Wie es besser geht

  • Ersteller Frank_de_Blijen
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Verzeihen ist meiner Meinung nach ein Prozess, der nicht auf dem Verzicht (des Zorns) beruht, sondern auf dem Gefühl, dass sich dieser bereits aufgelöst hat.
Das sehe ich dann doch anders. Verzeihen hat weniger mit Gefühlen zu tun, sondern mit einer Entscheidung. Und zwar der, den anderen aus der eigenen (berechtigten) Anklage zu entlassen. Im Bild gesprochen: wenn man vor Gericht wäre, die Anklage von sich aus einzustellen.

Von daher bin ich auch ausdrücklich bei Frank_de_Blijen...: Verzeihen ist jederzeit möglich.

Mein Problem mit dem Text und Franks Erklärungen rührt von etwas anderem her. Dass nämlich der Eindruck erweck wird, Verzeihen = sich wieder versöhnen; und beides soll einseitig vom LI abhängig sein bzw. sich einstellen, wenn allein das LI den Schritt tut.

Und das sehe ich doch durch die Realität ganz und gar nicht bestätigt. Die eine Seite kann verzeihen und sich versöhnen wollen noch und nöcher - wenn die andere Seite auf stur stellt / uneinsichtig ist, bleibt alles wie gehabt. Ja verschlimmert sich u.U, sogar noch.
 
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Stur sind genau so jene, die mir meine berechtigte Wut verbieten. Komischerweise fordern immer nur die mein Verzeihen, die sich ihrem eigenen Verhalten nicht bis in die letzte Konsequenz stellen wollen. Mich wütend gemacht zu haben, ist okay. Wenn ich diejenigen mit meiner Wut konfrontiere, ist das "falsch" und "uneinsichtig". Sehr bequem, finde ich.
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Gut. Jetzt habe ich, statt am Text zu arbeiten, im Text gewühlt. Muss auch mal sein. :)
 
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Aber ...
aber "darf nicht" doch viel weniger
das habe ich nicht behauptet oder gefordert.
Ich schrieb:
Es geht auch nicht darum, die Eltern ständig zu konfrontieren. Aber der Geschlagene braucht die Gewissheit, dass der Zorn berechtigt ist. Nur dann kann er sich auflösen.


Hier hast du vermutlich recht:
das wäre dann kein arbeiten an Formulierungen, sondern ein anderer Text ...



Wohingegen ich dies:
Die alte Moral nach Rache, Vergeltung, Zurückschlagen - ist ja auch eine moralische Grundidee.
...weder teile noch wünsche.
Ebenso wie ich dies nicht gefordert habe:
dass so sehr erst eine Eskalation gewünscht wird.
Ich bitte, das zur Kenntnis zu nehmen.
Könnte es sein, dass du die Forderung, den Zorn als gerechtfertigt anzuerkennen, bereits als Eskalation bewertest?

Mein Ansatz (und die Motivation, meine Meinung kund zu tun) war der, dass für Menschen mit Gewalterfahrung dieses Fazit hier als Handlungsaufforderung
Narben verheilen
Ärger verraucht
das, was soll bleiben
ist was jeder braucht
Liebe, Verständnis. Und nach einem Streit.
Vergeben, vergessen, verzeih'n
in Verbindung mit dem Titel "Wie es besser geht" wie blanker Hohn klingen kann. Das provoziert meinen Widerspruch.
 
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Könnte es sein, dass du die Forderung, den Zorn als gerechtfertigt anzuerkennen, bereits als Eskalation bewertest?
Das habe ich mich auch gefragt. Man lässt mich etwas fühlen, aber ich darf denjenigen nicht damit konfrontieren, wie es bei mir ankommt.
 
Gut. Jetzt habe ich, statt am Text zu arbeiten, im Text gewühlt. Muss auch mal sein. :)
🤔….Klingt in meinen Ohren wie: Krieg muss auch mal sein.
Jemand, dem immer wieder ohne Wenn und Aber verziehen wird, der muss sich nicht ändern. Damit verewigt sich das Dilemma.
🤔… Du willst lieber deinen Widersacher mit verbaler Gewalt erziehen?

Meine persönliche Haltung ist: Ich gehe meine eigenen Wege und denke mir so oft ich nur kann: Leben und Leben lassen. Und wenn ich gelegentlich dagegen verstoße, ärgere ich mich über diese Schwäche. Und suche und finde genug Veränderbares bei mir selber. Aber ich verkaufe mich halt auch nicht als Weihnachtsmann…
 
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... Sicher ist mit einem einfachen Verzeihen nicht sofort alles gut und wie sich hier klar bestätigt kann das auch dazu führen, dass der Plan nicht aufgeht - weder erfährt jeder Mensch durch sein Verzeihen das positive Gefühl, den Konflikt entschärft oder sogar beendet zu haben, noch passiert bei jeder Person, der verziehen wird etwas zum besseren. Das wird ja aus Euren Statements recht klar.

Das LI im Song war zudem wütend, zornig, es hat die Gefühlte gehabt ... und meint sogar, es noch bleiben zu müssen (weil es die Gesellschaft erwartet?) Vielleicht würde es durch tatsächlich den Tausch eines einzigen Buchstabens deutlicher:

Ich müsste Dir doch noch böse sein
tiefe Wunden schmerzen noch
und im Herzen brennt ein Loch
doch viel lieber noch will ich verzeih'n

Ich müsste doch noch voll Härte sein
um Schläge zu ertragen
da muss ein Panzer wachsen
doch viel lieber noch will ich verzeih'n

Ich müsste doch noch verbittert sein
zu oft allein im Zimmer
dein Schweigen so viel schlimmer
doch viel lieber noch will ich verzeih'n


Im "doch" steckt etwas mehr Zweifel, im "noch" der Hinweis, dass das LI diese Gefühle hatte und nun überwunden hat.
Stur sind genau so jene, die mir meine berechtigte Wut verbieten.
.. das mache ich nicht. Der Text ist eine persönliche Geschichte des LI und soll nicht als Handlungsanweisung verstanden werden, es so zu tun, wie es das LI tut. Es ist nur sein Weg und zwischen dem letzten Konflikt und dem Verzeihen liegt eine unbestimmte Zeit. Durchaus Jahre.

@streamingtheatre dank Dir für Deinen weiteren Post. Dass es für schwer misshandelte Menschen nicht passt, kann ich auch gut verstehen. Vielleicht muss ich über den Titel noch einmal nachdenken. Der ist zumindest mit dafür verantwortlich, dass es wie eine Blaupause für Konfliktsituationen verstanden werden kann. Vielleicht muss da ein "ich" rein, um das etwas abzuschwächen.
 
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Klingt in meinen Ohren wie: Krieg muss auch mal sein.
Es ging um den Text. Und statt mich formal damit zu befassen, hab ich mich in meine persönliche Geschichte reingesteigert. Aber anders konnte ich nicht. Ich werde diesbezüglich an mir arbeiten. :)
Du willst lieber deinen Widersacher mit verbaler Gewalt erziehen?
Mit Gewalt nicht und erziehen sowieso nicht, aber ich will andererseits auch kein Blatt (mehr) vor den Mund nehmen. :)
Handlungsanweisung
Ich hab mich zu sehr "wegtragen" lassen. Dafür bitte ich um Entschuldigung. Das nächste Mal geht es "nur" um den Text. :)
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Leben und Leben lassen.
Ja, das ist besser. Nur werde ich wahrscheinlich nie verzeihen, nur um nicht anzuecken. Allerdings werde ich auch nicht auf einer Wut bestehen, die schon am Verrauchen ist, nur um mit dem Verursacher noch mal darüber darüber zu diskutieren. :)
 
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Nur werde ich wahrscheinlich nie verzeihen, nur um nicht anzuecken. Allerdings werde ich auch nicht auf einer Wut bestehen, die schon am Verrauchen ist, nur um mit dem Verursacher noch mal darüber darüber zu diskutieren. :)
Ich kenne keinen Menschen, den ich so gut kenne, wie mich. Und ich überrasche mich selber trotzdem mehr als genug in alle Richtungen.:(;)….:)

Allerdings werde ich auch nicht auf einer Wut bestehen, die schon am Verrauchen ist, nur um mit dem Verursacher noch mal darüber darüber zu diskutieren. :)

Wenn ich mit jemanden mehr als einmal schmerzliche Probleme habe, passen unsere Strategien und Taktiken mE nicht zueinander!!! - Doch in dem Maße, wie wir uns nicht mehr gegenseitig verärgern, öffnet sich mein Herz langsam wieder, um heimlich von dem Anderen nachträglich zu lernen. Was mir gar nicht selten nützte!
 
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Doch in dem Maße, wie wir uns nicht mehr gegenseitig verärgern, öffnet sich mein Herz langsam wieder,
Ja. Das ist bei mir auch so. Wenn ich einschätzen kann, dass es beim Gegenüber auch so ist, freu ich mich. Nur "spielen" kann ich das nicht.
 
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Vorweg ich finde die Diskussion in diesem Thread faszinierend, weil von allen Seiten achtungsvoll persönliche Geschichte und eigenes sprachliches Verständnis eingebracht wird.

Von mir als Gedankenspiel Antworten auf selbst gestellte Fragen.

- Lässt sich das Wort Verzeihen in den Strophen umgehen ohne die Zeilen vorher umzuformulieren?
doch viel lieber noch will ich verzeih'n
Doch ich möchte/will/werde mich davon befrei‘n

- Wie lässt sich die Richtung des Refrains vom Gegenüber (‚lass uns’) auf sich selber lenken?
Was soll der Hass, was soll die Wut?
Sie tun nicht gut und darum lass
uns den Ärger verbannen
und damit sofort anfangen
Ich hab meinen Frieden mit dem was war geschlossen
Tränen sind mehr als genug darüber schon geflossen
Man sagt, die Zeit heilt Wunden, ich will nichts vergessen
Außer die Erinnerung in mich hinein zu fressen
 
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Die Zeile wundert mich ein bisschen. Die Strophe wirkt versöhnlich und dann - peng! Falsch gedacht!
Das ist nicht unversönlich gemeint. Für mich bedeutet „in sich hinein fressen“, weiterhin allein um ein Thema kreisen anstatt es ad acta zu legen und das soll eben nicht mehr sein.

Edit:
Ist vielleicht missverständlicher als ich dachte. Gemeint ist: Ich will die Methode des Hineinfressens vergessen.
 
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Ich hab meinen Frieden geschlossen.
Es sind genug Tränen geflossen.
Man sagt ja, die Zeit heile Wunden.
Ich habe mich wiedergefunden.

Ich möchte nicht einfach vergessen,
doch auch nichts in mich hineinfressen.
Ich möchte es leben, mein Leben.
Gelingt das, kann ich auch vergeben.
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Doch ich möchte/will/werde mich davon befrei‘n
Schöne Zeile. Ich favorisiere das "werde".
:)
 
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Vorweg ich finde die Diskussion in diesem Thread faszinierend, weil von allen Seiten achtungsvoll persönliche Geschichte und eigenes sprachliches Verständnis eingebracht wird.
ja - das finde ich hier auch immer wieder klasse! Konstruktive Kritik ohne den Anspruch, recht zu haben ... toll! Ich freu mich auch über die Diskussion zu diesem Text und die Ideen, die dazu gekommen sind - auch über die neuen Refrains, auch wenn ich in meinem Text den eigenen stehen lasse ;)
 
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Man verhärtet nicht, wenn man sich endlich mal klarmacht, wo die negative Energie eigentlich herkommt.
Dass „Du“ dir „endlich“ klar machst, wo deine negative Energie herkommt, hat mE in erster Linie etwas mit dir zu tun.! Nicht der Alkohol ist schuld, sondern der Trinker!
Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.
Lieber Atombombe statt Diplomatie? Man kann mit Wortspielen Oberflächen polieren. Aber keine zweipoligen Geschichten.
Jemand, dem immer wieder ohne Wenn und Aber verziehen wird, der muss sich nicht ändern. Damit verewigt sich das Dilemma.
Kein Mensch kann sich generell ändern! Vor allem dann nicht, weil das ein anderer Mensch verlangt, um seine Ruhe zu haben. Menschen können sich jederzeit trennen. Oder sie versuchen, lebenslänglich Verständnis zu entwickeln.
Wobei noch gar nicht raus ist, ob man wirklich so viele Federn lässt, wenn man den Verursacher endlich mal mit den eigenen Wut-Gefühlen konfrontiert.

Meine Erfahrungen besagen, dass nicht Wut gewinnt, sondern das diplomatische Geschick, die Weitsicht der Konflikt-Partner. Ich kann einen Standpunkt sehr hart vertreten, aber ich frage meinen Streitpartner eigentlich immer nach seinen Motiven. Wenn es sein muss stundenlang. Dann schlage ich manchmal eine relativ kurze, wechselseitige Zeitspanne vor, in der jeder ungestört argumentieren darf. Wenn man sich nicht unterbrechen darf, verlieren Beleidigungen oder Trennungsversuche recht schnell ihr Gift.
Jemand, dem immer wieder ohne Wenn und Aber verziehen wird, der muss sich nicht ändern.
Das mag sein. Aber was hat das mit Wut des Partners zu tun? Ich unterscheide zwischen Wutausbrüchen auf der einen Seite und permanenter sachlicher Aufgabenteilung auf der anderen. Ich bleibe dabei: ein Gesprächsversuch ohne den totalen Willen zur Freundlichkeit ist… :unsure: sehr unklug!
 
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ein Gesprächsversuch ohne den totalen Willen zur Freundlichkeit ist… :unsure: sehr unklug!
Versuch mal, mit einer Lehrerin zu diskutieren, die dich immer wieder mit verbalen Tricks aufs Kreuz legt und im Bedarfsfall sogar lügt. Und die tagelang beleidigt ist beim kleinsten "Widerwort". Irgendwann reicht einem sowas.
 
ein Gesprächsversuch ohne den totalen Willen zur Freundlichkeit ist… :unsure: sehr unklug!
Zum Glück kann man ja die Bezugspersonen austauschen, wenn man nicht an Lieblosigkeit zugrunde gehen will. Ich hab mir Freunde gesucht, die direkt, offen und sehr zugewandt sind. Warum soll man sein Leben vor einer verschlossenen Tür ausharren? Für diese Menschen bin ich wertvoll, eine wunderbare Erfahrung! Da gibt man sich auch gerne Mühe im Miteinander.
 
Nachdem ich Frank´s Text noch einige Male gelesen habe und auch diesen Thread weiterverfolge, möchte ich mich wieder konkreter dem Text von Frank zuwenden.

Frank erwähnt explizit die Mutter.
obwohl Du meine Mutter bist
Da er auch von Schlägen spricht, weist das für mich deutlich auf eine Kindheit hin. Außerdem lese ich aus den "Schlägen", dass dies kein einmaliger Ausrutscher war, sondern häufiger vorkam.
um Schläge zu ertragen
Wenn ich also die Geschichte ernst nehme (was ich tue), ist das LI in seiner Kindheit öfter geschlagen worden. Das ist weder ein Streit noch ein Konflikt auf Augenhöhe, sondern Gewalt, die mit Machtgefälle geschah. Das Kind erlebte vermutlich auswegslose Ohnmacht, denn es konnte nicht weg. Da half weder "diplomatisches Geschick" noch gab es ein Gegenüber, sondern es gab - in diesem Fall - eine Täterin.


Dass es für schwer misshandelte Menschen nicht passt, kann ich auch gut verstehen. Vielleicht muss ich über den Titel noch einmal nachdenken. Der ist zumindest mit dafür verantwortlich, dass es wie eine Blaupause für Konfliktsituationen verstanden werden kann. Vielleicht muss da ein "ich" rein, um das etwas abzuschwächen.
@Frank_de_Blijen: Ja, die Blaupause drängt sich leider auf. Für mich würde die Aussage deines Textes passen, wenn es ausschließlich um das "Streiten" ginge. Da du aber Gewalt (im o.g. Sinne) als Vorgang dazu nimmst, geht es für mich nicht mehr auf.


Und statt mich formal damit zu befassen, hab ich mich in meine persönliche Geschichte reingesteigert.
@Teestunde Was ich auch im Ansatz nachvollziehen kann. Die Verbindung zu deinem persönlichem Text https://www.musiker-board.de/threads/an-unsere-mutter-geheimes-weihnachtsgedicht.750247/ wurde ja benannt. Frank hat also indirekt auf deine Geschichte Bezug genommen. Da kann ich ein "persönliches Reinsteigern" schon verstehen.
 
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