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Gast17445
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Uli hat ja gerade einen schön dokumentierten Thread zum Bau einer 15" Reflexbox angelegt, da möchte ich es nicht versäumen, auch mein Scherflein zum Thema Boxenbau beizutragen.
Anders als Uli möchte ich aber nicht so detailliert auf die einzelnen handwerklichen Schritte eingehen (die hat Uli ja alle schön dargestellt und bebildert), sondern eher Wert auf die nötigen Vorüberlegungen legen.
Das Ziel: Ich möchte ein kleine, leichte, hochwertige, leistungsfähige 12" Box bauen, die als Zusatzbox zum Promethean 5110 und auch besonders für die Wiedergabe von Kontrabass und Akustikbass als stand-alone Box dienen kann.
1. Überlegungen zum Frequenzgang
Ich möchte Kontra- und Akustikbass gut abbilden, dazu brauche ich einen schönen warmen Brumm und differenzierte Mitten. Das tiefe E meiner 4-Saiter liegt bei etwas über 40 Hz, aus meiner Spielpraxis weiß ich jedoch, dass ich für "meinen" Sound die 50Hz bis 5 KHz Regler unseres PA-EQs bewege. In tieferen und höheren Frequenzlagen passiert nichts wohlklingendes mehr. Deshalb und weil ich das Volumen der der Box klein halten möchte spezifiziere ich den Frequenzgang meiner Wunschbox auf den Bereich 50Hz bis 5kHz.
2. Überlegungen zur Boxen-Geometrie
Wegen des guten Wirkungsgrades im Bassbereich und weil sie relativ einfach zu bauen sind entscheide ich mich grundsätzlich für ein Bassreflex-System.
Die Box soll "klein" und "leicht" sein, denn wer trägt schon gerne sperrige, schwere Kisten durch die Gegend? (Was mich angeht, so ist mein Elan für die Schlepperei schon recht früh in meinen 20ern verlorengegangen. Damals spielten die Gitarristen über selbstgebaute 4x12er aus 22ger Spanplatte, ich besaß noch ein Fender Rhodes und unsere PA beinhaltete u. a. für den runden Bass-Sound zwei selbstgebaute doppelt geladene Martin Bins, auch aus 22ger Spanplatte. Wir haben zu viert locker 500 kg pro Gig bewegt. Das brauche ich wirklich nicht mehr!)
2. 1 Fange ich mal bei der Schallwand (Baffle) an. Ich möchte jetzt nicht so weit ausholen, muss aber einen Effekt erwähnen, den jede Box mit einer nicht unendlich großen oder unendlich kleinen Schallwand zeigt: Im Frequenzbereich, dessen Wellenlänge 1/8tel der Schallwandbreite entspricht, erzeugt sie ein Schalldruckmaximum, dass sich als quäkige Mitten oder aufdringliche Höhen zeigen kann. Dieser Effekt ist der sogenannte Baffle Step. Da ich aber keine HiFi-Box baue, kann ich einen simplen Trick anwenden: Ich lege den Baffle Step in einen Frequnzbereich, den die Box sowieso nicht erzeugen soll, also in den Bereich größer als 5 kHz. Die Schallwand Breite (und Länge) sollte also kleiner sein als 8 * die Wellenlänge bei 5 kHz = 8 * 6,8cm, also kleiner als ca. 54cm.
Ich begebe mich auf die sichere Seite und postuliere: Die Schallwand sollte so klein wie möglich sein. Das kommt natürlich auch meinem Wunsch nach möglichst kleinen Boxen-Abmessungen entgegen.
Betrachten wir einmal eine solche Box mit kleinstmöglicher Schallwand: Die TC RS 112, ein 12/1 Zwei-Wege-BR-Box, die ich selbst besitze und die ich als sehr warm und differenziert klingend empfinde. Die Ings. von TC Electronic haben die Schallwand so klein wie nötig gebaut, die Außenabmessung der Box sind (HxBxT) 35cm * 35cm * 50cm, bei 18mm Wandstärke. Die Reflexöffnung haben sie auf die Rückseite verbannt, was vollkommen akzeptabel ist: Die durch die Reflexöffnung abgestrahlten tiefen Frequenzen besitzen keine Richtcharakteristik, es spielt also keine Rolle, wo sich die Reflexöffnung befindet (sie sollte sich nur nicht auf dem Boden der Box befinden). Die rückseitige Reflexöffnung hat noch einen weiteren Vorteil: Die in der Theorie nicht vorgesehenen, jedoch in der Praxis immer vorhandenen phasenverschobenen und deshalb störenden mittleren Frequenzanteile, die durch die Reflexöffnung leider auch abgestrahlt werden, werden nicht nach vorne in das Klangbild abgegeben, sondern in den rückwärtigen Raum, wo eine gute Chance besteht, dass sie den Klang nicht mehr negativ beeinflussen.
Weiterhin haben die TC Ings. sich für ein Koaxial-Lautsprecher-System entschieden, d.h., der 1"-Hochtöner sitzt "huckepack" auf dem 12" Tieftöner und strahlt durch dessen Staubschutzhaube hindurch. Dadurch braucht er keinen Platz auf der Schallwand, die Schallwandabmessungen können also klein bleiben.
Während ich die Koaxial-Lösung trotz aller theoretischen Bedenken (versetzte Abstrahlungsebenen erzeugen Überlagerungen und Auslöschungen im Übergangsfrequenzbereich der beiden LS) genial finde und auch keine Mankos hören kann, begeistert mich die rückwärtige Reflexöffnung der TC-Box nicht ganz so. Die Box klingt ohne Zweifel sehr gut, aber sie ist von den Abmessungen her schon ziemlich tief und kann zudem nicht direkt an eine Wand gerückt werden. In kleinen Clubs rückt sie unter Umständen soweit nach vorne, dass der Drummer sie nicht mehr richtig hört.
Mein Lösungsansatz zum Erreichen einer möglichst kleinen Schallwand lautet also:
Verwendung eines Koaxial-LS-Systems, Reflexöffnung jedoch vorne.
Die Reflexöffnung wird dabei nicht rund, sondern als rechteckiger Tunnel am Boxenboden ausgeführt. Auf diese Art kann die Frontseite klein bleiben. Außerdem lande ich dann bei meiner geliebten Electro Voice Thielebox-Bauform, die ich schon in einer 15"-Version als TL606 gebaut habe und die mir mechanisch sehr gut durchdacht erscheint. Außerdem empfinde ich sie als gutaussehend, was irgendwo ja auch eine Rolle spielt.
Ich nenne folgerichtig meine neue Wunschbox Little 606.
2.2 Die Abmessungen der Box
Das Volumen der Box richtet sich nach der gewünschten Abstimmfrequenz der Box und der Gesamtgüte Qts des verwendeten Lautsprechers. Boxen mit großem Volumen können - den richtigen LS vorausgesetzt- tiefer gestimmt werden als Boxen mit kleinem Volumen.
Da ich den Frequnzbereich der Box spezifiziert habe, kann ich mich auf die Suche nach einem geeigneten Lautsprecher machen. Dabei achte ich natürlich auch auf ausreichend Leistung und die richtige Impedanz (8 Ohm)
Der Beyma 12" MW/Nd deckt den Bereich von 50Hz bis 5kHz lt. Datenblatt ganz vernünftig ab, und er ist kein Koaxial-System. Das ist mir ganz recht: Kein Koaxial-System bedeutet auch keine Frequenzweiche - ein Problem weniger! Frequenzweichen sind verlustbehaftet, sie verschlechtern den Dämpfungsfaktor des Systems und sie sind aufwändig abzustimmen! (Dass ich möglicherweise doch einen Hochpass ab 40Hz einbauen werde, behalte ich zunächst mal nur im Hinterkopf.)
Eine Simulation der geplanten Box mit WinISD ermittelt bei Verwendung des Beyma-LS für einen linearen Frequenzgang im gewünschten Bereich 50Hz - 5kHz ein 50 Liter-Gehäuse.
Die Frage ist hier aber ganz grundsätzlich, ob ich überhaupt Wert auf einen linearen Frequenzgang lege? Ich bin doch Bassist, kein HiFi-Fetischist! Die oben erwähnte TC-Box hat einen +3dB-Buckel im Bereich um 130Hz. Macht das möglicherweise ihre "Wärme" aus? Meine TL 606 mit EV 15L-Lautsprecher definiert ihren Charakter mit einem deutlichen Knurr bei etwa 120 Hz und besitzt ganz bestimmt keinen linearen Frequenzgang.
Ich entscheide mich, beide Optionen "Linear" und "mit Buckel" offen zu lassen. Ich plane die Box zunächst auf 65Hz abzustimmen und eine +2dB Anhebung im Bereich von 80 Hz anzustreben.
Durch nachträgliche Verlängerung des Reflextunnel kann ich das System jedoch auch linearisieren und auf 55Hz abstimmen, durch Verschließen eines Reflexkanals kann ich die Abstimmung weiter auf 45Hz senken. Da bin ich schon auf die Tests gespannt.
Zurück zu den Abmessungen der Box.
Jetzt, wo ich das Volumen der Box kenne, kann ich auch die Abmessungen festlegen.
Die Front der Box wird schon grob durch die Vorgabe möglichst kleine Schallwand plus Reflextunnelhöhe vorgegeben. Bei gegebenen Volumen von ca. 50l stehen jetzt also auch Höhe, Breite und Tiefe der Box fest. Ein wenig Abweichung vom strengen Dogma "Schallwand so klein wie möglich" erlaube ich mir, denn es gibt eine konkurrierende Überlegung bezüglich des Boxenformates: "Box so leicht wie möglich!" Aus Mathe wissen wir ja noch von Quadern, dass der Sonderfall Würfel das größte Volumen bei kleinster Oberfläche einschließt. Anders gesagt: Ein Würfel braucht am wenigsten Material, um 50 Liter einzuschließen. Der Würfel ist die leichteste Konstruktion!
Andererseits befördert eine Boxenkonstruktion, bei der die Seitenverhältnisse B*H*T wie 1:1:1 sind die Entstehung von stehenden Wellen innerhalb der Box, deren Maximum bei den voraussichtlichen Gehäuseabmessungen bei ca. 2kHz (durch Überlagerung von 1kHz-Wellen) liegen könnten. Das wäre nicht ganz so schön!
Für die Gehäuseabmessungen muss also ein Kompromiss zwischen minimaler Schallwandgröße, nahezu Würfelform und Ungleichheit der Seitenlängen gefunden werden. Außerdem möchte ich noch daran denken, dass die Seitenabmessungen nicht zu viel Verschnitt erzeugen sondern einigermaßen ökonomisch aus den gängigen Multiplex-Plattengrößen herzustellen sind.
Nach etwas Tüftelei ermittele ich folgende Abmessungen:
Innen, H*B*T in cm: 40 * 37 * 34,5 = 51 Liter
Außen (15mm Multiplex), H*B*T in cm: 43 * 40 * 40
3. Material
Ich habe gute Erfahrung mit 18mm Birkenmultiplex gemacht, diesmal möchte ich jedoch konsequent auf Leichtbau setzen. Deshalb wähle ich 7-schichtiges 15mm Pappel-Sperrholz, Klasse A ohne Äste, spz. Gewicht ca. 480kg/m³. Meine Excel-Planungsunterlagen spucken mir für die Box ein Holzgewicht von knapp 8kg aus, die Ausschnitte für den LS und den Griff bereits abgezogen. Mit LS und ein wenig Hardware werde ich wohl bei 12kg landen. Das wäre nicht übel!
Etwas Kopfzerbrechen macht mir das Gewicht der nötigen Dämpfung (der Schalldurchtritt durch das leichte Pappelsperrholz wird nicht zu vernachlässigen sein) und der nötigen Versteifungen. Da lasse ich mich überraschen.
Folgende Parameter stehen für die Little 606 jetzt fest:
Bauform EV-Thiele-Box a la TL 806/606, Ein-Wege-Bassreflexbox
15mm Pappel-Sperrholz
LS: Beyma 12 MW/Nd, 300/750Watt, 8Ohm
65Hz - 5kHz, +2dB bei 80Hz, oder
55Hz - 5kHz, 0dB linear ab 80Hz
Abessungen außen, H*B*T in cm : 43 * 40 * 40
Volumen in Liter: 50
Na, dann kann es ja losgehen.
- - - Aktualisiert - - -
Als erstes rechne ich den Thielebox-Bauplan auf die richtigen Maße um, dann fertige ich entsprechend die Holzzuschnitte an und verleime sie in sinnvoller Reihenfolge. Dazu brauche ich Holzleim (Express-Leim) und Schraubzwingen in ausreichender Menge und Größe. Schrauben werde ich nur für die Schallwand benutzen, denn die soll abnehmbar bleiben. Möglicherweise möchte ich den Reflextunnel noch ändern, oder vielleicht doch noch eine Koaxial-LS-System einsetzen, wer weiß? Wenn ich die Schallwand verleime, bin ich da nicht mehr flexibel.
Die Rahmenteile werden mit den Seitenteilen verleimt…
Ich erhalte so eine Sammlung an vorbereiteten Seitenteilen, …
… die ich dann (am besten mit Hilfe) zusammenleime. Die Schallwand kommt noch nicht rein.
In die entstandene Kiste leime ich noch das Reflextunneldach und die Rahmen vorne links und rechts ein.
Mit der Oberfräse fertige die Ausschnitte für Anschlussport, Griff und Lautsprecher an. Die Kanten der Box versehe ich mit einem 6mm Radius, damit die Kunststoff-Schutzkappen später passen.
Seitenwände, Deckel und Rückwand werden mit senkrecht aufgeleimten Sperrholzstreifen versteift. Die Versteifungen sollen verhindern, dass die Seiten anfangen zu schwingen, denn das würde a) den Schalldruck vor der Box verkleinern, b) die Impulstreue verderben und c) richtig übel dröhnen. Wenn später das Boxeninnere noch mit der richtigen Menge Noppenschaum zur Absorption der inneren Reflektionen ausgekleidet ist (das verhindert stehende Wellen und einen zu großen Mittenanteil, der durch die Reflexöffnung dringen würde), werde ich die Versteifungsleisten noch über Kreuz verleimen.
Die freien Flächen bedämpfe ich mit 8mm Filz. Filz ist trotz des geringen Gewichtes ein gutes Mittel gegen den Durchtrittsschall durch die Wände. Die Reflexkanäle am Boden bleiben natürlich frei!
Jetzt darf ich der Box den Anstrich verpassen. Ich verwende Warnex Strukturlack, den ich in mehreren Durchgängen auftrage. Hier darf man kreativ sein, was die Struktur angeht. Das Zeug ist ziemlich pastös und erlaubt eine Menge Gestaltungsvarianten. Ich bin da allerdings eher konservativ…
Als nächstes wird der Anschlussport verschaltet. Ich habe mich für zwei parallel geschaltete Speakon-Buchsen entschieden. Der Lautsprecher liegt an den Klemmen +1 und -1 der Buchsen, wobei der LS-Plus-Pol an Speakon +1 gehört. Wer nicht weiß, welches der Pluspol des LS ist, der halte einen 9V Block an die LS-Klemmen. Bewegt sich der LS nun nach vorne, so liegt der Pluspol des 9V-Blocks auch am Pluspol des LS.
Eine Besonderheit hier: Ich verschalte auch die +2 und -2 Pole der Speakon-Buchsen parallel. Das eröffnet mir die Möglichkeit, Bi-Amping über nur ein 4-poliges Lautsprecherkabel zu betreiben (passt super zu meinem Gallien Krüger RB 700 II). Die TT-Anteile des Bi-Amping-Signals laufen über +1 und -1 in meine Little 606, die HT-Anteile werden durch meine Box auf +2 und -2 zu einer externen Hochtoneinheit durchgeschliffen.
Ich bevorzuge Speakon-Buchsen mit Schraub-Klemm-Befestigung, das geht schneller als Löten und ist der gängige Industriestandart. Die Buchsen lassen sich mit einem Streifen Isolierband leicht abdichten. Auf Lautsprecherseite verwende ich Flachstecker, wie man sie auch aus der KFZ-Technik kennt.
Für die kurzen Strecken in der Box reichen 1,5 mm² Kabelquerschnitt aus, bei größeren Querschnitten wird es in den Neutrik Schraub-Klemmen eng. Alternativ könnte man sicher auch die Neutrik FastOn-Flachstecker verwenden, da ist das Parallelschalten noch einfacher.
Das LS-Kabel fixiere ich mit einer Heißklebepistole in der Box an geeigneter Stelle.
Griff und Anschlußport kann man mit Silikon, Acryl oder Dichtband abdichten. Ich verwende alten Fahrradschlauch…
(Die Kabel werden natürlich noch schöner geführt!)
Auch der Lautsprecher und die Schallwand müssen abgedichtet werden.
Ich empfehle, Griff und Lautsprecher mit Einschlagmuttern zu befestigen, wenn genug "Fleisch" für diese vorhanden ist. Schaut doch mal in Ulis Nachbar-Thread "Selbstbau 15" Reflexbox", da sind eine Menge handwerkliche Feinheiten sehr gut beschrieben und bebildert.
So sieht die Little 606 zur Zeit aus (oben: Mein Promi 5110):
Und das wiegt sie, so wie sie ist:
Schön, ca. 11,5kg, klasse! Fehlt noch der Lautsprecherschutz, den ich wie bei meiner TL 606 auch aus Lochblech herstellen werde.
Mein erster Höreindruck:
Anders als meine TL606 klingt sie sehr, sehr ehrlich und reproduziert genau, was in sie hineingeschickt wird. Die Mitten sind sehr transparent, man hört die Saiten schön singen, aber auch alle Saitenschnarrer werden gnadenlos abgebildet. Die Box braucht scheinbar gar keinen Noppenschaum, der Filz ist scheinbar auch recht reflektionshemmend.
Einen Hochtöner vermisse ich überhaupt nicht, im Bassbereich muss ich aber noch ein wenig experimentieren.
Bisher konnte ich meine Little 606 aber noch nicht laut hören und mich auch noch nicht um die Feinabstimmung kümmern. Das kommt aber auch noch.
Ich werde berichten.
Anders als Uli möchte ich aber nicht so detailliert auf die einzelnen handwerklichen Schritte eingehen (die hat Uli ja alle schön dargestellt und bebildert), sondern eher Wert auf die nötigen Vorüberlegungen legen.
Das Ziel: Ich möchte ein kleine, leichte, hochwertige, leistungsfähige 12" Box bauen, die als Zusatzbox zum Promethean 5110 und auch besonders für die Wiedergabe von Kontrabass und Akustikbass als stand-alone Box dienen kann.
1. Überlegungen zum Frequenzgang
Ich möchte Kontra- und Akustikbass gut abbilden, dazu brauche ich einen schönen warmen Brumm und differenzierte Mitten. Das tiefe E meiner 4-Saiter liegt bei etwas über 40 Hz, aus meiner Spielpraxis weiß ich jedoch, dass ich für "meinen" Sound die 50Hz bis 5 KHz Regler unseres PA-EQs bewege. In tieferen und höheren Frequenzlagen passiert nichts wohlklingendes mehr. Deshalb und weil ich das Volumen der der Box klein halten möchte spezifiziere ich den Frequenzgang meiner Wunschbox auf den Bereich 50Hz bis 5kHz.
2. Überlegungen zur Boxen-Geometrie
Wegen des guten Wirkungsgrades im Bassbereich und weil sie relativ einfach zu bauen sind entscheide ich mich grundsätzlich für ein Bassreflex-System.
Die Box soll "klein" und "leicht" sein, denn wer trägt schon gerne sperrige, schwere Kisten durch die Gegend? (Was mich angeht, so ist mein Elan für die Schlepperei schon recht früh in meinen 20ern verlorengegangen. Damals spielten die Gitarristen über selbstgebaute 4x12er aus 22ger Spanplatte, ich besaß noch ein Fender Rhodes und unsere PA beinhaltete u. a. für den runden Bass-Sound zwei selbstgebaute doppelt geladene Martin Bins, auch aus 22ger Spanplatte. Wir haben zu viert locker 500 kg pro Gig bewegt. Das brauche ich wirklich nicht mehr!)
2. 1 Fange ich mal bei der Schallwand (Baffle) an. Ich möchte jetzt nicht so weit ausholen, muss aber einen Effekt erwähnen, den jede Box mit einer nicht unendlich großen oder unendlich kleinen Schallwand zeigt: Im Frequenzbereich, dessen Wellenlänge 1/8tel der Schallwandbreite entspricht, erzeugt sie ein Schalldruckmaximum, dass sich als quäkige Mitten oder aufdringliche Höhen zeigen kann. Dieser Effekt ist der sogenannte Baffle Step. Da ich aber keine HiFi-Box baue, kann ich einen simplen Trick anwenden: Ich lege den Baffle Step in einen Frequnzbereich, den die Box sowieso nicht erzeugen soll, also in den Bereich größer als 5 kHz. Die Schallwand Breite (und Länge) sollte also kleiner sein als 8 * die Wellenlänge bei 5 kHz = 8 * 6,8cm, also kleiner als ca. 54cm.
Ich begebe mich auf die sichere Seite und postuliere: Die Schallwand sollte so klein wie möglich sein. Das kommt natürlich auch meinem Wunsch nach möglichst kleinen Boxen-Abmessungen entgegen.
Betrachten wir einmal eine solche Box mit kleinstmöglicher Schallwand: Die TC RS 112, ein 12/1 Zwei-Wege-BR-Box, die ich selbst besitze und die ich als sehr warm und differenziert klingend empfinde. Die Ings. von TC Electronic haben die Schallwand so klein wie nötig gebaut, die Außenabmessung der Box sind (HxBxT) 35cm * 35cm * 50cm, bei 18mm Wandstärke. Die Reflexöffnung haben sie auf die Rückseite verbannt, was vollkommen akzeptabel ist: Die durch die Reflexöffnung abgestrahlten tiefen Frequenzen besitzen keine Richtcharakteristik, es spielt also keine Rolle, wo sich die Reflexöffnung befindet (sie sollte sich nur nicht auf dem Boden der Box befinden). Die rückseitige Reflexöffnung hat noch einen weiteren Vorteil: Die in der Theorie nicht vorgesehenen, jedoch in der Praxis immer vorhandenen phasenverschobenen und deshalb störenden mittleren Frequenzanteile, die durch die Reflexöffnung leider auch abgestrahlt werden, werden nicht nach vorne in das Klangbild abgegeben, sondern in den rückwärtigen Raum, wo eine gute Chance besteht, dass sie den Klang nicht mehr negativ beeinflussen.
Weiterhin haben die TC Ings. sich für ein Koaxial-Lautsprecher-System entschieden, d.h., der 1"-Hochtöner sitzt "huckepack" auf dem 12" Tieftöner und strahlt durch dessen Staubschutzhaube hindurch. Dadurch braucht er keinen Platz auf der Schallwand, die Schallwandabmessungen können also klein bleiben.
Während ich die Koaxial-Lösung trotz aller theoretischen Bedenken (versetzte Abstrahlungsebenen erzeugen Überlagerungen und Auslöschungen im Übergangsfrequenzbereich der beiden LS) genial finde und auch keine Mankos hören kann, begeistert mich die rückwärtige Reflexöffnung der TC-Box nicht ganz so. Die Box klingt ohne Zweifel sehr gut, aber sie ist von den Abmessungen her schon ziemlich tief und kann zudem nicht direkt an eine Wand gerückt werden. In kleinen Clubs rückt sie unter Umständen soweit nach vorne, dass der Drummer sie nicht mehr richtig hört.
Mein Lösungsansatz zum Erreichen einer möglichst kleinen Schallwand lautet also:
Verwendung eines Koaxial-LS-Systems, Reflexöffnung jedoch vorne.
Die Reflexöffnung wird dabei nicht rund, sondern als rechteckiger Tunnel am Boxenboden ausgeführt. Auf diese Art kann die Frontseite klein bleiben. Außerdem lande ich dann bei meiner geliebten Electro Voice Thielebox-Bauform, die ich schon in einer 15"-Version als TL606 gebaut habe und die mir mechanisch sehr gut durchdacht erscheint. Außerdem empfinde ich sie als gutaussehend, was irgendwo ja auch eine Rolle spielt.
Ich nenne folgerichtig meine neue Wunschbox Little 606.
2.2 Die Abmessungen der Box
Das Volumen der Box richtet sich nach der gewünschten Abstimmfrequenz der Box und der Gesamtgüte Qts des verwendeten Lautsprechers. Boxen mit großem Volumen können - den richtigen LS vorausgesetzt- tiefer gestimmt werden als Boxen mit kleinem Volumen.
Da ich den Frequnzbereich der Box spezifiziert habe, kann ich mich auf die Suche nach einem geeigneten Lautsprecher machen. Dabei achte ich natürlich auch auf ausreichend Leistung und die richtige Impedanz (8 Ohm)
Der Beyma 12" MW/Nd deckt den Bereich von 50Hz bis 5kHz lt. Datenblatt ganz vernünftig ab, und er ist kein Koaxial-System. Das ist mir ganz recht: Kein Koaxial-System bedeutet auch keine Frequenzweiche - ein Problem weniger! Frequenzweichen sind verlustbehaftet, sie verschlechtern den Dämpfungsfaktor des Systems und sie sind aufwändig abzustimmen! (Dass ich möglicherweise doch einen Hochpass ab 40Hz einbauen werde, behalte ich zunächst mal nur im Hinterkopf.)
Eine Simulation der geplanten Box mit WinISD ermittelt bei Verwendung des Beyma-LS für einen linearen Frequenzgang im gewünschten Bereich 50Hz - 5kHz ein 50 Liter-Gehäuse.
Die Frage ist hier aber ganz grundsätzlich, ob ich überhaupt Wert auf einen linearen Frequenzgang lege? Ich bin doch Bassist, kein HiFi-Fetischist! Die oben erwähnte TC-Box hat einen +3dB-Buckel im Bereich um 130Hz. Macht das möglicherweise ihre "Wärme" aus? Meine TL 606 mit EV 15L-Lautsprecher definiert ihren Charakter mit einem deutlichen Knurr bei etwa 120 Hz und besitzt ganz bestimmt keinen linearen Frequenzgang.
Ich entscheide mich, beide Optionen "Linear" und "mit Buckel" offen zu lassen. Ich plane die Box zunächst auf 65Hz abzustimmen und eine +2dB Anhebung im Bereich von 80 Hz anzustreben.
Durch nachträgliche Verlängerung des Reflextunnel kann ich das System jedoch auch linearisieren und auf 55Hz abstimmen, durch Verschließen eines Reflexkanals kann ich die Abstimmung weiter auf 45Hz senken. Da bin ich schon auf die Tests gespannt.
Zurück zu den Abmessungen der Box.
Jetzt, wo ich das Volumen der Box kenne, kann ich auch die Abmessungen festlegen.
Die Front der Box wird schon grob durch die Vorgabe möglichst kleine Schallwand plus Reflextunnelhöhe vorgegeben. Bei gegebenen Volumen von ca. 50l stehen jetzt also auch Höhe, Breite und Tiefe der Box fest. Ein wenig Abweichung vom strengen Dogma "Schallwand so klein wie möglich" erlaube ich mir, denn es gibt eine konkurrierende Überlegung bezüglich des Boxenformates: "Box so leicht wie möglich!" Aus Mathe wissen wir ja noch von Quadern, dass der Sonderfall Würfel das größte Volumen bei kleinster Oberfläche einschließt. Anders gesagt: Ein Würfel braucht am wenigsten Material, um 50 Liter einzuschließen. Der Würfel ist die leichteste Konstruktion!
Andererseits befördert eine Boxenkonstruktion, bei der die Seitenverhältnisse B*H*T wie 1:1:1 sind die Entstehung von stehenden Wellen innerhalb der Box, deren Maximum bei den voraussichtlichen Gehäuseabmessungen bei ca. 2kHz (durch Überlagerung von 1kHz-Wellen) liegen könnten. Das wäre nicht ganz so schön!
Für die Gehäuseabmessungen muss also ein Kompromiss zwischen minimaler Schallwandgröße, nahezu Würfelform und Ungleichheit der Seitenlängen gefunden werden. Außerdem möchte ich noch daran denken, dass die Seitenabmessungen nicht zu viel Verschnitt erzeugen sondern einigermaßen ökonomisch aus den gängigen Multiplex-Plattengrößen herzustellen sind.
Nach etwas Tüftelei ermittele ich folgende Abmessungen:
Innen, H*B*T in cm: 40 * 37 * 34,5 = 51 Liter
Außen (15mm Multiplex), H*B*T in cm: 43 * 40 * 40
3. Material
Ich habe gute Erfahrung mit 18mm Birkenmultiplex gemacht, diesmal möchte ich jedoch konsequent auf Leichtbau setzen. Deshalb wähle ich 7-schichtiges 15mm Pappel-Sperrholz, Klasse A ohne Äste, spz. Gewicht ca. 480kg/m³. Meine Excel-Planungsunterlagen spucken mir für die Box ein Holzgewicht von knapp 8kg aus, die Ausschnitte für den LS und den Griff bereits abgezogen. Mit LS und ein wenig Hardware werde ich wohl bei 12kg landen. Das wäre nicht übel!
Etwas Kopfzerbrechen macht mir das Gewicht der nötigen Dämpfung (der Schalldurchtritt durch das leichte Pappelsperrholz wird nicht zu vernachlässigen sein) und der nötigen Versteifungen. Da lasse ich mich überraschen.
Folgende Parameter stehen für die Little 606 jetzt fest:
Bauform EV-Thiele-Box a la TL 806/606, Ein-Wege-Bassreflexbox
15mm Pappel-Sperrholz
LS: Beyma 12 MW/Nd, 300/750Watt, 8Ohm
65Hz - 5kHz, +2dB bei 80Hz, oder
55Hz - 5kHz, 0dB linear ab 80Hz
Abessungen außen, H*B*T in cm : 43 * 40 * 40
Volumen in Liter: 50
Na, dann kann es ja losgehen.
- - - Aktualisiert - - -
Als erstes rechne ich den Thielebox-Bauplan auf die richtigen Maße um, dann fertige ich entsprechend die Holzzuschnitte an und verleime sie in sinnvoller Reihenfolge. Dazu brauche ich Holzleim (Express-Leim) und Schraubzwingen in ausreichender Menge und Größe. Schrauben werde ich nur für die Schallwand benutzen, denn die soll abnehmbar bleiben. Möglicherweise möchte ich den Reflextunnel noch ändern, oder vielleicht doch noch eine Koaxial-LS-System einsetzen, wer weiß? Wenn ich die Schallwand verleime, bin ich da nicht mehr flexibel.
Die Rahmenteile werden mit den Seitenteilen verleimt…
Ich erhalte so eine Sammlung an vorbereiteten Seitenteilen, …
… die ich dann (am besten mit Hilfe) zusammenleime. Die Schallwand kommt noch nicht rein.
In die entstandene Kiste leime ich noch das Reflextunneldach und die Rahmen vorne links und rechts ein.
Mit der Oberfräse fertige die Ausschnitte für Anschlussport, Griff und Lautsprecher an. Die Kanten der Box versehe ich mit einem 6mm Radius, damit die Kunststoff-Schutzkappen später passen.
Seitenwände, Deckel und Rückwand werden mit senkrecht aufgeleimten Sperrholzstreifen versteift. Die Versteifungen sollen verhindern, dass die Seiten anfangen zu schwingen, denn das würde a) den Schalldruck vor der Box verkleinern, b) die Impulstreue verderben und c) richtig übel dröhnen. Wenn später das Boxeninnere noch mit der richtigen Menge Noppenschaum zur Absorption der inneren Reflektionen ausgekleidet ist (das verhindert stehende Wellen und einen zu großen Mittenanteil, der durch die Reflexöffnung dringen würde), werde ich die Versteifungsleisten noch über Kreuz verleimen.
Die freien Flächen bedämpfe ich mit 8mm Filz. Filz ist trotz des geringen Gewichtes ein gutes Mittel gegen den Durchtrittsschall durch die Wände. Die Reflexkanäle am Boden bleiben natürlich frei!
Jetzt darf ich der Box den Anstrich verpassen. Ich verwende Warnex Strukturlack, den ich in mehreren Durchgängen auftrage. Hier darf man kreativ sein, was die Struktur angeht. Das Zeug ist ziemlich pastös und erlaubt eine Menge Gestaltungsvarianten. Ich bin da allerdings eher konservativ…
Als nächstes wird der Anschlussport verschaltet. Ich habe mich für zwei parallel geschaltete Speakon-Buchsen entschieden. Der Lautsprecher liegt an den Klemmen +1 und -1 der Buchsen, wobei der LS-Plus-Pol an Speakon +1 gehört. Wer nicht weiß, welches der Pluspol des LS ist, der halte einen 9V Block an die LS-Klemmen. Bewegt sich der LS nun nach vorne, so liegt der Pluspol des 9V-Blocks auch am Pluspol des LS.
Eine Besonderheit hier: Ich verschalte auch die +2 und -2 Pole der Speakon-Buchsen parallel. Das eröffnet mir die Möglichkeit, Bi-Amping über nur ein 4-poliges Lautsprecherkabel zu betreiben (passt super zu meinem Gallien Krüger RB 700 II). Die TT-Anteile des Bi-Amping-Signals laufen über +1 und -1 in meine Little 606, die HT-Anteile werden durch meine Box auf +2 und -2 zu einer externen Hochtoneinheit durchgeschliffen.
Ich bevorzuge Speakon-Buchsen mit Schraub-Klemm-Befestigung, das geht schneller als Löten und ist der gängige Industriestandart. Die Buchsen lassen sich mit einem Streifen Isolierband leicht abdichten. Auf Lautsprecherseite verwende ich Flachstecker, wie man sie auch aus der KFZ-Technik kennt.
Für die kurzen Strecken in der Box reichen 1,5 mm² Kabelquerschnitt aus, bei größeren Querschnitten wird es in den Neutrik Schraub-Klemmen eng. Alternativ könnte man sicher auch die Neutrik FastOn-Flachstecker verwenden, da ist das Parallelschalten noch einfacher.
Das LS-Kabel fixiere ich mit einer Heißklebepistole in der Box an geeigneter Stelle.
Griff und Anschlußport kann man mit Silikon, Acryl oder Dichtband abdichten. Ich verwende alten Fahrradschlauch…
(Die Kabel werden natürlich noch schöner geführt!)
Auch der Lautsprecher und die Schallwand müssen abgedichtet werden.
Ich empfehle, Griff und Lautsprecher mit Einschlagmuttern zu befestigen, wenn genug "Fleisch" für diese vorhanden ist. Schaut doch mal in Ulis Nachbar-Thread "Selbstbau 15" Reflexbox", da sind eine Menge handwerkliche Feinheiten sehr gut beschrieben und bebildert.
So sieht die Little 606 zur Zeit aus (oben: Mein Promi 5110):
Und das wiegt sie, so wie sie ist:
Schön, ca. 11,5kg, klasse! Fehlt noch der Lautsprecherschutz, den ich wie bei meiner TL 606 auch aus Lochblech herstellen werde.
Mein erster Höreindruck:
Anders als meine TL606 klingt sie sehr, sehr ehrlich und reproduziert genau, was in sie hineingeschickt wird. Die Mitten sind sehr transparent, man hört die Saiten schön singen, aber auch alle Saitenschnarrer werden gnadenlos abgebildet. Die Box braucht scheinbar gar keinen Noppenschaum, der Filz ist scheinbar auch recht reflektionshemmend.
Einen Hochtöner vermisse ich überhaupt nicht, im Bassbereich muss ich aber noch ein wenig experimentieren.
Bisher konnte ich meine Little 606 aber noch nicht laut hören und mich auch noch nicht um die Feinabstimmung kümmern. Das kommt aber auch noch.
Ich werde berichten.
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