Zeitgenössische Musik = Scharlatanerie?

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Hartmut2
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Hallo,

was haltet ihr von zeitgenössischer "ernster" Musik
(zum Beispiel Stockhausen, Kagel, Ligeti)?

Fragt ihr euch auch manchmal, warum diese Musik immer wie "pling ploing" klingen muss?

Mein Problem, das ich mit dieser Musik habe (obwohl ich das ein oder andere Stück wirklich interessant finde, zum Beispiel "lux eterna" von Ligeti):

Man hört zeitgenössischer Musik häufig nicht an, dass sie "komponiert" wurde - eher klingt sie so wie zufällig entstanden.

Man höre nur einmal in die folgenden Stockhausen-Stücke rein:

http://www.youtube.com/watch?v=mrzi4YNhvig

... und vergleiche es mit Hape Kerkelings berühmtem Sketch "Hurz":

http://www.youtube.com/watch?v=TuWRJrDsKMM

Ich denke, Hape Kerkeling hat genau dieses Problem entlarvt:
Ob ein zeitgenössischer Komponist ein Scharlatan ist, der sein Publikum zum Narren hält, oder ein großer Künstler lässt sich nicht mehr entscheiden.

Hieße Kapeling "Stockhausen", dann wäre sein Hurz-Stück wahrscheinlich als "großer Wurf" gefeiert worden.

Ephraim Kishon hat ja bezüglich zeitgenössischer Malerei von einer "Kunst-Mafia" gesprochen, die das Publikum zum Narren hält.

Gibt es so was auch im Bereich zeitgenössischer Musik?
 
Eigenschaft
 
Aleatorik, d.h. zufalls- manipulationen waren eine zeit lang mode, ebenso eine tendenz, den ausführenden die arbeit zu überlassen, ihnen eine "grafik", manchmal nur ein paar wellenlinien vorzulegen, die sie dann "kreativ" ausdeuten sollen.
Vieles experimentelle hat sich inzwischen erledigt, was weiterführen wird, wird man sehen.
Für scharlatane gibt es freiräume auf allen gebieten, sie verdunkeln manchmal ernsthaftes bemühen um weiterentwicklungen.
Ob ein quartett unbedingt aus 4 hubschraubern erklingen muss, und ob der aufwand dafür gerechtfertigt ist, mögen die, wenn vorhandenen, enthusiasten entscheiden, ich gehöre nicht dazu.
Speziell in der klaviermusik vermisse ich oft das spielerische element, dafür muss man sich mit vertrackten rhythmen und metren plagen, die dann so klingen wie unsauber gespielt.
Als hörer fühle ich mich auch nicht recht wohl, wenn in einem stück minutenlang auf ein notenpult geklopft wird, obwohl ein großes arsenal an schlaginstrumenten zur verfügung steht.
Ich beobachte auch, dass bei großer besetzung immer nur wenige spielen, weil der komponist anscheinend nichts mit dem orchester anzufangen weiß.
Aber es gibt auch faszinierende klangmischungen und strukturen, die aufhorchen lassen.
Mir als betroffenem geht es so, dass ich das gefühl habe, vor einem großen tor zu stehen, den eingang suche und weiß, ein schritt würde genügen, um eine unbekannte, neue welt zu entdecken - - - -.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es geht auch um die Idee an sich, die Kreativität an sich als künstlerischen Ausdruck. Und da war Stockhausen ganz, ganz weit vorne dabei, er war ein Pionier auf dem Gebiet der elekronischen Musik, Kerkeling sicher nicht. Wobei letzerer sicher nicht Stockhausen gemeint haben kann, denn hier werden Äpfel mit Birnen verglichen.

Oft fehlt dem Hörer einfach auch nur der Zugang, manchmal aus Mangel an Wissen, oft einfach nur deshalb, weil er auf ganz andere Hörgewohnheiten hat.
Ein einfacher Mozart-Liebhaber wird auch so seine Probleme mit Free-Jazz haben, wobei letzeres man durchaus als eine Form der Fortführung der klassischen Improvisationskunst ansehen kann.

Nach "Hurz" klingen für mich auch manche klassischen Aufnahmen, die einzig durch die Schnittkunst des Tontechnikers ihre kalte Perfektion erreicht haben, oft genug auch durch eine perfekte, aber leblose Spielweise (Das beste Gegenbeispiel davon ist für mich Artur Schnabel, egal, welche Aufnahme ich höre, schon beim ersten Ton bekomme ich jedesmal Gänsehaut. Es klingt jedesmal so, als würde er ein Stück neu improvisieren und macht es so zu seinem...).
Auch diese Art und Weise, über die heute möglichen technischen Möglichkeiten Musik so zu manipulieren (teilweise 100 Schnitte/Bearbeitungen und mehr in der Minute...) ist für mich eine, wenn auch subtile, Art der Scharlatanierie. Denn hier wird technische Perfektion mit Ideenreichtum und starkem Ausdruck gleichgesetzt - doch nur Letzterem möchte ich das Label "Kunst" anheften...
 
Es geht auch um die Idee an sich, die Kreativität an sich als künstlerischen Ausdruck. Und da war Stockhausen ganz, ganz weit vorne dabei, er war ein Pionier auf dem Gebiet der elekronischen Musik, Kerkeling sicher nicht. Wobei letzerer sicher nicht Stockhausen gemeint haben kann, denn hier werden Äpfel mit Birnen verglichen.

Ideen, Kreativität - alles schön und gut.

Aber: Ich möchte das bei Musik auch HÖREN können. Und nicht erst nachlesen müssen.

Ich kann in "Hurz" auch alles Mögliche hineininterpretieren an "tollen Ideen".
Ob nun der Komponist eines "Hurz"-Stückes geniale Ideen hatte, interessiert mich so lange nicht, wie seine Komposition einfach erbärmlich klingt - wie man davon nichts HÖRT.

Vieles an zeitgenössischer Musik ist einfach verkopftes Zeug, das sich im klanglichen Ergebnis nicht von willkürlich Hingeschmiertem unterscheidet.

Wohlgemerkt geht es mir nicht darum, Musik anzugreifen, die nicht mit dem DUR-Moll-System arbeitet und Dissonanzen gleichberechtigt neben Konsonanzen verwendet. Es gibt viele Musikwerke des 20. Jahrhunderts, die ich als genial bezeichenen würde. Zum Beispiel Strawinskys Sacre du Printemps - schlichtweg ähm... geil.

Sacre ist im Unterschied zu vielen zeitgenössischen Werken eine absolut SINNLICHE Musik, zu der ich keine philosophischen Analysen betreiben muss, um sie zu "verstehen".

Diese Sinnlichkeit fehlt den meisten zeitgenössischen Werken. Stattdessen spröder Intellektualismus. Man kann diese Musik deshalb so leicht lächerlich machen, weil sie das im klanglichen Ergebnis ja auch tatsächlich ist.
 
Ideen, Kreativität - alles schön und gut.

Aber: Ich möchte das bei Musik auch HÖREN können. Und nicht erst nachlesen müssen.

Weil man den Beethoven ja auch nicht nachlesen oder verstehen muss, gelle?
Einfach berieseln lassen und es passt schon.
Das ist ja der einzige Zweck für die Komponisten...
Bloß nicht nachdenken bei der Kunst. Das zerstört ja das romantische Bild des Künstlers, dem die Ideen einfach nur so zufliegen und wenn der keine Theorie braucht, dann wir auch nicht, oder wie?
Das ist wieder eine Diskussion für sich.
In der Klassik wie in der Neuen Musik gibt es Scharlatane, das steht zweifelsfrei fest, bloß die Neue Musik hat noch viel massiver als die Klassik gegen Vorurteile zu kämpfen.
Die liegen in der Luft und die nimmt jeder irgendwie auf und schon hört er etwas schiefes, obwohl es nicht schief ist.
Wenn der Laie und selbst der erfahrene Klassikhörer sich beschwert, dass Weberns Passacaglia so eklig atonal wäre, dann weiß ich, dass ich diese Menschen nicht ernst nehmen muss.

Ich kann in "Hurz" auch alles Mögliche hineininterpretieren an "tollen Ideen".
Ob nun der Komponist eines "Hurz"-Stückes geniale Ideen hatte, interessiert mich so lange nicht, wie seine Komposition einfach erbärmlich klingt - wie man davon nichts HÖRT.
Erbärmlich, schrecklich, schief, wie wärs mit entartet?
Man könnte was davon hören, wenn sich die Politik endlich mal um mehr Kultur bemühen würde.
Schulen, in denen tatsächlich Musik unterrichtet wird, anstatt Unterricht in dem man sich stundenlang Spielfilme zum Thema Filmmusik reinzieht und man nach der achthundertsten Interpretation der Goldbergvariationen das kotzen bekommt.

Kompetente Lehrer die vorurteilsfrei unterrichten und den Bogen weit spannen (Ein anderer User hier berichtete von so einem Unterricht. Davon braucht man mehr).
Und eben die musikalischen Grundlagen beibringen, schon hat man ein anderes Hörgefühl und würde so manche Scharlatanerie sofort durchschauen.

Ich erkenne in der schrecklichen Musik Weberns und dem grauseligen Überlenden aus Warschau eine Genialität die für mich durchaus einem Beethoven gleich kommt.
Und meine Emotionen werden von dieser Musik sofort angesprochen.
Wie hätte Schönberg auch den Überlenden aus Warschau komponieren sollen?
Mit heulenden Geigen und triefend kitschigen Mollakkorden, mit ein paar kleinen Dissonanzen um die schreckliche Zeit damals zu musikalisieren?
Die zeitgenößische Klassik ist mir eine willkomene Erweiterung der musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten.
Hier wird soviel nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten gesucht, eine Suche an der ich mich übrigens beteiligen werde (mittels Kompositionsstudium).
Ligetis L'arc-en-ciel ist für mich emotion pur.
Auch in den Werken von Peter Eötvös bekomme ich immer wieder Gänsehaut, gleiches gilt für Milhauds "La creation du monde" (Wobei das Werk etwas traditioneller ist).
Und manchmal muss man eben auch hinhören um Emotion zu entdecken und lernen zuzuhören.
Vielleicht erschließt sich einem ein Werk nicht beim ersten mal, vielleicht aber beim fünften Mal und dann macht es richtig Spaß.

Vieles an zeitgenössischer Musik ist einfach verkopftes Zeug, das sich im klanglichen Ergebnis nicht von willkürlich Hingeschmiertem unterscheidet.

Wohlgemerkt geht es mir nicht darum, Musik anzugreifen, die nicht mit dem DUR-Moll-System arbeitet und Dissonanzen gleichberechtigt neben Konsonanzen verwendet. Es gibt viele Musikwerke des 20. Jahrhunderts, die ich als genial bezeichenen würde. Zum Beispiel Strawinskys Sacre du Printemps - schlichtweg ähm... geil.
Anscheinend kennst du ja soviel zeitgenößische Musik, dass du das fast schon pauschal (dein angeführtes Beispiel wirkt deiner angestrebten Pauschalisierung nicht entgegen) sagen kannst.
Wenn du dich weniger ignorant (denn so kommst du mir vor) mit der Musik auseinandersetzen würdest, dann würdest du auch durch die angebliche "Willkür" blicken.
Strawinskys Sacre du Printemps würde ich durchaus zu Neue Musik zuordnen, aber das ist schon irgendwie ein Klassiker und klingt für mich (persönlich) nach längerem Hören Neuer Musik schon irgendwie sehr traditionell.
Zumal das Werk für mich immer noch einer gewissen Tonalität zugrunde liegt.
Außerdem(!): Was meinst du wieviel konstruiert selbst die größten Meister der Vergangenheit haben?
Komponieren ist immer auch konstruieren, manche berufen sich durchaus zu sehr darauf, aber andere wiederum nicht.
Auch "Le Sacre" ist vollständig durchdacht worden. Bachs Fugen sind auch durchdacht worden (und zwar peinlichst genau!)
Das mit der Verkopftheit ist ein schwaches Argument, weil das so ziemlich auf jeden großen Komponisten der vergangenen Jahrhunderte zutreffen könnte.
Sacre ist im Unterschied zu vielen zeitgenössischen Werken eine absolut SINNLICHE Musik, zu der ich keine philosophischen Analysen betreiben muss, um sie zu "verstehen".

Jaja, ist gut. Um Ansätze zu verstehen und selbst viele Ansätze zu verstehen braucht es kein extremes Fachwissen. Das wussten die Komponisten auch.
Aber vollständig erfassen kann ich ein Werk erst, wenn ich mir angesehen habe, wie es funktioniert, oder genau(!) hingehört habe.
In diesem Prozess erkenne ich auch Dinge, die mir vorher verborgen geblieben sind und schon gefällt mir das Werk noch viel besser.
Ganz ohne Analyse kommt man nie aus, selbst wer behauptet Musik muss ihn nur auf emotionaler Ebene berühren analysiert trotzdem unbewusst beim hören.
Manche sind der Hinsicht offener und nicht so denkfaul, andere wiederum nicht.

Diese Sinnlichkeit fehlt den meisten zeitgenössischen Werken. Stattdessen spröder Intellektualismus. Man kann diese Musik deshalb so leicht lächerlich machen, weil sie das im klanglichen Ergebnis ja auch tatsächlich ist.

Sicher, sicher. Sinnlichkeit und Schönheit ist das einzige was in der Kunst erlaubt ist, stimmts?
Und alles was nicht sinnlich und schön ist, kann nur spröder Intellektualismus sein...
Der Begriff der Ästhetik hat sich gewandelt, frag mal Adorno, wenn du ihn verstehst.
Mal ganz davon abgesehen bezogen sich Teile dieser Aussage von dir früher auch auf "Le sacre", beinahe schon Ironie des Schicksals nicht?

Verzeih mir meine Direktheit, aber ich bin schon öfters Leuten mit deinen Ansichten begegnet, manche konnten sich nicht so gut artikulieren wie du, hatten aber auch nicht mehr hervorzubringen.
Bin mal gespannt was hinter deiner Überzeugung tatsächlich steckt.

Solche Diskussionen gab es ja schon zu Mozartszeiten und davor.
Und auch er hatte gegen Traditionalisten und Ignorante oder konservative Meinungen zu kämpfen.
Und jetzt vergöttert ihn der ein oder andere.
Ich bin mir relativ sicher, dass nicht alle zeitgenößischen Komponisten aus meiner CD Sammlung noch irgendjemand in hundert Jahren hört, aber ein paar werden sicher dabei sein und sicher auch geschätzt oder verehrt werden. Schließlich gibt es dort ja dann auch zeitgenößische Komponisten über die man sich beschweren kann.

P.S.
Endlich ein neuer Thread für das Neue Klassik Ufo :D
 
Zuletzt bearbeitet:
Die "zeitgenössische musik" hat keine heimat, im konzert sind die meisten hörer froh, wenn das "anstandsstück" vorüber ist, und man es sich bei Brahms und Tschaikowsky gemütlich machen kann. Oper geht auch nicht, weil stimmen nicht wie instrumente behandelt werden können, und a-tonal sich keine ensembles und finali bauen lassen, es bleibt beim rezitativisch/ durchkomponierten, und ein répertoirestück ist nicht in sicht.
Vielleicht hat "zuhör-musik" ihren zenith überschritten, als gebrauchsmusik zu filmen und fernsehspielen hat sie eine neue heimstatt gefunden und wird unterschwellig widerspruchslos akzeptiert. Davon können komponisten sogar leben, während sie sonst als lehrer oder dergleichen unterkommen müssen, zumal so mancher kein instrument so gut spielen kann, um ein zweites standbein zu haben.
Die feststellung des intellektualismus mit verzicht auf klanglichen reiz trifft leider oft zu.
"Wem der große wurf gelungen, stimme in den jubel ein", wir würden gern jubeln, aber selten ist anlass dazu.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ideen, Kreativität - alles schön und gut.
Du irrst. Ideen und Kreativität sind genau das, was ein Stück einzigartig machen.
Mal ein Beispiel aus der Pop-Musik - hier am Board:
https://www.musiker-board.de/vb/soul/273049-avant-warum-ist-so-unbekannt-d.html
https://www.musiker-board.de/vb/soul/328635-vorstellung-india-aiire-soul-pop-african.html
https://www.musiker-board.de/vb/soul/327770-vorstellung-chante-moore-rnb.html
Höre dir die Titel alle an, dann weißt du genau, was ich meine.
Was die moderne zeitgenössische Musik angeht, kann sie wirklich überaus faszinierend sein. Allerdings nur, wenn man gewillt ist, sie verstehen zu wollen. Dann findet man nämlich auch heraus, warum diese Musik so ist, wie sie ist. Zudem ist sie ein tolles Spiegelbild unserer Gesellschaft, so wie einst der 60´s Jazz...

Ideen, Kreativität - alles schön und gut.
Aber: Ich möchte das bei Musik auch HÖREN können. Und nicht erst nachlesen müssen.
Du meinst wohl: Konsumieren
Ja, das geht bei solcher Musik wie die zM nicht.

Ich kann in "Hurz" auch alles Mögliche hineininterpretieren an "tollen Ideen".
Ob nun der Komponist eines "Hurz"-Stückes geniale Ideen hatte, interessiert mich so lange nicht, wie seine Komposition einfach erbärmlich klingt - wie man davon nichts HÖRT.
Klingt eher danach, daß du von einer Dauerberieselung kommerzieller Musik geschädigt bist. Ich für meinen Teil höre nur sehr wenig Musik, damit der Quark mir nicht die Ohren verstopft. Es braucht nur wenig gute Musik, aber immer eine Menge belangloser und beliebiger (austauschbarer) Musik, weil letztere keine Substanz hat. Gras für die Ohren also, kein Speck, mit dem ich gute Musik als Futter für die Ohren vergleichen möchte.

Vieles an zeitgenössischer Musik ist einfach verkopftes Zeug, das sich im klanglichen Ergebnis nicht von willkürlich Hingeschmiertem unterscheidet.
Das ist eben der entscheidende Unterschied, den es zu erkenne gilt. Seinerzeit wurde auch der Jazz-Saxophonist Coltrane als Schmierer bezeichnet, heute ist er ein Gott - zu Recht...

Wohlgemerkt geht es mir nicht darum, Musik anzugreifen, die nicht mit dem DUR-Moll-System arbeitet und Dissonanzen gleichberechtigt neben Konsonanzen verwendet. Es gibt viele Musikwerke des 20. Jahrhunderts, die ich als genial bezeichenen würde. Zum Beispiel Strawinskys Sacre du Printemps - schlichtweg ähm... geil.
Es geht nicht darum, überhaupt Töne - im klassischen Sinn - gebrauchen zu müssen. Musik, die immer noch darauf zurückgreift, ist für mich Klassik, nicht zeitgenössische Musik...

Sacre ist im Unterschied zu vielen zeitgenössischen Werken eine absolut SINNLICHE Musik, zu der ich keine philosophischen Analysen betreiben muss, um sie zu "verstehen".
Da wäre mancher Anhänger des Schlagers völlig anderer Meinung...

Diese Sinnlichkeit fehlt den meisten zeitgenössischen Werken. Stattdessen spröder Intellektualismus. Man kann diese Musik deshalb so leicht lächerlich machen, weil sie das im klanglichen Ergebnis ja auch tatsächlich ist.
Man kann sich deshalb lächerlich machen, wenn man Dinge als allgemeingültig erhebt, die aber höchstens subjektiv so empfunden werden können.

Nein, mein Lieber, ich rate dir dringend, entsprechende Sendungen diverser "Klassiksender" aufmerksam zu verfolgen, insbesondere, was die von dir kritisierte zeigenössische Musik angeht. Wenn du dich dafür öffnest, wirst du wirklich viel Freude damit haben können, dir solche Musik anzuhören, weil du dann ihre Genialität erkennen wirst. Es gibt da wirklich unzählige wunderbare Musik. Meist versteht man sie erst richtig, wenn man weiß, was thematisch dahinter steckt, also welche Aussage der Komponist machen will. Musik ohne Aussage kannst du sowieso in die Tonne treten, weil sie einfach beliebig ist...
 
Die Gruppe der "zeitgenössichen" Komponisten scheint mir doch wesentlich heterogener als im Einführungsbeitrag dargestellt zu sein.
 
Es ist sehr erfreulich, dass und wie ihr euch engagiert, damit wenigstens ein kleines bächlein neben dem breiten strom der heute angebotenen, leicht zugänglichen und meist gedankenlos konsumierten musik daherfließt.
Ob man allerdings hoffnung setzen darf auf mehr musische und musikalische allgemeinbildung seitens elternhaus und schule, ist fraglich, die zeichen deuten in andere richtung. Umso wichtiger ist die zuwendung der wenigen, die an neuem und ungewohntem freude haben, sie bilden ein zwar kleines, doch "mächtiges" häuflein, weil sie oberflächlichkeit durch intensität ersetzen.
Man wagt heutzutage kaum noch das wort "kunst" auszusprechen, zuviel missbrauch hat stattgefunden, und speziell musiker scheuen davor zurück, sich "künstler" zu nennen, das überlassen sie anderen. Aber kunst im eigentlichen sinne erreicht nicht jeden und jederzeit, obwohl sie auch unvoreingenommen, spontan ohne vorwissen wirken kann, und manchmal graut mir vor sogenannten "kennern", die erleben durch geschwafel ersetzen.
Wer aber nur seinen eigenen gedanken nachhängt und meint "Hoppla, nun strengt euch mal an, um mir zu folgen", braucht sich nicht zu wundern, wenn er keine resonanz findet; wer in größerem kreise wirken will, muss für sich und sein werk werben, seine hörerschaft fesseln, statt sie zu langweilen. Sie ist nicht an hehren ideen interessiert, die im programmheft verbreitet werden, sondern an dem, was sie hört und was da über die rampe kommt. Selbstgefälligkeit und vorwürfe über die "nicht-verstehenden" sind fehl am platz.
Lassen wir es uns nicht verdrießen, machen wir weiter, erfreuen wir uns an dem, was da ist und was noch kommen wird!
 
Zuletzt bearbeitet:
@LordAbstellhaken:

Du hast mich in deinem Beitrag in eine völlig falsche Schublade gesteckt. Trotzdem bin ich dankbar für deinen Beitrag, da er typische Vorurteile gegenüber meiner Position formuliert, anhand derer ich meine eigene Position noch einmal deutlich machen kann.

Vorab: Ich habe selbst Musik studiert, bin also durchaus vom Fach. Ich kenne deine Position, sie ist ja gewissermaßen das, was man im Studium lernt. Ich habe mich sowohl mit zeitgenössischer Musik als auch mit deren Theoretikern auseinander gesetzt. Dabei habe ich aber immer meinen eigenen Kopf bewahrt.

Auf alle Punkte kann ich nicht eingehen, nur auf die wesentlichen:


Weil man den Beethoven ja auch nicht nachlesen oder verstehen muss, gelle?

Nein, über Beethoven muss man nichts nachlesen. Ich habe Beethoven bereits mit 6 oder 7 Jahren gehört - er hat mich damals schon als Kind fasziniert. Da war ich noch weit entfernt davon, musikwissenschaftliche Literatur zu lesen. Mit dem Begriff Sonatenhauptsatzform wusste ich da sicher auch noch nichts anzufangen. Dennoch fühlte ich mich durch diese Musik unmittelbar angesprochen.

In der Klassik wie in der Neuen Musik gibt es Scharlatane, das steht zweifelsfrei fest, bloß die Neue Musik hat noch viel massiver als die Klassik gegen Vorurteile zu kämpfen.
Die liegen in der Luft und die nimmt jeder irgendwie auf und schon hört er etwas schiefes, obwohl es nicht schief ist.
Wenn der Laie und selbst der erfahrene Klassikhörer sich beschwert, dass Weberns Passacaglia so eklig atonal wäre, dann weiß ich, dass ich diese Menschen nicht ernst nehmen muss.

Nur mal zur Klarstellung: Wenn ich zeitgenössische Musik sage, dann meine ich Musik ab ca. 1960 bis in die Gegenwart. Webern, Schönberg, Berg - also die neue Wiener Schule - zähle ich nicht dazu.
Ich gebe dir vollkommen Recht darin, dass es ganz wunderbare Musik der genannten Komponisten gibt.

Völliger Quark auch die Unterstellung, dass ich "schiefe Musik" ablehnen und nur zu 100 Prozent konsonante Musik bevorzugen würde. Es gibt herrliche "schräge Musik" - die deshalb so herrlich ist, weil sie einen mit besonderer emotionaler Wucht trifft.

Also: Vorwurf verfehlt.

Erbärmlich, schrecklich, schief, wie wärs mit entartet?

Da ist er, der Nazi-Vorwurf. Vielen Dank dafür.

Ich erkenne in der schrecklichen Musik Weberns und dem grauseligen Überlenden aus Warschau eine Genialität die für mich durchaus einem Beethoven gleich kommt.
Und meine Emotionen werden von dieser Musik sofort angesprochen.

Genau, deine EMOTIONEN werden von dieser Musik angesprochen. Meine auch. Meine Emotionen werden aber von vielen Stücken der ZEITGENÖSSISCHEN Musik nicht angesprochen. Blutleeres Zeug halt, das klingt wie hingestümpert (als Repräsentanten nenne ich beispielhaft Mauricio Kagel, bei dem mir das besonders auffällt).

Hier wird soviel nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten gesucht, eine Suche an der ich mich übrigens beteiligen werde (mittels Kompositionsstudium).

Mal ein Tipp von mir: Du solltest dein Kompositionsstudium auf jeden Fall durch ein Tonsatzstudium ergänzen, um das ganze HANDWERK (!) des Komponierens in all seiner Breite kennen zu lernen.

Anscheinend kennst du ja soviel zeitgenößische Musik, dass du das fast schon pauschal (dein angeführtes Beispiel wirkt deiner angestrebten Pauschalisierung nicht entgegen) sagen kannst.
Wenn du dich weniger ignorant (denn so kommst du mir vor) mit der Musik auseinandersetzen würdest, dann würdest du auch durch die angebliche "Willkür" blicken.

Ganz ohne Pauschalisieren geht es nun mal nicht. Mein Eindruck ist, dass die zeitgenössische Musik in eine Sackgasse geraten ist. Dabei gestehe ich durchaus zu, dass es immer wieder mal positive Gegenbeispiele gibt (bei Ligeti zum Beispiel wird man da sicher fündig werden.) Was mich stört, ist, wenn zeitgenössische Werke hochgejubelt werden, die beim besten Willen die Bewertung als große Kunst nicht verdienen (Beispiele dafür werde ich noch mal bringen).
Und dass die, die genau das monieren, mit der Keule "Reaktionär" niedergeknüppelt werden.

Außerdem(!): Was meinst du wieviel konstruiert selbst die größten Meister der Vergangenheit haben?
Komponieren ist immer auch konstruieren, manche berufen sich durchaus zu sehr darauf, aber andere wiederum nicht.

Bei der konstruierten Musik eines Bach ist es nicht notwendig, das Konstruierte dahinter zu reflektieren (das gilt übrigens auch noch bei vielen Werken Schönbergs). Die Reflexion mag den hörenden Zugang erweitern, sie ist aber nicht notwendige Voraussetzung.

Bei vielen Stücken zeitgenössischer Musik ist das anders. Die Musik steht und fällt mit dem Konzept dahinter, das man nur NACHLESEN kann.

Ganz ohne Analyse kommt man nie aus, selbst wer behauptet Musik muss ihn nur auf emotionaler Ebene berühren analysiert trotzdem unbewusst beim hören.
Manche sind der Hinsicht offener und nicht so denkfaul, andere wiederum nicht.

Doch, warum sollte man ohne Analyse denn nicht auskommen?

Sicher, sicher. Sinnlichkeit und Schönheit ist das einzige was in der Kunst erlaubt ist, stimmts?

Nein, denn damit würde unterstellt, dass Hässlichkeit nicht sinnlich ist.
Sinnlichkeit ja, aber nicht unbedingt Schönheit.
 
Meist versteht man sie erst richtig, wenn man weiß, was thematisch dahinter steckt, also welche Aussage der Komponist machen will. Musik ohne Aussage kannst du sowieso in die Tonne treten, weil sie einfach beliebig ist...

Das ist eine Aussage, die nun wirklich problematisch ist.
Letztlich outest du dich damit als Verfechter von PROGRAMMMUSIK.
Welche "Aussagen" stehen denn beispielsweise hinter den Sinfonien von J. Brahms?
Diese Frage wird man sicher nicht beantworten können.
Es gibt ja immer wieder Versuche, solche Aussagen dort hinein zu interpretieren.

Was man aber dabei feststellt, ist gerade das Gegenteil dessen, was du sagst: Dass nämlich gerade diese "Aussagen" beliebig sind, sind es doch nur gedankliche INTERPRETATIONEN.

Trotzdem (oder gerade deswegen) muss man Brahms nicht "in die Tonne" treten. Seine Musik spricht für sich selbst. Alles andere sind nur Worte.

Und das kritisiere ich an zeitgenössischer Musik: Ohne ellenlanges Kritikergeschwafel wären viele Stücke längst da gelandet, wo du die "aussagenlose" Musik sehen willst - nämlich in der Tonne.
 
Günter Sch.;3875804 schrieb:
Aber kunst im eigentlichen sinne erreicht nicht jeden und jederzeit, obwohl sie auch unvoreingenommen, spontan ohne vorwissen wirken kann, und manchmal graut mir vor sogenannten "kennern", die erleben durch geschwafel ersetzen.
Wer aber nur seinen eigenen gedanken nachhängt und meint "Hoppla, nun strengt euch mal an, um mir zu folgen", braucht sich nicht zu wundern, wenn er keine resonanz findet; wer in größerem kreise wirken will, muss für sich und sein werk werben, seine hörerschaft fesseln, statt sie zu langweilen. Sie ist nicht an hehren ideen interessiert, die im programmheft verbreitet werden, sondern an dem, was sie hört und was da über die rampe kommt. Selbstgefälligkeit und vorwürfe über die "nicht-verstehenden" sind fehl am platz.
Lassen wir es uns nicht verdrießen, machen wir weiter, erfreuen wir uns an dem, was da ist und was noch kommen wird!

Exakt!
 
Das ist eine Aussage, die nun wirklich problematisch ist.
Letztlich outest du dich damit als Verfechter von PROGRAMMMUSIK.
Welche "Aussagen" stehen denn beispielsweise hinter den Sinfonien von J. Brahms?
Diese Frage wird man sicher nicht beantworten können.
Es gibt ja immer wieder Versuche, solche Aussagen dort hinein zu interpretieren.

Was man aber dabei feststellt, ist gerade das Gegenteil dessen, was du sagst: Dass nämlich gerade diese "Aussagen" beliebig sind, sind es doch nur gedankliche INTERPRETATIONEN.

Trotzdem (oder gerade deswegen) muss man Brahms nicht "in die Tonne" treten. Seine Musik spricht für sich selbst. Alles andere sind nur Worte.

Und das kritisiere ich an zeitgenössischer Musik: Ohne ellenlanges Kritikergeschwafel wären viele Stücke längst da gelandet, wo du die "aussagenlose" Musik sehen willst - nämlich in der Tonne.
Da mißverstehst du mich. Es gibt Stücke, die sind eine Aussage, allein deshalb, weil sie nicht belanglos/beliebig/austauschbar sind, was ja auch gerade ein Meisterstück ausmacht.. Bach ist ja nun auch keine Programmmusik, nicht? Allerdings steckt eine Philosophie dahinter, und so etwas spürt man immer. Insofern lasse ich mich gerne als Verfechter von "Programmmusik" "beschimpfen"... ;)
Mit Mozart hatte ich schon immer so meine Probleme, ja, seit Kindheitstagen, weil die meisten Stücke doch sehr, sehr vorsehbar sind, besonders, was den harmonischen Verlauf angeht. Die Ausnahmen sind mir aber durchaus bekannt...

Vielleicht zu Ligeti und Konsorten noch ein Gedanke:
Hier geht es um Klangmalereien, was ein ganz anderer Ansatzpunkt ist. Das ist eher Programmmusik. So etwas ist wirklich eine ganz große Kunst, in meinem Freundeskreis gibt es einen Verrückten, der ähnliches mittels Sampling macht. Das ist eine komplett andere Welt, ich könnte mir schon gar nicht solche Klänge vorstellen, so wie er das macht. Es hat auch eine ganze Weile gedauert, bis ich so eine Herangehensweise überhaupt akzeptieren konnte, und noch länger, um Gefallen daran zu finden. Heute finde ich solche Musik durchaus schön, sogar teilweise sehr ästhetisch.

Vielleicht noch ein Beispiel. Vor einiger Zeit lief auf einem Sender ein Stück (leider kann ich mich weder an Komponist noch an den Titel des Stückes erinnern), das ich auch erstmal als Quatsch abgetan hatte. Reine Geräusche in Extremform. Bis dann die Erklärung kam, daß das Stück aus vielen, vielen S-ähnlichen Lauten bestand - mit Beispielen. Dann wurde das Stück wiederholt - und ich war hin und weg und erkannte erst dann den Aufbau und die Raffinesse des Gedankens, das dahinter steckte. Seitdem bin ich extrem vorsichtig geworden - eigentlich peinlich, daß man mir erst so ein Stück erklären mußte, es wäre auch so hörbar gewesen...

Sicher entspricht solch eine Vorgehensweise nicht den Hörgewohnheiten eines Mozart-Liebhabers, trotzdem finde ich es gewagt, die Thes aufzustellen, all das sei nur einfach Scharlatanerie. Wenn´s nach mir geht: Ich kann diese abgedroschenen Mozart-Floskeln weit weniger ertragen als solche Musik, wenn ich mich entscheiden müßte: Dann lieber experimentell-zeitgenössisch forever als Mozart...
 
Zuletzt bearbeitet:
Mit Mozart hatte ich schon immer so meine Probleme, ja, seit Kindheitstagen, weil die meisten Stücke doch sehr, sehr vorsehbar sind, besonders, was den harmonischen Verlauf angeht. Die Ausnahmen sind mir aber durchaus bekannt...
Ich kann diese abgedroschenen Mozart-Floskeln weit weniger ertragen als solche Musik, wenn ich mich entscheiden müßte: Dann lieber experimentell-zeitgenössisch forever als Mozart...

1. Musik wird immer an dem gemessen, was gerade vorhanden und bekannt ist, zu Mozarts zeiten war der seltene verminderte akkord noch ein "fürchterlicher" und somit wirkungsvoller als bei Wagner, wo er im "Holländer" in fast jedem takt vorkommt. Der "Neapolitaner" war auch mal ein überraschungseffekt.
2. Ich finde bewundernswert, wenn komponisten ihrer zeit vorgreifen und "unerhörtes" wagen, wie Bachs verzwickte off-beat-rhythmik der "Corrente" aus der 6. Partita e-moll. Ich habe mir manchmal den spaß gemacht, zwischen stücke von Reger das kleine, unscheinbare Menuetto KV.355 oder die Gigue KV.574 einzuflechten. Wie kehrt Mozart nach chromatisch/dissonanten experimenten schmunzelnd zur konvention zurück! Über die überleitung zum 2.teil des "Andante cantabile", Kl.sonate KV 333 wundere ich mich immer wieder.
In seinen violinsonaten greift er Schubert vor, da sind keine "abgedroschenen floskeln".
Als Beethoven tonika und dominate gleichzeitig erklingen ließ (Eroica, 1., reprise), hielt Habeneck in Paris das für einen schreib- oder druckfehler und korrigierte ihn.
3. vieles aus heutiger sicht avantgardistische wurde zu lebzeiten der autoren nicht öffentlich aufgeführt und strapazierte nicht die hörgewohnheiten der mitwelt, entwickelte sie somit auch nicht weiter, was wir aus der gegenwart nur zu gut kennen.
4. Musiker wollten auch damals gehört werden und womöglich von ihrer arbeit leben, wobei der rahmen eng war und die aufgaben begrenzt. Die bürger von Leipzig wären von der "Kunst der fuge" schockiert oder gelangweilt gewesen, die wöchentlichen kantaten mit ihren schwülstigen texten nahmen sie als "gottesdienst" so eben hin. Enthusiastische stimmen sind so wenig bekannt wie Bachs ruf als komponist. Die stelle als Thomaskantor bekam er nur, weil der "berühmte" Telemann absagte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Welche "Aussagen" stehen denn beispielsweise hinter den Sinfonien von J. Brahms?
Diese Frage wird man sicher nicht beantworten können.
Es gibt ja immer wieder Versuche, solche Aussagen dort hinein zu interpretieren.

Er hat sich nicht dazu geäußert, aber es gibt anzeichen, dass auch Brahms dem geist der zeit folgte und poetische ideen umsetzte, hinter dem motto "Frei,aber einsam" (FAE, 3.sinfonie) kann sich eine welt von erfahrungen und gefühlen verbergen, wodurch die ganze Hanslicksche kontroverse gegenstandslos wird. Es ist sehr bedauerlich, dass generationen solchen "kritischen" scharlatanen folgen und deren halb- oder viertelwissen, wenn nicht ignoranz, konservieren. Auch heute noch ist trittbrett fahren oft einträglicher und risikoloser als kreatives tun, wenn ich an die unsäglichen "moderatoren" und "experten" denke.
 
Zuletzt bearbeitet:
Günter Sch.;3878205 schrieb:
1. Musik wird immer an dem gemessen, was gerade vorhanden und bekannt ist, zu Mozarts zeiten war der seltene verminderte akkord noch ein "fürchterlicher" und somit wirkungsvoller als bei Wagner, wo er im "Holländer" in fast jedem takt vorkommt. Der "Neapolitaner" war auch mal ein überraschungseffekt.
Naja, bei Bach kommt der Akkord ja ständig vor, wenn auch meist arpeggiert... - der N. ist ja heute noch ein Überraschungseffekt, es kommt halt einfach auf den Musikstil an...
Aber generell gebe ich dir natürlich recht, denn da sind wir schon beim Thema Hörgewohnheiten.

Es ist auch interessant, wieder einmal festzustellen, daß es jedesmal Mozart-Liebhaber sind, die ein umfassendes Problem mit der zeitgenössischen Musik haben und jedesmal den künstlerischen Wert in Frage stellen.
 
@LordAbstellhaken:

Du hast mich in deinem Beitrag in eine völlig falsche Schublade gesteckt. Trotzdem bin ich dankbar für deinen Beitrag, da er typische Vorurteile gegenüber meiner Position formuliert, anhand derer ich meine eigene Position noch einmal deutlich machen kann.

Vorab: Ich habe selbst Musik studiert, bin also durchaus vom Fach. Ich kenne deine Position, sie ist ja gewissermaßen das, was man im Studium lernt. Ich habe mich sowohl mit zeitgenössischer Musik als auch mit deren Theoretikern auseinander gesetzt. Dabei habe ich aber immer meinen eigenen Kopf bewahrt.

Mein Musiklehrer an der Schule hat auch Musik studiert und auch Ricky King.
Das lass ich also nicht als Argument durchgehen.
Schön, dass du schon weißt, was ich im Studium lerne, aber es bedurfte keiner Professoren um mich zu meiner Überzeugung zu bringen.

EDIT: Ist übrigens interessant, dass dieser Musiklehrer die Neue Musik (damals auch im Studium. Denn er und meine Kompositionslehrerin hatten zusammen studiert, daher weiß ich das) total verteufelt hat und vor ein, zwei Jahren plötzlich Ligeti, ja sogar Stockhausen gehört hat.

Nein, über Beethoven muss man nichts nachlesen. Ich habe Beethoven bereits mit 6 oder 7 Jahren gehört - er hat mich damals schon als Kind fasziniert. Da war ich noch weit entfernt davon, musikwissenschaftliche Literatur zu lesen. Mit dem Begriff Sonatenhauptsatzform wusste ich da sicher auch noch nichts anzufangen. Dennoch fühlte ich mich durch diese Musik unmittelbar angesprochen.
Vollständig erfassen wirst du ihn aber erst, wenn du dich mit Beethoven auseinandersetzt.
Ist mir durchaus bewusst, dass Musik einen erst mal ohne alles ansprechen kann, sonst würden wir ja gar nichts mehr hören, aber wer genau hinhört, bei dem ein oder anderen Komponisten, der wird nochmals belohnt.
Nur mal zur Klarstellung: Wenn ich zeitgenössische Musik sage, dann meine ich Musik ab ca. 1960 bis in die Gegenwart. Webern, Schönberg, Berg - also die neue Wiener Schule - zähle ich nicht dazu.
Ich gebe dir vollkommen Recht darin, dass es ganz wunderbare Musik der genannten Komponisten gibt.

Es gibt auch seit den sechzigern ganz tolle Sachen.
Man nehme nur mal die Minimalisten aus Amerika, Steve Reich, oder John Adams, Terry Riley.
Aus England gibt es derweil ein paar neue, nämlich Mark-Anthony Turnage, der Neue Musik mit Jazz und U-Musik verbindet.
Gleiches gilt für Thomas Adés:
http://www.youtube.com/watch?v=HRQr33PdyiQ
Neue Musik, bzw. zeitgenößische Musik kann schließlich alles mögliche sein.
Ein anderer toller Komponist der sich hervorgetan hat ist Soren Nils Eichberg, oder auch Wolfgang Rihm(der schon etwas länger), etc. etc. Man könnte ewig viele aufzählen, die du wahrscheinlich (bewusst) nicht kennst.

Völliger Quark auch die Unterstellung, dass ich "schiefe Musik" ablehnen und nur zu 100 Prozent konsonante Musik bevorzugen würde. Es gibt herrliche "schräge Musik" - die deshalb so herrlich ist, weil sie einen mit besonderer emotionaler Wucht trifft.

Also: Vorwurf verfehlt.



Da ist er, der Nazi-Vorwurf. Vielen Dank dafür.

Kann passieren, denn genau so hast du dich gegeben.
Von einem studierten Musiker hätte ich nicht solche Vorurteile erwartet.

Genau, deine EMOTIONEN werden von dieser Musik angesprochen. Meine auch. Meine Emotionen werden aber von vielen Stücken der ZEITGENÖSSISCHEN Musik nicht angesprochen. Blutleeres Zeug halt, das klingt wie hingestümpert (als Repräsentanten nenne ich beispielhaft Mauricio Kagel, bei dem mir das besonders auffällt).

Na dann, vielleicht siehst du auch ein, dass du die Musik deshalb auch nicht so bezeichnen kannst, weil andere es wiederum anders sehen, aber naja...


Mal ein Tipp von mir: Du solltest dein Kompositionsstudium auf jeden Fall durch ein Tonsatzstudium ergänzen, um das ganze HANDWERK (!) des Komponierens in all seiner Breite kennen zu lernen.

Vielen Dank, für den genialen Tipp... Das hatte ich schon längst vor (in der HFM Karlsruhe geht dieses Wintersemester sogar nur Theorie. Da werd ich also ein halbes Jahr erst mal nur Theorie machen, sollte ich bestehen), nur:
Das Handwerk im Tonsatz allein lässt nicht immer auf zeitgenößische Musik übertragen,
trotzdem wage ich zu behaupten, dass meine theoretischen Kentnisse inzwischen auf gleichem Stand wie die kompositorischen sind, was vielleicht nicht viel heißen mag, da ich noch am Anfang stehe, aber immerhin...
Im Tonsatz allerdings (was vierstimmige Sätze angeht, Harmonielehre und auch Kontrapunkt), bin ich schon rech gut, wobei das alles natürlich immer verbesserungswürdig ist,



Ganz ohne Pauschalisieren geht es nun mal nicht. Mein Eindruck ist, dass die zeitgenössische Musik in eine Sackgasse geraten ist. Dabei gestehe ich durchaus zu, dass es immer wieder mal positive Gegenbeispiele gibt (bei Ligeti zum Beispiel wird man da sicher fündig werden.) Was mich stört, ist, wenn zeitgenössische Werke hochgejubelt werden, die beim besten Willen die Bewertung als große Kunst nicht verdienen (Beispiele dafür werde ich noch mal bringen).
Und dass die, die genau das monieren, mit der Keule "Reaktionär" niedergeknüppelt werden.
Na dann, mach es doch besser, wenn die zeitgenößischen Komponisten es nicht können.
Oder sag ihnen, was sie tun sollen, damit sie deinem Geschmack und deinen Hörgewohnheiten gerecht werden, das ist für Komponisten ja keine große Sache.
Macht Dieter Bohlen auch.
Denkst du, das war früher groß anders?
Mag sein, dass es sich jetzt ein wenig verfahren hat, aber das wird auch wieder besser und mit ein bisschen musikalischer Aufklärung vermutlich sogar schneller.


Bei der konstruierten Musik eines Bach ist es nicht notwendig, das Konstruierte dahinter zu reflektieren (das gilt übrigens auch noch bei vielen Werken Schönbergs). Die Reflexion mag den hörenden Zugang erweitern, sie ist aber nicht notwendige Voraussetzung.
Dann machs auf deine Weise, ich möchte die Musik Bachs und Schönbergs lieber vollends auskosten.
Bei vielen Stücken zeitgenössischer Musik ist das anders. Die Musik steht und fällt mit dem Konzept dahinter, das man nur NACHLESEN kann.

Nein.
Außerdem ist mir das schon oft genug passiert, dass bei romantischen oder Barockkomponisten auch irgend ein Mist in Programmheften und Booklets stehen, die nicht mal halb so toll sind, wie sie beschrieben werden.

Ich finde es auch nicht schlimm, wenn ein Komponist ein paar Worte zu dem Neuland, dass er geschaffen hat verliert.

Andererseits kann ich dir bei manchen Kompositionen durchaus recht geben, aber du übertreibst trotzdem.

Doch, warum sollte man ohne Analyse denn nicht auskommen?
Weil mans automatisch und unbewusst macht...? :rolleyes:

Nein, denn damit würde unterstellt, dass Hässlichkeit nicht sinnlich ist.
Sinnlichkeit ja, aber nicht unbedingt Schönheit.
Lies trotzdem mal Adorno, vielleicht hilfts.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich finde den Vorwurf der "Scharlatanerie" doch recht heikel - du unterstellst damit ja hunderten oder tausenden von komponierenden Menschen, sie würden vorsätzlich ein Können vorgaukeln, welches sie wissentlich nicht besitzen und ihr Publikum bewusst betrügen.

Ich finde es durchaus verständlich, wenn jemand keinen Zugang zu Stockhausens Musik findet, und ja, ich habe auch selbst bei vieler neuer Musik schon ein gewisses Gefühl von Beliebigkeit erlebt. Aber ohne eindeutige Indizien würde ich diese Komponisten deswegen doch nie als Scharlatane kennzeichnen und doch zumindest davon ausgehen ("in dubio pro reo"), dass sie sich nach bestem Wissen und Gewissen angestrengt haben, "gute Musik" zu schreiben - was auch immer das für sie persönlich heissen mag. Ich erlebe aber leider nur zu oft wie nicht nur die Komponisten selbst, sondern auch deren Hörer vorschnell beschuldigt werden, diese Musik eigentlich gar nicht zu mögen und nur aus snobistischem Intellektualismus so zu tun, als gefalle sie ihnen.

Ich finde, ungeachtet aller Streitfragen zum "Wert" dieser oder jener Musik sollte man zumindest anderen Personen eingestehen, tatsächlich Musik aufrichtig zu mögen (und so auch zu schreiben), welche man selbst mit keinen seiner musikalischen Vorurteile in Einklang bringen kann.

Ich persönlich mag Kagels Musik ausgesprochen - und gerade Kagels Musik ist sicher keine übertrieben "intellektuelle" oder "schwer zu hörende". Die Instrumente sind oft fremd, die theatralischen Elemente mögen zuweilen (besonders wenn man auf "reine Musik" eingestellt ist) irritieren, und die Musik hat sicher oft auch einen pseudo-naiven Zug (daher kommt wohl der Kommentar "hingestümpert"), aber ich höre diese Musik äusserst gerne, durchaus auch "emotional"
- wohingegen meine Emotionen grösstenteils ausbleiben, wenn ich Tschaikovsky höre (gut, Ärger manchmal).

Nun, betreffend dem "direkten, hörenden Erleben" und dem "intellektuellen Erarbeiten": Ich geniesse es durchaus auch, wenn ich zu einem Stück einen unmittelbaren Zugang beim ersten Hören finde, wobei ich aber von keinem Stück erwarte, beim ersten Hören wirklich alles erlebt zu haben. Es gibt Stücke, welche ich einmal höre und sofort mitgerissen werde, Stücke, die bei mir nach dem ersten Hören den Wunsch zurücklassen, es nochmal zu hören, es zu lesen oder etwas darüber zu erfahren, um richtig eintauchen zu können - und schliesslich Stücke, welche lediglich ein Gefühl von desinteresse hinterlassen. Nur, keine dieser Kategorien bezieht sich lediglich auf Musik einer bestimmten Epoche. Musik von 1990 kann sich für mich ebenso in jede dieser Kategorien einordnen, wie musik von 1790. Ausserdem kann und will ich nicht zwischen den Kategorien werten. Es gibt einfach Musik, welche ihre Qualitäten nicht sofort offenlegt, Musik welche sich mir, in meinem persönlichen momentanen Zustand vielleicht gar nicht erschliesst, aber auch Musik welche mich erst mal mitreisst, aber mir bei genauerer Betrachtung nicht viel Neues offenbart. So kann sich auch meine persönliche Einschätzung von einem Stück laufend ändern, was doch auch ganz natürlich ist.

Ich halte es jedenfalls für Humbug, die "neue Musik" generell als "intellektuell" und "nicht sinnlich erfahrbar" zu deklarieren. Wenn ich Xenakis, Boulez oder Ferneyhough höre mag das zwar äusserst komplex komponierte Musik sein, beim Hören ist es aber nichtsdestotrotz erst mal eine rein sinnliche Erfahrung (bei der natürlich mein Gehirn auch immer noch mitläuft…), welche ich als ästhetische Gestalt geniessen kann. Vielleicht sogar bei dieser Musik mehr als bei vieler "einfacherer" Musik, denn hier kann ich die Musik oft nicht mehr direkt per Gehör klar analysieren und es bleibt lediglich das zurück, was die musikalischen Strukturen in meinem Gehirn an Bildern auslösen. (Was sich dann natürlich bei mehrfachem Hören auch ändern kann.)
 
Na bitte, so langsam tauchen immer mehr Hörer von Neuer Musik auf. Das freut mich schon mal.

Übrigens: Gut formulierter Beitrag, du sprichst da wichtige Dinge an.

Auch Neue Musik kann sehr sinnlich sein. Das merke ich bei Ligeti, auch ab und zu bei Turnage und bei Rihm und bei vielen anderen Komponisten auch.

Stockhausen wird mir wohl immer ein Rätsel bleiben, aber im Gegensatz zu manch anderen hier in dem Thread werde ich ihn nicht der Scharlatanerie bezichtigen.

Ich bin auch kein Fan von elektronischer Musik beispielsweise, habe mir aber gestern ein 6 CD set gekauft und werde mich da reinarbeiten.
 
Ich habe bisher noch nicht so viel "neue Klassik" gehört, habe mir aber "damals" Atmospheres von Ligeti gekauft, nachdem ich dieses faszinierende Klanggemälde in Kubricks "2001" gehört hatte.

Zählen eigentlich Charles Ives und Gustav Holst auch schon zur zeitgenössischen Musik - wahrscheinlich ist das aber nur "moderne Klassik" :rolleyes:
"Central Park In The Dark" und "The Planets" sind z.B. zwei Werke, die ich sehr gerne mag.
 

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