Hi,
mein großer Bruder ist schon seit seiner Jugend Zappa-Fan und hat den Herrn auch ein paar mal getroffen. Irgendwann in den späten Jahren hat er mich dann mal zu einem Konzert in Frankfurt mitgeschleppt. Ich selbst bin ja musikalisch eher der etwas einfacher gestrickte Rocker und er ist dann mit mir zu AC/DC gepilgert.
War letztlich für uns beide eine Bereicherung, und ich muss sagen, das Konzert ist mir noch intensiver und auch positiver in Erinnerung als so manches meiner eigenen Lieblingsbands. Seine Platten (also diese schwarzen Dinger damals) blieben für mich immer ziemlich anstrengend, aber live hatte ich das Gefühl, das alles besser zu "verstehen" - da machte das alles irgendwie mehr Sinn. Mal abgesehen von den genialen Bandmusikern waren es gerade die Improvisationen, die mich fesselten.
Mit Jazz geht es mir oft ähnlich, für mich ist der Moment der spontanen Schöpfung von Musik schon was ganz besonderes, vor allem in der Interaktion mit anderen Musikern - das hat eine Magie, die sich mir auf Studioaufnahmen nie so ganz erschließt. Es ist ja hinlänglich bekannt, wie exakt FZ seine Werke durchkomponiert und -arrangiert hat, aber der Thread zielt ja nun speziell auf sein Gitarrenspiel. Ich denke, er hat hier wirklich sehr frei und intuitv gearbeitet, sich mitunter auch bewusst von Tonalität gelöst und seine musikalischen Kenntnisse erfolgreich beiseite geschoben. Die Gitarrensoli kommen mir in ihren (nicht wenigen) wilden Parts also eher als bewusster Gegenpol zu den komplexen Kompositionen vor. Extreme Kontraste ziehen sich ja als Grundmotiv durch sein ganzes Werk, ich denke, auch auf diesem Gebiet.
Von daher halte ich es für eher müßig, seine Soli zu "über-analysieren". Würde ich einen Zappa-Song nachspielen (was ich mich wohl nie trauen würde, jedenfalls nicht vor Zuhörern), hielte ich es für abwegig, die Soli nachzuspielen. Nicht bei einem Musiker, der sie selbst jeden Abend anders spielte, oft komplett auf den Kopf stellte. Da wird man der Intention mMn am ehesten gerecht, wenn man versucht, in sich eine Stimmung zu finden und die auf der Gitarre umzusetzen und wiederzugeben.
Huch, das klingt ja jetzt irgendwie schon fast wie ...Jazz!!
. Mit dem verband Zappa ja wohl sowas wie eine Hassliebe, und zeitlebens machte er sich gerne über Jazz und Jazzmusiker lustig. Ich hoffe, er rotiert jetzt nicht im Grab, wenn ich sage, dass er aus meiner Sicht mehr Jazz gemacht hat als 90 % der Musiker, die sich heute selbst als Jazzer verstehen. Ich verbinde damit jedenfalls eher das Aufbegehren gegen Regeln als deren genaue Beachtung. Thema - Variation des Themas - freie Impro und Rückkehr zum Thema - sowas war ihm glaube ich zuwider, weil es halt auch wieder ein Schema ist. Mein Eindruck beim Zusehen und -hören war auf jeden Fall, dass er einen Heidenspaß hatte, wenn er verrückte Sachen machte und es gut lief. Und ich denke, dass das ein durchaus bewusst gesetzter Gegenpol war zu seinen zunehmend im Bereich der E-Musik zu verortenden späten Aktivitäten á la Yellow Shark mit ihrer ganzen Strenge.
Bin weder Jazz-Kenner noch ein echter Zappa-Aficionado, eher etwas ratloser Bewunderer als ein Fan, aber wollte mal meine Sichtweise zum Besten geben (und ein bisschen angeben, dass ich ihn noch live sehen durfte
).
Gruß, bagotrix