deschek
HCA PA & Mikrofone
Hallöchen,
ich hatte die letzten drei Wochen vier der neuen Neumann TLM 102 Großmembran Kondensator Mikrofon in Einsatz, sowohl im Studio, als auch für Live-Recordings, als auch zur PA-Übertragung mit und ohne Bühnen-Monitoring.
Ich hatte zwei der vernickelten und zwei schwarze Systeme, beide Versionen sehen sehr gut aus.
Die Verarbeitungs- und Fertigungsqualität ist neumanntypisch scheinbar ausgezeichnet, sehr saubere Spaltmaße, qualitätvolle Oberflächen, saubere Verschraubungen, fühlt sich sehr robust an.
Die Fertigungstoleranz und Serienstreuung ist selbst klassen- und preisbezogen ausgesprochen gering - jedenfalls verhalten sich alle vier getesteten Mikrofone absolut identisch.
Eigen- und Nebengeräusche liegen auf sehr niedrigem Niveau, da gibt es absolut nichts zu meckern, das TLM 102 verhält sich hier absolut klassentypisch.
Trotz federnd und dämpfend gelagerter Kapsel ist aber die Verwendung einer guten Spinne oder eines vergleichbar wirksamen Shock-Mounts dringend zu empfehlen - in dieser Kombi ist dann auch die Trittschallunterdrückung sehr gut.
Das Großsignalverhalten ist sehr gut.
Das Richtverhalten ist eine konventionelle Kompromiss-Niere. Diese Charakteristik wird für ein Großmembranmikrofon erstaunlich präzise und homogen vom Grundton bis zum oberen Mittenton (min. 200 Hz bis 5kHz) eingehalten und engt sich erst in der Brillanz deutlich und zunehmend ein (spürbar ab 6kHz).
Dadurch ist auch bei den meisten Standardanwendungen ein für Großmembraner sehr unverfärbter und neutraler seitlicher Schalleinfall (z.B. von Reflektionen) gegeben - die typischen stark färbenden seitlichen Effekte des TLM 49 beispielsweise wird man also vergeblich suchen.
Die sehr gut eingehaltene Richtcharakteristik ist für Liveanwendungen mit Bühnenmonitoring ein echter Vorteil, sie macht das Verhalten vorhersehbar und Feedback sehr gut vermeidbar.
Im Hochton ab etwa 10kHz wird das Richtverhalten deutlich enger, dabei wird aber die Empfindlichkeit für direkt von hinten einfallenden Schall nicht höher, es bleibt bei einer dann sehr engen Niere, nur im Bereich um 7-9kHz scheint sich eine vernachlässigbar kleine rückwärtige Nebenkeule zu bilden. Das kann aber kein Kritikpunkt sein. Verglichen mit anderen Großmembranern sind die Abweichungen sehr gering und beispielsweise deutlich neutraler als beim Neumann TLM 103 oder eben dem 49.
Der Frequenzgang des TLM 102 ist bis über 5kHz sehr neutral und homogen. Ab 6kHz steigt der Frequenzgang recht gleichmässig bis 8,5kHz um etwa 4,5dB an und fällt ab etwa 13kHz wieder gleichmässig ab. Damit ergibt sich eine schon recht ausgeprägte, aber sehr gleichmässige Anhebung, die durch einen einzigen parametrischen Filter sehr gut kompensiert werden kann, wenn gewünscht. Die obere Grenzfrequenz liegt im Verhältnis zum Bezugspegel bei über 15kHz und damit ausreichend hoch.
Verglichen mit dem TLM 103 fällt auf, dass die Brillianzanhebung deutlich praxisgerechter ist, beim TLM 103 beginnt diese bereits bei 3kHz - und damit für mein Empfinden oft zu früh - und ist lange nicht so einfach zu kompensieren.
Dafür liegt beim 103 die obere Grenzfrequenz noch etwas höher. Das Verhalten im Bassbereich ist bei beiden Mikrofonen sehr ähnlich, die Verwandtschaft insgesamt sehr hoch.
Persönlich würde ich das TLM 102 vorziehen, außer bei hohen Bläsern und ähnlichen Anwendungen.
Das TLM 102 klingt in jeder Beziehung deutlich neutraler als das TLM 49 (obwohl die Abweichungen beim 49 rein pegelbezogen eher geringer sind) - ob das nun ein Vor- oder ein Nachteil ist, muss jeder Anwender für sich entscheiden. Wer spezielle Effekte sucht, die das 49 bedient, wird mit dem 102 definitiv nicht glücklich, wer ein sehr praxisgerechtes und neutrales Großmembraner will, der schon...
Auflösung und Feinzeichnung ist klassen- und preisbezogen für ein Großmembraner ausgezeichnet, vor allem im Stimmbereich (gleichwohl leistet ein sehr hochwertiges Kleinmembran-Condenser zumindest im Hochton mehr).
Bei meinen Anwendungen und meiner Hardware konnte ich diesbezüglich keine Nachteile gegenüber deutlich teuereren Großmembranmikrofonen erkennen.
Die von mir gerne und oft als "Arbeitspferde" verwendeten AKG C3000B sind den TLM 102 in diesen Punkten und den Eigenrauschen aber deutlich unterlegen.
Ich habe das TLM 102 sowohl für männliche als auch weibliche Stimmen verwendet, auch für Chor, an Flügel und Klavier, ebenso an diversen akustischen Saiteninstrumenten, an Percussions unterschiedlicher Bauart, aber auch an einem E-Upright-Bass und an E-Git - bei allen Anwendungen mit sehr guten Ergebnissen.
Mein Fazit: Ich war prinzipiell nie ein grosser Freund der Neumann-Großmembraner, dazu gibt es einfach zu viele sehr gute Großmembraner aus "deutschsprachiger" Fertigung, das TLM 102 kann mich aber bislang wirklich für alle angemessenen Anwendungen und auch vom Preis-Leistungsverhältnis überzeugen.
Hervorstechendes Merkmal (und für ein Neumann für mich sehr überraschend) ist der zurückhaltende, neutrale Eigencharakter des Mikrofons, der einfach alles sehr gut macht, ohne sich durch starke Eigencharakteristik in den Vordergrund zu drängen, wie das viele andere Großmembraner tun.
Meiner (livefixierten) Arbeitsweise kommt diese Neutralität sehr entgegen, hier liegt aber sicher der Knackpunkt für viele potentielle Interessenten - will man eben Neutralität oder einen ganz bestimmten Sound. (Die Neutralität macht das Mikro aber auch schon vor dem Kauf sehr vorhersehbar.)
Klar muss aber auch sein, dass die Qualitäten des TLM 102 auch erst bei einer qualitätvollen Aufnahmekette zum Tragen kommen - an einem guten und oft empfohlenen Einsteigerinterface beispielsweise waren die deutlichen Unterschiede zum AKG C3000B überhaupt nicht mehr wahrnehmbar.
Schöne Grüße, Deschek
ich hatte die letzten drei Wochen vier der neuen Neumann TLM 102 Großmembran Kondensator Mikrofon in Einsatz, sowohl im Studio, als auch für Live-Recordings, als auch zur PA-Übertragung mit und ohne Bühnen-Monitoring.
Ich hatte zwei der vernickelten und zwei schwarze Systeme, beide Versionen sehen sehr gut aus.
Die Verarbeitungs- und Fertigungsqualität ist neumanntypisch scheinbar ausgezeichnet, sehr saubere Spaltmaße, qualitätvolle Oberflächen, saubere Verschraubungen, fühlt sich sehr robust an.
Die Fertigungstoleranz und Serienstreuung ist selbst klassen- und preisbezogen ausgesprochen gering - jedenfalls verhalten sich alle vier getesteten Mikrofone absolut identisch.
Eigen- und Nebengeräusche liegen auf sehr niedrigem Niveau, da gibt es absolut nichts zu meckern, das TLM 102 verhält sich hier absolut klassentypisch.
Trotz federnd und dämpfend gelagerter Kapsel ist aber die Verwendung einer guten Spinne oder eines vergleichbar wirksamen Shock-Mounts dringend zu empfehlen - in dieser Kombi ist dann auch die Trittschallunterdrückung sehr gut.
Das Großsignalverhalten ist sehr gut.
Das Richtverhalten ist eine konventionelle Kompromiss-Niere. Diese Charakteristik wird für ein Großmembranmikrofon erstaunlich präzise und homogen vom Grundton bis zum oberen Mittenton (min. 200 Hz bis 5kHz) eingehalten und engt sich erst in der Brillanz deutlich und zunehmend ein (spürbar ab 6kHz).
Dadurch ist auch bei den meisten Standardanwendungen ein für Großmembraner sehr unverfärbter und neutraler seitlicher Schalleinfall (z.B. von Reflektionen) gegeben - die typischen stark färbenden seitlichen Effekte des TLM 49 beispielsweise wird man also vergeblich suchen.
Die sehr gut eingehaltene Richtcharakteristik ist für Liveanwendungen mit Bühnenmonitoring ein echter Vorteil, sie macht das Verhalten vorhersehbar und Feedback sehr gut vermeidbar.
Im Hochton ab etwa 10kHz wird das Richtverhalten deutlich enger, dabei wird aber die Empfindlichkeit für direkt von hinten einfallenden Schall nicht höher, es bleibt bei einer dann sehr engen Niere, nur im Bereich um 7-9kHz scheint sich eine vernachlässigbar kleine rückwärtige Nebenkeule zu bilden. Das kann aber kein Kritikpunkt sein. Verglichen mit anderen Großmembranern sind die Abweichungen sehr gering und beispielsweise deutlich neutraler als beim Neumann TLM 103 oder eben dem 49.
Der Frequenzgang des TLM 102 ist bis über 5kHz sehr neutral und homogen. Ab 6kHz steigt der Frequenzgang recht gleichmässig bis 8,5kHz um etwa 4,5dB an und fällt ab etwa 13kHz wieder gleichmässig ab. Damit ergibt sich eine schon recht ausgeprägte, aber sehr gleichmässige Anhebung, die durch einen einzigen parametrischen Filter sehr gut kompensiert werden kann, wenn gewünscht. Die obere Grenzfrequenz liegt im Verhältnis zum Bezugspegel bei über 15kHz und damit ausreichend hoch.
Verglichen mit dem TLM 103 fällt auf, dass die Brillianzanhebung deutlich praxisgerechter ist, beim TLM 103 beginnt diese bereits bei 3kHz - und damit für mein Empfinden oft zu früh - und ist lange nicht so einfach zu kompensieren.
Dafür liegt beim 103 die obere Grenzfrequenz noch etwas höher. Das Verhalten im Bassbereich ist bei beiden Mikrofonen sehr ähnlich, die Verwandtschaft insgesamt sehr hoch.
Persönlich würde ich das TLM 102 vorziehen, außer bei hohen Bläsern und ähnlichen Anwendungen.
Das TLM 102 klingt in jeder Beziehung deutlich neutraler als das TLM 49 (obwohl die Abweichungen beim 49 rein pegelbezogen eher geringer sind) - ob das nun ein Vor- oder ein Nachteil ist, muss jeder Anwender für sich entscheiden. Wer spezielle Effekte sucht, die das 49 bedient, wird mit dem 102 definitiv nicht glücklich, wer ein sehr praxisgerechtes und neutrales Großmembraner will, der schon...
Auflösung und Feinzeichnung ist klassen- und preisbezogen für ein Großmembraner ausgezeichnet, vor allem im Stimmbereich (gleichwohl leistet ein sehr hochwertiges Kleinmembran-Condenser zumindest im Hochton mehr).
Bei meinen Anwendungen und meiner Hardware konnte ich diesbezüglich keine Nachteile gegenüber deutlich teuereren Großmembranmikrofonen erkennen.
Die von mir gerne und oft als "Arbeitspferde" verwendeten AKG C3000B sind den TLM 102 in diesen Punkten und den Eigenrauschen aber deutlich unterlegen.
Ich habe das TLM 102 sowohl für männliche als auch weibliche Stimmen verwendet, auch für Chor, an Flügel und Klavier, ebenso an diversen akustischen Saiteninstrumenten, an Percussions unterschiedlicher Bauart, aber auch an einem E-Upright-Bass und an E-Git - bei allen Anwendungen mit sehr guten Ergebnissen.
Mein Fazit: Ich war prinzipiell nie ein grosser Freund der Neumann-Großmembraner, dazu gibt es einfach zu viele sehr gute Großmembraner aus "deutschsprachiger" Fertigung, das TLM 102 kann mich aber bislang wirklich für alle angemessenen Anwendungen und auch vom Preis-Leistungsverhältnis überzeugen.
Hervorstechendes Merkmal (und für ein Neumann für mich sehr überraschend) ist der zurückhaltende, neutrale Eigencharakter des Mikrofons, der einfach alles sehr gut macht, ohne sich durch starke Eigencharakteristik in den Vordergrund zu drängen, wie das viele andere Großmembraner tun.
Meiner (livefixierten) Arbeitsweise kommt diese Neutralität sehr entgegen, hier liegt aber sicher der Knackpunkt für viele potentielle Interessenten - will man eben Neutralität oder einen ganz bestimmten Sound. (Die Neutralität macht das Mikro aber auch schon vor dem Kauf sehr vorhersehbar.)
Klar muss aber auch sein, dass die Qualitäten des TLM 102 auch erst bei einer qualitätvollen Aufnahmekette zum Tragen kommen - an einem guten und oft empfohlenen Einsteigerinterface beispielsweise waren die deutlichen Unterschiede zum AKG C3000B überhaupt nicht mehr wahrnehmbar.
Schöne Grüße, Deschek
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