jahre brachten in der Liedermacherszene in Deutschland eine sehr intensive Auseinandersetzung mit dem Volkslied, auch auf kritische Weise.
Wer weiß schon, ob zukünftig nicht irgendwann der Umgang mit Volksliedern wieder neu und vielleicht auf ganz andere Weise praktiziert wird.

Mir ist schon klar, dass heute Volkslieder nicht in dem Gewand entstehen können, wie das in den vergangenen Jahrhunderten der Fall war und dass man diese Bezeichnung auch nicht für neue Lieder/Songs, die sich im "kollektiven Gedächtnis" festsetzen, benutzen kann.

Ich sehe das mit den Volksliedern als das, was sie waren: Ein Produkt ihrer Zeit in einer ganz bestimmten historischen Situation, in der Lieder gesungen wurden als musikalischer Ausdruck von allerlei Themen, die die Menschen in irgendeiner Form bewegten.
Meine Ausgangsfrage im Thread war auch nicht, ob heute neue Volkslieder entstehen, sondern, ob sie noch im Bewusstsein der Menschen sind und noch erklingen oder ob man sie aus welchen Gründen auch immer vergessen hat oder sich schämt sie zu singen, weil sie nicht modisch genug erscheinen.

Innovation ist sicherlich ein wesentliches Kriterium für Musik, aber meines Erachtens nicht das einzige, wenn es darum geht, Vergangenes zu erhalten.
Rational gesehen kommen die "alten" Volkslieder den Kindern und Jugendlichen zunächst wohl eher seltsam vor, aber Musik und somit auch Volkslieder haben etwas Wunderbares neben der theoretischen und sachlich- analytischen Betrachtungsweise: Sie lösen Emotionen aus. Dass Singen gesund ist und Spaß machen kann, wurde mehrfach erwähnt.

Und ich glaube auch nicht, dass Volkslieder in Zukunft tot sind.
Es liegt an den Menschen selbst, wenn man sich in der heutigen Zeit der Fremdbestimmung durch Technik, der wir nicht entrinnen können (was keineswegs negativ gemeint ist), der Erinnerung und Bewahrung von wertvollen Liedern beraubt.
 
Also "Die Gedanken sind frei" sollte man schon noch kennen, ein hochbristant-politisches Lied, was auch heute noch in JEDEM Schulliederbuch zu finden ist! (Sorry, halte das wirklich für ne Bildungslücke)

Ansonsten werden in vielen Kindergärten und Grundschulen immernoch die Volkslieder gepflegt: Das Wandern ist des Müllers Lust, Bunt sind schon die Wälder, Bruder Jakob, Der Hahn ist tot etc. sind alles "Kinderlieder" die man heute noch kennt, aber einen deutlich älteren Ursprung haben und damals sicherlich nicht (nur) für Kinder getextet und intoniert wurden.

"Der Mai ist gekommen" singt man in meiner Stadt immernoch am letzten Aprilabend (meist mit 2000 Leuten auf dem Rathausplatz). Ferner werden lokale eigene Lieder ebenso gerne intoniert, besonders im akademischen und lokalpartriotischen Umfeld (zB "Alt-Marburg" als Marburgs Stadthymne)
 
Also "Die Gedanken sind frei" sollte man schon noch kennen, ein hochbristant-politisches Lied, was auch heute noch in JEDEM Schulliederbuch zu finden ist! (Sorry, halte das wirklich für ne Bildungslücke)

Völlig richtig!

Von dieser Art gibt es eine ganze Menge; Lieder, die nur vordergründig unpolitisch scheinen, in Wirklichkeit aber voll von Symbolen des Protests oder Widerstands stecken, um die jeweils herrschende politische Zensur zu umgehen.
Allein in der Zeit des Vormärz entstanden massenhaft solche Lieder.
Der Dichter des Deutschlandliedes, das ja bekanntlich grundsätzliche politische Forderungen enthält, Hoffmann von Fallersleben, gehörte zu den Verfechtern, die an die Kraft des Liedes als Waffe gegen die Unterdrückung glaubten.

Beispiel:
(Text: Hoffmann von Fallersleben 1835)

"Winter ade"
Winter ade!
Scheiden tut weh.
Aber dein Scheiden macht,
Daß mir das Herze lacht!
Winter ade!
Scheiden tut weh

Winter ade!
Scheiden tut weh.
Gerne vergeß ich dein,
Kannst immer ferne sein.
Winter ade!
Scheiden tut weh.

Winter ade!
Scheiden tut weh.
Gehst du nicht bald nach Haus,
Lacht dich der Kuckkuck aus!
Winter ade!
Scheiden tut weh.

Vielfach als Kinderlied eingeordnet, ist dieses Lied doch auch politisch deutbar. Der "Kuckuck" als Freiheitssymbol der 1848er-Revolution ist hinlänglich bekannt; und es gibt viele weitere Gedichte, in denen Hoffmann die politischen Verhältnisse in Deutschland als "Winter" bezeichnet. Das Lied entstand drei Jahre nach dem Hambacher Fest (1832). Offensichtlich war und ist der politische Zusammenhang aber nicht: Dieses Lied war in Preußen vor dem ersten Weltkrieg für den Unterricht in der ersten Klasse vorgeschrieben.

Auch Lieder wie "Zogen einst fünf wilde Schwäne" oder das Hamburger Volkslied aus der Zeit der Napoleonischen Besatzung "Jan Hinnerk van de Lammerstraat" sind voll von politischer Symbolik.
 
Musikalisch in einem neuen Gewand und sehr schön finde ich das Album von Achim Reichel, Ex- Mitglied der Rattles, mit Volksliedern aus dem Jahre 2006 "Volxlieder".

Seine Äußerung dazu:

»Die Tradition der Volkslieder ist eben nicht statisch, sie befinden sich in einem ständigen Wandel. Um den Liedern eine Gemütstiefe, heute würde man auch sagen Feeling, geben zu können, musste ich einen weiten Weg gehen. Dabei war es mir nicht unbedingt wichtig, Melodien ›originalgetreu‹ einfach so abzusingen. Wenn ich das anders empfinde, dann sing ich das auch anders.«

Für Interessierte:

http://www.jpc.de/jpcng/poprock/detail/-/art/Achim-Reichel-Volxlieder/hnum/1823648
 
Sry, ich war echt drei Tage nicht mehrin diesemThread und hier hat sich soviel inzwischen getan...deshalb kurz nur:
Ich kann mir nicht vorstellen, das das ein Politikum ist.
Wenn nicht das ist, dann ist es die allgemein in Deutschland vorhandene Kulturpolitik?
Auweia, das ist ja noch viel schlimmer:mad:
Aber es könnte sein, daß das leider stimmt, wenn man die kulturellen Nachrichten verfolgt :bad:.
Chancen bestehen ebenfalls dort, wo Musik im Schulunterricht, Chor, über kirchliche Jugendgruppen, Laien-Orchester usw. erklingt...
Das mir das erst jetzt einfällt... ich kenn da einen Laienchor, dem ich vier Livemitschnitte zu CDs gemacht habe, und ich gestehe: ich hatte wirklich jedesmal viel Spaß dabei. Warum? Ganz einfach, weil der Spaß und die Freude, die die Chormitglieder beim Singen hatten, sich auch mich übertragen hat. Dadurch werden auch sehr eng regional begrenzte Lieder wie z.B. "Wir sind die Waltershäuser" bewahrt und verbreitet :).

Laienchöre sind eine "Spezies", die durchaus dazu geeignet sind, dieses Liedgut zu bewahren, lebendig zu halten und weiterzugeben :).
Wir hatten vor ein paar Jahren die Veranstaltung zur Vergabe der Zelterplakette, da waren auch einige, eigentlich alle Teilnehmer sehr gut, höchst engagiert und vieles, was den Volksliedern zuzuordnen ist, dabei :).
 

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