Wie kann ich Musik wieder mehr wertschätzen?

  • Ersteller metaljuenger
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Schade, gerade diese Aufnahme ist so voller Leben und Dynamik, vereinnahmt mich vollständig.
Versuchs mal, einmal eingetaucht höre ich sie jedes Mal anders.

Dies geht auch mit sehr vielen anderen Musikstücken.

Ich denke das bewusste Zuhören kann uns ein stetiges Neuentdeckung ermöglichen.
Beugt jeder „Musikkrise“ vor
 
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Ich konsumiere generell extrem viel Musik,
Daran ist erstmal nichts zu finden. Wenn man sich so auf die Musik einlässt und ihr die Wertschätzung entgegenbringt, die sich durch den Fokus und die Widmung ergibt, wie Du es früher gehalten hast ...
Im Jahr vielleicht 10-12 neue Alben.
Das Geld hat sich rentiert, ich habe die Musik wertgeschätzt, mich an den physischen Alben gefreut.


Und jetzt sieht das anders aus, weil Du durch massive Reizüberflutung mittlerweile maximal abgestumpft bist:
Dann kamen Zeiten (ab vor 10 Jahren ca.), als man im Wohnheim über Mitbewohner immer mehr Musik kennengelernt hat, auch auf youtube etc. die Möglichkeit hatte, leichter an Musik heranzukommen und generell das Angebot immer größer wurde.
Dadurch fällt es mir immer schwerer, neue Musik wirklich toll zu finden.
Du bist süchtig. Das klingt genau so hart, wie es ist, weil es aus sich heraus nicht einfach lösbar ist - wie jede andere Sucht auch.

Ersetze in den letzten beiden Zitaten einfach mal Musik durch Porno und YT durch Internetporno - genau so leicht verfügbar. Der einzige Weg da raus ist dementsprechend auch nicht anders, als wenn du süchtig nacht Internetporn wärst.

M.E. kannst Du die Wertschätzung erst dann wirklich wiederfinden, wenn Du Dich aus diesem Konsumkarussell eine zeitlang vollständig zurückziehst und wieder "echten Sex" zu schätzen lernst. Höre und prozessiere konzentriert und vor allem in Maßen (also sehr stark reduziert) wieder Vinyl oder Kassette - tue es bewusst und mit Genuss. Lass das "Nebenbei hören" vielleicht mal weg und gib der Musik den Raum, den sie verdient. Du musst Dein eigenes System bzw. das Bewusstsein für Musik einmal zurücksetzen und neu starten.
 
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Schade, gerade diese Aufnahme ist so voller Leben und Dynamik, vereinnahmt mich vollständig.
Ein paar Posts weiter oben habe ich versucht zu erklären, daß (bei mir) "nebenbei" nichts mit "unaufmerksam" zu tun hat.

Thomas
 
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Manchmal ist es auch gut, wenn man seine Hörgewohnheiten ändert. Also wirklich mal hingehen und alte Alben, die vor 10-15 Jahren durchgefallen sind, einfach mal neu hören. Ich würde nicht behaupten, dass sich in der qualitativen Bewertung was ändert, das läuft wahrscheinlich unter Geschmack. Aber so, wie ich manche Mayhem-Platte einfach nur mies fand und jetzt super, hätte ich auch Frau Houstons erste Platte früher nicht mit dem Arsch angeguckt, finde die aber seit einigen Jahren einfach super. Manchmal ist man auch einfach übersättigt. Und manchmal, macht es Sinn, wenn man im undurchdringlichen Underground-Gestrüpp sucht. Sogar hier im Board plöppen dann ab und zu geile Dinger auf, die die Freude bereiten, die Nummer-Sicher-Produktionen, die auf den Mainstream zielen, irgendwie abgeht.
 
@metaljuenger,

der Sachverhalt ist - für Dich zur Beruhigung - weder existenzbedrohend, noch überlebenswichtig für den Planeten.

Vorschlag: Sieh es locker und nicht so verkrampft.

Was ich als Unterschied zu Dir mache, ist, dass ich Dinge ohne musikalische Begleitung erledige, das ist vor allen Dingen Sport in der Natur. Ich will die Umwelt wahrnehmen (und auch die etwaige Annäherung anderer Verkehrsteilnehmer).
Ab und an auf der Rudermaschine nehme ich Musik mit, beim Yogakurs laufen während der Schlussentspannung meditative Stücke, damit das Schnarchen von Yogis überlagert wird auf Wunsch von anderen Yogis.

Bei der Arbeit läuft keine Musik, die einzige Ausnahme waren die Auslandseinsätze, wo dann mal das Einsatzradio täglich lief.

Als ich mal ein halbes Jahr im Baupraktikum (Studienvorpraktikum) auf den Baustellen jeden Tag von morgens bis abends Radio hörte, gewöhnte ich es mir ab, jemals länger als eine Stunde zu hören. Begründung: A) Wiederholt sich die Musik, B) wiederholen sich die Moderationen. (Das gilt analog für WELT oder n-tv.). Vielleicht ist das ja mittlerweile bei Internetradios anders.

Ich höre Musik immer beim Autofahren (mp3) oder mal abends vor dem Schlafengehen.
Ich packe mir nur Alben auf den Speicher. Hierbei Random durch alle Alben, Random durch einen Interpreten oder auch nur durch ein Album.
Neue Alben kriege ich durch einen Redaktionsjob, meine vielen CD habe ich beinahe komplett auch ins Format mp3 überführt, so dass sich neu mit alt mischt. Heute blieb ich bei Midnight Oil hängen (Diesel and Dust, Blue Sky Mining) hängen. Zeitlos, coole Nummern.
 
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Ich höre sehr viel Radio (auch als Begleitmedium, leider bezahlt mich niemand dafür), allerdings tagsüber vor allem wegen des Informationswertes (viel DR Kultur), Konzerte und Musikfeatures dann abends (komplett öff-rechtl.; nix gegen Byte FM oder andere Nischen, das schaffe ich aber zeitlich nicht). Mein Eindruck: Es gibt viele tolle junge Musiker*innen - aber wenig aktuelle Musik, die mich reizt UND die ich innovativ finde. Ich finde den Informationswert des (redaktionell moderierten, meist öffentlich-rechtlichen) Radios ziemlich hoch, höre dafür weniger Platten, komme aber manchmal durch eine gute Radiosendung dazu, mit mal wieder etwas zu kaufen. (Insgesamt dürften hier ca. 2000 CDs und 500 LPs sein, Ausbeute von 45 Jahren Amateur-Musizieren und einem MuWi-Studium.)
Musik "wertschätzen" bedeutet für mich, sie bewusst zu hören, sich auf Neues einzulassen (auch wenn ich es dann schxxx finde). Deshalb höre ich gerade kein Spotify, mich interessiert nur selten "more of the same" zu meinen Präferenzen (auch wenn da natürlich Perlen dabei sein können). Ganz spannend finde ich aber die "Sammelboxen" (egal, ob 10 Fado-CDs für 10€ oder die Bach-Orgelwerke komplett, ob Reggae, Folkblues oder Grigot-Gesänge, britischer Metal oder Weihnachtspassionen, DDR-Progrock oder C&W).
 
Ich hab in der Überschrift statt Musik Musiker gelesen… freudscher verleser quasi.

Ich hab dieses Wochenende aber einen neuen Künstler entdeckt, der mich positiv sehr überrascht hat. Da hab ich mir schon einiges angehört. Meiner Meinung nach eine Neues Level, was er erklommen hat. Das macht dann Spaß zu hören. Aber ich kenne das Problem grundsätzlich auch.
 
Gedanke dazu:

Es ist doch gerade Fastenzeit.
Versuch doch mal, solange keine Streaming-Musik zu hören, kein Radio, keine youtube-Playlist usw.. Nur ganz bewusst einzelne Titel, die Dir einfallen.
Danach wieder Ruhe.

Die Musik nachklingen lassen.

Rausgehen und auf die Vögel hören, die jetzt im Frühling singen.

Vielleicht auch mal sowas wie nur ein Song pro Stunde.

Just my 2 cents ;)

ODER

nur solche Musikvideos
:)
 
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Ich glaube, das Phänomen könnte auch mit etwas anderem als Übersättigung oder Sucht zu erklären sein. Wir werden einfach älter. Ich glaube nicht, dass mich noch mal etwas so umhauen wird wie "Blackout" von den Scorpions. Und das nicht, weil das ein so unfassbar gutes Lied ist (finde ich nebenbei auch noch, spielt aber keine Rolle), sondern weil ich damals 14 war und das für mich genau die eine Umdrehung an Rock mehr war, als das, was meine Eltern gehört haben. Dann habe ich mich von da "nach hinten" gearbeitet (also zu den Ursprüngen) und habe dabei viel Neues entdeckt. Jede Neuentdeckung war wieder etwas wirklich Aufregendes.

Aber das ist weniger geworden, weil man eben schon viel mehr kennt. Auch für mich neue Sachen sind in meinen Ohren oft nicht mehr so unfassbar originell, weil man schon andere Sachen kennt, die ähnlich genug sind, um sie damit zu vergleichen. Dabei tut man vermutlich auch dem ein oder anderen Künstler unrecht. Vielleicht würde man diese Künstler mehr schätzen, wenn man sie vor XY kennengelernt hätte. Aber was soll man machen... so funktioniere ich eben.

Was mir gegen das Gefühl enorm geholfen hat, sind "Musik-Projekte". Das fing an mit den Beatles. Da war fast alles schon da und fertig und zu Tode gehört als ich auf die Welt kam. Und natürlich kannte ich viele Beatles-Songs.... aber mal ehrlich... sind die wirklich so gut? ;) Mein Problem war, dass ich den Einfluss der Beatles auf die moderne Musik durch mein Alter einfach gar nicht mehr einschätzen konnte, weil mir weder das davor so richtig klar war noch das während dessen. Dann bin ich auf den Podcast "Compleatly Beatles" gestoßen, indem zwei Fans jede Platte und jedes Lied chronologisch besprochen haben. Und parallel habe ich mich durch den gesamten Katalog gehört. Das war plötzlich wahnsinnig spannend und hat mein Musikverständnis sehr erweitert. Und ähnliches (leider nicht mit so einem guten Podcast) habe ich danach dann mit anderen Künsltern versucht. Zum Beispiel Biographien parallel lesen. Und dabei jeden Einfluss der erwähnt wird, raussuchen und anhören. Oder Filme parallel schauen. oder oder oder.... Ich finde "context" wird dann absolut zum King!

Und sich selber auf dem Instrument parallel mit Künstlern zu beschäftigen funktioniert natürlich auch. Nur noch hören gibt nicht mehr den Kick? Dann vielleicht selber spielen oder mitspielen!
 
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Den TE kenn ich nicht und unterstell deswegen auch nix, aber manchmal hilft es, wenn man aufhört sich mit gewissen Richtungen zu identifizieren. Bei mir kommt das phasenweise und auch beim Musik machen werd ich von "echten" Musikern oft dafür belächelt, aber beim Hören und beim Machen hab ich viel mehr Freude, wenn ich mir erlaube, das Gute in stumpfestem Techno zu finden und zu produzieren und zwei Tage später spiel ich wieder Gitarre und freu mich an Keb Mo. Nur mit Reggae klappt es bei mir nie. Irgendwie hat das oft eine reinigende Wirkung. Zwei Wochen Bluesrock mit paar Gigs, danach bin ich satt und Metal oder Techno bringen wieder Gegengewicht, so dass ich nach der Phase wieder bereit bin und Blues wieder ankommt im Gefühlszentrum.
Und vielleicht findet man Musik einfach auch nicht mehr so geil, wie früher mal.
 
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Ich glaube nicht, dass mich noch mal etwas so umhauen wird wie "Blackout" von den Scorpions. Und das nicht, weil das ein so unfassbar gutes Lied ist (finde ich nebenbei auch noch, spielt aber keine Rolle), sondern weil ich damals 14 war
Das geht mir auch so. Mit 14, 15, 16 verbindet sich so viel Emotion mit den Musikstücken. Leitbilder, Verliebtsein, Selbstfindung, Freunde ...

Wenn ich zB die alten Sachen von Heinz Rudolf Kunze höre (Bestandsaufnahme, dann ist es eben nicht nur das Lied und der Text, ich fühle mein Leben von damals irgendwie dabei. Erinnerungen. So intensiv wie damals hat man das wahrscheinlich jetzt nicht mehr.

Trotzdem gibt es immer noch Stücke, die hauen mich um.
Als ich z.B. dieses "Bridge over Troubled Water" letztes Jahr entdeckt hatte, hatte ich beim Hören Tränen in den Augen.
Oder der Eröffnungschor von BWV 140. Oder Brahms Requiem, immer wieder.
Dann aber auch wieder mal Rage against the Machine...

Das ist natürlich alles extrem subjektiv. Aber das ist ja auch das schöne an Musik.
Man sollte es nur nicht so ständig nebenbei hören, sondern sich reinvertiefen.
 
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Es kann sich auch mit 42 oder 78 noch Emotion mit den Musikstücken verbinden. Das ist eher eine lebensphilosophische Sache… wie eingespannt ist man in fremdbestimmter Tätigkeit, wie viel (inneren) Freiraum hat man oder erkämpft oder bewahrt man sich, um noch Sachen zu erleben und wirklich geflasht zu sein?

Klar, man wird älter, mit 17 konnte ich auch zwei Nächte durchmachen und am nächsten Tag in die Schule zum Ausdösen gehen. Irgendwann bist Du dann 34 oder 45 und nach einem halben Film auf dem Sofa schon müde und es reicht eben nicht, in der ersten Stunde nur körperlich anwesend zu sein, du musst schon gleich morgens im Job was reißen. Klar könnte man sich da flashen lassen, aber man muss ja mit der Energie haushalten, so nen Flash, heidablitz, der geht ja dann auch mal länger. Ein guter Flash geht auch mal eine Woche oder vier. Wenn man verliebt ist, noch länger.

Das geht dann soweit, dass ein ganzes System krank ist. Wenn ein Angehöriger stirbt, bekommst du zwei oder drei Tage Sonderurlaub. Brauchst du mehr Zeit, um den dunklen Flash zu verkraften, musst du dich krankschreiben lassen. Wenn du Vater wirst, ist für das Wunder keine Zeit einzuplanen, und die meisten Väter würden wohl sagen, dass so eine Geburt ein Erlebnis ist, das einen umwirft. Früher hielten Witwen ein Trauerjahr. Heute haben sie drei Tage.

Ich glaube, wenn man als sog. Erwachsener noch genauso in den Tag hinein leben könnte wie man es als Jugendlicher konnte (so bevor G8 an den Gymnasien kam und all der Shit), wenn man genauso im Moment sein könnte und nicht im Meeting oder Management, dann könnte man sich bis zum Gang in die Kiste auch ähnlich flashen lassen wie damals.
 
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Wenn du Vater wirst, ist für das Wunder keine Zeit einzuplanen, und die meisten Väter würden wohl sagen, dass so eine Geburt ein Erlebnis ist, das einen umwirft. Früher hielten Witwen ein Trauerjahr. Heute haben sie drei Tage.
Ja und nein. Ich hatte bei zwei meiner Kinder das Glück, ein Jahr Elternzeit (mit etwas arbeiten) nehmen zu können. Was der Chef dazu gesagt hat, war mir in dem Moment egal, und er hat es auch akzeptiert. Es waren zwei sehr sehr schöne Jahre. Viele meiner Bekannten haben sich das nicht getraut. Wegen Geld, wegen "was werden die Kollegen sagen" und solcher Bedenken.

Ja, die Zeit ist kurzlebiger geworden, aber es liegt vor allem an uns. Und es gibt solche genialen Möglichkeiten, zB an Musik zu kommen, wenn ich da an meine Jugend denke, eine Schallplatte zu ergattern war so schwer, Noten von nicht Klassik fast unmöglich - was es dagegen jetzt an Tutorials zB für Jazz, Blues usw. in youtube gibt, alles an Noten als pdf, sowas war damals absolut undenkbar. Man hat heute vom Sessel Zugang zu so vielen tollen Dingen.

Was man draus macht - ob man es schafft, sich auf die wesentlichen Dinge zu konzentrieren, die einem gut tun und einen weiterbringen, das ist die Herausforderung. Oft genug gelingt es mir selbst nicht ;)
Aber insgesamt bei Abwägung aller Vor- und Nachteile würde ich schon sagen sind es bessere Zeiten. Ich bin natürlich auch im Osten aufgewachsen, mag sein, dass man da manches anders sieht. "G8" zB war völlig normal, ich frage mich immer, wie man damit ein Problem haben kann, ein Jahr eher aus der Schule zu kommen. ;)
 
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Ja, die Zeit ist kurzlebiger geworden, aber es liegt vor allem an uns. Und es gibt solche genialen Möglichkeiten, zB an Musik zu kommen, […]

Stimmt schon, früher musste man Glück haben. Hatte ich z.B., in Form eines CD-Ladens im Dorf, der Sachen wie Yello und Tangerine Dream führte. Aber hat man durch den Verbrauch von teurem Taschengeld vielleicht auch einen Tonträger schon von vornherein ganz anders geschätzt als einen Spotify-Stream? Die ständige Verfügbarkeit gefühlt aller Musik zum gefühlten Nulltarif macht sie doch auch irgendwie wertlos.
 
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Ich habe ständig Musik gehört, jederzeit, überall. (...) mich aber schon nach dem nächsten Song kaum mehr an etwas davon erinnern konnte und auch insgesamt die Schwingungsfähigkeit nachgelassen hat. Für mich war diese Erkenntnis tatsächlich ein Schock.
Das ist glaube ich der wichtigste Aha-Moment, den ich aus dieser Diskussion mitnehmen kann. Danke, EPBBass, das ist sehr klar auf den Punkt gebracht. Beliebigkeit im Dauerrauschen von Musik stumpft uns ab. Dafür ist mir Musik viel zu wichtig.
 
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Die ständige Verfügbarkeit gefühlt aller Musik zum gefühlten Nulltarif macht sie doch auch irgendwie wertlos.
Das ist auch mein Eindruck. Rick Beato hat vor Kurzem ein Video gepostet, in dem er den Wandel im Musikbusiness in den USA seit 1996 beschreibt. Aufgrund einer Gesetzesverabschiedung war 1996 der Startschuß für eine große Konsolidierung im Medien- und Telekommunikationsbereich, angefangen von einer Harmonisierung der Radioprogramme (durch Konzentration der Radiosender bei einigen wenigen, großen Unternehmen), gefolgt von der Napster-Debatte u.ä., was die Medienwelt nachhaltig umformte. Heute erfolgt die Entwicklung und Förderung von Künstlern kaum noch über die Major Labels, sondern über Eigenregie. Was heute von der Technologie her aber auch kein Problem ist; Tracks im Heimstudio zu produzieren, war noch nie einfacher (und billiger); es war noch nie einfacher (und billiger), als Konsument an Musik heranzukommen - was z.B. dazu führt, dass derzeit geschätzt 100.000 neue Songs auf Spotify und Co. hochgeladen werden - am Tag! Mit der Folge, dass der einzelne Song, der einzelne Künstler an Wertschätzung verliert ob der Masse, die täglich neu zur Verfügung steht.

Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einer Kollegin, liegt auch schon 10+ Jahre zurück. Sie war ein wenig gestresst und meinte nur, es wäre doch eine tolle Sache, sich jetzt mal eben zu einer tollen Location beamen zu können, nach Bali oder Neuseeland oder so. Ich habe sie dann gefragt, ob diese Orte für sie denn noch den gleichen "Wert" hätten, wenn man sich beamen könnte, weil solche Orte dann ja nichts Besonderes mehr wären. Da überlegte sie kurz und meinte nur, dass das wohl stimmen könnte.

Im Allgemeinen bewerten wir Dinge auch nach Verfügbarkeit. Ein geringes Angebot bzw. eine geringe Verfügbarkeit eines Rohstoffes erhöht den Preis, vulgo den Wert. Vielleicht ist es bei immateriellen Dingen ja ganz ähnlich. Glück ist so kostbar, weil es eben nicht der Normalzustand ist. Gesundheit nehmen wir oft erst dann als kostbares Gut wahr, wenn sie eben nicht mehr als selbstverständlich angesehen wird, z.B. wenn das nähere Umfeld oder man selbst von Krankheit betroffen ist. Und bei Musik? Ein Konzertbesuch war was Besonderes, schon aufgrund der geringen Verfügbarkeit. Heute gibt's unzählige Handy-Mitschnitte von unzähligen Konzerten unzähliger Bands. Klar, das ist nicht wirklich dasselbe, aber es entwertet das Konzerterlebnis schon ein wenig, aufgrund von "Verfügbarkeit". Und vielleicht fehlt bei digitaler Musik auch ein wenig das haptische Erlebnis, eine Schallplatte auszupacken und sie vorsichtig auf dem Plattenteller zu platzieren, die Nadel behutsam in die Rille abzusenken ... heute ist's ein Tipp oder ein Mausklick.

Ja, ich bin auch schon Ü50 und tendiere zu einer gewissen Verklärung der Vergangenheit. Aber dieses bewußte Musikerlebnis, sei es zuhause oder beim Konzert, möchte ich nicht aufgeben. Kürzlich gab's "The Dark Side Of The Moon" im Sonderangebot als HiRes-Aufnahme bzw. -Datei, da habe ich zugeschlagen und am Stück via Kopfhörer ... ja, genossen. Ohne dabei was Anderes zu machen. Zwar ohne physischen Tonträger, aber ganz bewußt zu-gehört. Und es funktionierte und war gut ...

Mag sein, dass in der schönen neuen Musikwelt eine Wertschätzung der Musik nur erschwert möglich ist, einfach, weil es so einfach geworden ist, diese Musik hervorzurufen, sprich, zu produzieren. Dass Musik aber immer noch Emotionen hervorrufen kann oder evtl. sogar sollte, muss man sich, denke ich, immer mal wieder ins Bewußtsein rufen. Und das bedeutet einen bewußteren Umgang mir Musik. Also nicht den kompletten Tag beliebige Hintergrundbeschallung. Da stimme ich vielen meiner Vorredner zu. Aber ich bin ja auch nur ein alter Sack ...

Meint

MrC
 
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Das hast Du sehr schön geschrieben. Sehe ich genauso.

Eine Meinung U30 wäre jetzt mal interessant ;)
 
Eine Ü30-Meinung :p : Mein Musikgeschmack war schon immer ziemlich breit und hat sich über die Jahre ständig erweitert. Dank Youtube kann ich in vergangene Zeiten und fremde Länder eintauchen und finde so ständig (für mich) neue und spannende Musik. Musik ist Kommunikation, und Kommunikation erfordert Aufmerksamkeit. Ich lasse mich also nicht so nebenbei beschallen, sondern tauche so tief wie möglich in die Musik und ihre Zeit ein. Dazu gehört neben der emotionalen Erfahrung auch die Analyse der Texte und musikalischen Strukturen. In welchen Zeiten lebte der Künstler, wie war er so drauf und was wollte er uns mitteilen? Und wenn mir ein Stück besonders gefällt, versuche ich mich auch gerne an einer eigenen Version. Stille ist aber genauso wichtig, ich höre dann meine eigene Musik, die in den geheimen Schaltkreisen meines Nervensystems beständig mitschwingt.
 
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Ich kann zumindest eine U35 Meinung anbieten :redface:
Hab jetzt nur überflogen, was ich aber explizit nicht gefunden hab, @metaljuenger , wie sieht es denn mit Konzerten aus? Also als Konsument mit Eintrittskarte, nicht als selbst Ausführender.

Da entdeckt man zwangsläufig immer mal neues, speziell in "subgenre-igeren" Metal sind doch oft 3-4 Bands in einem großen Tourbus unterwegs, von denen man mindestens eine überhaupt nicht kennt.
Festivals sind da natürlich noch effizienter, aber da vieles davon quasi eine Urlaubswoche frisst und meist auch noch in der Hauptsaison ist heißt es bei vielen Familienurlaub geht vor, aber für normale Konzerte muss man sich als Musikfan einfach möglichst viel zeit nehmen (finde ich).

Btw, zum Spotify-Boykott Thema: Ich hab mir mal ausgerechnet, wie viel ich im Jahr so im Schnitt ausgebe und wie viel davon ungefähr bei Künstlern landet. Seit ich Spotify nutze, Bandshirts habe ich ohnehin schon immer gesammelt und jetzt gebe ich bei jedem Konzert am Merch jeder Band, von der ich was kaufe einen 5-10er drauf und rechtfertige den Streamingkonsum vor mir selbst damit, dass auf diesem Weg speziell die kleineren Bands, die selbst am Merch stehen wesentlich mehr haben - und ich unterm Strich ja auch noch immer viel günstiger wegkomme als ich müsste all das kaufen was ich höre. WinWin für beide ;)

LG
 
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