Greife das Thema ab wann im (rein klassischen !) GU mit Literatur begonnen werden soll nochmals auf, da ich soeben zufällig auf untenstehendes gestossen bin.
Gefunden im Buch von Heinrich von Bergen "Unsere Stimme Bd. II Die Ausbildung der Solostimme", bei uns eines der Standardwerke in der Ausbildung zum klassischen Gesangspädagogen.
Zusammengefasst steht da:
Stimmbildnerische Übungen und Arbeit am Stück sollen parallel laufen und untrennbar verbunden sein.
Die Schulung von Haltung, Atmung und Stimme soll dem Studium an der Literatur aber immer etwas voraus sein, da das dabei erworbene Können die Voraussetzung bildet für die gesanglich einwandfreie Bewältigung der Literatur. Wird zu früh Literatur gesungen, die den Schüler gesanglich überfordert, werden Fehler und schlechte Gewohnheiten eingeübt und automatisiert, die nachher fast nicht mehr zu korrigieren sind.
Erste einfache Stücke sollen im Anfangsunterricht aus dem Übungsprogramm heraus wachsen im Sinne einer Stimmbildung an diesen Stücken. Der in Übungen erarbeitete Klang wird auf das Stück übertragen, das vom Schüler dann nicht als etwas völlig Neues, sondern als erweiterte Gesangsübung empfunden wird, ohne dass dabei aber der Aspekt der Interpretation vernachlässigt wird!
Der Zeitpunkt der ersten Stücke im GU ist abhängig von der Entwicklung des Körpergefühls, der bewussten sängerischen Atmung und des Klangsinns, denn auch das Singen eines einfachen Stückes benötigt gewisse gesangstechnische Voraussetzungen. Sind diese Voraussetzungen gegeben, empfiehlt es sich, geeignete Stücke zuerst noch ohne Text, nur mit gut klingenden Silben aus dem Übungsprogramm zu singen. Dies ist wertvoll für die Entwicklung des Gefühls der gesanglichen Linie und für die Aufrechterhaltung des in den Übungen erarbeiteten Resonanz- und Klanggefühls und die Perfektionierung der sängerischen Atmung. Text kommt erst dazu, wenn vorgängig Übungen für den Vokalausgleich gemacht wurden.
Für die Auswahl der ersten Gesangsstücke nennt Heinrich von Bergen folgende Kriterien:
- Melodie im Quint- bis Oktavumfang in bequemer Mittellage ((das ist der erste Punkt, wo ich selber es anders empfinde, von wegen "bequeme" Mittellage , aber gut möglich, dass er trotzdem Recht hat, da für einen Anfangsschüler die Mittelllage ev. tatsächlich am besten geht und die Probleme in dieser Lage sich erst auf höherem gesangstechnischen Niveau etablieren(?))
- nicht zu viele und zu grosse Intervallsprünge
- eher kurze Melodieabschnitte mit Pausen dazwischen
- keine langauszuhaltenden Noten (brauchen Beherrschung einer guten Atemstütze und des Schwelltonvermögens)
- keine Koloraturen und Verzierungen
Weiter schreibt er, dass die meisten klassischen Kunstlieder und die beliebten altitalienischen Arien viel zu schwierig seien für den Anfangsunterrricht!! Der Anfänger sei dabei nicht nicht nur stimmtechnisch sondern auch wegen dem noch zu wenig entwickelten Gestaltungsvermögen überfordert.
Als Anfangsliteratur empfiehlt er einfache Lieder aus Volksliedsammlungen und Gesangsbüchern für die Schule. Und wertvoll: diese Stücke häufig a capella singen.
Soviel die Meinung eines profilierten Fachmanns zum Thema.