Na, da sind ja mal wieder viele "Halbwahrheiten" zusammengeflossen!
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Daß für Single-Coils ein Wert von 22nF eingesetzt wird und 47nF für Humbucker gelten, ist mir ehrlich gesagt neu.
habs einer, denke doch recht seriösen Quelle entnommen
Ich glaube nicht, dass Seymour Duncan oder irgendein anderer Teilehersteller seine Hauptaufgabe darin sieht, ältere Schaltungen daraufhin abzuklopfen, welche Kondensatoren in der "klassischen" Periode verbaut waren. Eher gehe ich davon aus, dass man in allen Zweifelsfällen 47 nF einzeichnet, weil dieser Wert ziemlich genau in der Mitte liegt.
Bevor man dazu übergegangen war, die Werte für Bauelemente der E3- oder E12-Reihe zu entnehmen, wurden gern Kondensatoren mit 50 und 100 nF (=0,1 µF) verwendet. Bei der Strat verwendete Fender zunächst einen Wachspapierkondensator mit 100 nF als Tone-Kondensator. Es handelte sich um einen axialen Rund- oder Flachwickel. Die Broadcaster hatte zunächst keine Höhenblende, sondern nur die Position "deep rhythm", bei der ein Widerstand und ein Kondensator zusammen ein sehr wirksames Dämpfungsglied bildeten. Der Kondensator hatte hier eine Kapazität von 50 nF, entsprach aber ansonsten dem der Strat. Eine ähnliche Lösung fand man auch für die Esquire. Diese hatte im Gegensatz zur Broadcaster/Nocaster/frühen Telecaster auch eine Höhenblende, hier allerdings ebenfalls mit einem 50er Wachspapierkondensator.
Gibson setzte dagegen auf axiale Rundwickel aus dem Hause Sprague, die je nach Aussehen Black Beauty oder Bumblebee genannt wurden und einen Kunststoff als Dielektrikum verwendeten. Meines Wissens war es Polypropylen. Die Kapazität betrug 22 nF. Irgendwelche schaltungstechnischen Finessen wurden (wie auch bei der Strat) nicht verwendet.
Einige Zeit vor der Markteinführung der Stratocaster wurde die Telecaster-Schaltung überarbeitet. Das aus 15 kOhm/50 nF zusammengesetzte Dämpfungsglied wurde durch einen einzelnen Kondensator von 100 nF ersetzt. Das Ganze arbeitete also so wie ein ganz zugedrehtes Tone-Poti bei der Strat. Außerdem bekam die Gitarre eine "Esquire-like" Höhenblende mit 50er Kondensator. 1961 stellte Fender dann von Papier auf keramische Scheibenkondensatoren um.
1967 bekam die Telecaster eine Schaltung, die in ihren Grundzügen heute noch - oder wieder - verwendet wird. Die Stellung "deep rhythm" gab es nicht mehr. Als Tone-Kondensator wurde weiterhin einer mit 50 (oder 47) nF verwendet. Das Lautstärkepoti war mit einem Kondensator von 1 nF Kapazität überbrückt. Noch immer wurden ausschließlich Potis mit 250 kOhm verwendet. Um diese Zeit wurden die Kondensatoren durch eine kleinere Bauform ersetzt, die angeblich schlechter klingt. Etwas später begann man bei der Telecaster mit den Poti-Werten zu experimentieren; dafür wurde dann der Wert für den Tone-Kondensator vereinheitlicht, indem man nun auch bei der Strat 50 nF einsetzte.
In den frühen Siebzigern brachte Fender dann ebenfalls Gitarren mit teilweiser oder vollständiger Humbuckerbestückung auf den Markt. Zumindest bei der Telecaster Deluxe änderte man sowohl die Kondensatortechnologie als auch die Kapazität. Hier kamen Polyesterkondensatoren mit 22 nF zum Einsatz, und zwar radiale Flachwickel, deren Aussehen sich über die Jahrzehnte noch mehrfach ändern sollte. Rund 10 Jahre später löste man sich auch bei den Single-Coil-Gitarren mehr oder weniger von den Keramikkondensatoren. Bei vielen Exemplaren wurden Polyesterkondensatoren eingesetzt, wobei es im Falle der Telecaster mit ihren 2 Kondensatoren auch zu Mischbestückungen kommen konnte. Erst 1983 bekamen auch Strat und Tele einen Kondensator mit 22 nF.
Historisch korrekt wäre also eher 22 nF für Humbucker und 47 nF für Single Coils, nicht umgekehrt. Wobei sich die Frage stellt, ob man von den historisch korrekten Werten wirklich etwas hat. Selbst Werte von weniger als 1 nF können hier noch von Nutzen sein. Greift man z. B. auf ein NoLoad-Poti und einen Kondensator mit 820 pF zurück, dann hat man am Rechtsanschlag einen sehr brillianten Klang und am Linksanschlag eine um etwa einen Tritonus verringerte Resonanzfrequenz. Letzteres klingt dann annähernd so, als hätte man für viel Geld alle Tonabnehmer durch solche mit verdoppelter Induktivität ersetzt. Dafür liegen die beiden Resonanzfrequenzen nun so dicht beieinander, dass die Bedämpfung der Resonanzspitze bei einer mittleren Einstellung des Tone-Potis nun ziemlich gering ausfällt. Je nach Gitarre kann dies aber auch erwünscht sein.
Eine Alternative wäre es, die Resonanzfrequenz durch einen Stufenkondensator (gern unter Missachtung des Warenzeichenrechts als C-Switch bezeichnet, einfach mal nach diesem Begriff suchen) in, wie der Name sagt, mehreren engen Stufen zu regeln und dafür auf eine Regelung der Resonanzhöhe vollständig zu verzichten. Andererseits ist es auch möglich, einen Festwiderstand in Serie zur passiven Höhenblende zu schalten, damit die Resonanzspitze nur in einem bestimmten Umfang abgesenkt werden kann oder zumindest der Wirkungsbereich der Höhenblende soweit eingeschränkt wird, dass sich bei starkem Zurückdrehen keine neue Spitze mehr ausbildet. Die Einstellelemente für Resonanzfrequenz und Resonanzpegel lassen sich also auch bei passiven Schaltungen sauber voneinander trennen. Dies eröffnet auch die Möglichkeit, beide miteinander zu kombinieren (ich glaube, DerOnkel hat das irgendwo schon einmal vorgeschlagen).