Auch ich möchte mich für die informative Berichterstattung bedanken und ein paar allgemeine technische Hintergründe beisteuern:
Vorsicht "HOT" ... zur frühen Zeit wurde natürlich alles aus den Verstärkern gekitzelt, was man rausholen konnte. Auf die Frage ob man das Ding heute noch spielen könnte, gab es nur den Warnhinweis auf extrem hohe Spannungen, weit über den heute erlaubten Werten. Mit CE wäre da nichts zu wollen, was auch so ein wenig die Frage nach authentischen 1:1 Verstärkern der Urväter anspricht.
Die Aussage mit den hohen Spannungen bzgl. der CE Norm bei den Vintage Laneys sind halt ein bisschen fragwuerdig... Natuerlich herrschen in alten Laneys hohe Spannungen. In etwa genauso hoch wie in alten Marshalls, Hiwatts oder Oranges... Insofern: Warum sollte es Laney als einziger Firma nicht moeglich sein, diese Geraete auch heute noch unter den Richtlinien der CE Norm zu fertigen ?
Ich weiß nicht, inwiefern Laney das gemacht hat, was andere Hersteller gemacht haben, aber:
- Eine EL34 ist für 800V zugelassen, aber dazu muss man die Schirmgitterspannung niederiger halten. Das heißt, das Netzteil muss aufwändiger gebaut sein als in den typischen Marshalls / Laneys - man braucht sozusagen ein Netzteil, das 400V und 800V stabil liefern kann. Dynacord hat Verstärker gebaut, die mit 850...900 V arbeiteten und das absolut zuverlässig getan haben, solange man passende Röhren hatte.
- Die meisten alten Gitarrenverstärker arbeiten mit Betriebsspannungen von ca. 450 V, sowohl an den Anoden als auch am Schirmgitter. Streng genommen ist schon das außerhalb der zugelassenen Grenzwerte der EL34.
- Heutige EL34 haben nicht mehr die Qualität der alten EL34, die es in den 60ern/70ern gab. Und da Svetlana St. Petersburg
http://www.sedtubes.com/ die Produktion eingestellt hat, gibt es auf dem Weltmarkt de facto keine zuverlässigen EL34 mehr, die man wirklich mit den Nenndaten dauerhaft belasten bzw eben überlasten kann und die dabei nicht kaputtgehen. (Der Larry könnte dazu wahrscheinlich Bücher schreiben...)
Das heißt es ist heute aufgrund der Röhrenverfügbarkeit ein Himmelfahrtskommando für einen Hersteller, einen Verstärker zu bauen, der diese damals üblichen Betriebsspannungen nutzt (und die damit einhergehende Ausgangsleistung und Klang erzeugt) und eben deswegen macht man das nicht mehr.
Lieber baut man Verstärker mit 450 V, in die man fast jede Schrottröhre reinstecken kann. Wie viele haben heftig blau leuchtende EL34 in ihren Amps? Die würden bei 800..900V alle hochgehen.
wegen Anfrage, es wäre sehr toll, wenn Laney wieder solide Netztrafos hernehmen würden anstatt Ringkerntrafos!
Ein Ringkerntrafo ist ein solider Netztrafo und kann mit gleichem dynamischen Verhalten gebaut werden wie ein EI- oder M-Kern. Darüber hinaus benötigt er weniger Kupfer, weniger Eisen, ist leichter und hat einen größeren Wirkungsgrad.
Dazu streut ein Ringkerntrafo weniger, das heißt man kann den Verstärker kleiner bauen und muss weniger abschirmen.
Und die Eisenschnitte sind (soviel ich weiß) abfallfrei, das heißt der Trafo wird deutlich billiger. Dazu sind Ringkerntrafos Stand der Technik (wenn man keine Schaltnetzteile nutzt, wogegen eigentlich auch nichts sprechen würde...) und daher in der Masse günstig.
Wenn man ein richtig hartes Netzteil bauen will, dann wird das mit einem konventionellen Trafo sehr teuer, groß und schwer. Mit einem Ringkern ist das einfach. Das heißt bei Neuentwicklungen hat man deutlich mehr Spielraum.
Technisch hat es also keine Nachteile, du als Kunde musst weniger schleppen und den Hersteller kostet es weniger - was würdest du an Stelle des Herstellers tun? ;-)
Nur SMD in den Laneys finde ich "nix gut", weil wenn man da was reparieren will/muß ist das halt "Pain in the a##"!
Es sollte den Amptechnikern zumutbar sein, nach zig Jahren des Hantierens mit veralteter Technik mal was neues zu lernen. SMD in den Dimensionen, wie es in den Gitarrenverstärkern benutzt wird, ist leicht handhabbar und kein Problem bei Reparaturen. Allerdings hat man manchmal das Problem, dass man nicht erkennt, was das eigentlich für ein Bauteil war, wenn man nur noch einen schwarzen Haufen vorfindet
Dem Autobias musst du, als Ingenieur und Produktverantwortlicher einer ganzen Serie, Vorgaben machen innerhalb welcher Parameter es sich bewegen darf. Da dies dann im Verstärker ohne zutun eines qualifizierten Technikers passiert, ist die komplette Auslegung auf "Sicherheit" gerichtet.
Viele der "guten alten Amps und Sounds" die wir von unseren Heroes kennen, sind mit hoffnungslos überzüchteten Verstärkern gespielt worden. Ein qualifizierter Amp Techniker wird da wesentliche näher ran kommen, als ein AutoBias Programmierer es zulassen kann.
Daher auch der Schwerpunkt "wird funktionieren" in meiner Aussage. Das was möglich wäre, liegt meist ausserhalb des AutoBias und sind sehr individuelle Präferenzen und Geschmäcker. Damit garantiert aus meiner Sicht ein AutoBias die Funktion eines Verstärkers, lässt aber Potential liegen …
Dieses Potential kann der Werkston eines Verstärkers sein, oder der individuelle Martin Ton, wenn ich ihn zum Techniker bringe und optimieren lasse.
Es gibt für diese Autobias-Geschichte mehrere Gründe:
- Heutige Röhren streuen im Vergleich zu denen aus den 60ern/70ern deutlich mehr. Damals hat keiner gematchte Röhren verkauft (außer für Spezialanwendungen in Messgeräten), das war schlicht nicht nötig. Hat man eine automatische feste Gittervorspannungserzeugung (das ist etwas anderes als Autobias! Autobias gibts solange es Röhrenverstärker gibt...) dann kann man in den Verstärker jede Röhren reinstecken und er wird sie in den richtigen Arbeitspunkt (Ruhestrom) schieben.
Falls er das für jede Röhre einzeln tut (nur so ergibt das Sinn), dann kann man sogar ungematchte Röhren verbauen, allerdings hat man dann das Problem dass die Röhren sich dynamisch komplett unterschiedlich verhalten können, auch wenn sie im selben Arbeitspunkt arbeiten. Das erfordert eine aufwändigere Schaltung als ich sie bisher in der Industrie gesehen habe.
- Außerdem kann eine gute "Autobias"-Schaltung auch das Driftverhalten einer schlechten Röhre ("langsames Hochgehen", "rote Backen") in einem gewissen Rahmen verhindern, d.h. man wird als Hersteller weniger Reklamationen und mehr zufriedene Kunden haben.
- Die Kunden können die Röhren selbst tauschen, was das Sicherheitsgefühl ("Wenn mir auf einem Gig eine Röhre hochgeht...") erhöht und daher mehr Leute zu komplexeren Röhrenverstärkern greifen lassen kann.
- Man spart sich die Abgleicharbeiten bei der Herstellung, d.h. Kostenersparnis. Die paar Bauteile kosten fast nichts.
Das sind meine Einschätzungen, die ich nach den Jahren mit dieser (eigentlich total veralteten) Technik zusammengekramt habe. Zusammengefasst kann man sagen, dass seitdem Bugera, Blackstar und Co auf dem Markt erschienen sind und günstige Alternativen zu den bekannten Marken etabliert haben, diese bekannten Marken auch aufs Geld schauen müssen und daher eine Anpassung der Fertigungstechnik und Logistik auf heutigen Stand der Technik (soweit bei Röhrenamps möglich) unumgänglich ist. Und das sieht man: Breiteres Angebot, SMD, Ringkerntrafos, Platinen, kleinere Verstärker...
Viele Grüße
Stephan