ich frage mich warum das nicht die Standard Pickup Konfiguration für beispielsweise Les Pauls ist? Ich finde bei Les Pauls klingt ein Humbucker am Hals nur matschig und dumpf während ein P90 am Steg zu schrill klingt. Da wäre doch ein P90 als Hals Pickup und ein Humbucker als Steg Pickup die ideale Pickup Konfiguration, oder nicht?
Historisch gesehen ist die Antwort sehr simpel: Weil der HB aus Sicht von Gibson bzw. Ted McCarty die brummfreie Weiterentwicklung des P-90 war, also eine modernere und hochwertigere Version. Damals hätte sich der Kunde eher gefragt: wenn es schon brummfreie PUs gibt, warum bekomme ich dann im Spitzenmodell der Firma nur einen davon?
Überhaupt war das Konzept unterschiedlicher PUs damals eher noch ungewöhnlich, selbst Fender hat es mit der Strat wieder aufgegeben. Bei der Tele erschien der ursprüngliche PU Herrn Fender vielleicht einfach zu sperrig und groß für die Halsposition, und ohne die bei der Bridge vorgesehene Abdeckung auch ziemlich hässlich. Das kleine, glänzende Chrom-Ding war schlicht hübscher.
Ich muss aber auch der These widersprechen, dass ein NeckHB zwangsläufig "matschig und dumpf" ist. Gerade für einen PAF gilt das in einer guten Paula mMn überhaupt nicht, die waren im Vergleich zu vielen modernen HB ziemlich brillant und eher zurückhaltend im Output. Insbesondere mit einem A4-Magneten (der nach einigen Unterlagen anscheinend der ursprüngliche Standard war) sind die Bässe auch keineswegs übermächtig. Ich habe einen SH-1n mit einem A4 modifiziert und er ist sehr definiert, singt schön, ist aber selbst bei HiGain
null matschig.
Nicht zuletzt war Verzerrung bei der Entwicklung aber natürlich noch gar kein Thema. Ein PAF am Hals sollte in erster Linie einen überzeugenden cleanen Jazz-Sound und volle Akkorde für die Begleitung erzeugen, oder auch auf der Gitarre gespielte Walking Bass-Linien oder den Country-Wechselbass mit Fundament versorgen, wenn kein Kontrabass in der Band war. Auf dem Poker Chip steht ja aus gutem Grund "Rhythm/Treble".
Die geänderten Anforderungen haben die Hersteller aus meiner Sicht aber heute ganz gut im Griff. Von den mumpfigen 300 KOhm-Potis hat man sich bei Gibson schon lange wieder verabschiedet, und die NeckPUs sind auf die Position abgestimmt. Von daher frage ich mich, welche HB Du denn konkret meinst. Ein BB1 zB ist aus meiner Sicht nicht matschig.
ich würde gerne die besagte Pickupkonfiguration auf einer Gibson Les Paul realisieren, allerdings frage ich mich ob ich dazu eine Les Paul mit 2 P90 Pickups kaufe oder eine mit 2 Full Size Humbucker Pickups?
Richtig ist, dass ein P90 schon eine deutlichere Änderung in der Klangfarbe bringt, es gibt also natürlich auch gute Gründe, sich eine HB/P-90-Kombi zu wünschen. Andererseits ist jede nachträgliche Fräsung eine massive Wertminderung, ich würde also schon bei einem von beiden "Formfaktoren" bleiben.
Die Entscheidung würde ich davon abhängig machen, welcher Sound bei Dir Priorität hat. Spielst Du überwiegend verzerrte Sounds über den BridgeHB, würde ich eine HH-Paula wählen und den NeckHB durch einen P-90 im HB-Format ersetzen. Ich finde, dass viele davon dem Original doch schon sehr nahe kommen. Nicht zu 100%, aber die Auswahl ist inzwischen schon sehr groß, und es gibt sogar brummfreie Versionen wie etwa von Fralin, Duncan (P-90 Silencer), Dimarzio (Fantom P90). Ein erster Versuch in der Richtung war damals der Dimarzio Bluesbucker, der aussieht wie ein normaler HB, aber den Sound ganz überwiegend nur mit einer der beiden Spule abnimmt, die andere dient der Brummunterdrückung. Auch das ist ein Beispiel für einen sehr definierten NeckHB, der sogar Shred-tauglich ist und viel von einem fetten SC hat. Wenn Du also eher ein HB-Spieler bist, aber einfach die generelle Richtung eines P-90 am Hals anstrebst, sind das alles gut Lösungen, wie gesagt teils auch brummfrei.
Die Alternative wäre eine Les Paul mit 2 P-90, in der Du am Steg einen HB im P-90-Format einsetzt. Das halt vor allem, wenn Du beim P-90-Sound eine sehr spezifische Vorstellung hast, also was ganz bestimmtes suchst. Soundmäßig ist das in Bezug auf den anderen PU etwas weniger ein Kompromiss als die obige Version, da zumindest die nackten Spulen eines HB größenmäßig gerade so in eine P-90-Fräsung passen würden, eventuell mit etwas reduziertem Überstand an den Spulenkörpern. Man braucht aber nicht zwingend eine andere Spulengeometrie (wie eben bei P-90 im HB-Format), die den gewohnten Sound immer ein Stück weit ändert. Der Hersteller muss sich aber die Mühe machen, die Baseplate durch eine entspreche,nd neue, schmale Halterung zu ersetzen. Häussel macht das z.B. auf Anfrage mit jedem seiner HB, und auch von Dimarzio gibt es inzwischen eine Auswahl an HB im P-90 Format von annähernd Vintage bis hin zu Tone Zone und Super Distortion für P-90-Fräsungen.
Gruß, bagotrix