Gerhard Eichberger
Nunja, Dein Stil steckt in Dir drinnen. Im Grunde entwickelt man nicht seinen Stil, sondern den hat man von Anfang an - man muß ihn nur zulassen. Ich habe den Eindruck, daß viele Musiker ihren eigenen Stil gar nicht zulassen, weil sie sich den irgendwie weggelernt haben oder er ihnen wegerzogen worden ist. So erzählte mir ein Schlagzeuger, daß es genug Musiker gibt, die am Konservatorium verdorben werden: Sie kommen mit einem eigenen Stil und gehen stillos, weil ihnen am Konservatorium gelernt wurde, daß man SO nicht spielt. (Darum heißt es ja auch "Konservatorium", weil man dort sehr konservativ ist.)
Der eigene Stil ist zunächst mal nichts, was durch das Erlernen von Musikinstrumenten oder durch Musikunterricht kommt. Sondern er hat sehr viel damit zu tun, wie man als Mensch so ist; und das wiederum hängt sehr davon ab, wie man erzogen wurde und was man erlebt hat. (Der Mensch ist das Produkt seiner Umwelt.)
Diese ganzen Erlebnisse bedingen dann, wie man an die einzelnen Sachen herangeht, und das bewirkt dann eben einen bestimmten Stil, der dann auch (wenn man Musiker wird) zu hören und/oder zu sehen ist - bei Malern z. B. drückt sich dieser eigene Stil eben darin aus, wie deren Bilder aussehen.
Wenn Du also meinst, keinen Stil zu haben, dann gibt es meiner Ansicht nach nur zwei Möglichkeiten:
1.) Du hast einen eigenen Stil, bist Dir aber dessen nicht bewußt.
2.) Dein eigener Stil wurde unterdrückt und letztlich quasi vernichtet.
Letzteres kann beispielsweise durch die Erziehung passieren: Wenn man als Kind dauernd mit Verboten konfrontiert wurde und einem immer vorgeschrieben wurde, wie etwas zu machen ist und Abweichungen von der Üblichkeit von der Umgebung nicht zugelassen wurden (das ist leider in vielen Schulen und auch an so manchem Arbeitsplatz so), dann verlernt man irgendwann mal seinen eigenen Stil bzw. traut sich unbewußt nicht mehr, irgendetwas "außer der Norm" zu machen, und dann kommen solche Musiker heraus, die es nicht schaffen, einen eigenen Stil zu entwickeln. Da gilt dann wohl das, was hier jemand in einem anderen Thema über seine Arbeit als Musikerzieher bei Jugendbands in einem Jugendzentrum geschrieben hat - kennt man eine Band, kennt man alle.
Daß Du Dir Gedanken darüber machst, vielleicht gar stillos zu sein, scheint mir ein Indiz dafür zu sein, daß Du nicht soweit stromlinienförmig gehobelt wurdest, wie das vielen Leuten passiert ist. Du scheinst mir doch eher ein Mensch mit Ecken und Kanten zu sein, und das ist gut so!
Bezüglich des ganz eigenen Auftretens:
Das ist dann natürlich etwas, das am besten aus einem selber kommen soll. Ein entsprechendes Bühnenoutfit ist auf jeden Fall notwendig - die Idee dazu sollte aber von Dir selbst sein. Einfach das, was Du für richtig hältst. (Bei meinen Auftritten habe ich mich meistens zwischen den Nummern umgezogen.)
Es gab bezüglich dieses Punktes mal eine Diskussion zwischen Ludwig "Wickerl" Adam und Kurt Radowisch (der ist ein sehr guter Freund von mir). Kurt sagte, daß er immer in Straßenkleidung auftritt und nie auf die Idee käme, sich vor einem Auftritt umzuziehen. Worauf Wickerl meinte, daß bei ihm die Leute nie in Straßenkleidung auf die Bühne gehen, weil die Bühnenshow sehr wichtig ist und da natürlich auch die Kostüme dazugehören. (Auch bei seiner Band HALLUCINATION COMPANY ziehen sich die Sänger/innen während eines Auftrittes oft um.) Worauf der Kurt erwiderte, daß er bei einem Konzert oft die Augen schließt und sich die Musik anhört, aber nicht anschaut. (Er sagt auch, daß er ungern in ein Konzert geht - lieber hört er sich die Schallplatten und CDs zuhause an, und von Musikvideos auf YouTube lädt er sich nur den Ton herunter.)
Ich persönlich bin ebenfalls der Meinung, daß man dem Publikum mehr bieten soll, als bloß zu Hörendes, denn sonst könnte man ja (wie der Kurt meist) gleich zuhause bleiben. Mir geht es bei einem Konzert auch um eine gelungene Bühnenshow. (Und ich warte ja schon lange darauf, daß auch olfaktorische Elemente bei Konzerten zum Einsatz kommen - bisher kenne ich da nur parfümierten Bühnennebel.)
Ein Konzept solltest Du Dir auf jeden Fall überlegen. Denke Dir zuerst mal eine Setlist aus und stelle Dir vor, wie man die Lieder da optisch passend bringen könnte. Nehmen wir z. B. das Lied "Häng net auf" vom Ludwig Hirsch, wo es darum geht, daß er seine Ex anruft und versucht, da wieder einen Kontakt zu ihr herzustellen. Wenn ich das live bringen würde, dann stelle ich mir vor, daß ein Tisch mit einem Wählscheibenapparat auf der Bühne steht, ich dann wähle und dann den Text spreche. Hier fand ich übrigens ein Video, das dieses Lied in ähnlicher Weise präsentiert, wie ich es machen würde:
Zur Bandüberlegung:
Es ist natürlich immer ein Rückschritt, wenn man mit der bestehenden Band aufhört und mit einer neuen anfängt. Zum einen ist es nicht so einfach, eine passende Band zu finden, zum anderen fängst Du dann unter Umständen praktisch wieder von vorne an (sieht man mal von Deiner bereits erlernten Praxis ab, die nimmt Dir ja keiner mehr weg); außerdem ist die Frage, ob die Band dann auch tatsächlich das macht, was Du selber machen willst - ohne Kompromisse wird's da wohl kaum gehen. Daher würde ich überlegen, ob es nicht doch möglich ist, trotz Deines Umzuges noch weiterhin bei der alten Band zu bleiben. (Kommt natürlich darauf an, wie wichtig Dir das Musikmachen ist - es gibt vor allem in Deutschland Musiker, die wirklich über 200 Kilometer zur Probe fahren. [Bei uns in Österreich kommt das nur selten vor - die meisten Musiker strampfen schon, wenn sie weiter als zehn Kilometer zum Proberaum fahren müssen.] Wenn man das gut organisiert [z. B. Proben nur Samstag und Sonntag, Übernachtung bei einem Bandmitglied], dann geht das auch.)
Ja, soweit mal, was mir spontan dazu einfällt...
Gerhard