wie oft lasst ihr euer Klavier stimmen?

  • Ersteller noodles 89
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Wie aufwendig ist so etwas denn ca. ?

Ihr die auch Klavier spielen könnt ist es denn so enorm schwer und kompliziert so etwas selbst zu erlernen bzw. durchzuführen ?
Ich meine natürlich nur wenn man es ausführlich beigebracht bekommen bzw. erlernt hat.

Muß vorab sagen daß ich mir die Stimmerei mit einem Klavierbauerlehrbuch selbst beigebracht habe.
Voraussetzung ist mal ein sehr gutes Gehör und die Fähigkeit Interferenzschwingungen aus nem Ton rauszuhören. Wenn Du das hast und mit einem Stimmgerät die Referenzoktave stimmst ist der Rest an sich kein großes Problem. Was man braucht ist ein Stimmschlüssel (bei diesem unbedingt darauf achten das die Innenverzahnung konisch ist - billige Exemplare sind parallel wie ein normaler Steckschlüssel und können die Stimmwirbelkanten ruinieren), einen Stimmkeil sowie bei nem Flügel unbedingt einwandfreie Bandscheiben :eek: . Der Keil ist normalerweise aus Filz, ich verwende mittlerweile bevorzugt schräg angeschliffene Gummischlauchstücke weil der Gummi erstens besser dämpft und auch bei harten Anschlägen die beim Stimmen erforderlich sind zuverlässiger zwischen den Saiten hält.

So als Kurzüberblick:
Zwischen den linken beiden der drei Tenorsaiten eines Tones den Keil zur Dämpfung dieser zwei Saiten klemmen und die verbleibende rechte Saite passend zum Stimmgerätton stimmen. Dann Keil zwischen linker Saite und Nachbartonsaite stecken damit die gedämpft bleibt und die mittlere Saite der bereits gestimmten rechten anpassen. Dann Keil weg und die linke den anderen beiden bereits gestimmten Saiten anpassen.
Dies bei der gesamten Referenzoktave so machen und am Schluß nochmal alle Töne prüfen.
Dann Ton für Ton alle Oktavtöne ausgehend von dem jeweiligen Ton der Referenzoktave stimmen.

Ich persönlich stimme die Basstöne jeweils eine Spur zu tief weil man dadurch bei kleineren Instrumenten (Pianos) die meist etwas blechern klingenden Obertonanteile bei den Basstönen abschwächen kann.
Im Gegenzug kann man in den hohen Oktaven ne Spur zu hoch stimmen weil die hohen Töne viel schneller ihre Stimmhöhe verlieren als die anderen und man dadurch eventuell die nächste Stimmung etwas rauszögern kann.
Die Stimmhaltung bei sehr beanspruchten Klavieren kann man auch dadurch verbessern indem man beim Stimmen einer Saite selbst diese nicht einfach nur auf die korrekte Tonhöhe zieht sondern (mechanisch robustes Instrument allerdings vorausgesetzt) zuerst den Ton leicht überzieht und ihn dann unter Fortissimoanschlägen langsam mit dem Stimmschlüssel nachlassend auf die korrekte Höhe "runterprügelt" (gelernte Klavierbauer werden jetzt zwar die Augen verdrehen aber diese Technik hat sich jedenfalls bei mir in Bezug auf die Stimmhaltungsdauer sehr bewährt).
Als Anfänger jedenfalls aufhören wenn die Konzentration nachlässt und besser später nach ner längeren Pause wieder weitermachen sonst wird es zur Tortur. Abgesehen davon braucht ne zuverlässig und genau durchgeführte Stimmung mindestens zwei bis drei Stunden, alles drunter ist meiner Ansicht nach Pfusch!

Abraten würde ich jedenfalls jedem Anfänger zu versuchen eine Stimmung ohne Stimmgerät für die Referenzoktave zu machen. In dieser Variante legt der Stimmer nur mit einer Kammertonstimmgabel und dem sogg. Quintenzirkel die Referenzoktave und dafür braucht man lange Erfahrung weil der, mathematisch vorliegende Fehler bei den Quinten auf alle Töne der Referenzoktave so "verteilt" werden muß das trotzdem alle Tonintervalle klanglich einwandfrei sind.
Dies ist dann die sogg. wohltemperierte Stimmung noch aus Bach´s Zeiten - bei älteren Stimmvarianten wo dieser Ausgleich noch nicht erfolgte waren nämlich einige Töne nicht verwendbar.
 
Schon mal Danke für die vielen interessanten Antworten!
 
Da Frage ich mich wieso das nicht so einfach ist wie bei einer Gitarre ;-) - Stimmgerät und drehen bis die Seite den richtigen Ton hat...
 
eigentlich is das genau so einfach wie bei der gitarre, nur man muss das an ein paar seiten mehr machen..das klavier hatt 88 töne.jeder ton wird mit drei seiten erzeugt..da kommt man auf 264 seiten...ja dann wünsch ich allen..frohes stimmen..
 
Beim Klavier wird nicht jeder Ton mit 3 Seiten erzeugt. Es gibt auch Töne die nur mit 2 Seiten erzeugt werden. Und es ist auch lange nicht so einfach wie bei ner Gitarre. Es geht halt nicht mit Stimmgerät.
 
Beim Klavier wird nicht jeder Ton mit 3 Seiten erzeugt. Es gibt auch Töne die nur mit 2 Seiten erzeugt werden. Und es ist auch lange nicht so einfach wie bei ner Gitarre. Es geht halt nicht mit Stimmgerät.

Bei Blüthner auch vier Saiten im Diskant wg. dem Aliqoutsystem - noch mehr Spaß.....
Stimmgerät geht schon aber praktisch nur für die Referenzoktave, ist aber auch schon ne gewaltige Arbeitserleichterung wenn man sich den sch... (sorry) Quintenzirkel sparen kann.
 
Wenn einer sowas hätte käme die Stimmung sicher viermal so teuer, die Wirbel sind nämlich.......unten....:eek:

Von den Kosten der, dann nötigen Bandscheibenbehandlung des Stimmers noch ganz abgesehen....:D, trotzdem würd ich den allein schon wegen der Optik gerne haben wollen.......


UprightSchimmelNelson1894.jpg
 
Hallo Petz, das ist ein "Flügelpianino" oder "Flügelwandklavier". Gibt es das wirklich, oder ist das eine Fotomontage? Im übrigen war ich auf Deiner hp mit den Modellseilbahnen. Stark!
 
Hallo Petz, das ist ein "Flügelpianino" oder "Flügelwandklavier". Gibt es das wirklich, oder ist das eine Fotomontage? Im übrigen war ich auf Deiner hp mit den Modellseilbahnen. Stark!

1) Zu den Dingern sagte man auch Giraffenklavier oder aufrechter Flügel, die gibts wirklich und den Schimmel & Nelson auf meinem letzten Bild könntest Du Dir auch live im Schimmel - Museum in Braunschweig ansehen. War sicher generell ein tolles Stück da er, soweit auf dem Bild erkennbar auch schon einen Vollpanzerrahmen hatte. Zum Stimmen müßte man sich am besten einen Tintenfisch oder sonst ein ziemlich gelenkiges Tier abrichten bzw. wäre der ein Paradebeispiel wo man versuchsweise die, von mir in einem anderen Topic gepostete Idee einer Selbststimmanlage einbauen könnte......;)

So sieht der übrigens geschlossen aus:

Schimmel&NelsonAufrechterFlügel1894_01.jpg


Noch zwei Bildbeispiele von Giraffenklavieren:

Giraffenklavier1840.jpg


Giraffenklavier04.jpg


2) Danke, freut mich sehr zu hören.
Übrigens ne off-topic Anmerkung zu einer Geschichte die mir im letzten Sommer passiert ist. Turnte in Algund während des Betriebs auf der zweiten Korbliftstütze rum um die Ursache eines Klopfgeräusches zu erkunden, just als unter mir ein besetzter Korb talwärts durchfuhr mußte ich kräftig niesen (Heuschnupfen) und erschreckte dadurch die zwei weiblichen Passagiere die mich natürlich vorher nicht wahrgenommen hatten fast zu Tode. Zwei gellende Schreie aus dem Korb waren die Folge, ich wär vor Lachen fast von der Stütze geflogen und der Betreiber an der Talstation zerkugelte sich auf dem Boden und fing sich grade noch rechtzeitig um den zwei armen Delinquentinnen dann beim Aussteigen helfen zu können......:D
 
Zu 1)
Das finde ich wirklich interessant. Noch nie etwas davon gehört. Wann wurden Giraffenklaviere gebaut? Aufgrund des Resonanzkörpers klangen sie vermutlich einem Flügel ähnlich.

Zu 2)
Es wäre kein Wunder gewesen, hätten die beiden unter Dir einen Herzinfrakt erlitten;)
 
Zu 1) Das Instrument auf dem mittleren Bild ist um 1840 datiert, der Schimmel & Nelson auf 1894 wobei ich denke das der leider so ziemlich das letzte Exemplar der Gattung gewesen sein dürfte, klanglich müßte der S & N fast nem Konzertflügel entsprechen wenn man zur geschätzten Höhe von mindestens 200 cm noch die Tastatur - und Mechanikbaubreite eines Flügels hinzurechnete. Hoffe ich komm mal nach Braunschweig und es spielt jemand vom Museum mal das Ding.

Zu 2) Ich aber fast auch denn der Aufschrei im Duett eineinhalb Meter unter mir war nicht von schlechten Eltern......:D
 
Ein herzliches Dankeschön für all diese Informationen. Wieder was dazugelernt!:D
 
Nichts zu danken, gern gemacht..:)
 

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