Ideen, Kreativität - alles schön und gut.
Aber: Ich möchte das bei Musik auch HÖREN können. Und nicht erst nachlesen müssen.
Weil man den Beethoven ja auch nicht nachlesen oder verstehen muss, gelle?
Einfach berieseln lassen und es passt schon.
Das ist ja der einzige Zweck für die Komponisten...
Bloß nicht nachdenken bei der Kunst. Das zerstört ja das romantische Bild des Künstlers, dem die Ideen einfach nur so zufliegen und wenn der keine Theorie braucht, dann wir auch nicht, oder wie?
Das ist wieder eine Diskussion für sich.
In der Klassik wie in der Neuen Musik gibt es Scharlatane, das steht zweifelsfrei fest, bloß die Neue Musik hat noch viel massiver als die Klassik gegen Vorurteile zu kämpfen.
Die liegen in der Luft und die nimmt jeder irgendwie auf und schon hört er etwas schiefes, obwohl es nicht schief ist.
Wenn der Laie und selbst der erfahrene Klassikhörer sich beschwert, dass Weberns Passacaglia so eklig atonal wäre, dann weiß ich, dass ich diese Menschen nicht ernst nehmen muss.
Ich kann in "Hurz" auch alles Mögliche hineininterpretieren an "tollen Ideen".
Ob nun der Komponist eines "Hurz"-Stückes geniale Ideen hatte, interessiert mich so lange nicht, wie seine Komposition einfach erbärmlich klingt - wie man davon nichts HÖRT.
Erbärmlich, schrecklich, schief, wie wärs mit entartet?
Man könnte was davon hören, wenn sich die Politik endlich mal um mehr Kultur bemühen würde.
Schulen, in denen tatsächlich Musik unterrichtet wird, anstatt Unterricht in dem man sich stundenlang Spielfilme zum Thema Filmmusik reinzieht und man nach der achthundertsten Interpretation der Goldbergvariationen das kotzen bekommt.
Kompetente Lehrer die vorurteilsfrei unterrichten und den Bogen weit spannen (Ein anderer User hier berichtete von so einem Unterricht. Davon braucht man mehr).
Und eben die musikalischen Grundlagen beibringen, schon hat man ein anderes Hörgefühl und würde so manche Scharlatanerie sofort durchschauen.
Ich erkenne in der schrecklichen Musik Weberns und dem grauseligen Überlenden aus Warschau eine Genialität die für mich durchaus einem Beethoven gleich kommt.
Und meine Emotionen werden von dieser Musik sofort angesprochen.
Wie hätte Schönberg auch den Überlenden aus Warschau komponieren sollen?
Mit heulenden Geigen und triefend kitschigen Mollakkorden, mit ein paar kleinen Dissonanzen um die schreckliche Zeit damals zu musikalisieren?
Die zeitgenößische Klassik ist mir eine willkomene Erweiterung der musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten.
Hier wird soviel nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten gesucht, eine Suche an der ich mich übrigens beteiligen werde (mittels Kompositionsstudium).
Ligetis L'arc-en-ciel ist für mich emotion pur.
Auch in den Werken von Peter Eötvös bekomme ich immer wieder Gänsehaut, gleiches gilt für Milhauds "La creation du monde" (Wobei das Werk etwas traditioneller ist).
Und manchmal muss man eben auch hinhören um Emotion zu entdecken und lernen zuzuhören.
Vielleicht erschließt sich einem ein Werk nicht beim ersten mal, vielleicht aber beim fünften Mal und dann macht es richtig Spaß.
Vieles an zeitgenössischer Musik ist einfach verkopftes Zeug, das sich im klanglichen Ergebnis nicht von willkürlich Hingeschmiertem unterscheidet.
Wohlgemerkt geht es mir nicht darum, Musik anzugreifen, die nicht mit dem DUR-Moll-System arbeitet und Dissonanzen gleichberechtigt neben Konsonanzen verwendet. Es gibt viele Musikwerke des 20. Jahrhunderts, die ich als genial bezeichenen würde. Zum Beispiel Strawinskys Sacre du Printemps - schlichtweg ähm... geil.
Anscheinend kennst du ja soviel zeitgenößische Musik, dass du das fast schon pauschal (dein angeführtes Beispiel wirkt deiner angestrebten Pauschalisierung nicht entgegen) sagen kannst.
Wenn du dich weniger ignorant (denn so kommst du mir vor) mit der Musik auseinandersetzen würdest, dann würdest du auch durch die angebliche "Willkür" blicken.
Strawinskys Sacre du Printemps würde ich durchaus zu Neue Musik zuordnen, aber das ist schon irgendwie ein Klassiker und klingt für mich (persönlich) nach längerem Hören Neuer Musik schon irgendwie sehr traditionell.
Zumal das Werk für mich immer noch einer gewissen Tonalität zugrunde liegt.
Außerdem(!): Was meinst du wieviel konstruiert selbst die größten Meister der Vergangenheit haben?
Komponieren ist immer auch konstruieren, manche berufen sich durchaus zu sehr darauf, aber andere wiederum nicht.
Auch "Le Sacre" ist vollständig durchdacht worden. Bachs Fugen sind auch durchdacht worden (und zwar peinlichst genau!)
Das mit der Verkopftheit ist ein schwaches Argument, weil das so ziemlich auf jeden großen Komponisten der vergangenen Jahrhunderte zutreffen könnte.
Sacre ist im Unterschied zu vielen zeitgenössischen Werken eine absolut SINNLICHE Musik, zu der ich keine philosophischen Analysen betreiben muss, um sie zu "verstehen".
Jaja, ist gut. Um Ansätze zu verstehen und selbst viele Ansätze zu verstehen braucht es kein extremes Fachwissen. Das wussten die Komponisten auch.
Aber vollständig erfassen kann ich ein Werk erst, wenn ich mir angesehen habe, wie es funktioniert, oder genau(!) hingehört habe.
In diesem Prozess erkenne ich auch Dinge, die mir vorher verborgen geblieben sind und schon gefällt mir das Werk noch viel besser.
Ganz ohne Analyse kommt man nie aus, selbst wer behauptet Musik muss ihn nur auf emotionaler Ebene berühren analysiert trotzdem unbewusst beim hören.
Manche sind der Hinsicht offener und nicht so denkfaul, andere wiederum nicht.
Diese Sinnlichkeit fehlt den meisten zeitgenössischen Werken. Stattdessen spröder Intellektualismus. Man kann diese Musik deshalb so leicht lächerlich machen, weil sie das im klanglichen Ergebnis ja auch tatsächlich ist.
Sicher, sicher. Sinnlichkeit und Schönheit ist das einzige was in der Kunst erlaubt ist, stimmts?
Und alles was nicht sinnlich und schön ist, kann nur spröder Intellektualismus sein...
Der Begriff der Ästhetik hat sich gewandelt, frag mal Adorno, wenn du ihn verstehst.
Mal ganz davon abgesehen bezogen sich Teile dieser Aussage von dir früher auch auf "Le sacre", beinahe schon Ironie des Schicksals nicht?
Verzeih mir meine Direktheit, aber ich bin schon öfters Leuten mit deinen Ansichten begegnet, manche konnten sich nicht so gut artikulieren wie du, hatten aber auch nicht mehr hervorzubringen.
Bin mal gespannt was hinter deiner Überzeugung tatsächlich steckt.
Solche Diskussionen gab es ja schon zu Mozartszeiten und davor.
Und auch er hatte gegen Traditionalisten und Ignorante oder konservative Meinungen zu kämpfen.
Und jetzt vergöttert ihn der ein oder andere.
Ich bin mir relativ sicher, dass nicht alle zeitgenößischen Komponisten aus meiner CD Sammlung noch irgendjemand in hundert Jahren hört, aber ein paar werden sicher dabei sein und sicher auch geschätzt oder verehrt werden. Schließlich gibt es dort ja dann auch zeitgenößische Komponisten über die man sich beschweren kann.
P.S.
Endlich ein neuer Thread für das Neue Klassik Ufo